Fundstück: Konfirmanden-Stiefel

11. April 2023 | |

Die Annonce von 1911 aus der Cannstatter Zeitung zeigt, dass das Thema Kleidung für die Konfirmation damals offensichtlich so wichtig war wie heute – wenn nicht gar noch wichtiger.

Die Konfirmation war lange Zeit eine wichtige Zäsur im Leben der Heranwachsenden. Mit der Konfirmation war auch die Schulpflicht zu Ende, und für die meisten begann der Start in die Lehre, in den Beruf, der erste Schritt ins Erwachsenenleben. Deshalb bekamen die Konfirmandinnen und Konfirmanden erstmals Erwachsenenkleidung, meist etwas größer, zum Hineinwachsen. Auf älteren Konfirmations-Fotos sehen die Jugendlichen mit ihren 14 Jahren daher merkwürdig alt aus: Die Jungs mit Anzügen und Hüten, die Mädchen mit schwarzen hochgeschlossenen Kleidern. Die in der Zeitungsanzeige von 1911 angebotenen Konfirmanden-Stiefel scheinen jedoch nichts für die Durchschnittsjugendlichen gewesen zu sein, in edlen Ledervarianten und feiner Ausführung waren sie zu teuer und unpraktisch für die meisten.

Das Zeitungsblatt kam zufällig mit anderen Objekten in die Museale Sammlung. Neben den Konfirmanden-Stiefeln wurden auf der Rückseite vom selben Kaufhaus auch Konfirmanden-Anzüge angeboten. Der Bezug zur Konfirmation war Grund dafür, dass das Blatt aufbewahrt wurde.

Doch jedes Ding erzählt nicht nur eine Geschichte. Die Annonce war platziert worden vom Kaufhaus Sally Hirsch in Cannstatt, Seelbergstraße 16. Der Vorname weckte unser Interesse und führte zu weiteren Recherchen. Ist Sally der Name einer Frau? Oder ist er die Abkürzung von Salomo, wie es bei deutsch- und jiddischprachigen Juden früher üblich war? Was ist aus dem Kaufhaus und ihren Inhabern geworden? Auf der Internetseite der Stuttgarter Stolperstein-Initiative wurden wir fündig. Rainer Redies beschreibt dort den Werdegang und das Schicksal der Kaufmannsfamilie.

Das Ehepaar Sally und Clara Hirsch betrieben seit dem späten 19. Jahrhundert ein Bekleidungsgeschäft in der Seelbergstraße, seit 1906 im eigenen Haus. Die Firma und das Haus der Hirschs wurden im Juni 1938 „arisiert“. 1939 starb Sally Hirsch knapp 80-jährig. Seine Frau Clara starb 1942 mit 70 Jahren in Theresienstadt. Ihre Kinder Bertha und Hugo konnten rechtzeitig in die USA emigrieren.

Ausführlicher dazu:

Clara Hirsch: Vergebliche Hoffnung auf ein Wiedersehen | Cannstatter Stolperstein-Initiative (stolpersteine-cannstatt.de)

 

 

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