Vortrag über Gächingen im 17. Jahrhundert

24. September 2019 | |

Der Mitarbeiter des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart Dr. Bertram Fink hält im Rahmen des Festwochenendes der evangelischen Kirchengemeinde Gächingen (400 Jahre St. Georgskirche Gächingen) einen Vortrag mit dem Titel “Gächingen im 17. Jahrhundert. Dreißigjähriger Krieg und Wiederaufbau”. Der Dreißigjährige Krieg war besonders für Württemberg eine Katastrophe mit gravierenden demographischen und ökonomischen Folgen. Der promovierte Historiker und Diplom-Archivar versucht das zeitgenössische Szenario in seinem Vortrag auf lokaler Ebene nachzuzeichnen. Der historische Vortrag findet um 16.00 im Rahmen des Festprogramms statt.

Das Kirchenbuchportal Archion auf dem Genealogentag in Gotha

20. September 2019 | |

Auf dem Genealogentag in Gotha wurde über die Zukunft der Genealogie diskutiert. Von dieser Entwicklung sind auch die Landeskirchlichen Archive betroffen, da diese mit den Kirchenbüchern über die wichtigste genealogische Quelle verfügen. Die evangelischen Landeskirchen haben sich, um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, zu dem Kirchenbuchportal Archion zusammengeschlossen, wo die Kirchenbücher digital im Internet einsehbar sind. Archion war mit seinem Geschäftsführer Harald Müller-Baur und seinen Mitarbeiterinnen Lena Kremp und Judith Sutter auf dem Genealogentag vertreten. Eine weitere, besonders in den USA beliebte neue Technik der Genealogie sind die DNA-Analysen, die auch auf dem Kongress vorgestellt wurden. Folgendes Zitat einer Teilnehmerin hat uns besonders gefallen: “Ahnenforschung ist wie Kartoffelchips essen. Man kann einfach irgendwann nicht mehr aufhören. Und je besser die Technik ist und je mehr unterschiedliche Werkzeuge wir haben, desto mehr Spaß macht es.”

Screenshot aus MDR Fernsehbeitrag

Nachlass Martin Hermann

16. September 2019 | | ,

Als Reaktion auf unseren Aufruf zur Übernahme von historischen Unterlagen in Privatbesitz  fand u.a. der Nachlass von Martin Hermann im Juni 2019 seinen Weg ins Landeskirchliche Archiv und wurde unter der Signatur LKAS, D 101 verzeichnet.

Martin Hermann wurde am 6. April 1927 in Schlat als Sohn des Pfarrers Johannes Hermann geboren und verstarb am 23. Juni 2000 in Bad Cannstatt. Seine erste theologische Dienstprüfung legte er 1952, die zweite 1954 ab. Ab 1959 war er als Pfarrer an der Auferstehungskirche II, die 1965 in Kreuzkirche umbenannt wurde, tätig bis er 1992 in den Ruhestand trat.

In der 8. Landessynode (1972-1977) war er als 1. Ersatzmitglied des Wahlbezirks Ludwigsburg-Marbach aufgestellt, in der 9. Landessynode (1978-1983) als Mitglied. Ab 1978 war er stellvertretendes Mitglied des Landeskirchenausschusses. In der 11. Landessynode (1990-1995) Vorsitzender des Theologischen Ausschusses, ab 1991 1. Stellvertretendes Mitglied der EKD-Synode und ab 1992 Vorsitzender des Ad-hoc-Ausschusses „Feministische Theologie“.

Durch seine Stellung im Theologischen Ausschuss steht er in der Tradition seines Großvaters des Stuttgarter Prälaten Theodor von Hermann, der maßgeblich am Gesangbuch 1910 beteiligt war und seines Onkels Dekan Theodor Hermann jun. in Esslingen, der als Vorsitzender des Theologischen Ausschusses das Gesangbuch von 1953 in der Synode eingebracht hatte.

Der Bestand umfasst Schriftgut, das im Zusammenhang mit Hermanns Tätigkeit in der Gesangbuchkommission entstanden war. Es handelt sich hierbei um zumeist undatierte Handakten, die allerdings im Wesentlichen in der Zeit zwischen 1990 und 1995 entstanden sein dürften.

Die Sammlung von algebraischen Aufgaben von Nathanael Gottlieb Renz (um 1820)

10. September 2019 | |

„Vier Protestanten treten in eine Allianz gegen einen mächtigen Fürsten. Der erste A gibt alle seinen Truppen dazu, B gibt auch so viele, und noch 1000 drüber, C gibt so viel, als A und B und noch 3000 drüber. Der vierte D gibt 50 000, also so viel, als die 3 ersten. Wie viel hat jeder gegeben?“

Als Reaktion auf unseren Aufruf zur Übernahme von historischen Unterlagen in Privatbesitz fand u.a. die zweibändige Sammlung von algebraischen Aufgaben von Nathanael Gottlieb Renz im Juli 2019 ihren Weg ins Landeskirchliche Archiv und wurde unter der Signatur LKAS, Hs, Nr. 156 verzeichnet.

Magister Nathanael Gottlieb Renz wurde am 11.01.1758 in Meimsheim geboren. Nach seinem Studium wurde er 1794 Pfarrer in Siglingen, 1806 in Oberurbach und 1815 in Köngen, wo er auch am 22.08.1841 verstarb. Er war nicht nur Pfarrer, sondern machte sich auch einen Namen durch exakte, ideenreiche, mechanische und optische Arbeiten. So ist z.B. die Bilduhr in der Sakristei der Köngener Kirche sein Werk.

Er stellte um 1820 eine Sammlung von algebraischen Aufgaben der Mathematiker Meier Hirsch, Johann Christian Bernstorf Uflacker, Christoph Friedrich Kausler, Matthias Butschany und anderen Verfassern zusammen, einige der Aufgaben hat er sich auch selbst ausgedacht. Die Aufgaben beginnen mit der Aufgabenstellung mit mehr oder weniger realitätsnahem Inhalt (gerne werden Beispiele mit Kaufleuten genommen), danach folgt der Rechenweg mit Erklärung und die Auflösung – laut Urteil des früheren Besitzer der Bände, eines Mathematikers, hat Renz manche Aufgaben mit präzisen Rechnungen aufgelöst, wo man heutzutage nur mit Näherungswerten arbeitet.

Die Bände geben einen Einblick, womit sich Renz neben seinem Beruf als Pfarrer beschäftigt hat und bescheinigen ihm einen hohe Intelligenz. Sie könnten bei einer Forschung zu Pfarrern, die eben nicht nur Pfarrer waren, herangezogen werden.

Die beiden Bände beinhalten:

Band 1:

Aufgaben von Meier Hirsch

  1. Aufgaben für die Gleichungen vom ersten Grade mit einer unbekannten Größe
  2. Aufgaben für die Gleichungen vom ersten Grade mit mehreren unbekannten Größen
  3. Aufgaben für die Gleichungen vom zweiten Grade
  4. Aufgaben für die Gleichungen von höheren Graden
  5. Unbestimmte Aufgaben
  6. Aufgaben für die Anwendung der Progressionen
  7. Aufgaben aus der Zins- und Renten-Rechnung, oder solche, welche damit verwandt sin
  8. Vermischte Aufgaben

Band 2:

  1. Aufgaben für die Permutationen, Combinationen und Variationen, auch für Wahrscheinlichkeit-Rechnung. Aufgaben von Meier Hirsch
  2. Uflakersche Aufgaben, nach Kausler
  3. Einfache Gleichungen mit einer unbekannten Größe
  4. Einfache Gleichungen mit mehreren unbekannten Größen
  5. Reine quadratische Gleichungen
  6. Unreine quadratische Gleichungen
  7. Reine kubischen Gleichungen
  8. Vollständige kubischen Gleichungen
  9. Höhere Gleichungen
  10. Unbestimmte Gleichungen
  11. Vermischte Aufgaben
  12. Anhang

III. Aufgaben von Matthias Butschany

  1. Algebraische Gleichungen
  2. Allgemeine analytische Gleichungen
  3. Aufgaben von verschiedenen Verfassern

Nachlass Alexander Friedrich und Helene Weitbrecht

4. September 2019 | | ,

Als Reaktion auf unseren Aufruf zur Übernahme von historischen Unterlagen in Privatbesitz  fand u.a. der Nachlass von Alexander Friedrich und Helene Weitbrecht im Juni und Juli 2019 seinen Weg ins Landeskirchliche Archiv und wurde unter der Signatur LKAS, D 100 verzeichnet.

Alexander Friedrich Weitbrecht wurde am 11.04.1864 in Basel als Sohn von Theodor Friedrich Weitbrecht, dem späteren Dekan von Heilbronn, geboren. Er war vom 01.10.1888 bis 18.07.1890 Vikar in Fellbach, vom 05.11.1890 bis 17.02.1891 Pfarrverweser in Uhlbach, vom 18.02.1891 bis 02.06.1891 in Kohlberg, vom 03.06.1891 bis 08.12.1891 in Amstetten, vom 09.12.1891 bis 08.02.1892 in Obergröningen, vom 09.02.1892 bis 16.06.1898 Pfarrer in Schopfloch (Dekanat Kirchheim unter Teck), vom 17.06.1898 bis 07.04.1908 in Ochsenbach und vom 08.04.1908 bis 1926 in Erdmannshausen. Zuletzt lebte er in Stuttgart-Weilimdort. Er starb am 03.01.1939 in Stuttgart.

Er heiratete am 27.10.1892 Elisa Helene Griesinger (* 25.04.1868, + 28.01.1936), mit der er zwei Söhne (* 1895 und 1901) und vier Töchter (* 1897, 1899, 1903 und 1905) hatte.

Beide sollen laut Aussage seiner jüngsten Enkelin Erika Fezer, die uns der Nachlass übergeben hat, eng mit dem Pietismus, speziell der Michael Hahn’sche Gemeinschaft verbunden gewesen sein.

Der Bestand umfasst neben Zeugnissen und Urkunden zu Alexander Weitbrecht auch einige wenige persönliche Unterlagen. Als erstes dürften die Memoranda und die „Reichsgotteskasse“ Einblick in die Persönlichkeit von Weitbrecht geben. Der Bestand ist damit eine sinnvolle Ergänzung zur Personalakte von Weitbrecht (LKAS, A 127, Nr. 2422).

Eher selten in Pfarrernachlässen und deshalb in diesem Bestand umso interessanter sind die Unterlagen von Helene Griesinger. Neben einem (lückenhaften) Tagebuch sind sechs Bände mit Bibelauslegungen zu finden, die aus der Zeit vor ihrer Hochzeit mit Weitbrecht stammen. Diese ermöglichen einen seltenen Einblick in die Persönlichkeit einer (angehenden) Pfarrersfrau.

Einblicke in die Persönlichkeit und die religiöse Haltung des Pfarrerehepaars und ihrer Verwandten können auch die Korrespondenz zwischen dem Ehepaar und dem (Schwieger-)Vater sowie einige Grabreden und Predigten bieten, die im Bestand überliefert sind.

Zur Familie Weitbrecht siehe de.wikipedia.org/wiki/Weitbrecht_(Unternehmerfamilie) und die dort angegeben Literatur.

Sommerferienlager des Syrischen Waisenhauses am Mittelmeer

29. August 2019 | | ,

Das Syrische Waisenhaus in Jerusalem war eine Bildungseinrichtung, die von 1861 bis zum zweiten Weltkrieg bestand. Sie war von dem Württemberger Johann Ludwig Schneller begründet wurden und entwickelte sich zur größten Einrichtung dieser Art im Osmanischen Reich. In der Zeit zwischen Ende des 19. Jahrhunderts und dem ersten Weltkrieg wurden jeden Sommer Zeltlager für einen Teil der Zöglinge am Mittelmeer veranstaltet. Die Jugendlichen mit den Lehrkräften wanderten zunächst zur Außenstelle des Syrischen Waisenhauses Bir Salem (heute Netzer Sereni) und dann weiter an die Meeresgestade, wo man im Bereich der Mündung des Rubin das Lager aufschlug. Mit Hilfe von Kamelen wurden die Zelte an den Strand transportiert. Von Bir Salem aus wurde das Lager mit Lebensmitteln und allem was nötig war versorgt. Im Lager wurde gebadet, gekocht, gesungen. Dieses Areal befindet sich südlich der heutigen, aber damals noch nicht gegründeten Metropole Tel Aviv. Der Bestand des Syrischen Waisenhauses befindet sich im Landeskirchlichen Archiv. Neben den Akten beinhaltet dieser auch eine umfangreiche Fotosammlung mit etwa 15.000 Bildern des Nahen Ostens, der diese Bilder aus der Zeit um 1900 entnommen sind.

Das Stammbuch von Jakob Ferdinand Immanuel Ruoff von 1785

22. August 2019 | |

„Was ist des Lebens Herrlichkeit,

Wie bald ist sie verschwunden?

Was ist das Leiden dieser Zeit,

Wie bald ists überwunden?

Hofft auf den Herrn!

Er hilft euch gern;

Seyd fröhlich, ihr Gerechten!

Der Herr hilft seinen Knechten.

 

Denkmal ewiger Freundschaft von Ihrem Fr. Aug. Herweg / Tübingen, d. 26ten Jul. 1786“

 

Als Reaktion auf unseren Aufruf zur Übernahme von historischen Unterlagen in Privatbesitz fand u.a. das Stammbuch (auch Album Amicorum / Freundschaftsalbum) von Jakob Ferdinand Immanuel Ruoff im Juli 2019 seinen Weg ins Landeskirchliche Archiv und wurde unter der Signatur LKAS, Hs, Nr. 155 verzeichnet.

Stammbücher waren im 18. Jahrhundert vor allem bei Studenten verbreitet. In ihnen trugen befreundete Kommilitonen Freundschaftsbekundungen ein, häufig beim Weggang vom Studienort, so dass der Besitzer des jeweiligen Stammbuches eine lebenslange Erinnerung an seine Kommilitonen hatte. Außerdem finden sich in den Stammbüchern Eintragungen von Professoren und anderer „Respektspersonen“ (z.B. Pfarrer), die ggf. auch als ein Art Empfehlungsschreiben genutzt wurden, wenn ein Student an eine neue Universität kam.

Überlieferungen von Stammbüchern aus dem 18. Jahrhundert sind selten. Stammbücher ermöglichen nicht nur einen Überblick über soziale Netzwerke der Besitzer, sondern bieten auch Einblicke in die Mentalität der einzelnen Autoren. Außerdem sind sie eine Quelle für Sammler von Autographen prominenter Personen.

Jakob Ferdinand Immanuel Ruoff (* 13.10.1763 Seißen, + 25.01.1825 Oßweil) immatrikulierte sich am 22.10.1781 an der Universität Tübingen, wo er am 07.12.1781 den Bachelor und am 24.09.1783 den Magister erhielt. Danach hielt er sich vermutlich weiterhin an der Universität auf, in welcher Funktion ist unbekannt. 1794 wurde er Vikar in Großheppach, 1800 Pfarrer in Oßweil.

Sein Stammbuch enthält 42 Einträge, hauptsächlich aus den Jahren 1785/86, aber auch Einträge aus späteren Jahren sowie vereinzelt biografische Ergänzungen zu einigen Eintragenden, die er später einfügte. Die Einträge sind meist religiös geprägt. Neben Eintragungen von meist Tübinger Kommilitonen sind auch solche von Professoren und Pfarrern sowie von Verwandten zu finden. Der prominenteste unter ihnen ist Carl Friedrich Adolf Steinkopf, Mitgründer und auswärtiger Sekretär der British and Foreign Bible Society und Mitgründer der Privilegierten Württembergischen Bibelanstalt. Den folgenden Eintrag schrieb er kurz vor seine Abreise nach Basel, wo er als Sekretär der Christentumsgesellschaft tätig wurde.

„Seit getreu biß in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben.

Offenbar. II. 10

Diß zum Andenken von deinem dem Leibe nach zwar von dir scheidenden aber dem Geiste nach innig mit dir verbunden bleibenden Freund und Bruder M. C. Fr. Steinkopf

Heppach d. 16. Oct. 1795. Kurz vor seiner Abreise aus dem Vaterland.“

Forschungsprojekt zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Paulinenpflege Winnenden

16. August 2019 | | ,

Die Paulinenpflege Winnenden, bekannt durch ihre Heime für Kinder und Jugendliche sowie den Heimen für hör- oder sprachbehinderte Schüler und Auszubildende, möchte mögliche Missbrauchsfälle in der Zeit von 1949- bis 1978 in ihrer Einrichtung aufarbeiten. Dazu hat die Paulinenpflege das Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart beauftragt. Seit Montag werden im Landeskirchlichen Archiv die Akten des Bestandes der Paulinenpflege durch den Historiker Sebastian Wenger gesichtet. Der Bestand der hauptsächlich aus Einzelfallakten besteht, umfasst 34 Regalmeter. Das Projektergebnis wird schon jetzt mit Spannung erwartet.

Vor 90 Jahren: Hilfe gegen Wohnungsnot

12. August 2019 | |

Werbeschild der Creditgenossenschaft des Christlichen Notbundes zur gegenseitigen Hilfe (CCN) Leonberg, um 1930 (Inv. Nr. 01.022). Bildquelle: Landeskirchliches Archiv Stuttgart

Ein historisches Email-Schild in der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart erinnert daran, dass es schon in früheren Zeiten Ideen und Impulse gab, wie für Geringverdienende bezahlbarer Wohnraum  geschaffen werden kann.

Unter dem Eindruck der großen Inflation 1923 gründete der Missionar Christian Röckle im Jahr 1924 in Eltingen bei Leonberg den „Christlichen Notbund zur gegenseitigen Hilfe“ (CN). Der gemeinnützige Verein sollte in Zeiten der Geldknappheit Menschen in Notlagen helfen. Um die herrschende Wohnungsnot zu lindern, wurde fünf Jahre später, im Jahr 1929, die „Creditgenossenschaft des Christlichen Notbundes“ (CNN) angegliedert – eine Baugenossenschaft, die Baugeldsparverträge auf gemeinnütziger Grundlage vergab. 25 Bausparer bekamen 264.800 RM zugeteilt und das erste Bausparhaus wurde gebaut. 1930 wurde die CCN zur reinen Bausparkasse mit Sitz in Stuttgart. 1934 firmierte sie unter dem Namen „Leonberger Bausparkasse“. 2001 fusionierte sie mit der Wüstenrot Bausparkasse AG.

Christian Röckle hatte mit seiner Gründung bewirken wollen, dass auch das Geldwesen „unter die Herrschaft Jesu komme“. Im Zwiespalt zwischen Evangelisation und Unternehmertum schied der frühere Afrika-Missionar Röckle jedoch 1932 aus dem Vorstand aus und der christliche Aspekt der Bausparkasse geriet nach und nach in den Hintergrund.

Theodor Dipper und der Freudenstädter Kreis – das verborgene Herz der Bekennenden Kirche im württembergischen Kirchenkampf

5. August 2019 | | ,

In diesem Sommer jährt sich der Todestag Theodor Dippers (1903-1969) zum 50. Mal. Dies nimmt der Freudenstädter Kreis zum Anlass, seine über 90 Jahre sorgsam gesammelten und bewahrten Unterlagen an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart zu übergeben. Dieser Bestand wird den Bestand zur Bekenntnisgemeinschaft/ Theodor Dipper (D 31) , der sich bereits im Landeskirchlichen Archiv befindet und mit einem auch online recherchierbaren Findmittel erschlossen ist, gut ergänzen.

Das Landeskirchliche Archiv Stuttgart lädt vor diesem Hintergrund zu einem Vortrag in seinem Räumlichkeiten am Freitag den 20. September um 18:30 Uhr ein. Anmeldungen bitte bis zum 16.09.2019 an E-Mail: Gudrun.Dengel@elk-wue.de oder Tel. 0711-2149 212.

Theodor Dipper (1903-1969). Landeskirchliches Archiv, Bildersammlung Nr. 5217.

Der Freudenstädter Kreis wurde 1927 von Theodor Dipper und seinen Freunden als kirchliche Bruderschaft und theologische Arbeitsgemeinschaft gegründet. Anfangs nur aus einem knappen Dutzend Pfarrern bestehend, hatte diese Gemeinschaft persönliche Weggemeinschaft und kirchlich-theologisches Arbeiten zum Ziel. Sie wurde zum Rückzugsort und Kraftzentrum für diese Männer, die ab 1934 in der Bekenntnisgemeinschaft den Widerstand gegen den Einfluss der Deutschen Christen bzw. des NS-Staates in der Württembergischen Landeskirche maßgeblich trugen.

Die Pfarrerin und Historikerin Dr. Karin Oehlmann wird einen ersten Einblick in diesen faszinierenden Aktenbestand geben und dieses bislang weitestgehend unbekannte Kapitel der Gründungsgeschichte von „Evangelium und Kirche“ erzählen.

 Nach dem Vortrag haben Sie die Möglichkeit, sich bei einem Stehempfang auszutauschen.

EFW – Evangelische Frauen in Württemberg feiern 100 jähriges Jubiläum

31. Juli 2019 | |

Grund zum Feiern haben die Evangelischen Frauen in Württemberg, denn 1919 wurde die „Frauenabteilung“ des Evangelischen Volksbundes gegründet. Anfangs war die Frauenabteilung dafür vorgesehen, die Gottesdiensträume zu schmücken und sich karitativ in den Kirchengemeinden zu betätigen. Schnell realisierten jedoch die Mitgliedsfrauen, dass die karitative Arbeit auch politisches Engagement braucht und die Not der Nachkriegszeit nur durch die Vernetzung der vielfältigen Frauenaktivitäten gelindert werden konnte. Daher kam es zur Gründung des „Bunds evangelischer Frauen Württembergs“, der bis 2005 als „Frauenarbeit der Evang. Landeskirche“ Kirche und Gesellschaft maßgeblich mitgestaltete.

Die „Staatsbürgerlichen Tagungen“, die ab 1951 angeboten wurden, um Frauen zu informieren und zur politischen Partizipation zu mobilisieren, waren dabei ein wichtiges Aufgabengebiet. Die „Frauenabteilung“, aus der das spätere „Frauenwerk“ wurde, wirkte aktiv in den Gemeinden mit vielzähligen theologischen Angeboten für Frauen, wie z.B. die Vorbereitung und Feier des Weltgebetstages der Frau. Die Fusion der beiden Werke im Jahr 2005 verband die Schwerpunkte der Verbandsarbeit und der Gemeindearbeit miteinander. Zur Feier des 100 jährigen Jubiläums  beglückwünschen wir die Evangelischen Frauen (https://www.frauen-efw.de/).

Wer sich noch selbst auf Spurensuche zur Geschichte der Evangelischen Frauen machen möchte, findet im Landeskirchlichen Archiv  iStaatsbürgerliche Tagung in Herrenberg 1951, LKAS P 2709n den Beständen K 6, Frauenarbeit, K 17 Frauenwerk und K 38 Evangelische Frauen spannendes und umfangreiches Material.

Ev. Kindergartenarbeit der Kirchengemeinde Sulz a.N.

22. Juli 2019 | |

Das Archiv unserer Landeskirche erreichen immer wieder Anfragen aus Kirchengemeinden zu ihrer Geschichte. Solche Anfragen können Impulse für wertschätzende Wahrnehmungen von Einrichtungen in der Gegenwart unserer Landeskirche auslösen. Dies war der Fall anlässlich der Anfrage einer Kirchengemeinde aus dem ländlichen Raum zur Geschichte ihrer ev. Kindergartenarbeit für ein Fest anlässlich eines Kindergartenjubiläums.

Schon bei den ersten Planungen im März 1913 für den Bau eines Gemeindehauses  war angedacht,  für eine „Kleinkinderschule“ im geplanten Gemeindehaus eine Heimat zu schaffen. Unter den Belastungen des ersten Weltkriegs ab 1914 konnte der Bau jedoch nicht zur Ausführung kommen. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts bildete sich dann in der von Initiativgeist erfüllten Kirchengemeinde Sulz a.N. ein rühriger Gemeindehausverein, der den Bau und dessen Finanzierung  auf den Weg brachte.

Mit Beschluss des Kirchengemeinderats vom 02. August 1932 verpflichtete sich die Kirchengemeinde, „in den geplanten Bau die Kinderschule einzubauen und diese der politischen Gemeinde“… „zur Verfügung zu stellen.“ Mit Erlass des „Reichs- und Preußischen Ministeriums des Inneren“ vom 21.03.1941 wurde verfügt: „Die Betreuung der der Kinder in den Kindertagesstätten liegt der NSV“ (Nationalsozialistisches Volkswohl) „im Rahmen der allgemeinen Menschenführung der Partei ob.“  Mit Schreiben vom 14. Oktober 1944 protestierte der evangelische Dekan Rapp dagegen, dass die NSV nicht nur wie bisher einen Teil des Erdgeschosses für ihre „Kinderschule“ okkupieren wollte, sondern den gesamten Gemeindesaal im Erdgeschoss. Nach Kriegsende wurde das Gemeindehaus von der französischen Militärregierung zur Unterbringung  ehemaliger polnischer „Fremdarbeiter“ vorübergehend benötigt. Rasch nach dieser Zwischennutzung hat die Kirchengemeinde dann auf Grund des Beschlusses des Kirchengemeinderats einen Tag der offenen Tür für den Kindergarten in der Trägerschaft der ev. Kirchengemeinde Sulz a.N. auf den Weg gebracht. Der Kindergarten trat dem „evang. Landesverband für Kinderpflege“ bei (heute: Evangelischer Landesverband Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V.) und die evangelisch institutionalisierte Kindergartenarbeit konnte sich entfalten.

Das Landeskirchliche Archiv verwahrt die Altakten des Ev. Landesverbands Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V., die den Neubeginn der einzelnen Kindergärten nach dem 2. Weltkrieg dokumentieren. Blog Quelle für ev. Kindergarten der KG Sulz a.N.1057_001

Ein württembergischer Pfarrer als Wanderer zwischen den Konfessionen

15. Juli 2019 | |

In den Akten des Oberkirchenrats hat sich in den Ortsakten von Großglattbach ein eigentümlicher Vorgang aus dem Jahr 1664 niedergeschlagen. Die mit einem simplen Umschlag zusammengefassten Schriftstücke, die mit „Wachter, Joh. Kaspar, Convertit”, betitelt sind, haben die eigentümliche Flucht des damaligen Ortspfarrers Wachters im Januar 1664 zum Inhalt. Der aus Bamberg stammende Johann Kaspar Wachter war ursprünglich ein Mönch des Zisterzienserklosters Langheim und versah in dieser Funktion die Messdienste in einigen katholischen Pfarreien. 1656 war er nach Württemberg geflohen und konvertierte zum protestantischen Glauben. Seine Revokationspredigt und seine Tübinger Dissertation „De Praedestinatione” haben sich in der Württembergischen Landesbibliothek erhalten. Von 1660 amtierte er als evangelischer Pfarrer in Großglattbach. Den Akten ist zu entnehmen, dass er im Sommer des Jahres 1663 von seiner Schwester, in Begleitung einer Nonne, besucht wurde. Im September des Jahres erhielt er einen Brief seines ehemaligen Abtes Mauritius Knauer, der in zeitgenössischer Abschrift auf den Akten erhalten ist. Der Abt, der über Wachters Schwester genaue Kenntnisse über die Verhältnisse erhalten hatte, forderte Wachter zur Rückkehr ins Kloster auf. Seine drei Kinder könne er mitnehmen, seine Ehefrau solle er zurücklassen. Sie sei als Konkubine anzusehen. Am 25. Januar 1664 verabschiedete er sich von seiner Familie unter dem Vorwand einer Reise nach Stuttgart. In Wirklichkeit war allerdings das Kloster Langheim seine Destination. Bereits auf halber Strecke begann er seine Flucht allerdings zu bereuen. In der württembergischen Exklave Kitzingen offenbarte er dem evangelischen Pfarrer sein eingetretenes Dilemma. Den Akten ist zu entnehmen, dass Wachter unterwegs seine Abkehr vom Protestantismus und von seiner Ehefrau bereute und nun verzweifelt alle Hebel in Gang setzte, wieder zurückkehren zu können. Erst nach monatelangem Ringen und umherwandern gelang es ihm, seine Frau und seine Schwiegermutter von der Aufrichtigkeit seines erneuten Sinneswandels zu überzeugen, und schließlich auch das württembergische Konsistorium unter wortreichen Beteuerungen zur Wiederaufnahme in den Dienst der Landeskirche zu bewegen. Er wurde daraufhin in anderen Gemeinden wieder als Pfarrer eingesetzt, zunächst in Neustadt, dann in Oberbrüden. Von Oberbrüden entlief er allerdings im Jahr 1668 erneut und ließ wiederum seine Frau mit den nunmehr fünf Kindern zurück, dieses Mal endgültig.

 

Humor aus dem Glauben

8. Juli 2019 | | ,

Bei der Archivierung der Akten des Landesbischofs fiel ein Brief der Gattin eines ehemaligen Oberkirchenrats vom 05. Dezember 2012 an das Bischofsbüro auf. Es handelte sich um ein Gedicht des damaligen Prälaten Adolf Schaal aus der Kriegszeit des zweiten Weltkriegs. Er hatte das Gedicht „zum 75. Geburtstag des Herrn Landesbischofs am 7. Dezember 1943“ verfasst.  Das Bischofsbüro teilte mit Schreiben vom 18. Mai 2012 an die Einsenderin mit: „Diese Zeilen haben den Landesbischof sehr bewegt, sind sie doch ein Zeugnis, dass in einer Welt ‚in Schutt und Trümmer` Menschen auch mit Humor und ‚dennoch‘ versuchen, einen Weg in eine bessere Zeit zu finden. Das landeskirchliche Archiv wird sicher Interesse an dem Blatt haben.“ Gedicht von Prälat Schaal siebter Dezember 1944

Das zugetragene Gedicht ist ein zeitgeschichtliches Dokument für Humor in unserer Landeskirche. Der amerikanische Religionssoziologe Peter L. Berger definierte Humor als die Fähigkeit, Komik wahrzunehmen (vgl. schon „Erlösender Glaube“, 2006). In Komik liegt ein Signal des Transzendenten. Humor ist die Freude, welche die Welt überwunden hat. Humor hat viel mit Liebe und Güte zu tun. Heitere Menschen lachen deshalb nicht über andere, sondern mit anderen. Wer Humor hat, kann zumindest schmunzeln oder lächeln, wenn einem auch nicht nach Lachen zu Mute ist. Humor kann bisweilen in einer nur schwer zu ertragenden Wirklichkeit eine quasi erlösende Nebenwelt auf Erden schaffen. Glaube und Erlösung gehören zusammen. Wer das Licht Gottes in alle Abgründe seiner Seele eindringen lässt, kann Heiterkeit ausstrahlen. Und wer die Freudenbotschaft ernst nimmt, hat Grund zum Lachen. Das Osterlachen des Christentums ist ein historisches Zeugnis dafür. Aus der jüdischen Tradition des Christentums ist der Humor bekannt, der das Volk Israel in herausragender Weise auszeichnet. Solcher Humor trägt. Die Fähigkeit, Komik in der menschlichen Erfahrung zu entdecken, zeichnet auch christliches Alltagsleben aus. Das Gedicht von Prälat Schaal ist exemplarisch dafür. Humor wurde in der biblischen Forschung als Thema erst in jüngerer Zeit wieder entdeckt. Die Veröffentlichung dieses Gedichts möge dazu einen kleinen Beitrag leisten.

Vor 75 Jahren: Stuttgarter Bombennächte – Zerstörung der Leonhardskirche

3. Juli 2019 | | ,

Kinderspeisung vor der zerstörten Leonhardskirche, 1946. Fotograf: Willi Essig (Landeskirchliches Archiv, Nr. 9178)

In der Endphase des Zweiten Weltkriegs war die Stuttgarter Innenstadt am 25. Und 26. Juli 1944 Ziel massiver Bombenangriffe. Über 800 Menschen kamen dabei zu Tode, fast 2000 wurden verwundet. Viele Bauten der Innenstadt wurden damals zerstört oder schwer beschädigt. So auch die Leonhardskirche.

An diese Ereignisse möchte die Leonhardsgemeinde mit einem Gedenkgottesdienst am Sonntag, 21. Juli 2019 10:00 Uhr erinnern.

In der Kirche wird eine kleine Ausstellung mit historischen Fotografien zu sehen sein, die die Zerstörungen von 1944 ebenso dokumentieren wie den schnellen Wiederaufbau der Leonhardskirche.

https://www.leonhardskirche.de/gottesdienste-veranstaltungen/

archiv aktuell – Vergangenheit hat Zukunft

25. Juni 2019 | |

In unserer Handbibliothek haben wir durch Zufall eine kleine Informationsbroschüre für das Archiv- und Bibliothekswesen aus dem Jahr 1974, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für das Archiv- und Bibliothekswesen der evang. Kirche. Dies soll keineswegs heißen, dass diese Broschüre alt und verstaubt ist; sie ist immer noch aktuell und sehr informativ für die Archivarbeit.

Folgende Darstellung bietet einen umfassenden Blick auf die Funktion und den Wert eines Archivs.

Wer den Begriff „Archiv” von Spinnweben und vom Hauch des Moders befreit, der kommt schnell zu dem Resultat: ein Archiv ist keine Rumpelkammer, es ist vielmehr eine Schatzkammer, eine Fundgrube, ein Arsenal wertvollen Schriftguts, wichtiger Urkunden und Dokumente, die nur ein einziges Mal vorhanden und daher unersetzlich sind.

Vergangenheit hat Zukunft – „ein Archiv ist auch ein Informationsspeicher für Menschen von heute, die kulturelle Werte von gestern auf ihre Verwendbarkeit für Vorhaben der Zukunft untersuchen”.

Was kann also ein Archiv tun, um aktuell zu bleiben?

Veranstaltungen im Gedenkjahr zum 100. Todestag von Christoph Blumhardt

19. Juni 2019 | |

Christoph Blumhardt. Landeskirchliches Archiv, Bildnissammlung.

Christoph Blumhardt, der engagierte Prediger, Politiker und Pazifist aus Bad Boll, verstarb vor 100 Jahren, am 2. August 1919. Die Blumhardt Sozietät lädt aus Anlass des Gedenkjahres zu einer Veranstaltungsreihe zum 100. Todestag ein. Informationen zu den Veranstaltungen, Ortsangaben sowie Anmeldemöglichkeiten finden Sie hier. Das Programm, welches am 20. Juni 2019 beginnt, beinhaltet Vorträge, Lesungen, Konzerte, ein Symposium im Stuttgarter Landtag und anderes mehr.

Veranstaltungs-Flyer zum Download:

Blumhardt-Sozietät_Veranstaltungen_2019(1)

Die Geisterhistorie der Dorothea Schönhaar – Unfug, Betrügerei oder doch ein Fünkchen Wahrheit?

11. Juni 2019 | | ,

Die Plüderhausener Kirchenkonventsprotokolle aus dem Jahr 1804 berichten von angeblichen Geistererscheinungen in der Schlafkammer der 35 Jahre alten, ledigen und unehelich geborenen Dorothea Schönhaar (getauft am 7. April 1769 in Plüderhausen), deren Mutter Benigna Sauterin – dies ist ausdrücklich im Kirchenkonventsprotokoll erwähnt – zudem im Ehebruch erzeugt wurde.

Eine „Mannspersohn”, ein Ritter, der im Schwedenkrieg erstochen worden sein soll, und „2 Weibspersohnen” sollen sie des Nachts besuchen und von einem „Kübele” mit 19.000 Gulden und weiteren Schätzen erzählen. Diese sollen für die Armen und für die Kirche verwendet werden und die Geister dadurch erlösen. Da die Schönhaar dies nicht erfüllen konnte, hatte sie bereits auf verschiedenen Wegen versucht, die Geister loszuwerden. Am 24. September 1804 bat sie schließlich darum, einen katholischen Geistlichen nach Plüderhausen kommen zu lassen, damit dieser die Geister austreibt.

Dem Protokoll vom 24. September ist zu entnehmen, dass das Gemeinschaftliche Amt, wie der Kirchenkonvent in Plüderhausen 1804 genannt wurde, der Schönhaar anfänglich keinen Glauben schenken wollte, sondern die „Erscheinungen” auf ihren schlechten Lebenswandel („schlechtes Praedicat”), Aberglaubens und ihr schlechtes Gewissen schob. Dennoch wurde sie nach den Geistern und ihr Verhalten eingehend befragt. Außerdem wurden „2 beherzte Männer” für eine Nacht in das Haus der Schönhaar „abgeordnet und beauftragt […], genau acht zu geben, ob und was für Betrügerey hier vorgehen möchte.” Nachdem beide anschließend einen Betrug ausgeschlossen hatten, wurde die Schönhaar am 2. Oktober erneut befragt. Dieses Mal interessierten sich Pfarrer und Amtmann genauer für die Personen, bei denen die Schönhaar um Rat nachgesucht hatte, für die bisher angewandten Versuche der Geisterabwehr und speziell ob, wie viel bzw. was die Schönhaar für die Ratschläge bezahlen oder als Gegenleistung erbringen musste.

Ob die Geister schließlich vertrieben werden konnten und ob der ein oder andere Ratgeber, der sich als Betrüger entpuppte, bestraft wurde, darüber schweigen die Quellen.

Das weitere Schicksal der Schönhaar ist bekannt. Sie wurde durch die Eheschließung vom 4. Oktober 1807 in Plüderhausen die dritte Ehefrau des Christian Frey und starb schließlich am 15. Oktober 1836 am selben Ort.

Die Geisterhistorie der Dorothea Schönhaar ist ein Beispiel der Kuriosa, die in den württembergischen Kirchenkonventsprotokollen zu finden sind. Außerdem ist sie in Beispiel dafür, dass früher oft der Stand in der Gesellschaft und das Ansehen über die Glaubwürdigkeit der eigenen Aussagen entschieden. Diese Kirchenkonventsprotokolle, wie auch andere, geben zudem einen größeren Einblick in die Verhältnisse der damaligen Gesellschaft und zeigen damit, dass die Kirchenkonventsprotokolle für diesbezügliche und andere sozialgeschichtlichen Forschung lohnenswerte Quellen sind.

Link zur Transkription der Kirchenkonventsprotokolle: Geisterhistorie_1804_Transkription

 

Kriminalgeschichten aus dem Ulmer Münster

3. Juni 2019 | | ,

„Denen ist wohl nichts heilig!“, mag sich der ein oder andere Leser der Südwestpresse am Freitag den 14. Juni 1985 gedacht haben, als er beim Durchstöbern der Zeitung auf folgenden Artikel stieß: „Mit Schrauben und Blei gegen die Bibel-Diebe“. Der Autor dieses Artikels empörte sich über die anhaltende Entwendung einer Bibel, die in der Bessererkapelle des Ulmer Münsters den Altar schmücken und die Besucher zum Lesen anregen sollte. Allein drei Mal sollen laut Redakteur Spaßvögel im Jahr 1985 zugeschlagen und die Bibel aus Scherz, Übermut oder vielleicht dem Nervenkitzel einer Straftat entwendet haben. Eine dieser entwendeten Bibeln sei später wieder aufgetaucht und vom damaligen Münsterbaumeister Lorenz in mühsamer Handarbeit aufbereitet worden. Als das derzeitige Bibelexemplar aus der Bessererkapelle entwendet wurde, kam das aufgearbeitete Objekt wieder an seinen angestammten Platz – und wurde prompt erneut gestohlen. Eine neue Bibel musste her, und dieses Mal sollte die Bibel auch dort bleiben, wo sie hingehörte. Daher verschraubte man dieses Exemplar an seiner Unterlage, einem kleinen Lesepult auf dem Altar. Zusätzlich lies Gerhard Lorenz das hölzerne Pult mit Blei füllen.

Während man im Fall der Bibel von einer Lappalie sprechen kann, hatten andere im Archiv der Ulmer Münsterbauhütte dokumentierten Diebstähle im Münster größere Auswirkungen. Pfarrbildnisse schienen Verbrecher ebenso angezogen zu haben, wie die Bibel aus der Bessererkapelle. 1971 entwendeten Diebe ein Pfarrbildnis J.G. Sappers aus dem Jahr 1737. Das Bildnis war mittels Plastikdübel am Rahmen mit der Wand verschraubt worden. Das half aber nichts, das Bild samt Rahmen und Dübel waren verschwunden. Ein weiterer aus den Unterlagen hervorgegangener Fall betrifft das Bildnis Sebastian Besserers, Bürgermeister der Stadt Ulm im 16. Jahrhundert, und ereignete sich 1968. Tatort war erneut die Bessererkapelle. Besonders an diesem Fall ist, dass der Diebstahl wohl erst mehrere Wochen nach der Tat entdeckt worden war. Das Bildnis wurde aus seinem Rahmen herausgeschnitten. Dieser leere Rahmen wurde zwar bemerkt, sei aber über längere Zeit nicht hinterfragt worden, da es sich dabei auch um eine Restaurierungsmaßnahme der Bauhütte hätte gehandelt haben können, bis ein Zimmermann der Münsterbauhütte den leeren Rahmen meldete.

Ein bemerkenswertes Militärkirchenbuch aus Crailsheim

28. Mai 2019 | | ,

Taufeintrag vom 7. September 1800 mit umfangreichen Angaben zu den Eltern – der Vater ist aus der Garnison Erlangen (so schön geschrieben sind leider nur wenige der Einträge).

Unter den Archivalien des Dekanatamtes Crailsheim, die sich im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart befinden, befindet sich ein Militärkirchenbuch (Nr. 79), das einige Besonderheiten aufweist.

Das Kirchenbuch enthält einleitend eine Notiz zum Aufenthalt des 3. Bataillons eines königlich-preußischen Infanterieregiments in Crailsheim 1798-1805, gefolgt vom einem Taufregister für die Jahre 1797 bis 1806, einem Eheregister für 1797 bis 1804, einem Totenregister für 1797 bis 1806 und einem Kommunikantenregister für 1798 bis 1806.

Die Einträge sind umfangreich und enthalten mehr genealogisch interessante Informationen als üblich. So sind in den Taufeinträgen die Mütter mit vollem Namen und teilweise der Herkunftsort der Eltern genannt. Die Eheeinträge enthalten Angabe zur Herkunft und Alter sowie zu den Eltern der Brautleute. In den Todeseinträgen von Kindern sind die Mütter ebenfalls mit vollem Namen genannt.

Neben den erwartungsgemäß evangelischen Soldaten bzw. deren Angehörige sind auch viele Einträge zu katholischen Soldaten zu finden, darunter auch Eheeinträge zu rein katholischen Brautleuten. Die bemerkenswerteste Besonderheit aber ist, dass die Einträge nicht nur königlich-preußische Soldaten der Garnison Crailsheim betreffen, sondern auch Soldaten aus den einige Tagesmärsche entfernten Garnisonen Erlangen und Ansbach, die sich zeitweise, wahrscheinlich aus dienstlichen Gründen, in Crailsheim aufhielten.

Inspirierende Schülerarbeit

22. Mai 2019 | | ,

Bereits etwas vergilbt, aber liebevoll per Hand gebunden, liegt die Hausarbeit einer Schülerin der Mädchenoberschule Esslingen von November 1953 vor. In feinster Handschrift ausgeführt, handelt die Arbeit vom Ulmer Münster, seiner Architektur und Geschichte. Ergänzt wird der Text, der in einer Sprachfeinheit verfasst wurde, die heutzutage universitätswürdig wäre, durch eingeklebte Postkarten und Bilder. Die formale Struktur der Arbeit hätte am Computer nicht besser erstellt werden können: die Untergliederungspunkte wurden eingerückt, ebenso wie die Anfänge eines jeden Absatz. Es scheint auch so, als hätte die Verfasserin den Text bereits vorgeschrieben und ihn dann in die vorliegende Form übertragen, denn es sind wenige Korrektur, keine Streichungen oder Ähnliches zu erkennen. Dieses Fundstück aus dem Bestand der Ulmer Münsterbauhütte inspiriert und regt zum Nachdenken an: über das Zeitalter der Digitalisierung, in der die Handschrift immer mehr an Bedeutung verliert, ein jeder aber auch froh darüber ist, seine schriftlichen Arbeiten, ob in der Schule oder der Universität, nicht mehr mühsam per Hand schreiben und übertragen zu müssen; über die Wirkung und Aura von Objekten, die zeigen, wie viel Herzblut ihr Schöpfer in ihre Kreation gesteckt hat; und zuletzt über Bildung, die heute in Deutschland für Männer wie Frauen selbstverständlich ist, 1953 für Mädchen aber noch etwas Wunderbares und nicht Alltägliches war.

„Wohin mit dem alten Zeug?“ – historische Unterlagen in Privatbesitz und was damit geschehen sollte

15. Mai 2019 | |

Wer ist nicht schon einmal selbst bei den Eltern oder Großeltern oder auch nach Kauf eines älteren Hauses in Schränken, auf dem Dachboden oder im Keller auf alte Unterlagen gestoßen und hat sich gefragt, was damit geschehen soll? Viel zu schnell wird dann die Entscheidung getroffen, das „alte Zeug” einfach wegzuwerfen! Doch dieses „alte Zeug”, alte, handschriftlich verfasste Texte, Hefte oder Bücher, aber auch alte Fotos können für die Forschung interessant sein. Es können Unterlagen aus dem privaten Bereich sein, wie Tagebücher oder Briefe, aber auch Predigtmitschriebe oder Notizen und Fotografien zum kirchlichen und gesellschaftlichen Leben. Außerdem können historische Unterlagen darunter sein, die auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen von kirchlichen oder kommunalen Einrichtungen in Privatbesitz gelangt sind, aber eigentlich Eigentum des örtlichen Pfarramts oder der Gemeinde sind, wie z.B. Kirchenbücher oder Protokollbände. Deshalb darf mit diesen historischen Unterlagen nicht sorglos umgegangen werden. Das Landeskirchliche Archiv Stuttgart bietet an, diese Unterlagen in Augenschein zu nehmen und eine Empfehlung abzugeben, was damit getan werden sollte. Das Landeskirchliche Archiv hat selbst Interesse an Unterlagen, die Bezüge zur Landeskirche haben, z.B. Nachlässe von Pfarrern, Missionaren oder anderen, mit der Kirche verbundenen Personen, aber auch Unterlagen mit personengeschichtlichem Bezug und auch an Unterlagen, die seit geraumer Zeit auf den Pfarrämtern vermisst werden. Gedruckte (Familien-)Bibeln sind dagegen vorhanden.

Sollten Sie im Besitz solcher alter Unterlagen sein und selbst keine Verwendung dafür haben, so bittet das Landeskirchliche Archiv darum, mit dem Archiv Kontakt aufzunehmen.

Kontakt: Uwe Heizmann, uwe.heizmann@elk-wue.de, 0711 2149 662, Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Balinger Str. 33/1, 70567 Stuttgart

Archivpflege in New York

6. Mai 2019 | |

Unser Mitarbeiter Michael Bing ließ es sich bei einem privaten Besuch bei der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Zions-Gemeinde in Brooklyn nicht nehmen, das dortige Pfarrarchiv zu sichten.

Zusammen mit dem Pastor Klaus-Dieter Gress, ursprünglich Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, und dem Kirchenpräsidenten Frederick Hansen nahm Michael Bing die Kirchenbücher, die Protokolle des Gemeinderates, der Sonntagsschule und etliche unerschlossene Unterlagen des Pfarrarchivs in Augenschein.

Die Zions-Gemeinde wurde 1855 von einem Württemberger gegründet. Pastor Friedrich Wilhelm Tobias Steimle, 1827 in Alzenberg bei Calw geboren, ursprünglich auf dem Lehrerseminar in Wildberg für das Lehrfach und später im Baseler Missionshaus als Missionar ausgebildet, war 1851 nach New York ausgewandert und baute dort die Deutsche Evangelisch-Lutherische Gemeinde auf. Zunächst in einem kleinen angemieteten Saal in der Washington Street untergebracht, konnte die Gemeinde 1856 die ehemalige holländisch-reformierte Kirche in der Henry Street erwerben, in der auch heute noch Gottesdienst gefeiert wird, in deutscher und in englischer Sprache.

Besonderes Augenmerk lag bei diesem außergewöhnlichen Archivpflegebesuch natürlich auf den historischen Kirchenbüchern der Zions-Gemeinde zu New York. Die Tauf-, Ehe- und Sterberegister setzen 1856 ein und wurden vor etlichen Jahren sicherungsverfilmt. Der Besuch in New York konnte genutzt werden, um mit dem Pfarrer und dem Kirchenpräsidenten erfolgreiche Gespräche über die Digitalisierung und Bereitstellung der Kirchenbücher auf dem Kirchenbuchportal Archion zu führen.

Archion erhält somit demnächst einen Datenschatz aus Übersee.

 

Deutsche Waldenservereinigung lädt zum Fest der Begegnung am 1. Mai in Ötisheim-Schönenberg

30. April 2019 | | ,

Eine Besonderheit der württembergischen Kirchengeschichte ist die Integration der waldensischen und hugenottischen Flüchtlinge aus dem südwestlichen Alpenraum, die aufgrund einer Glaubensverfolgung 1699/1700 verschiedene Ansiedlungen in Württemberg gründen durften, wie Großvillars, Sengach, Pinache, Perouse, Schönenberg, Serres, Kleinvillars, Wurmberg-Lucerne. Von 1699 bis zum Jahr ihrer Eingliederung in die Landeskirche 1823 bestanden sie als französischsprachige reformierte Minderheit in Württemberg. Eine ganze Reihe von französischsprachigen Kirchenbüchern im Landeskirchlichen Archiv gibt davon Zeugnis (vgl. als Beispiel das Beitragsbild mit einer Seite aus dem Taufregister von Großvillars von 1700). Die deutsche Waldenservereinigung lädt zu einem Begegnungsfest in Schönenberg, wo das Museum an diesem Tag ganztägig geöffnet sein wird.

 

Neues zur Stuttgarter Hospitalkirche auf kirchen-online.com

29. April 2019 | | ,

Wen die Frage interessiert, wie das Original der spätmittelalterlichen Kreuzigungsgruppe der Leonhardskirche, die dort heute als Kopie aufgestellt ist, in die Hospitalkirche gelangte, oder was die Hintergründe für die Errichtung des Reformationsdenkmales vor der Hospitalkirche waren, wird nun Antworten, und zahlreiche Belege auf der von Andreas Keller mit großem privaten Engagement betriebenen Internetseite www.kirchen-online.com finden. Dort erhält man zudem viele weitere Informationen über Stuttgarter und andere württembergische Kirchen, die sich aus seinen sorgfältigen Recherchen ergaben. Häufig werden Transkriptionen oder auch Abbildungen der historischen Quellen geboten. Zusätzlich sind die Beiträge umfangreich mit eigenen Aufnahmen Andreas Kellers illustriert. Die Fotos zeigen nicht nur Gesamtaufnahmen sondern jeweils auch Details der Fassaden, der Innenräume, und auch Epitaphien und andere Besonderheiten der jeweiligen Kirchen. Wer sich für Kirchen interessiert, sollte diese Seite unbedingt im Auge behalten.

Quellen zu den württembergischen Schulmeistern

23. April 2019 | |

LKAS, A 1, Nr. 111 (1779), S. 169. Visitation Vöhringen 21.05.1779. Eintrag zum Schulmeister und zum Hilfslehrer (Provisor) in Vöhringen, Vater und Sohn, ein Beispiel für eine so genannte Schulmeisterdynastie, Visitation 21.05.1779

„Der Mann ist nicht unfein in der Schule, Ehe und Wandel.“ (Schulmeister in Rodt, Pfarrei Lombach, Visitation 21.04.1766, LKAS, A 1, Nr. 98 (1766), S. 150)

„Hat schlechte Gabe, übt die Kinder nicht lange genug im Buchstabiren, deßwegen sie nie recht lesen lernen, versteht nichts im Rechnen, sonst ist Fleiß, Wandel, Schulzucht und Ehe recht.“ (Schulmeister in Loßburg, Pfarrei Lombach, Visitation 14.04.1779, LKAS, A 1, Nr. 111 (1779), S. 138.)

Solche und andere positive und negative Zeugnisse über die Schulmeister sind in den Visitationsprotokollen des Herzogtums und später auch des Königreiches Württemberg zu finden. Die Visitationsprotokolle sind nicht nur eine interessante und umfangreiche Quelle zu den Pfarreien und Pfarrern, sondern eben auch zu den Schulmeistern – und auch zu Schulmeisterinnen. Ihnen können neben den Zeugnissen durch den Visitator auch biographische Daten wie Name, Alter oder Geburtsdatum, Herkunft und Anzahl der eigenen Kinder sowie Dienstzeit und Anzahl der Schulkinder entnommen werden.

Die Visitationsprotokolle sind im Bestand A 1 (Synodusprotokolle I – Visitationsberichte) des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart in gekürzter Form, aber mit den eben genannten Informationen zu finden. Weitere Angaben, speziell Haupt- oder Nebentätigkeiten der Schulmeister und die Beurteilung durch den Ortspfarrer sowie genauere Angaben zum zeitlichen Umfang der Winter- und Sommerschule, sind in den Visitationsprotokollen zu finden, die im Bestand A 281 (Kirchenvisitationsakten) des Hauptstaatsarchivs Stuttgart überliefert sind.

Die Überlieferung der Visitationsprotokolle im Landeskirchlichen Archiv sind für den Zeitraum 1695 bis 1822 durchgehender, wenn auch mit kleineren Lücken, als im Hauptstaatsarchiv. Auch für die Zeit zwischen 1581 und 1680 sind die Visitationsprotokolle umfangreicher, hier mit größeren Lücken, im Landeskirchlichen Archiv vorhanden, als im Hauptstaatsarchiv. Lediglich die Jahre 1681 bis 1692 sind allein durch die Überlieferung im Hauptstaatsarchiv abgedeckt, wobei auch hier nicht durchgängig für alle Pfarreien. Man kann also sagen, dass die Überlieferung im Hauptstaatsarchiv inhaltlich umfangreicher, die Überlieferung an sich jedoch im Landeskirchlichen Archiv dichter ist. Nicht unerwähnt bleiben darf hierbei, dass v.a. in den älteren Visitationsprotokollen des Landeskirchlichen Archivs und speziell aus der Zeit des 30jährigen Krieges nicht alle Pfarreien aufgeführt sind.

Ergänzend sind in den Dekanatsarchiven, von denen sich die meisten im Landeskirchlichen Archiv befinden, Visitationsakten vorhanden. Diese enthalten neben anderen Unterlagen zu den Visitationen ebenfalls Visitationsprotokolle. Ob diese Entwürfe sind oder versehentlich nicht an den Synodus eingeschickt wurden, müsste im Einzelfall noch geprüft werden.

Weitere Informationen zu den örtlichen Schulen und möglicherweise zu den Schulmeistern könnten ferner in den Akten zu „Schulsachen“, die in Dekanats- wie auch in Pfarrarchiven vorhandenen sind, zu finden sein.

Die Informationen zu den Schulmeistern halten sich in den ersten Visitationsprotokollen noch in Grenzen, werden im 17. Jahrhundert mehr, bis sie ab dem 18. Jahrhundert den oben angegeben Umfang haben. Die Visitationsprotokolle sind somit eine interessante und umfangreiche Quelle für genealogische Forschungen, aber auch für Untersuchungen zur Sozial-, Schul- und Bildungsgeschichte.

Neben den Visitationsprotokollen existieren noch verschiedene Dienerbücher, in denen u.a. die Schulmeister, teils mit Bezahlung, aufgeführt sind (z.B. im Landeskirchlichen Archiv, A 12, Nr. 1, 2, 3, 7 und 36). Jedoch stellen diese Bücher nur Momentaufnahmen zu einem bestimmten Jahr bzw. Zeitabschnitt dar, können aber zur Kontrolle oder einzelne Ergänzungen herangezogen werden.

Ergänzend sei noch erwähnt, dass in den Visitationsprotokollen im Hauptstaatsarchiv, zumindest in denen ab dem 17. Jahrhundert, auch die örtlichen Heiligenpfleger und Hebammen namentlich erwähnt werden.

Objektbestand der Basler Mission Deutscher Zweig jetzt in der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv

15. April 2019 | | ,

Vieles hatte sich über Jahrzehnte hinweg angesammelt bei der Basler Mission Deutscher Zweig in der Stuttgarter Vogelsangstraße: Exotische Mitbringsel von Missionarinnen und Missionaren, Geschenke aus Partnerschaftstreffen, Werbemittel, Sammelbüchsen und sogar das Reiseharmonium eines Indien-Missionars. Zwischen chinesischen Wandbehängen und afrikanischen Trommeln lagerte auch eine Büste von Karl Hartenstein, der von 1926 bis 1939 Direktor der Basler Mission war.

Dass diese Dinge wichtige Zeugnisse der bewegten Geschichte der Basler Mission sind, war den Verantwortlichen spätestens beim 200-jährigen Jubiläum der Basler Mission im Jahr 2015 klar. In der Jubiläumsausstellung „Unterwegs zu den Anderen” gelang es vor allem durch die Exponate das Publikum anzusprechen und über vielschichtige Perspektiven und Lesarten die Entwicklung der Missionsgesellschaft aufzuzeigen.

Um die Objekte für die Zukunft zu erhalten, wurde der Bestand jetzt in die Museale Sammlung im Landeskirchlichen Archiv gegeben. Dort wird jedes Stück fotografiert, beschrieben und in einer Datenbank erfasst und unter geeigneten klimatischen Bedingungen aufbewahrt. Die Objekte stehen dann weiter für die Öffentlichkeit zur Verfügung und können jederzeit für entsprechende Projekte ausgeliehen werden. Kontakt: andrea.kittel@elk-wue.de

 

Nachlass von Lenore Volz im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart

8. April 2019 | |

Die württembergische Theologin Lenore Volz wurde am 16.03.1913 in Stuttgart geboren, studierte von 1933-1938 Theologie in Tübingen und Greifswald und war ab 1940 zuerst als „Pfarrgehilfin“, nach der zweiten theologischen Dienstprüfung 1943 als „Pfarrvikarin“ in Bad Cannstatt tätig. Dort wurde sie 1970 als Krankenhauspfarrerin investiert und blieb bis 1978 im Amt. Lenore Volz war die treibende Kraft im Kampf um die Gleichberechtigung der Theologinnen, denen es in Württemberg bis zur Reform der Theologinnenordnung 1968 nicht gestattet war, ein Gemeindepfarramt zu übernehmen. Den Anstoß zur Reform gab Lenore Volz 1961 in der kirchlich-theologischen Arbeitsgemeinschaft des Dekanats Bad Cannstatt mit ihrem Vortrag „Ist die Theologinnen-Ordnung von 1948 revisionsbedürftig?“. 1965, als Vorsitzende des Konvents evangelischer Theologinnen in Württemberg bereitete sie mit ihren Mitstreiterinnen die Studie „Frauen auf die Kanzel? Eine brennende Frage unserer Kirche“ vor, die 1967 mit einem Vorwort von Richard von Weizsäcker erschien. Die Beantwortung dieser „brennenden Frage“ führte zum neuen Theologinnengesetz, das am 15. November 1968 verabschiedet wurde. Den Weg, den die Theologinnen bis zu ihrer rechtlichen Gleichstellung gegangen waren, lässt sich im spannenden Nachlass von Lenore Volz nachvollziehen. Darüber hinaus gibt er Einblick in ihre Tätigkeit als Klinikseelsorgerin, in ihre Predigten und ihre berufliche sowie private Korrespondenz. Wir freuen uns über Interessierte, die diesen Nachlass im Landeskirchliche Archiv Stuttgart unter der Signatur D 86 einsehen und neue Erkenntnisse gewinnen möchten. Das Findbuch ist unter der Adresse https://www.wkgo.de/wkgosrc/findmittel/cms/index/LKAS-D086 einsehbar.

Vom Kauf eines Geldmännleins

1. April 2019 | | ,

In der Ortsakte von Flacht im Bestand des Dekanatsarchivs von Leonberg (DA Leonberg, Best.-Nr. 114) befindet sich ein Schreiben des Maulbronner Oberamtmanns Seubert an den Dekan von Roßwag Philipp Konrad Lang, in welchem der Absender dem Empfänger mitteilt, dass er bei seiner Entscheidung bleiben würde, dass die zwei Brüder Bergetz, die ein Geldmännlein kaufen wollten, mit einer Turmstrafe von drei Tagen genug bestraft seien, auch wenn der Vogt von Vaihingen eine härtere Bestrafung für richtig halte. Diese Bestrafung sei genügend, da die beiden Schelmen ja keinen tatsächlichen Handel mit dem Satan eingegangen seien und diesen auch nicht gesehen hätten.

Solch ein Geldmännlein zu besitzen war natürlich verlockend, da es über Nacht Münzen vermehren konnte, also den Geldbestand des Besitzers ohne Arbeitsaufwand erhöhte. Somit war der Kauf eines solchen Objekts eine attraktive Geldanlage. Wie bei Aktien oder Bitcoins war die Investition aber nicht risikofrei. Das Risiko war sogar besonders hoch, denn der Besitzer musste das Männlein rechtzeitig weiterverkaufen, und zwar zu einem niedrigeren Preis. Besaß er das Männlein noch, wenn er starb, oder vom Tod überrascht wurde, so verfiel seine Seele dem Teufel. Das geschah dann, wenn er den Zeitpunkt aus Gier verpasste, oder aber wenn er das magische Wesen aus Unwissenheit für nur einen Pfennig erwarb und es dann nicht mehr billiger verkaufen konnte.

“Ich werde dahero wegen derer beyden Bergetzen von Flacht, welche ein Geldmännlein kaufen wollen, von meiner ersteren gehabten Maynung nimmermehr abweichen, sondern halte davor, daß sie mit 3. tägiger Thurmstraff genügsam gebüst haben, kann auch nicht finden, daß ein Casu sich befinde, indeme die arme Schelmen ja den Teufel nicht gesehen haben. […]”