31. Juli 2019 | Dorothea Besch | Jubiläum
Grund zum Feiern haben die Evangelischen Frauen in Württemberg, denn 1919 wurde die „Frauenabteilung“ des Evangelischen Volksbundes gegründet. Anfangs war die Frauenabteilung dafür vorgesehen, die Gottesdiensträume zu schmücken und sich karitativ in den Kirchengemeinden zu betätigen. Schnell realisierten jedoch die Mitgliedsfrauen, dass die karitative Arbeit auch politisches Engagement braucht und die Not der Nachkriegszeit nur durch die Vernetzung der vielfältigen Frauenaktivitäten gelindert werden konnte. Daher kam es zur Gründung des „Bunds evangelischer Frauen Württembergs“, der bis 2005 als „Frauenarbeit der Evang. Landeskirche“ Kirche und Gesellschaft maßgeblich mitgestaltete.
Die „Staatsbürgerlichen Tagungen“, die ab 1951 angeboten wurden, um Frauen zu informieren und zur politischen Partizipation zu mobilisieren, waren dabei ein wichtiges Aufgabengebiet. Die „Frauenabteilung“, aus der das spätere „Frauenwerk“ wurde, wirkte aktiv in den Gemeinden mit vielzähligen theologischen Angeboten für Frauen, wie z.B. die Vorbereitung und Feier des Weltgebetstages der Frau. Die Fusion der beiden Werke im Jahr 2005 verband die Schwerpunkte der Verbandsarbeit und der Gemeindearbeit miteinander. Zur Feier des 100 jährigen Jubiläums beglückwünschen wir die Evangelischen Frauen (https://www.frauen-efw.de/).
Wer sich noch selbst auf Spurensuche zur Geschichte der Evangelischen Frauen machen möchte, findet im Landeskirchlichen Archiv iStaatsbürgerliche Tagung in Herrenberg 1951, LKAS P 2709n den Beständen K 6, Frauenarbeit, K 17 Frauenwerk und K 38 Evangelische Frauen spannendes und umfangreiches Material.
22. Juli 2019 | Gert Scheermaier | Aktenfund
Das Archiv unserer Landeskirche erreichen immer wieder Anfragen aus Kirchengemeinden zu ihrer Geschichte. Solche Anfragen können Impulse für wertschätzende Wahrnehmungen von Einrichtungen in der Gegenwart unserer Landeskirche auslösen. Dies war der Fall anlässlich der Anfrage einer Kirchengemeinde aus dem ländlichen Raum zur Geschichte ihrer ev. Kindergartenarbeit für ein Fest anlässlich eines Kindergartenjubiläums.
Schon bei den ersten Planungen im März 1913 für den Bau eines Gemeindehauses war angedacht, für eine „Kleinkinderschule“ im geplanten Gemeindehaus eine Heimat zu schaffen. Unter den Belastungen des ersten Weltkriegs ab 1914 konnte der Bau jedoch nicht zur Ausführung kommen. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts bildete sich dann in der von Initiativgeist erfüllten Kirchengemeinde Sulz a.N. ein rühriger Gemeindehausverein, der den Bau und dessen Finanzierung auf den Weg brachte.
Mit Beschluss des Kirchengemeinderats vom 02. August 1932 verpflichtete sich die Kirchengemeinde, „in den geplanten Bau die Kinderschule einzubauen und diese der politischen Gemeinde“… „zur Verfügung zu stellen.“ Mit Erlass des „Reichs- und Preußischen Ministeriums des Inneren“ vom 21.03.1941 wurde verfügt: „Die Betreuung der der Kinder in den Kindertagesstätten liegt der NSV“ (Nationalsozialistisches Volkswohl) „im Rahmen der allgemeinen Menschenführung der Partei ob.“ Mit Schreiben vom 14. Oktober 1944 protestierte der evangelische Dekan Rapp dagegen, dass die NSV nicht nur wie bisher einen Teil des Erdgeschosses für ihre „Kinderschule“ okkupieren wollte, sondern den gesamten Gemeindesaal im Erdgeschoss. Nach Kriegsende wurde das Gemeindehaus von der französischen Militärregierung zur Unterbringung ehemaliger polnischer „Fremdarbeiter“ vorübergehend benötigt. Rasch nach dieser Zwischennutzung hat die Kirchengemeinde dann auf Grund des Beschlusses des Kirchengemeinderats einen Tag der offenen Tür für den Kindergarten in der Trägerschaft der ev. Kirchengemeinde Sulz a.N. auf den Weg gebracht. Der Kindergarten trat dem „evang. Landesverband für Kinderpflege“ bei (heute: Evangelischer Landesverband Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V.) und die evangelisch institutionalisierte Kindergartenarbeit konnte sich entfalten.
Das Landeskirchliche Archiv verwahrt die Altakten des Ev. Landesverbands Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V., die den Neubeginn der einzelnen Kindergärten nach dem 2. Weltkrieg dokumentieren. Blog Quelle für ev. Kindergarten der KG Sulz a.N.1057_001
15. Juli 2019 | Andreas Butz | Kurioses
In den Akten des Oberkirchenrats hat sich in den Ortsakten von Großglattbach ein eigentümlicher Vorgang aus dem Jahr 1664 niedergeschlagen. Die mit einem simplen Umschlag zusammengefassten Schriftstücke, die mit „Wachter, Joh. Kaspar, Convertit”, betitelt sind, haben die eigentümliche Flucht des damaligen Ortspfarrers Wachters im Januar 1664 zum Inhalt. Der aus Bamberg stammende Johann Kaspar Wachter war ursprünglich ein Mönch des Zisterzienserklosters Langheim und versah in dieser Funktion die Messdienste in einigen katholischen Pfarreien. 1656 war er nach Württemberg geflohen und konvertierte zum protestantischen Glauben. Seine Revokationspredigt und seine Tübinger Dissertation „De Praedestinatione” haben sich in der Württembergischen Landesbibliothek erhalten. Von 1660 amtierte er als evangelischer Pfarrer in Großglattbach. Den Akten ist zu entnehmen, dass er im Sommer des Jahres 1663 von seiner Schwester, in Begleitung einer Nonne, besucht wurde. Im September des Jahres erhielt er einen Brief seines ehemaligen Abtes Mauritius Knauer, der in zeitgenössischer Abschrift auf den Akten erhalten ist. Der Abt, der über Wachters Schwester genaue Kenntnisse über die Verhältnisse erhalten hatte, forderte Wachter zur Rückkehr ins Kloster auf. Seine drei Kinder könne er mitnehmen, seine Ehefrau solle er zurücklassen. Sie sei als Konkubine anzusehen. Am 25. Januar 1664 verabschiedete er sich von seiner Familie unter dem Vorwand einer Reise nach Stuttgart. In Wirklichkeit war allerdings das Kloster Langheim seine Destination. Bereits auf halber Strecke begann er seine Flucht allerdings zu bereuen. In der württembergischen Exklave Kitzingen offenbarte er dem evangelischen Pfarrer sein eingetretenes Dilemma. Den Akten ist zu entnehmen, dass Wachter unterwegs seine Abkehr vom Protestantismus und von seiner Ehefrau bereute und nun verzweifelt alle Hebel in Gang setzte, wieder zurückkehren zu können. Erst nach monatelangem Ringen und umherwandern gelang es ihm, seine Frau und seine Schwiegermutter von der Aufrichtigkeit seines erneuten Sinneswandels zu überzeugen, und schließlich auch das württembergische Konsistorium unter wortreichen Beteuerungen zur Wiederaufnahme in den Dienst der Landeskirche zu bewegen. Er wurde daraufhin in anderen Gemeinden wieder als Pfarrer eingesetzt, zunächst in Neustadt, dann in Oberbrüden. Von Oberbrüden entlief er allerdings im Jahr 1668 erneut und ließ wiederum seine Frau mit den nunmehr fünf Kindern zurück, dieses Mal endgültig.
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Beurteilung des Falls durch Professor Tobias Wagner, Kanzler der Universität Tübingen, vom 10.2.1664. LKAS, A 29, Nr. 1671, Qu. 9.
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“Ich bin gantz verrückt in meinem Kopff, weiß nit wie mir geschehen mag …” Schreiben Wachters von unterwegs an das Württembergische Konsistorium vom Februar 1664. LKAS, A 29, Nr. 1671, Qu. 10.
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Schreiben von Abt Mauritius Knauer an Wachter vom 4.9.1663 (zeitg. Abschrift). LKAS, A 29, Nr. 1671, Qu. 1.
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Bericht des Knittlinger Spezialsuperdintendenten Johann Heinrich Wielandt über Wachters Flucht vom 26.1.1664. LKAS, A 29, Nr. 1671, Qu. 2.
8. Juli 2019 | Gert Scheermaier | Aktenfund, Kurioses
Bei der Archivierung der Akten des Landesbischofs fiel ein Brief der Gattin eines ehemaligen Oberkirchenrats vom 05. Dezember 2012 an das Bischofsbüro auf. Es handelte sich um ein Gedicht des damaligen Prälaten Adolf Schaal aus der Kriegszeit des zweiten Weltkriegs. Er hatte das Gedicht „zum 75. Geburtstag des Herrn Landesbischofs am 7. Dezember 1943“ verfasst. Das Bischofsbüro teilte mit Schreiben vom 18. Mai 2012 an die Einsenderin mit: „Diese Zeilen haben den Landesbischof sehr bewegt, sind sie doch ein Zeugnis, dass in einer Welt ‚in Schutt und Trümmer` Menschen auch mit Humor und ‚dennoch‘ versuchen, einen Weg in eine bessere Zeit zu finden. Das landeskirchliche Archiv wird sicher Interesse an dem Blatt haben.“ Gedicht von Prälat Schaal siebter Dezember 1944
Das zugetragene Gedicht ist ein zeitgeschichtliches Dokument für Humor in unserer Landeskirche. Der amerikanische Religionssoziologe Peter L. Berger definierte Humor als die Fähigkeit, Komik wahrzunehmen (vgl. schon „Erlösender Glaube“, 2006). In Komik liegt ein Signal des Transzendenten. Humor ist die Freude, welche die Welt überwunden hat. Humor hat viel mit Liebe und Güte zu tun. Heitere Menschen lachen deshalb nicht über andere, sondern mit anderen. Wer Humor hat, kann zumindest schmunzeln oder lächeln, wenn einem auch nicht nach Lachen zu Mute ist. Humor kann bisweilen in einer nur schwer zu ertragenden Wirklichkeit eine quasi erlösende Nebenwelt auf Erden schaffen. Glaube und Erlösung gehören zusammen. Wer das Licht Gottes in alle Abgründe seiner Seele eindringen lässt, kann Heiterkeit ausstrahlen. Und wer die Freudenbotschaft ernst nimmt, hat Grund zum Lachen. Das Osterlachen des Christentums ist ein historisches Zeugnis dafür. Aus der jüdischen Tradition des Christentums ist der Humor bekannt, der das Volk Israel in herausragender Weise auszeichnet. Solcher Humor trägt. Die Fähigkeit, Komik in der menschlichen Erfahrung zu entdecken, zeichnet auch christliches Alltagsleben aus. Das Gedicht von Prälat Schaal ist exemplarisch dafür. Humor wurde in der biblischen Forschung als Thema erst in jüngerer Zeit wieder entdeckt. Die Veröffentlichung dieses Gedichts möge dazu einen kleinen Beitrag leisten.
3. Juli 2019 | Andrea Kittel | Ausstellung, Region
Kinderspeisung vor der zerstörten Leonhardskirche, 1946. Fotograf: Willi Essig (Landeskirchliches Archiv, Nr. 9178)
In der Endphase des Zweiten Weltkriegs war die Stuttgarter Innenstadt am 25. Und 26. Juli 1944 Ziel massiver Bombenangriffe. Über 800 Menschen kamen dabei zu Tode, fast 2000 wurden verwundet. Viele Bauten der Innenstadt wurden damals zerstört oder schwer beschädigt. So auch die Leonhardskirche.
An diese Ereignisse möchte die Leonhardsgemeinde mit einem Gedenkgottesdienst am Sonntag, 21. Juli 2019 10:00 Uhr erinnern.
In der Kirche wird eine kleine Ausstellung mit historischen Fotografien zu sehen sein, die die Zerstörungen von 1944 ebenso dokumentieren wie den schnellen Wiederaufbau der Leonhardskirche.
https://www.leonhardskirche.de/gottesdienste-veranstaltungen/
25. Juni 2019 | Gudrun Dengel | Allgemein
In unserer Handbibliothek haben wir durch Zufall eine kleine Informationsbroschüre für das Archiv- und Bibliothekswesen aus dem Jahr 1974, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für das Archiv- und Bibliothekswesen der evang. Kirche. Dies soll keineswegs heißen, dass diese Broschüre alt und verstaubt ist; sie ist immer noch aktuell und sehr informativ für die Archivarbeit.
Folgende Darstellung bietet einen umfassenden Blick auf die Funktion und den Wert eines Archivs.
Wer den Begriff „Archiv” von Spinnweben und vom Hauch des Moders befreit, der kommt schnell zu dem Resultat: ein Archiv ist keine Rumpelkammer, es ist vielmehr eine Schatzkammer, eine Fundgrube, ein Arsenal wertvollen Schriftguts, wichtiger Urkunden und Dokumente, die nur ein einziges Mal vorhanden und daher unersetzlich sind.
Vergangenheit hat Zukunft – „ein Archiv ist auch ein Informationsspeicher für Menschen von heute, die kulturelle Werte von gestern auf ihre Verwendbarkeit für Vorhaben der Zukunft untersuchen”.
Was kann also ein Archiv tun, um aktuell zu bleiben?
19. Juni 2019 | Andreas Butz | Veranstaltung
Christoph Blumhardt. Landeskirchliches Archiv, Bildnissammlung.
Christoph Blumhardt, der engagierte Prediger, Politiker und Pazifist aus Bad Boll, verstarb vor 100 Jahren, am 2. August 1919. Die Blumhardt Sozietät lädt aus Anlass des Gedenkjahres zu einer Veranstaltungsreihe zum 100. Todestag ein. Informationen zu den Veranstaltungen, Ortsangaben sowie Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier. Das Programm, welches am 20. Juni 2019 beginnt, beinhaltet Vorträge, Lesungen, Konzerte, ein Symposium im Stuttgarter Landtag und anderes mehr.
Veranstaltungs-Flyer zum Download:
Blumhardt-Sozietät_Veranstaltungen_2019(1)
11. Juni 2019 | Uwe Heizmann | Aktenfund, Kurioses
Die Plüderhausener Kirchenkonventsprotokolle aus dem Jahr 1804 berichten von angeblichen Geistererscheinungen in der Schlafkammer der 35 Jahre alten, ledigen und unehelich geborenen Dorothea Schönhaar (getauft am 7. April 1769 in Plüderhausen), deren Mutter Benigna Sauterin – dies ist ausdrücklich im Kirchenkonventsprotokoll erwähnt – zudem im Ehebruch erzeugt wurde.
Eine „Mannspersohn”, ein Ritter, der im Schwedenkrieg erstochen worden sein soll, und „2 Weibspersohnen” sollen sie des Nachts besuchen und von einem „Kübele” mit 19.000 Gulden und weiteren Schätzen erzählen. Diese sollen für die Armen und für die Kirche verwendet werden und die Geister dadurch erlösen. Da die Schönhaar dies nicht erfüllen konnte, hatte sie bereits auf verschiedenen Wegen versucht, die Geister loszuwerden. Am 24. September 1804 bat sie schließlich darum, einen katholischen Geistlichen nach Plüderhausen kommen zu lassen, damit dieser die Geister austreibt.
Dem Protokoll vom 24. September ist zu entnehmen, dass das Gemeinschaftliche Amt, wie der Kirchenkonvent in Plüderhausen 1804 genannt wurde, der Schönhaar anfänglich keinen Glauben schenken wollte, sondern die „Erscheinungen” auf ihren schlechten Lebenswandel („schlechtes Praedicat”), Aberglaubens und ihr schlechtes Gewissen schob. Dennoch wurde sie nach den Geistern und ihr Verhalten eingehend befragt. Außerdem wurden „2 beherzte Männer” für eine Nacht in das Haus der Schönhaar „abgeordnet und beauftragt […], genau acht zu geben, ob und was für Betrügerey hier vorgehen möchte.” Nachdem beide anschließend einen Betrug ausgeschlossen hatten, wurde die Schönhaar am 2. Oktober erneut befragt. Dieses Mal interessierten sich Pfarrer und Amtmann genauer für die Personen, bei denen die Schönhaar um Rat nachgesucht hatte, für die bisher angewandten Versuche der Geisterabwehr und speziell ob, wie viel bzw. was die Schönhaar für die Ratschläge bezahlen oder als Gegenleistung erbringen musste.
Ob die Geister schließlich vertrieben werden konnten und ob der ein oder andere Ratgeber, der sich als Betrüger entpuppte, bestraft wurde, darüber schweigen die Quellen.
Das weitere Schicksal der Schönhaar ist bekannt. Sie wurde durch die Eheschließung vom 4. Oktober 1807 in Plüderhausen die dritte Ehefrau des Christian Frey und starb schließlich am 15. Oktober 1836 am selben Ort.
Die Geisterhistorie der Dorothea Schönhaar ist ein Beispiel der Kuriosa, die in den württembergischen Kirchenkonventsprotokollen zu finden sind. Außerdem ist sie in Beispiel dafür, dass früher oft der Stand in der Gesellschaft und das Ansehen über die Glaubwürdigkeit der eigenen Aussagen entschieden. Diese Kirchenkonventsprotokolle, wie auch andere, geben zudem einen größeren Einblick in die Verhältnisse der damaligen Gesellschaft und zeigen damit, dass die Kirchenkonventsprotokolle für diesbezügliche und andere sozialgeschichtlichen Forschung lohnenswerte Quellen sind.
Link zur Transkription der Kirchenkonventsprotokolle: Geisterhistorie_1804_Transkription
3. Juni 2019 | Sabine Tomas | Kurioses, Ulm
„Denen ist wohl nichts heilig!“, mag sich der ein oder andere Leser der Südwestpresse am Freitag den 14. Juni 1985 gedacht haben, als er beim Durchstöbern der Zeitung auf folgenden Artikel stieß: „Mit Schrauben und Blei gegen die Bibel-Diebe“. Der Autor dieses Artikels empörte sich über die anhaltende Entwendung einer Bibel, die in der Bessererkapelle des Ulmer Münsters den Altar schmücken und die Besucher zum Lesen anregen sollte. Allein drei Mal sollen laut Redakteur Spaßvögel im Jahr 1985 zugeschlagen und die Bibel aus Scherz, Übermut oder vielleicht dem Nervenkitzel einer Straftat entwendet haben. Eine dieser entwendeten Bibeln sei später wieder aufgetaucht und vom damaligen Münsterbaumeister Lorenz in mühsamer Handarbeit aufbereitet worden. Als das derzeitige Bibelexemplar aus der Bessererkapelle entwendet wurde, kam das aufgearbeitete Objekt wieder an seinen angestammten Platz – und wurde prompt erneut gestohlen. Eine neue Bibel musste her, und dieses Mal sollte die Bibel auch dort bleiben, wo sie hingehörte. Daher verschraubte man dieses Exemplar an seiner Unterlage, einem kleinen Lesepult auf dem Altar. Zusätzlich lies Gerhard Lorenz das hölzerne Pult mit Blei füllen.
Während man im Fall der Bibel von einer Lappalie sprechen kann, hatten andere im Archiv der Ulmer Münsterbauhütte dokumentierten Diebstähle im Münster größere Auswirkungen. Pfarrbildnisse schienen Verbrecher ebenso angezogen zu haben, wie die Bibel aus der Bessererkapelle. 1971 entwendeten Diebe ein Pfarrbildnis J.G. Sappers aus dem Jahr 1737. Das Bildnis war mittels Plastikdübel am Rahmen mit der Wand verschraubt worden. Das half aber nichts, das Bild samt Rahmen und Dübel waren verschwunden. Ein weiterer aus den Unterlagen hervorgegangener Fall betrifft das Bildnis Sebastian Besserers, Bürgermeister der Stadt Ulm im 16. Jahrhundert, und ereignete sich 1968. Tatort war erneut die Bessererkapelle. Besonders an diesem Fall ist, dass der Diebstahl wohl erst mehrere Wochen nach der Tat entdeckt worden war. Das Bildnis wurde aus seinem Rahmen herausgeschnitten. Dieser leere Rahmen wurde zwar bemerkt, sei aber über längere Zeit nicht hinterfragt worden, da es sich dabei auch um eine Restaurierungsmaßnahme der Bauhütte hätte gehandelt haben können, bis ein Zimmermann der Münsterbauhütte den leeren Rahmen meldete.
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Archiv Münsterbauamt Ulm, Nr. 51, Mappe II, Südwestpresse 24.6.1985
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Archiv der Münsterbauhütte, Nr. 38, Mappe II
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Archiv der Münsterbauhütte, Nr. 38, Mappe II, Fotografie des Porträts J.G. Sapper
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Archiv der Münsterbauhütte, Nr. 36, Mappe II, Fotografie des Porträts Sebastian Besserer
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Archiv der Münstebauhütte, Nr. 36, Mappe II
28. Mai 2019 | Uwe Heizmann | Bestand, Genealogie
Taufeintrag vom 7. September 1800 mit umfangreichen Angaben zu den Eltern – der Vater ist aus der Garnison Erlangen (so schön geschrieben sind leider nur wenige der Einträge).
Unter den Archivalien des Dekanatamtes Crailsheim, die sich im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart befinden, befindet sich ein Militärkirchenbuch (Nr. 79), das einige Besonderheiten aufweist.
Das Kirchenbuch enthält einleitend eine Notiz zum Aufenthalt des 3. Bataillons eines königlich-preußischen Infanterieregiments in Crailsheim 1798-1805, gefolgt vom einem Taufregister für die Jahre 1797 bis 1806, einem Eheregister für 1797 bis 1804, einem Totenregister für 1797 bis 1806 und einem Kommunikantenregister für 1798 bis 1806.
Die Einträge sind umfangreich und enthalten mehr genealogisch interessante Informationen als üblich. So sind in den Taufeinträgen die Mütter mit vollem Namen und teilweise der Herkunftsort der Eltern genannt. Die Eheeinträge enthalten Angabe zur Herkunft und Alter sowie zu den Eltern der Brautleute. In den Todeseinträgen von Kindern sind die Mütter ebenfalls mit vollem Namen genannt.
Neben den erwartungsgemäß evangelischen Soldaten bzw. deren Angehörige sind auch viele Einträge zu katholischen Soldaten zu finden, darunter auch Eheeinträge zu rein katholischen Brautleuten. Die bemerkenswerteste Besonderheit aber ist, dass die Einträge nicht nur königlich-preußische Soldaten der Garnison Crailsheim betreffen, sondern auch Soldaten aus den einige Tagesmärsche entfernten Garnisonen Erlangen und Ansbach, die sich zeitweise, wahrscheinlich aus dienstlichen Gründen, in Crailsheim aufhielten.
22. Mai 2019 | Sabine Tomas | Aktenfund, Kirchen
Bereits etwas vergilbt, aber liebevoll per Hand gebunden, liegt die Hausarbeit einer Schülerin der Mädchenoberschule Esslingen von November 1953 vor. In feinster Handschrift ausgeführt, handelt die Arbeit vom Ulmer Münster, seiner Architektur und Geschichte. Ergänzt wird der Text, der in einer Sprachfeinheit verfasst wurde, die heutzutage universitätswürdig wäre, durch eingeklebte Postkarten und Bilder. Die formale Struktur der Arbeit hätte am Computer nicht besser erstellt werden können: die Untergliederungspunkte wurden eingerückt, ebenso wie die Anfänge eines jeden Absatz. Es scheint auch so, als hätte die Verfasserin den Text bereits vorgeschrieben und ihn dann in die vorliegende Form übertragen, denn es sind wenige Korrektur, keine Streichungen oder Ähnliches zu erkennen. Dieses Fundstück aus dem Bestand der Ulmer Münsterbauhütte inspiriert und regt zum Nachdenken an: über das Zeitalter der Digitalisierung, in der die Handschrift immer mehr an Bedeutung verliert, ein jeder aber auch froh darüber ist, seine schriftlichen Arbeiten, ob in der Schule oder der Universität, nicht mehr mühsam per Hand schreiben und übertragen zu müssen; über die Wirkung und Aura von Objekten, die zeigen, wie viel Herzblut ihr Schöpfer in ihre Kreation gesteckt hat; und zuletzt über Bildung, die heute in Deutschland für Männer wie Frauen selbstverständlich ist, 1953 für Mädchen aber noch etwas Wunderbares und nicht Alltägliches war.
15. Mai 2019 | Uwe Heizmann | Allgemein
Wer ist nicht schon einmal selbst bei den Eltern oder Großeltern oder auch nach Kauf eines älteren Hauses in Schränken, auf dem Dachboden oder im Keller auf alte Unterlagen gestoßen und hat sich gefragt, was damit geschehen soll? Viel zu schnell wird dann die Entscheidung getroffen, das „alte Zeug” einfach wegzuwerfen! Doch dieses „alte Zeug”, alte, handschriftlich verfasste Texte, Hefte oder Bücher, aber auch alte Fotos können für die Forschung interessant sein. Es können Unterlagen aus dem privaten Bereich sein, wie Tagebücher oder Briefe, aber auch Predigtmitschriebe oder Notizen und Fotografien zum kirchlichen und gesellschaftlichen Leben. Außerdem können historische Unterlagen darunter sein, die auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen von kirchlichen oder kommunalen Einrichtungen in Privatbesitz gelangt sind, aber eigentlich Eigentum des örtlichen Pfarramts oder der Gemeinde sind, wie z.B. Kirchenbücher oder Protokollbände. Deshalb darf mit diesen historischen Unterlagen nicht sorglos umgegangen werden. Das Landeskirchliche Archiv Stuttgart bietet an, diese Unterlagen in Augenschein zu nehmen und eine Empfehlung abzugeben, was damit getan werden sollte. Das Landeskirchliche Archiv hat selbst Interesse an Unterlagen, die Bezüge zur Landeskirche haben, z.B. Nachlässe von Pfarrern, Missionaren oder anderen, mit der Kirche verbundenen Personen, aber auch Unterlagen mit personengeschichtlichem Bezug und auch an Unterlagen, die seit geraumer Zeit auf den Pfarrämtern vermisst werden. Gedruckte (Familien-)Bibeln sind dagegen vorhanden.
Sollten Sie im Besitz solcher alter Unterlagen sein und selbst keine Verwendung dafür haben, so bittet das Landeskirchliche Archiv darum, mit dem Archiv Kontakt aufzunehmen.
Kontakt: Uwe Heizmann, uwe.heizmann@elk-wue.de, 0711 2149 662, Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Balinger Str. 33/1, 70567 Stuttgart
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Kirchenbuch 19. Jhdt., Landeskirchliches Archiv
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Kirchenbuch 18. Jhdt., Landeskirchliches Archiv
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Predigtmanuskript, Landeskirchliches Archiv
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Predigttyposkript, Landeskirchliches Archiv
6. Mai 2019 | Michael Bing | Interkultur
Unser Mitarbeiter Michael Bing ließ es sich bei einem privaten Besuch bei der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Zions-Gemeinde in Brooklyn nicht nehmen, das dortige Pfarrarchiv zu sichten.
Zusammen mit dem Pastor Klaus-Dieter Gress, ursprünglich Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, und dem Kirchenpräsidenten Frederick Hansen nahm Michael Bing die Kirchenbücher, die Protokolle des Gemeinderates, der Sonntagsschule und etliche unerschlossene Unterlagen des Pfarrarchivs in Augenschein.
Die Zions-Gemeinde wurde 1855 von einem Württemberger gegründet. Pastor Friedrich Wilhelm Tobias Steimle, 1827 in Alzenberg bei Calw geboren, ursprünglich auf dem Lehrerseminar in Wildberg für das Lehrfach und später im Baseler Missionshaus als Missionar ausgebildet, war 1851 nach New York ausgewandert und baute dort die Deutsche Evangelisch-Lutherische Gemeinde auf. Zunächst in einem kleinen angemieteten Saal in der Washington Street untergebracht, konnte die Gemeinde 1856 die ehemalige holländisch-reformierte Kirche in der Henry Street erwerben, in der auch heute noch Gottesdienst gefeiert wird, in deutscher und in englischer Sprache.
Besonderes Augenmerk lag bei diesem außergewöhnlichen Archivpflegebesuch natürlich auf den historischen Kirchenbüchern der Zions-Gemeinde zu New York. Die Tauf-, Ehe- und Sterberegister setzen 1856 ein und wurden vor etlichen Jahren sicherungsverfilmt. Der Besuch in New York konnte genutzt werden, um mit dem Pfarrer und dem Kirchenpräsidenten erfolgreiche Gespräche über die Digitalisierung und Bereitstellung der Kirchenbücher auf dem Kirchenbuchportal Archion zu führen.
Archion erhält somit demnächst einen Datenschatz aus Übersee.
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Pastor Friedrich Wilhelm Tobias Steimle
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Zionskirche in Brooklyn (New York)
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Protokoll der Sonntagsschule, Pfarrarchiv der Zionsgemeinde New York
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Kirchenordnung der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Zionsgemeinde, Pfarrarchiv der Zionsgemeinde New York
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Namensregister zum Taufbuch. Pfarrarchiv der Zionsgemeinde New York
2. Mai 2019 | Andreas Butz | Allgemein, Veranstaltung
Aus Anlass des 250. Todestages (24.4.1769) des Dichters des Geistlichen Liederkästleins veranstaltet die Kirchengemeinde Steinheim am Albuch , – über mehr als 20 Jahre Ort seines Wirkens -, ein Gedenkprogramm mit Festvortrag.
30. April 2019 | Andreas Butz | Interkultur, Veranstaltung
Eine Besonderheit der württembergischen Kirchengeschichte ist die Integration der waldensischen und hugenottischen Flüchtlinge aus dem südwestlichen Alpenraum, die aufgrund einer Glaubensverfolgung 1699/1700 verschiedene Ansiedlungen in Württemberg gründen durften, wie Großvillars, Sengach, Pinache, Perouse, Schönenberg, Serres, Kleinvillars, Wurmberg-Lucerne. Von 1699 bis zum Jahr ihrer Eingliederung in die Landeskirche 1823 bestanden sie als französischsprachige reformierte Minderheit in Württemberg. Eine ganze Reihe von französischsprachigen Kirchenbüchern im Landeskirchlichen Archiv gibt davon Zeugnis (vgl. als Beispiel das Beitragsbild mit einer Seite aus dem Taufregister von Großvillars von 1700). Die deutsche Waldenservereinigung lädt zu einem Begegnungsfest in Schönenberg, wo das Museum an diesem Tag ganztägig geöffnet sein wird.
29. April 2019 | Andreas Butz | Fotografie, Kirchen
Wen die Frage interessiert, wie das Original der spätmittelalterlichen Kreuzigungsgruppe der Leonhardskirche, die dort heute als Kopie aufgestellt ist, in die Hospitalkirche gelangte, oder was die Hintergründe für die Errichtung des Reformationsdenkmales vor der Hospitalkirche waren, wird nun Antworten, und zahlreiche Belege auf der von Andreas Keller mit großem privaten Engagement betriebenen Internetseite www.kirchen-online.com finden. Dort erhält man zudem viele weitere Informationen über Stuttgarter und andere württembergische Kirchen, die sich aus seinen sorgfältigen Recherchen ergaben. Häufig werden Transkriptionen oder auch Abbildungen der historischen Quellen geboten. Zusätzlich sind die Beiträge umfangreich mit eigenen Aufnahmen Andreas Kellers illustriert. Die Fotos zeigen nicht nur Gesamtaufnahmen sondern jeweils auch Details der Fassaden, der Innenräume, und auch Epitaphien und andere Besonderheiten der jeweiligen Kirchen. Wer sich für Kirchen interessiert, sollte diese Seite unbedingt im Auge behalten.
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Reformationsdenkmal Hospitalkirche Stuttgart. Fotograf: Andreas Keller
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Reformationsdenkmal Hospitalkirche Stuttgart Detail Profilansicht Luther. Fotograf: Andreas Keller
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Reformationsdenkmal Hospitalkirche Stuttgart Detail Christus. Fotograf Andreas Keller
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Reformationsdenkmal Hospitalkirche Stuttgart Brenz und Luther Profil. Fotograf: Andreas Keller
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Reformationsdenkmal Hospitalkirche Stuttgart Brenz Profil. Fotograf: Andreas Keller
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Reformationsdenkmal Hospitalkirche Stuttgart Brenz frontal. Fotograf: Andreas Keller
23. April 2019 | Uwe Heizmann | Quellenkunde
LKAS, A 1, Nr. 111 (1779), S. 169. Visitation Vöhringen 21.05.1779. Eintrag zum Schulmeister und zum Hilfslehrer (Provisor) in Vöhringen, Vater und Sohn, ein Beispiel für eine so genannte Schulmeisterdynastie, Visitation 21.05.1779
„Der Mann ist nicht unfein in der Schule, Ehe und Wandel.“ (Schulmeister in Rodt, Pfarrei Lombach, Visitation 21.04.1766, LKAS, A 1, Nr. 98 (1766), S. 150)
„Hat schlechte Gabe, übt die Kinder nicht lange genug im Buchstabiren, deßwegen sie nie recht lesen lernen, versteht nichts im Rechnen, sonst ist Fleiß, Wandel, Schulzucht und Ehe recht.“ (Schulmeister in Loßburg, Pfarrei Lombach, Visitation 14.04.1779, LKAS, A 1, Nr. 111 (1779), S. 138.)
Solche und andere positive und negative Zeugnisse über die Schulmeister sind in den Visitationsprotokollen des Herzogtums und später auch des Königreiches Württemberg zu finden. Die Visitationsprotokolle sind nicht nur eine interessante und umfangreiche Quelle zu den Pfarreien und Pfarrern, sondern eben auch zu den Schulmeistern – und auch zu Schulmeisterinnen. Ihnen können neben den Zeugnissen durch den Visitator auch biographische Daten wie Name, Alter oder Geburtsdatum, Herkunft und Anzahl der eigenen Kinder sowie Dienstzeit und Anzahl der Schulkinder entnommen werden.
Die Visitationsprotokolle sind im Bestand A 1 (Synodusprotokolle I – Visitationsberichte) des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart in gekürzter Form, aber mit den eben genannten Informationen zu finden. Weitere Angaben, speziell Haupt- oder Nebentätigkeiten der Schulmeister und die Beurteilung durch den Ortspfarrer sowie genauere Angaben zum zeitlichen Umfang der Winter- und Sommerschule, sind in den Visitationsprotokollen zu finden, die im Bestand A 281 (Kirchenvisitationsakten) des Hauptstaatsarchivs Stuttgart überliefert sind.
Die Überlieferung der Visitationsprotokolle im Landeskirchlichen Archiv sind für den Zeitraum 1695 bis 1822 durchgehender, wenn auch mit kleineren Lücken, als im Hauptstaatsarchiv. Auch für die Zeit zwischen 1581 und 1680 sind die Visitationsprotokolle umfangreicher, hier mit größeren Lücken, im Landeskirchlichen Archiv vorhanden, als im Hauptstaatsarchiv. Lediglich die Jahre 1681 bis 1692 sind allein durch die Überlieferung im Hauptstaatsarchiv abgedeckt, wobei auch hier nicht durchgängig für alle Pfarreien. Man kann also sagen, dass die Überlieferung im Hauptstaatsarchiv inhaltlich umfangreicher, die Überlieferung an sich jedoch im Landeskirchlichen Archiv dichter ist. Nicht unerwähnt bleiben darf hierbei, dass v.a. in den älteren Visitationsprotokollen des Landeskirchlichen Archivs und speziell aus der Zeit des 30jährigen Krieges nicht alle Pfarreien aufgeführt sind.
Ergänzend sind in den Dekanatsarchiven, von denen sich die meisten im Landeskirchlichen Archiv befinden, Visitationsakten vorhanden. Diese enthalten neben anderen Unterlagen zu den Visitationen ebenfalls Visitationsprotokolle. Ob diese Entwürfe sind oder versehentlich nicht an den Synodus eingeschickt wurden, müsste im Einzelfall noch geprüft werden.
Weitere Informationen zu den örtlichen Schulen und möglicherweise zu den Schulmeistern könnten ferner in den Akten zu „Schulsachen“, die in Dekanats- wie auch in Pfarrarchiven vorhandenen sind, zu finden sein.
Die Informationen zu den Schulmeistern halten sich in den ersten Visitationsprotokollen noch in Grenzen, werden im 17. Jahrhundert mehr, bis sie ab dem 18. Jahrhundert den oben angegeben Umfang haben. Die Visitationsprotokolle sind somit eine interessante und umfangreiche Quelle für genealogische Forschungen, aber auch für Untersuchungen zur Sozial-, Schul- und Bildungsgeschichte.
Neben den Visitationsprotokollen existieren noch verschiedene Dienerbücher, in denen u.a. die Schulmeister, teils mit Bezahlung, aufgeführt sind (z.B. im Landeskirchlichen Archiv, A 12, Nr. 1, 2, 3, 7 und 36). Jedoch stellen diese Bücher nur Momentaufnahmen zu einem bestimmten Jahr bzw. Zeitabschnitt dar, können aber zur Kontrolle oder einzelne Ergänzungen herangezogen werden.
Ergänzend sei noch erwähnt, dass in den Visitationsprotokollen im Hauptstaatsarchiv, zumindest in denen ab dem 17. Jahrhundert, auch die örtlichen Heiligenpfleger und Hebammen namentlich erwähnt werden.
15. April 2019 | Andrea Kittel | Bestand, Museale Sammlung
Vieles hatte sich über Jahrzehnte hinweg angesammelt bei der Basler Mission Deutscher Zweig in der Stuttgarter Vogelsangstraße: Exotische Mitbringsel von Missionarinnen und Missionaren, Geschenke aus Partnerschaftstreffen, Werbemittel, Sammelbüchsen und sogar das Reiseharmonium eines Indien-Missionars. Zwischen chinesischen Wandbehängen und afrikanischen Trommeln lagerte auch eine Büste von Karl Hartenstein, der von 1926 bis 1939 Direktor der Basler Mission war.
Dass diese Dinge wichtige Zeugnisse der bewegten Geschichte der Basler Mission sind, war den Verantwortlichen spätestens beim 200-jährigen Jubiläum der Basler Mission im Jahr 2015 klar. In der Jubiläumsausstellung „Unterwegs zu den Anderen” gelang es vor allem durch die Exponate das Publikum anzusprechen und über vielschichtige Perspektiven und Lesarten die Entwicklung der Missionsgesellschaft aufzuzeigen.
Um die Objekte für die Zukunft zu erhalten, wurde der Bestand jetzt in die Museale Sammlung im Landeskirchlichen Archiv gegeben. Dort wird jedes Stück fotografiert, beschrieben und in einer Datenbank erfasst und unter geeigneten klimatischen Bedingungen aufbewahrt. Die Objekte stehen dann weiter für die Öffentlichkeit zur Verfügung und können jederzeit für entsprechende Projekte ausgeliehen werden. Kontakt: andrea.kittel@elk-wue.de
8. April 2019 | Dorothea Besch | Bestand
Die württembergische Theologin Lenore Volz wurde am 16.03.1913 in Stuttgart geboren, studierte von 1933-1938 Theologie in Tübingen und Greifswald und war ab 1940 zuerst als „Pfarrgehilfin“, nach der zweiten theologischen Dienstprüfung 1943 als „Pfarrvikarin“ in Bad Cannstatt tätig. Dort wurde sie 1970 als Krankenhauspfarrerin investiert und blieb bis 1978 im Amt. Lenore Volz war die treibende Kraft im Kampf um die Gleichberechtigung der Theologinnen, denen es in Württemberg bis zur Reform der Theologinnenordnung 1968 nicht gestattet war, ein Gemeindepfarramt zu übernehmen. Den Anstoß zur Reform gab Lenore Volz 1961 in der kirchlich-theologischen Arbeitsgemeinschaft des Dekanats Bad Cannstatt mit ihrem Vortrag „Ist die Theologinnen-Ordnung von 1948 revisionsbedürftig?“. 1965, als Vorsitzende des Konvents evangelischer Theologinnen in Württemberg bereitete sie mit ihren Mitstreiterinnen die Studie „Frauen auf die Kanzel? Eine brennende Frage unserer Kirche“ vor, die 1967 mit einem Vorwort von Richard von Weizsäcker erschien. Die Beantwortung dieser „brennenden Frage“ führte zum neuen Theologinnengesetz, das am 15. November 1968 verabschiedet wurde. Den Weg, den die Theologinnen bis zu ihrer rechtlichen Gleichstellung gegangen waren, lässt sich im spannenden Nachlass von Lenore Volz nachvollziehen. Darüber hinaus gibt er Einblick in ihre Tätigkeit als Klinikseelsorgerin, in ihre Predigten und ihre berufliche sowie private Korrespondenz. Wir freuen uns über Interessierte, die diesen Nachlass im Landeskirchliche Archiv Stuttgart unter der Signatur D 86 einsehen und neue Erkenntnisse gewinnen möchten. Das Findbuch ist unter der Adresse https://www.wkgo.de/wkgosrc/findmittel/cms/index/LKAS-D086 einsehbar.
1. April 2019 | Andreas Butz | Aktenfund, Kurioses
In der Ortsakte von Flacht im Bestand des Dekanatsarchivs von Leonberg (DA Leonberg, Best.-Nr. 114) befindet sich ein Schreiben des Maulbronner Oberamtmanns Seubert an den Dekan von Roßwag Philipp Konrad Lang, in welchem der Absender dem Empfänger mitteilt, dass er bei seiner Entscheidung bleiben würde, dass die zwei Brüder Bergetz, die ein Geldmännlein kaufen wollten, mit einer Turmstrafe von drei Tagen genug bestraft seien, auch wenn der Vogt von Vaihingen eine härtere Bestrafung für richtig halte. Diese Bestrafung sei genügend, da die beiden Schelmen ja keinen tatsächlichen Handel mit dem Satan eingegangen seien und diesen auch nicht gesehen hätten.
Solch ein Geldmännlein zu besitzen war natürlich verlockend, da es über Nacht Münzen vermehren konnte, also den Geldbestand des Besitzers ohne Arbeitsaufwand erhöhte. Somit war der Kauf eines solchen Objekts eine attraktive Geldanlage. Wie bei Aktien oder Bitcoins war die Investition aber nicht risikofrei. Das Risiko war sogar besonders hoch, denn der Besitzer musste das Männlein rechtzeitig weiterverkaufen, und zwar zu einem niedrigeren Preis. Besaß er das Männlein noch, wenn er starb, oder vom Tod überrascht wurde, so verfiel seine Seele dem Teufel. Das geschah dann, wenn er den Zeitpunkt aus Gier verpasste, oder aber wenn er das magische Wesen aus Unwissenheit für nur einen Pfennig erwarb und es dann nicht mehr billiger verkaufen konnte.
“Ich werde dahero wegen derer beyden Bergetzen von Flacht, welche ein Geldmännlein kaufen wollen, von meiner ersteren gehabten Maynung nimmermehr abweichen, sondern halte davor, daß sie mit 3. tägiger Thurmstraff genügsam gebüst haben, kann auch nicht finden, daß ein Casu sich befinde, indeme die arme Schelmen ja den Teufel nicht gesehen haben. […]”
25. März 2019 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
In der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv befinden sich ein Frauentalar und ein Frauenbeffchen. Sie stammen von Charlotte Essich, einer der ersten württembergischen Pfarrerinnen. Beide Objekte zeugen davon, wie schwer der Weg der Frauen ins Pfarramt bis zur Gleichstellung im Jahr 1968 war.
Lange Zeit gab es für evangelische Geistliche keine einheitliche Amtstracht. 1811 wurde in preußischen Ländern erstmals eine Talarpflicht eingeführt. Erst 1888 verpflichtete ein Kirchenerlass die württembergischen Pfarrer zu schwarzem Talar und weißem Beffchen.
Als ab 1904 in Württemberg auch Frauen zum Theologiestudium zugelassen waren, wurde ihnen weder ein vollwertiges Pfarramt noch eine Amtstracht zugestanden. Sie firmierten als „Pfarrgehilfinnen“ und „Pfarrvikarinnen“ und waren vom Predigtamt und von Sakramentshandlungen ausgeschlossen. Ihr seelsorgerliches Amt versahen sie im schwarzen Kleid.
Charlotte Essich (1912-2008) studierte von 1931-1936 evangelische Theologie. Obwohl der Predigtdienst für Frauen damals noch nicht vorgesehen war, wurde Frau Essich während des 2. Weltkrieges, im Jahr 1943, als Kriegsstellvertreterin auf die Kanzel nach Cannstatt berufen. Das ging natürlich nicht im Kleid, also bekam sie einen umgearbeiteten Talar, der mit einem „frauengemäßen Verschluss“ und anliegendem Kragen versehen wurde. Ein Beffchen war nicht genehmigt, deshalb wurden weiße seidene Kragenecken angeknüpft.
1948 wurde offiziell eine Amtstracht für Frauen zugelassen und in Zuge dessen ein spezielles Frauenbeffchen geschaffen. Die Leiterin der Evangelischen Frauenarbeitsschulen Stuttgart, Johanna Binder, entwarf ein pflegeleichtes Krägelchen, das nur gebügelt und nicht gestärkt werden musste. Schließlich hatten die Pfarrerinnen keine dienstbaren Frauen im Hintergrund, die diese Aufgabe für sie übernommen hätten. Das „Frauenbeffchen“ war bis zur Gleichstellung durch die Einführung der Frauenordination 1968, und vielfach darüber hinaus, in Gebrauch.
Auf Württembergische Kirchengeschichte Online finden Sie auch einen ausführlichen Artikel zur Amtstracht in Württemberg von Wolfgang Schöllkopf.
18. März 2019 | Anette Pelizaeus | Bestand, Kirchen
Ulmer Münster, Gesamtansicht von Südosten. Aus: Zehn Deutsche Dome, Berlin 1939, S. 193.
Das Verzeichnungsprojekt der Ulmer Münsterbauhütte ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart und der kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert Haag und Prof. Dr. Eva-Maria Seng, ausgeführt von Dr. Anette Pelizaeus und Sabine Tomas.
Im September 2016 wurde das Archiv der Ulmer Münsterbauhütte zur Verzeichnung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart eingeholt.
Das Archiv enthält erstens eine umfassende Quellensammlung, bestehend aus Amtsbüchern, Bauakten, Akten zum Münsterbauverein, Korrespondenzen, Tagebüchern der Münsterbaumeister, Hüttenmeister und Turmwärter, Bautagebüchern, Baufortgangsberichten, Steinhauer- und Arbeiterlisten, Zahltaglisten und Stammlisten der Mitglieder der Münsterbauhütte. Zweitens beinhaltet das Archiv auch ein umfangreiches Bildarchiv mit Fotos, Dias und ca. 4.000 Glasplatten.
Zunächst musste ein Profil für die Datenbank mit allen notwendigen Informationen zur Verzeichnung des Bildmaterials mit Lokalisation, Titulatur, Objektbeschreibung, ikonografischen und personenbezogenen Angaben, Datierung und einer detaillierten Indizierung erstellt werden, und zwar angelehnt an die allgemeinen Erschließung von Quellen und Bildmaterial im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart.
Die Dokumentation des Bildbestandes ist bereits abgeschlossen. Es wurden ca. 2500 Glasplatten und 3612 Positive, jeweils ausschließlich der Duplikate, in der Datenbank erfasst. Die verzeichneten Glasplatten werden nun in einem zweiten Schritt digitalisiert.
Die Erfassung des Quellenmaterials wird voraussichtlich noch bis Mai 2020 andauern.
Am 24. Mai 2019, 17.00 Uhr, ist ein Vortrag von Frau Dr. Pelizaeus und Frau Tomas zum Thema Münsterbauhütte geplant. Ort ist der Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs.
13. März 2019 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
Die Museale Sammlung im Landeskirchlichen Archiv konnte kürzlich wieder ein besonderes Objekt aufnehmen: Eine Bilderbibel, im Religionsunterricht gestaltet von Kindern unterschiedlicher Schularten aus der Prälatur Ludwigsburg. Dieses bunte Gemeinschaftswerk war ein Abschiedsgeschenk an die Prälatin Dorothea Margenfeld.
Als Dorothea Margenfeld 1992 zur ersten Prälatin in der Württembergischen Landeskirche ernannt wurde, war dies ein starkes Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Viele begrüßten diesen Schritt. Andere wiederum konnten sich – 30 Jahre, nachdem Frauen zum Pfarramt in der Württembergischen Landeskirche zugelassen worden waren – damit nicht anfreunden. Ein Pfarrer bezeichnete öffentlich die Prälatur als unbesetzt und weigerte sich, Margenfeld als Vorgesetzte anzuerkennen. Erst ein offener Brief des damaligen Bischofs Theo Sorg ließ die Proteste allmählich verstummen. Als Margenfeld 2003 in den Ruhestand ging, hatte sie ihre Kritiker längst von sich überzeugt und erfreute sich großer Beliebtheit.
Bei ihrer Verabschiedung wurde ihr die von Kindern gestaltete Prälaturbibel überreicht – ein passendes Geschenk. Denn die besondere Weltsicht von Kindern hat Dorothea Margenfeld immer sehr interessiert wahrgenommen und wertgeschätzt. In ihren Texten, Briefen und Predigten, in Ansprachen und Andachten, kommen häufig Kinder vor. Sie stellen kritische Fragen und geben kluge Antworten. „Kinder halten am Unmöglichen fest“, sagte sie einmal in einem Interview. „Wir müssen als Christinnen und Christen am Unmöglichen festhalten – an der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit inmitten einer friedlosen, ungerechten Welt. Und manchmal wächst dann ganz plötzlich und unvermutet etwas. Das ist ganz erstaunlich.“
Mit dem Ruhestand der Prälatin vor 15 Jahren wurde im Zuge einer Strukturreform die Prälatur Ludwigsburg aufgelöst und ihr Gebiet auf die umliegenden Prälaturen verteilt.
7. März 2019 | Jakob Eisler | Allgemein, Palästina, Reformation, Syrisches Waisenhaus
Ein neuer Fund aus dem Landeskirchlichen Archiv: Einer der Baumeister der Wittenberger Schlosskirche ging kurz nach der Einweihung nach Jerusalem und baute dort nicht nur die deutsche Erlöserkirche, sondern auch die Kirche des Waisenhauses.
Paul Ferdinand Groth mit Kind in Wittenberg 1891
Die ersten Verbindungen zwischen Wittenberg und Jerusalem gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Im Vorgängerbau der heutigen Schlosskirche legte „Friedrich der Weise“ 1515 eine umfangreiche Reliquiensammlung an, die aus dem Heiligen Land stammten und viele Wallfahrer von weither anzogen. Zwei Jahre später schlug Martin Luther aber nicht nur seine Thesen an die hölzerne Tür dieser Kirche, er geißelte auch die dortige Reliquienverehrung als Götzendienst. Weder von der Tür noch von den Reliquien ist heute noch etwas erhalten. Im Siebenjährigen Krieg brannte die Kirche 1760 vollständig aus. Anstelle der verbrannten hölzernen Thesentür stiftete der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 10. November 1858 anlässlich des 375. Geburtstag Luthers eine in Bronze gegossene Thesentür. Und Kaiser Wilhelm II. schließlich beauftragte ein Vierteljahrhundert später seinen Architekten Friedrich Adler mit einem neuerlichen Umbau der Kirche im neugotischen Stil. Sie sollte ein „Denkmal der Reformation“ zum 400. Luther-Geburtstag im Jahr 1883 sein.
Die Pläne Adlers für die Erlöserkirche
Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es eine neue Verbindung nach Jerusalem. Der Architekt Adler hatte 1871 die Planung der deutschen Erlöserkirche am Muristan-Gelände in Jerusalem übernommen. In Wittenberg wurde Adler beim Bau der Schlosskirche tatkräftig von seinem Assistenten Paul Groth unterstützt, der später selbst nach Jerusalem gehen sollte und gewissermaßen ein architektonisches Band zwischen der Wittenberger Schlosskirche, der Jerusalemer Erlöserkirche und der Kirche im Syrischen Waisenhaus flechten sollte.
Wer war Paul Groth? Paul Ferdinand Groth wurde am 29. Juni 1859 als Sohn des Schiffskapitäns Johann Ferdinand Groth in Neu-Wintershagen (heute Grabienko, Polen) geboren. Er besuchte vom 7. bis zum 14. Lebensjahr die dortige Elementarschule. 1874 wurde er in das Realgymnasium zu Stolp (heute Słupsk, Polen) aufgenommen und blieb dort bis Ostern 1878. Er wechselte auf das Gymnasium in Danzig, wo er 1880 sein Examen ablegte. Daraufhin studierte er Hochbau an der Technischen Hochschule zu Berlin und lernte dort Friedrich Adler als Professor und Mentor kennen. Groth wurde nach erfolgreichem Studium am 6. Juli 1885 zum Regierungs-Bauführer ernannt.
Durch seine persönlichen Verbindungen zu Adler, der für die Umbaumaßnahmen der Schlosskirche in Wittenberg zuständig war, wurde Groth der Königlichen Baukreisinspektion zu Wittenberg zugeteilt. Dort machte er nach einem Jahr die Baumeisterprüfung und widmete sich nun ganz dem Umbau der Schlosskirche, in der sich Martin Luthers Grab befindet. Die Schlosskirche wurde am Reformationstag, dem 31. Oktober 1892 wieder eingeweiht.
Daraufhin wurde Groth vom Kuratorium der Jerusalem-Stiftung zu Berlin gebeten, die Bauleitung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem zu übernehmen. Von September 1893 bis 1899 lebte er mit seiner Familie in Jerusalem.
Bei den Ausschachtungsarbeiten für die Fundamente der deutschen Erlöserkirche stieß er übrigens auf Gefäße und Münzen aus der Zeit des jüdischen Aufstandes im ersten und zweiten Jahrhundert, was eine historische Einordnung des Geländes überhaupt erst ermöglichte. Es handelte sich dabei um wichtige und bedeutende archäologische Funde. Groth berichtete darüber sehr detailliert an die Jerusalem-Stiftung in Berlin, die sich jedoch weniger für die Kupfermünzen und archäologischen Funde interessierte, als vielmehr für die Fertigstellung der Kirchenfundamente. Groth konnte deswegen diese Münzen im Privatbesitz behalten.
Innenansicht der Kirche des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem
Bei der Durchsicht der vertraulichen Protokolle des Syrischen Waisenhauses, dem sogenannten “Geheimbuch”, konnte Groth als Architekt eines weiteren Kirchenbaus in Jerusalem identifiziert werden. Parallel zu seiner Aufgabe am Muristan versuchte Johann Ludwig Schneller, der Leiter des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem, Paul Groth für den Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses zu gewinnen. Groth übernahm diese Aufgabe und war sogar für die Bemalungsarbeiten nach Fertigstellung der Kirche verantwortlich. Noch vor Einweihung der Erlöserkirche konnte der Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses abgeschlossen werden.
Die Erlöserkirche wurde am 31. Oktober 1898 von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gattin Auguste Victoria eingeweiht. Zu dieser Zeit fungierte Groth auch als Vorsitzender des Zweigvereins des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas“ in Jerusalem.
Er kehrte im Jahre 1899 nach Deutschland zurück und wurde in Hannover Kreisbauinspektor. In seinem Engagement für das Heilige Land ließ er aber nicht nach. Auf Bitten des Jerusalemsvereins zu Berlin begann Groth mit der Planung einer Kirche für die evangelische Gemeinde von Jaffa. Er fertigte 312 detailreiche Zeichnungen an, für die er jedoch kein Honorar verlangte. Nach der Einweihung in Jaffa im Jahre 1904 sorgte er auch für die Entwürfe der Innenmalereien, die 1907 angebracht wurden. Von Hannover zog Groth nach Halberstadt und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung. Er blieb bis zu seinem Lebensende in Kontakt mit der deutschen Gemeinde in Jerusalem. Paul Groth starb im hohen Alter in der DDR im Jahre 1955.
1. März 2019 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
In der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart befindet sich eine Entwurfszeichnung für einen Frauentalar aus dem Jahr 2008. Sie stammt von dem Nattheimer Künstler Rudolf Thelen und kam über den früheren Crailsheimer Dekan Dr. Winfried Dalferth ins Haus. Ein Gespräch der beiden über die Amtstracht von Pfarrerinnen und Pfarrer hat Thelen zu dieser Radierung inspiriert. Mehr als ein künstlerischer Impuls sollte daraus nicht werden. Zu lange mussten die württembergischen Theologinnen für ihre Gleichberechtigung kämpfen. Lange Zeit waren sie von Predigtamt und Sakramentshandlungen ausgeschlossen, firmierten als Pfarrgehilfinnen und -vikarinnen. Ihr seelsorgerliches Amt versahen sie im schwarzen Kleid. Das Tragen eines Talars war ihnen erst seit 1948 erlaubt – allerdings nicht mit Beffchen, sondern mit einem speziell für die Frauen entwickelten weißen Kragen. Erst seit der Einführung der Frauenordination im Jahr 1968 tragen Frauen dieselbe Amtstracht wie die Männer. Bestrebungen, modisch weibliche Akzente ins Amt einzubringen, haben sich bislang in Grenzen gehalten.
25. Februar 2019 | Andreas Butz | Allgemein, Veranstaltung
In diesem Jahr feiert der Ort Korntal, der sich an Stuttgarts nordwestlicher Peripherie befindet, sein 200jähriges Jubliäum. Diese späte Ortsgründung wurde den württembergischen Pietisten im Jahr 1819 vom württembergischen König gewährt. In den Jahren davor waren zahlreiche pietistische Gruppen aus Württemberg ausgewandert, um ihren Glauben leben zu können, zum Beispiel nach Südrussland. Zunächst 68 Familien der Brüdergemeinde ließen sich in dem Ort nieder. Erst ab 1871 durften auch Nichtmitglieder in dem pietistischen Gemeinwesen leben. Die Brüdergemeinde hat anlässlich des Jubliäumsjahr ein Museum eröffnet, um die Geschichte Korntals museal dazustellen. Weitere Jubliäumsaktivitäten werden über das Jahr hinweg folgen. Näheres zu Öffnungszeiten und Inhalten des neuen Museum Zeit.Raum entnehmen Sie dem Internetauftritt des Museums und dem ausführlichen Beitrag der Ludwigsburger Kreiszeitung.
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Weitere Informationen
20. Februar 2019 | Andreas Butz | Ausstellung, Veranstaltung
Die Bedeutung der Württemberger für den Kulturellen Wandel Palästinas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem beginnenden 20. Jahrhundert ist durch wissenschaftliche und populäre Veröffentlichungen, sowie durch Ausstellungen und Tagungen schon oft thematisiert worden. Hier ist zum Beispiel an die Tempelgesellschaft oder an das Syrische Waisenhaus zu denken, beides württembergisch dominierte Unternehmungen. Unser Mitarbeiter Dr. Jakob Eisler hat anhand von Quellen des Landeskirchlichen Archivs allerdings auch auf die Bedeutung einiger Mecklenburger für die damals dynamische Entwicklung Palästinas hingewiesen, etwa auf den Mecklenburger Andreas Struve, der am Gestade der Haifaer Bucht eine Seifenfabrik begründete, die etwa die nach Europa und in die Vereinigten Staaten exportierte Carmel-Seife aus Olivenöl produzierte. Der württembergische Beitrag wird aber in der Ausstellung auch gewürdigt. Vielleicht finden ja einige urlaubende Württemberger den Weg in die von unserem Haus konzipierte Ausstellung „Mecklenburger im Heiligen Land“, denn sie wird in Röbel direkt am Müritzer See gezeigt, einem beliebten Urlaubsgebiet, das auch von württembergischen Gästen gerne besucht wird. Die Ausstellungslokalität Engelscher Hof bietet sogar Übernachtungsmöglichkeiten an, und die Ausstellung wird bis zum Sommer, genauer bis zum 28. Juli gezeigt.
20. Februar 2019 | Michael Bing | Aktenfund
Helmut Thielicke (1908-1986) war einer der großen deutschen evangelischen Theologen seiner Zeit. Vom NS-Regime von seiner Professur für Systematische Theologie in Heidelberg abgesetzt, übernahm er ab 1940 als Beauftragter für kirchliche und theologische Fragen des Evangelischen Oberkirchenrats in Stuttgart bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges Vertretungsdienste in mehreren Pfarreien der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Zahlreiche, im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart im Manuskript überlieferte Vorträge und Predigten dokumentieren seine Tätigkeit in Württemberg. Mehr
14. Februar 2019 | Andrea Kittel | Allgemein
Eine neue Publikation des Studienzentrums der EKD für Genderfragen beschäftigt sich mit der Einführung des Frauenwahlrechts in den evangelischen Landeskirchen ab 1919.
Auch das Landeskirchliche Archiv Stuttgart war beteiligt und stellte die historischen Quellen und
Informationen aus Württemberg bereit.
Das Heft ist als 2. Ergänzungsband zum Gleichstellungsatlas erschienen und steht zum Download bereit unter https://www.genderekd.de/publikationen.html. Gedruckte Exemplare können im Studienzentrum für Genderfragen unter info@sfg.ekd.de bestellt werden. Rückfragen bitte an Antje Buche, Studienzentrum der EKD für Genderfragen, Tel. 0511/554741-39.
8. Februar 2019 | Andreas Butz | Aktenfund
Sterberegister von Oberesslingen, Eintrag vom 28.9.1648. Landeskirchliches Archiv Stuttgart
In aller Regel ist das Miteinander von Menschen und Wölfen nicht problematisch. Der Wolf ist wieder heimisch in Deutschland, er ist hier willkommen, einzelne Tiere wurden bereits in Baden-Württemberg, und sogar in der Nähe Stuttgarts gesichtet, und wir sind gespannt, ob sich hier auch ein ganzes Rudel ansiedeln wird. Es ist von Gebieten in denen Wölfe immer vorkamen, bekannt, dass nur selten Zwischenfälle vorkommen, etwa dass Wölfe sich an weidenden Nutztieren bedienen, oder gar Menschen attackieren. Er ist scheu und meidet die menschlichen Siedlungen. Während des Dreißigjährigen Krieges, in der Zeit von Zerstörung, Flucht, Unordnung, als Württemberg einen großen Teil seiner Einwohnerzahl einbüßte, breiteten sich Wölfe hierzulande in großer Zahl aus, so dass man sie von staatlicher Seite aus gezielt jagen musste, um die entstandene Überpopulation wieder einzudämmen. In den Totenregistern aus Oberesslingen, vom 28.9.1648 ist ein Zwischenfall mit tödlichen Folgen vermerkt, der bei aller Tragik an die Geschichte von Rotkäppchen erinnert, und gemahnt, dass bei allem guten Nebeneinander von Wölfen und Menschen Zwischenfälle niemals hundertprozentig ausgeschlossen werden können:
„Maria, Michel Zeinings dreijähriges Kind ist umb 2 Uhr nachmittag bey ihrer Muotter Margaretha (so groß schwanger war) an einem wüsten Weingarten nit weit vom Hauß ohnversehens von einem graußamen Wolff erwischt, und obwohl die Muotter geschriehen und auf den Wolff gefallen nichts desto weniger von dem Wolff zerfleischt und in dem Starkhberg von dem Kind das Händlein, Gemächtlein und beede Schenkelein an einem Stückh, im Blut ein Stückh vom Herzlein und etliche Stückhlein von Ripplein gefunden, und den 28ten Septembris das gefundene begraben worden.
Gott erweckhe das liebe Kind mit Freuden. Amen“