Inventarisierung der Jugendstilkirche Gaggstatt. Ein Bericht aus dem Freiwilligen Sozialen Jahr

7. November 2023 | |

Am 27.09.2023 durfte ich zum ersten Mal bei einer Inventarisierung dabei sein. Anstatt wie bisher im Büro bestehende Akten zu sortieren oder zu digitalisieren, konnte ich hier hautnah bei der Aufnahme eines neuen Bestandes dabei sein. Bei der Inventarisierung im speziellen, wird nicht nur ein neuer Bestand aufgenommen, der Bestand muss erst geschaffen werden. Dies geschieht mithilfe von Fotoaufnahmen der entsprechenden Objekte und einer eingehenden Beschreibung derselben. Maße, Name, Datierung und Herkunft werden vor Ort bestimmt, während eine eingehende Werkbeschreibung u.a. anhand der Fotos im Archiv angefertigt wird. In diesem Fall handelte es sich bei dem „Bestand“ um die Jugendstilkirche Gaggstatt.

Die Inventarisierung beginnt morgens und nimmt einen ganzen Arbeitstag in Anspruch. In Gaggstatt angekommen, übergab uns die Mesnerin die Schlüssel und wir durften uns frei in der Kirche umsehen.

Die mit ihren Doppeltürmen für das sonst relativ kleine Dorf Gaggstatt doch schon sehr imposante Jugendstilkirche wurde 1904 nach dem Entwurf des bekannten Architekten Theodor Fischer gebaut. Die mangelnde Fantasie bei der Namensgebung machte er bei der Gestaltung der Gottesdienstraumes mehr als wett. Neben der auffallend farbenfrohen Ausstattung, wie den Kacheln entlang der Empore und den blauen Bänken, die immer gleichzeitig eine oder mehrere symbolische Bedeutungen haben, gibt es in der Kirche viele kleine versteckte Details zu entdecken. So zum Beispiel ein kleines Relief im Treppenaufgang, das mit den Tieren Katze, Ratte, Frosch und Fliege die Schöpfungsordnung Gottes darstellt.

Im Rahmen der Inventarisierung wurde zunächst das liturgische Gerät erfasst, das in diesem Fall, da es sich um eine evangelische Kirche handelt, nur die Abendmahlskelche, die „Vasa Sacra“, umfasste. Es gab 7 Stück davon, die meisten aus vergoldetem Kupfer, Silber oder Zinn. Eine Besonderheit war ein Kelch, der sowohl Stilmerkmale des 15. als auch des 19. Jahrhunderts aufwies und daher nicht eindeutig zuzuordnen war.

Nach der Verzeichnung des Liturgischen Geräts wendeten wir uns dem Kirchenschiff zu. Wichtig sind hier die Prinzipalstücke Taufstein, Altar und Kanzel sowie eventuell weitere architektonische Details. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen sind es hier nicht die Glasfenster, sondern die Brüstung der Empore, die mit sieben sich wiederholenden Motiven auf großen Kacheln verziert ist. Zwei der Kacheln sind abgeschnitten, als Symbol für die Unvollständigkeit der Schöpfung Gottes. Über dem Altarraum befand sich außerdem ein großes Relief, das die 3 wichtigsten Ereignisse des Christentums darstellte: Weihnachten (Geburt Christi), Ostern (Tod Christi) und Pfingsten (Empfang des Heiligen Geistes).

Eine Überraschung erwartete uns beim letzten Element:

Der Taufstein selbst war nicht mehr im Original vorhanden, sondern eine in eine Nische eingelassene Schale mit einem Holzdeckel im Jugendstil. Der ursprüngliche Taufstein befand sich, wie uns der Pfarrer später erklärte, in der Nachbargemeinde. So machten wir, bevor wir mit der Aufnahme des Kirchengebäudes fortfuhren, einen kurzen Abstecher in die Kirche des Nachbarortes.

Nachdem wir dort den, im Vergleich zum restlichen Kirchenmobiliar, relativ unspektakulären Taufstein verzeichnet hatten, kehrten wir wieder zurück zum ursprünglichen Einsatzort und fuhren anschließend mit der Empore fort. Dies umfasste die Orgel und zwei Prozessionskreuze.

Zuletzt schlossen wir die Kirche ab und machten noch einige Außenaufnahmen. Ich fand diese Abwechslung zum bisherigen FSJ-Alltag sehr spannend und würde mich freuen, bald wieder so etwas machen zu können.

Fotos: Inventarisation, Landeskirchliches Archiv Stuttgart

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