Der in die Debatte um einen neuen Wehrdienst gemachte Vorschlag, zur Auswahl von Wehrdienstleistenden ein Losverfahren einzuführen, greift ein Verfahren auf, dass bereits vor über 200 Jahren angewandt wurde. So auch im Großherzogtum Baden, wo ein Ausgeloster jedoch die Möglichkeit hatte, einen Einsteher zu benennen, der für ihn den Militärdienst übernahm. So geschehen im Falle des Michel Hermanns (1791-1859)[1] und seines Einstehers Sebastian Töchterle (1786-1860)[2] in Oberwolfach im badischen Schwarzwald.
Bei meiner Recherche zu dem aus Schwaz in Tirol stammenden, ab ca. 1773 in Oberwolfach im damaligen Fürstentum Fürstenberg tätigen Bergmann Anton Töchterle [3] bin ich im Generallandesarchiv Karlsruhe auf den Einstandsvertrags seines Sohnes Sebastian Töchterle von 1814 gestoßen.[4] Laut diesem Vertrag (Transkription weiter unten) verpflichtete sich Sebastian Töchterle, anstelle des Michel Hermanns den Militärdienst anzutreten, falls dieser dafür ausgelost wurde, was auch laut Nachtrag vom 25. Februar 1814 geschah.[5]
Bildquelle: Knötel, Richard: Uniformenkunde. Band 4. Rathenow 1893, Nr. 57 (Digitalisat von: http://regiment-index.de/2_6_0101-12_proindx.html#bad).
Nach Einführung der Wehrpflicht im Großherzogtum Baden war es für durch das Los ausgewählte Wehrpflichtige möglich, nicht selbst den Militärdienst zu leisten, sondern einen Einsteher hierfür zu benennen.[6] Die Gegenleistungen, welcher dieser erhielt, wurden in einem Einstandsvertrag genau festgelegt und waren im Falle des Einstandsvertrags zwischen Töchterle und Hermann doch beträchtlich. Aus welchen Gründen war Michel Hermann bereit, diese Gegenleistungen zu entrichten und was motivierte Töchterle dazu, diese Verpflichtung einzugehen? Beides bleibt unbekannt. Möglicherweise war Töchterle in schlechter finanzieller Lage, vielleicht wollte er auch seine Mutter in besserer Versorgung wissen, weshalb er diese Verpflichtung trotz der Risiken, die das Soldatendasein zur damaligen Zeit mit sich brachte, einging. Er erhielt 550 Gulden (fl) und weitere Gegenleistungen, während seiner Mutter auf Lebenszeit gestattet wurde, auf Hermanns Feldern Korn, Gerste und Kartoffeln anzubauen. Hinsichtlich Hermann, damals 22 Jahre alt, lassen die Zeitumstände ebenfalls einen Schluss zu. Das durch Napoleons Gnaden vergrößerte und zum Großherzogtum erhobene Baden musste als Gegenleistung dem französischen Kaiser Truppen für dessen Kriege, die tausende von Opfern forderten, zur Verfügung stellen. Badische Soldaten starben in Norddeutschland, Spanien, Österreich und Russland.[7] Der Wechsel des Großherzogtums auf die Seite der Gegner Napoleons 1813 beendete das Sterben nicht. Baden musste im Zuge der Befreiungskriege sogar mehr Truppen ausheben als zuvor.[8] Im Dezember 1813 wurde in Baden die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.[9] Am 12. Februar 1814 erfolgte zwecks Bildung der Landwehr ein Edikt zur allgemeinen Volksbewaffnung, aufgrund dem alle wehrfähigen Männer im Land erfasst werden sollten. Zwar waren zu dem Zeitpunkt bereits die meisten badischen Regimenter in Richtung Frankreich abmarschiert,[10] jedoch wollte Michel Hermann wohl sicher gehen, dass er nicht zu den nächsten Männern gehörte, die potenziell in den Tod geschickt wurden. Ob Töchterle noch ausmarschieren musste oder nur den Militärdienst im Land abzuleisten hatte, kann nicht gesagt werden. 1814 galt im Großherzogtum noch eine Dienstzeit von zwölf Jahren bei der Artillerie, acht Jahre bei Infanterie und Kavallerie.[11] Mit dem Beitritt zum Deutschen Bund 1815 orientierte sich das badische Militärwesen am preußischen. Die Dienstzeit wurde auf sechs Jahre bei der Infanterie und acht Jahre bei Kavallerie und Artillerie herabgesetzt.[12] Welcher Waffengattung Töchterle angehörte und wie lange er diente, ist nicht bekannt. Bei seiner Hochzeit 1822 ging er bereits wieder seiner erlernten Tätigkeit als Schuhmacher nach.[13]
Die Bestimmungen des Einstandsvertrags lauteten wie folgt:
„Einstandsvertrag zwischen Sebastian Töchterle und dem Milizpflichtigen Michel Hermann im Gelbach Stabs Oberwolfach.
1.) Macht Sebastian Töchterle sich verbündlich, für den zum Militärdienst durch das Loos getroffenen Michel Hermann einzustehen und die bestimmte Capitulationszeit [= Dienstzeit] getreulich auszuhalten; dargegen
2.) sichert Michel Hermann dem Einsteher Töchterle eine Kapitalsumme von fünfhundert Gulden zu, welche auf das ihm anfallende Hofguth versichert und jährlich zu 5 Proc[en]t verzünset werden sollen. Nebst diesem erhält Einsteher fünfzig Gulden baar zur Hand; über dieses
3.) verspricht Hermann den Einsteher in sein Haus aufzunehmen und in Kost und Kleidung, gesund oder krank ohnentgeldlich zu unterhalten;[14] auch
4.) berechtiget Hermann des Einstehers Mutter N. N. auf ihre Lebenszeit jährlich 6 Sester Korn, 3 Sester Gersten und 4 Sester Erdäpfel [= Kartoffeln] in das Gerüstefeld und 4 Sester Erdäpfel in das Brandfeld[15] pflanzen zu dörfen.
5.) Hat Einsteher jährlich ein Hemd und ein Paar weiße Hosen, gleich beim Einstand aber ein[e] blaue und ein[e] weiße Hose, ein Paar blaue und weiße Kamaschen, ein Paar Schuh und zwei Hemden zu erhöben. Wenn nun
6.) der Einsteher unter der Zeit mit Tod abgehen würde, ohne über das ihm versicherte Einstandskapital eine leztwillige Erklärung gemacht zu haben, so solle dieses seinen nächsten Verwandten zufallen.
Damit jedoch Michel Hermann an seinem Erbtheil nicht verkürzt und ihm dießhalb kein Hinternüß gemacht werden, so sichert ihm
7.) der Stiefvatter Joseph Summ von seinem eigenen disponiblen [= verfügbaren] Vermögen zweihundert Gulden und sein begütherter Schwager Niklaus Schmider einhundert Gulden als Geschenk zu, die er mit großem Dank anzunehmen erklärt.
Im Fall jedoch
8.) Michel Hermann das Loos zum Militärdienst nicht treffen würde, so solle Döchterle [!] deßen ohnverachtet 30 fl zu beziehen haben.
Zu Bekräftigung dieses Vertrags haben sich die Betheiligten eigenhändig unterschriben.
Wolfach den 14ten Hornung [= Februar] 1814.“[16]
Anmerkungen und Quellen
[1] Im Einstandsvertrag wird Michel Hermanns Stiefvater „Joseph Summ“ erwähnt. Am 26. November 1817 heiratete ein Michael Hermann, „künftiger Bauer im Gelbach“, dessen Stiefvater „Joseph Sum“ hieß. Die Braut hieß Anastasia Mayer. Am 12. Januar 1859 starb ein Michael Hermann, „Leibgedinger im Gelbach“, 67 Jahre, drei Monate und 16 Tage alt, er wurde also (rechnerisch) am 27. September 1791 geboren. Seine Ehefrau hieß Anastasia Mayer. Vgl. Generallandesarchiv Karlsruhe (GLAK), Best. 61, Nr. 14823, No. 59, S. 3; Staatsarchiv Freiburg (StAF), L 10, Nr. 6172, E 1817, Bl. 21v (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-498906-241) und StAF, L 10, Nr. 6176, To 1859, S. 460 (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-498910-550). Es kann davon ausgegangen werden, dass sich diese drei Dokumente auf dieselbe Person beziehen
[2] Kirchenbücher Oberwolfach, Mischbuch 1753-1809, Taufregister 1753-1809, ohne Seitenzählung (19.01.1786) und StaF, L 10, Nr. 6176, To 1860, S. 474 (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-498910-578).
[3] Heizmann, Uwe: Eine andere Sicht auf die Geschichte des Bergbaus: Die Biografie des aus Schwaz stammenden und in Einbach (Hausach) und Oberwolfach tätigen Bergmanns Anton Töchterle (1740-1812) als Beispiel sozialhistorischer Auswertungsmöglichkeiten. In: Der Erzgräber 39 (2024), H. 1, S. 55 – 60; Ders.: Die Biografie des aus Schwaz stammenden und in Einbach (Hausach) und Oberwolfach tätigen Bergmanns Anton Töchterle (1740-1812) und seine Familie (18./19. Jahrhundert). In: Südwestdeutsche Blätter für Familien- und Wappenkunde 42 (2024), S. 193 – 212.
[4] Generallandesarchiv Karlsruhe, Bestand 61, Nr. 14823, No. 59.
[5] GLAK, Best. 61, Nr. 14823, No. 59, S. 1.
[6] Fiedler, Siegfried: Das Militärwesen Badens in der Zeit Napoleons. In: Württembergisches Landesmuseum (Hrsg.): Baden und Württemberg im Zeitalter Napoleons. Aufsatzband. Stuttgart 1987, S. 255 – 273, hier S. 262.
[7] Fiedler (wie Anm. 6), S. 259 – 267; Harder, Hans Joachim: Militärgeschichtliches Handbuch Baden-Württemberg. Stuttgart u.a. 1987, S. 84 – 91.
[8] Fiedler (wie Anm. 6), S. 268.
[9] Harder (wie in Anm. 7), S. 91.
[10] Fiedler (wie Anm. 6), S. 268 f.
[11] Fiedler (wie Anm. 6), S. 258.
[12] Harder (wie in Anm. 7), S. 94.
[13] StAF, L 10, Nr. 6173, E 1822, Bl. 22r (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=5-498907-21).
[14] Die Dienstzeit umfasste zwar mehrere Jahre, jedoch waren auch großzügige Freistellungen und Urlaub vorgesehen, so dass Töchterle wahrscheinlich auch einige Zeit seiner Dienstzeit in Oberwolfach verbrachte. Vgl. Fiedler (wie Anm. 6), S. 258.
[15] Gerüstefeld und Brandfeld: vermutlich lokale Flurnamen. 1 Sester: altes Hohlmaß für Getreide und Flüssigkeiten, entspricht 15 Liter.
Durch seinen Vorlass, der aus Dokumenten zu seiner Tätigkeit für die EKD als Orthodoxie-Referent (1985–1996) sowie als Mitglied der Kommission für den Dialog mit dem Ökumenischen Patriarchat (1985–2011) besteht, bereichert Klaus Schwarz (geb. 1949) das Evangelische Archiv Baden und Württemberg um Unterlagen, die sonst in Zentralarchiven zu finden sind. Sie bieten die Möglichkeit, Informationen über die Gestaltung der Dialoge der EKD mit den orthodoxen Kirchen zu erhalten.
Seine Dienstjahre für die EKD fielen mit epochemachenden Ereignissen wie dem Fall des Eisernen Vorhangs zusammen. Für das Bundeskanzleramt erstellte Klaus Schwarz anlässlich einer Reise Helmut Kohls in die UdSSR eine Vorlage zur Lage der Kirchen in diesem Land. Bei der Vorbereitung des Besuchs des russischen Patriarchen Alexij im Jahr 1995 spielte er eine wichtige Rolle: Er traf sich in der deutschen Botschaft in Moskau mit dem damaligen Metropoliten und heutigen Patriarchen Kyrill, um sicherzustellen, dass der Besuch einen kirchlichen Charakter behält und nicht von politischen Tönen überlagert wird.
Er verfasste außerdem für den Ratsvorsitzenden der EKD eine Vorlage für ein vertrauliches Sechs-Augen-Gespräch mit dem russischen Patriarchen Alexij II. und dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Karl Lehmann. In seinen handschriftlichen Notizen hielt er zudem das Gespräch des Patriarchen mit der Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth und dem Außenminister Klaus Kinkel fest.
Wie wichtig diplomatisches Gespür für eine solche Tätigkeit ist, erfuhr Klaus Schwarz bereits als junger Vikar, als er 1979 als Delegierter der EKD an der 8. Vollversammlung der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) teilnahm. Kurz vor Ende der Veranstaltung verließ die griechische Delegation aus Protest den Saal, kehrte nach Verhandlungen jedoch zurück, sodass ein Eklat in letzter Sekunde vermieden wurde.
Auch in seiner Tätigkeit als Orthodoxie-Referent sah er sich mit Schwierigkeiten in den Beziehungen zu anderen Kirchen konfrontiert. Oft waren es politische Umstände, die Komplikationen verursachten, aber auch neue Chancen boten. Die radikalen gesellschaftlichen Veränderungen nach der Wende warfen die Frage nach der Auswertung und Neugestaltung der Beziehungen zu den Kirchen in Osteuropa auf. Auch in diesem Zusammenhang spielte Klaus Schwarz eine zentrale Rolle und verfasste entsprechende Texte.
Ein Teil der Fragen und Themen, mit denen sich Schwarz auseinandersetzte, hat bis heute nichts an Aktualität verloren: Der Frieden im ehemaligen Jugoslawien ist immer noch fragil, das Bestreben der Ukraine nach einer von Moskau unabhängigen Kirche besteht weiterhin und die Mahnungen des russischen Patriarchen, die NATO stelle eine Übermacht dar – geäußert im Gespräch mit Rita Süßmuth im Jahr 1995 – sind auch heute ein zentraler Bestandteil der Moskauer Narrative. Auch die Frage, wie die Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen gestaltet werden sollen, bleibt komplex. Dies liegt sowohl an den politischen Umständen (wie dem Ukraine-Krieg) als auch an den divergierenden Tendenzen innerhalb der Kirchen. Während die EKD einen liberalen Weg einschlägt, verstehen sich die orthodoxen Kirchen als Bewahrer traditioneller Werte.
Aufgrund ihrer Vielfalt können die im Archiv aufbewahrten Unterlagen nicht nur für Kirchenhistoriker, sondern auch für Osteuropahistoriker, Ostkirchenkundler sowie orthodoxe Theologen von Interesse sein.
Den Bestand verzeichnete Herr Vladislav Atanassov, Theologe, im Rahmen seines Pflichtpraktikums in unserem Archiv. Das Inventar ist online recherchierbar.
Bischof Joan, Abt des Rilaklosters in Bulgaren in Weimar 1992. EABW, D206, 18.
Teilnehmer des V. Theologischen Gsprächs mit der bulgarisch-orthodoxen Kirche, Reinhardsbrunn 1992. EABW, D 206, Nr. 18
Teilnehmer des V. Theologischen Gsprächs mit der bulgarisch-orthodoxen Kirche, Reinhardsbrunn 1992. EABW, D 206, Nr. 18
Klaus Schwarz, links im Bild, mit dem ökumenischen Patriarchen von Jerusalem, Batholomäus, 1993. EABW, D 206, Nr. 4.
Dankesbrief des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus. EABW, D 206, Nr. 4
Jan Seyb hat am 1. Oktober seine Stelle im Evangelischen Archiv Baden und Württemberg angetreten. Er ist dort für die Archivpflege in der badischen Landeskirche zuständig. Das bedeutet, dass er die badischen Pfarr- und Dekanatämter in archivfachlichen Fragen berät und die Archivbestände dieser Stellen archivisch erschließt. Derzeit ist er damit beschäftigt, den Archivbestand des Dekanatamtes Schopfheim zu verzeichnen. Im Rahmen seines Geschichtsstudiums an der Universität Mannheim absolvierte er ein Pflichtpraktikum beim Bundesarchiv in Koblenz. Dieses Praktikum hat ihm so viel Spaß gemacht, dass er sich für den Beruf des Archivars entschied. Seine Ausbildung absolvierte er beim Landesarchiv in Koblenz. Erste berufliche Erfahrungen konnte er anschließend im Niedersächsischen Staatsarchiv, Abteilung Stade, sammeln. Herzlich willkommen in unserem Haus!
Kirchen vor gesellschaftlichen Herausforderungen im 19. und 20. Jahrhundert: Katholische Aufklärung – Soziale Frage – Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
Am 14. November ist es wieder so weit. Der Verein für Württembergische Kirchengeschichte veranstaltet in unserem Räumlichkeiten seine Jahrestagung. Dieses Jahr werden die eingeladenen Referenten verschiedene Facetten des oben genannten Tagungsthemas ansprechen. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war eine Epoche tiefgreifender Umbrüche. Konfessionelle Gegensätze, die Soziale Frage in Zeiten der Industrialisierung, der Nationalsozialismus mit seinen ideologischen Ansprüchen und schließlich Krieg, Flucht und Neubeginn nach 1945 stellten Kirchen, ihre Amtsträger, Gemeinden und Institutionen in Württemberg vor große Herausforderungen. Im Zentrum steht die Frage, wie sie ihre Handlungsspielräume wahrnahmen, Verantwortung übernahmen und kirchliches wie gesellschaftliches Leben gestalteten. Diesen Themenfeldern sich die Tagung in vier Vorträgen nähern. Dr. Amelie Bieg beleuchtet die konfessionellen Auseinandersetzungen im Königreich Württemberg im Vormärz. Antonia Schmidt stellt die Frage, wie Pfarrer und Gemeinden auf die sozialen Nöte des 19. Jahrhunderts reagierten. Annegret Gellweiler M. A. untersucht die Rolle der Schwesternkongregationen in der Krankenpflege während des Nationalsozialismus. Prof. Dr. Hermann Ehmer zeigt, wie geflüchtete und vertriebene Pfarrer nach 1945 in der württembergischen Landeskirche einen neuen Wirkungsort gefunden haben. Der Schlussvortrag von Prof. Dr. Norbert Haag ist zugleich die Vorstellung seines neuen Buches „Dekane. Eine kirchliche Funktionselite 1918 bis 1948. Eine Untersuchung am Beispiel der Evangelischen Landeskirche in Württemberg”. Norbert Haag zeigt darin die Dekane als zentrale Gestalten kirchlicher Verwaltung, die in Weimarer Republik, „Drittem Reich“ und Nachkriegszeit zwischen Loyalitäten und Anpassungsdruck standen.
Mehr Informationen, den Flyer, sowie den Link zur Anmeldung finden Sie hier.
Wir begrüßen unsere neue Kollegin Simone Kuper. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die konzeptionelle Mitarbeit im Bereich der Archivpflege, sowie die Bestandserschließung. Aufgrund ihres Interesses an der Geschichte hat sie nach der Schule zunächst ein FSJ Kultur im Kreisarchiv Warendorf gemacht und dann beim Bundesarchiv in den Standorten Koblenz, Berlin und Freiburg ihre Ausbildung zur Archivarin absolviert. Ihre ersten beruflichen Erfahrungen sammelte sie im Stadtarchiv Bonn. Derzeit erschließt sie den Archivbestand der Evangelischen Hochschule Freiburg. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!
„Am 21. März des Jahres 1896 wird dem Oberschullehrer Oskar Brendle und seiner Frau Karoline Brendle, geborene Lederer, die Freude des Elterndaseins zu teil, denn genau an diesem Datum ist es, dass ihr Sohn, welcher den Namen Theophil bekommen soll, in Heilbronn das Licht der Welt erblickt.“
So gedachte ich, den Anfang meines ersten Beitrags auf dieser Seite des evangelisch-kirchengeschichtlichen Blogs zu verfassen. In diesem Beitrag soll es um den Nachlass des oben genannten Herrn Theophil Brendle gehen, der auch Inhalt meiner ersten Bestandsaufnahme im Rahmen meines FSJs ist. Bevor dieser Beitrag jedoch Aufsatzlänge erreicht und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, gelangweilt weiter scrollen, weil Ihnen der Name unbekannt ist und die Einführung allein schon zu lang ist, möchte ich Ihnen hier schildern, warum auch der Nachlass eines kleinen Namens trotzdem nicht gänzlich uninteressant ist.
Unterschriftenliste der Gemeindeglieder in Hochdorf an der Enz. EABW, D 204, Nr. 5.
Anders als sein weitaus bekannter und zu Recht für die württembergische Kirchengeschichte bedeutender Namensvetter, der ehemalige Landesbischof Theophil Wurm, der zusammen mit dem protestantischen Landesbischof Bayerns, Hans Meiser, und vielen anderen bedeutenden Persönlichkeiten – darunter Dietrich Bonhoeffer, eine der wichtigsten Figuren der deutschen Geschichte – die unvorstellbare Zeit des Nationalsozialismus und des Kirchenkampfes auf Seiten der Bekennenden Kirche prägte, taucht unser Herr Brendle nur als ein sehr kleines, wenn auch nicht völlig uninteressantes Zahnrädchen in der geschichtlichen Bühnenmaschinerie auf.
Brendle, der seinem Dienstheft (ein Teil seines Nachlasses, der hier im Landeskirchlichen Archiv aufbewahrt wird) eine Porträtfotografie seines Landesbischofs Wurm beilegte, müssen die Vorgänge um dessen Absetzung im fortlaufenden Kirchenkampf äußerst bewegt haben. Wie tausend andere evangelische Gemeindemitglieder und Pfarrer entschloss er sich, Initiative zur Solidarität mit Wurm zu ergreifen und selbst seinen Part im Spiel der Geschichte zu übernehmen. Im Jahr des Ereignisses, 1934, war Brendle Pfarrer in der kleinen Gemeinde Hochdorf an der Enz nahe Vaihingen an der Enz. Auf seine Initiative hin wurden in der Gemeinde Unterschriften gesammelt, um zu protestieren.
Doch damit nicht genug: Dem Archiv liegt eine ganze Sammlung vor, in der wir von weiteren Taten Pfarrer Brendles im Zusammenhang mit dem Kirchenkampf und der Absetzung Wurms erfahren. Anlass der polizeilichen Ermittlungen war die Entdeckung der Kirchenflagge auf Halbmast, was das Misstrauen der NS-Polizei schürte. Auch Gemeindeblätter werden daraufhin beschlagnahmt. Grund: Ihr Inhalt sei zu politisch. Zudem geht das Gerücht um, der Gottesdienst stehe unter Beobachtung. Auf seine Nachfragen beim Württembergischen Innenministerium und beim Evangelischen Quellverlag erhielt Brendle allerdings nur spärliche Antworten.
Mappe Kirchenkampf. EABW, D 204, Nr. 26.
Doch der Auflauf der landesweiten Proteste sollte nicht wirkungslos bleiben: Auch wenn die gleichgeschaltete NS-Presse über die durch die Absetzung Wurms ausgelösten Massenproteste schwieg, so erklangen die Rufe der Protestgemeinde doch so laut, dass Hitler mit seinem Vorhaben zurückrudern musste und Wurm weiter Landesbischof bleiben durfte.
Die evangelische Michaelskirche in Hochdorf an der Enz. Fotograf: Harke. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/
Mit seiner Unterschriftensammlung und der zusammengestellten Mappe mit Materialien zum Kirchenkampf hinterließ Brendle zwei wichtige Dokumente seiner Archivalien. Sie zeugen nicht nur von seiner Initiative und Solidarität mit Wurm, sondern sind auch für die Orts- und Kirchengeschichte Hochdorfs an der Enz von Bedeutung. Brendle wurde so zu einem kleinen, aber nicht unwichtigen Teil der großen Geschichte. Doch wie sehr der kleine Name eines Theophil Brendles im großen Einklang der Geschichte steht, davon kündigen auch andere Dokumente des von mir bearbeiteten Nachlasses: Brendles „Kriegschronik“ ist ein bleibendes, zeitgeschichtliches Zeugnis aus seiner Pfarrzeit in Heilbronn-Sontheim. Darin schildert er das Ende des Zweiten Weltkrieges aus ortgeschichtlicher Perspektive. Ebenso berührend sind die Dank- und Grußkarten, zum Beispiel jene der Familie Vollbrecht aus Gera-Zwötzen, die Teil der Korrespondenz der Familie Brendle in die DDR waren und bis Anfang der 80er Jahre andauerten. Dies ist nicht nur durch Dank- und Grußkarten, sondern auch durch Lieferscheine belegt.
Alles in allem mag der Name Theophil Brendle in den Augen der Geschichte nicht einmal eine Fußnote sein. Doch wenn man sich die Zeit nimmt, spricht sein Nachlass Bände über den Verlauf aus den Augen eines kleinen Ortspfarrers in Zeiten wie dem Kirchenkampf, der Naziherrschaft, dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der darauffolgenden deutschen Teilung. Während meiner gesamten Bearbeitungszeit konnte ich kein Bild von Pfarrer Brendle finden, sodass seine Person für mich immer ein körperloses Wesen blieb. Aber vielleicht passt dies auch zu Brendles Rolle im Gesamten: Es braucht kein Bild von ihm. Seine Figur, sein Wesen setzen sich aus dem Bestand seines Nachlasses zusammen und sein Wirken und Werk leben als Teil der württembergischen, wenn nicht deutschen Kirchengeschichte weiter.
Der Bestand, der Unterlagen von 1924 bis 1984 enthält, wurde geordnet und verzeichnet. Das Archivinventar des Bestands Nachlass Theophil Brendle kann online hier eingesehen werden.
Vom 29. September bis zum 1. Oktober 2025 fand im Haus Birkach, dem Studienzentrum der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, die 15. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der Evangelischen Kirche statt. Das Tagungsthema lautete: „Demokratie braucht verlässliche Information“: Kirchliche Archive und Bibliotheken als Organisationen demokratischer Kultur. Ein Programmpunkt der Tagung waren Führungen durch das Archiv und die EHZ-Bibliothek in Stuttgart-Möhringen. Dabei stießen vor allem unser neuer Erweiterungsbau und die Fusion der Karlsruher und Stuttgarter Institutionen auf großes Interesse. Anschließend fand die feierliche Verabschiedung des Archion-Geschäftsführers Harald Müller-Baur statt, wozu sich noch viele weitere Gäste einfanden. Harald Müller-Baur ist in unserem Hause sehr bekannt, da er von 1990 bis 2013 als Sprengelarchivar im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart tätig war.
Der neue Auszubildende-Jahrgang des Evangelischen Oberkirchenrats war bereits an seinem dritten Tag in Stuttgart-Möhringen, um einen Einblick in die Evangelische Hochschul- und Zentralbibliothek sowie das Evangelische Archiv Baden und Württemberg zu erhalten.
In anderthalb Stunden konnten die Auszubildenden sich eine Vorstellung von den Aufgaben dieser beiden Einrichtungen verschaffen und die Frage beantwortet werden, warum sie ein wichtiger Teil der Württembergischen und auch Badischen Landeskirche und damit der beiden Evangelischen Oberkirchenräte (Baden: EOK; Württemberg: OKR) sind.
Beeindruckt haben die Kilometeranzahl und Geschichte der Bücher und Akten sowie die Möglichkeiten das Standortes Balinger Straße 33/1, der nicht zuletzt durch seinen Erweiterungsbau beste Voraussetzungen für die Erfüllung der vielfältigen Aufgaben bietet.
Über eine Ausbildung oder ein Duales Studium beim Oberkirchenrat Stuttgart kann man sich hier informieren. Einblicke über Instagram bekommt man hier.
Im September hat unser neuer FSJler seine Stelle angetreten. David Berthele ist über die Jugendbauhütte Baden-Württemberg auf uns als FSJ-Einsatzstelle aufmerksam geworden. Da er sich sehr für Geschichte interessiert und durch die Archivrecherchen seines Vaters bereits eine Vorstellung von den Aufgaben eines Archivs hat, fasste er den Entschluss, sich für das FSJ in unserem Archiv zu bewerben.
Zu seinen ersten Aufgaben gehört die Erschließung des Nachlasses von Pfarrer Theophil Brendle (1896-1987). Um die Akten beurteilen zu können, ist es unerlässlich, sich in das Thema „Kirchenkampf” einzulesen. Wie aus den Nachlassunterlagen bereits jetzt hervorgeht, hat Brendle sich aktiv für Landesbischof Wurm eingesetzt, als dieser von den Nationalsozialisten unter Hausarrest gestellt wurde. So ließ er die Fahne vor der Kirche in Hochdorf-Eberdingen auf Halbmast setzen. In der Gemeinde wurden Unterschriften für die Freilassung Wurms gesammelt.
David Berthele stellt fest, dass die Arbeit im Archiv Freude macht und es viel Neues zu lernen gibt.
Die Pressemitteilungen des Evangelischen Pressedienstes für Deutschland aus dem Landesdienst Württemberg und dessen Vorgänger, dem Evangelischen Pressverband für Württemberg, wurden geordnet, verzeichnet und sind nun unter der Signatur A43 recherchierbar. Der Bestand hat eine Laufzeit von 1911 bis 1979, wobei einige Jahrgänge fehlen.
Die Unterlagen liegen derzeit noch vollständig analog vor. Aus Gründen der Erhaltung wird noch entschieden, ob sie ersatzdigitalisiert werden. Die Pressemitteilungen sind auf sehr dünnem, brüchigem Papier gedruckt. Die Tinte ist teilweise verlaufen und färbt stark ab.
Der Bestand wurde von Maja Raisch im Rahmen ihres Pflichtpraktikums für das Archivstudium bearbeitet.
Ordnerdeckel: Stoffberichte von 1935, man sieht den Zustand, in denen die Ordner vor der Bearbeitung waren
Pressemitteilungen 1911 und 1979: Zum Vergleich: Die ältesten Pressemitteilungen im Bestand vs. Die jüngsten Pressemitteilungen im Bestand (1911 und 1979)
Reinhold Sautter: EABW, PA Reinhold Sautter A327 Nr 744, Foto aus Stuttgarter Zeitung vom 28.03.1958, Artikel zu Reinhold Sautters 70ten Geburtstag
Reinhold Sautter (mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Reinhold Sautter) wurde am 29. März 1888 in Buttenhausen als Sohn von Christian Reinhold Sautter, der dort als Pfarrer tätig war, und Karolina, geborene Büchler, die aus Schwellbrunn in der Schweiz stammte, geboren. Aufgrund der Versetzung seines Vaters Ende 1888 wuchs Reinhold Sautter als ältester von vier Brüdern in Steinenkirch auf. Er selbst beschreibt seine Kindheit als „unvergessliche sonnige Jahre“. Bereits im Alter von neun Jahren verließ er sein Elternhaus, um das Gymnasium in Cannstatt zu besuchen. Nachdem sein Vater eine Anstellung in Geradstetten gefunden hatte, besuchten er und seine Brüder die dortige Lateinschule. Seinen Schulabschluss machte Reinhold Sautter am Karlsgymnasium in Stuttgart. Anschließend leistete er seinen Militärdienst in Ulm ab und trat dann in die Fußstapfen seines Vaters, indem er 1907 ein Studium der evangelischen Theologie in Tübingen aufnahm. 1909 wechselte er an die Universität Greifswald und studierte 1910 in Berlin, bevor er 1911 sein Studium wieder in Tübingen beendete.
Er war zunächst als Vikar in Uhingen tätig, wurde jedoch bereits ein Jahr später an die Lukaskirche in Stuttgart-Ostheim versetzt. In den Jahren 1913/14 war er Gymnasiallehrer am Reformrealgymnasium und an der Stöckachrealschule. Obwohl er eine Stelle an der Nikolaikirche in Heilbronn übernehmen sollte, meldete er sich mit Kriegsbeginn für den Dienst an der Waffe. Während seiner Zeit als Truppenführer wurde er verletzt; alle drei seiner jüngeren Brüder fielen im Krieg. Mit dem Eisernen Kreuz verließ Sautter 1917 den Krieg und wurde Oberlehrer am Lehrerseminar in Backnang. Als Lehrer war Reinhold Sautter streng, was nicht nur seinen Schülern, sondern auch seinen Kollegen missfiel. So wandte sich nach Sautters Einstellung ein Lehrer, mit dem er gedient hatte, an die Schuldirektion und bat diese, ihre Entscheidung zu überdenken, da Sautter als Truppenführer den Ruf eines „gehässigen Gegners“ hatte. Auch nach seinem Stellenwechsel als Pfarrer nach Schalkstetten beschwerte er sich bei der Seminarsleitung und einem Lehrer, der ihn vor seinen ehemaligen Schülern beleidigt haben soll. Nach vier Jahren als religiöse Instanz in der Gemeinde Schalkstetten bei Geislingen kehrte Reinhold Sautter zum Lehramt zurück und wurde Religionslehrer an der Friedrich-Eugens-Oberrealschule. Inmitten des Aufschwungs des Nationalsozialismus wurde Sautter 1937 zum Oberkirchenrat ernannt, wobei er den Kontakt zur Lehre nie verlor und im Referat für Unterricht tätig war.
Er stand dem Nationalsozialismus ambivalent gegenüber. Er trat 1936 in die NSDAP ein und war unter anderem Mitglied im NS-Lehrerbund und im Reichskolonialbund. Bereits 1937 wurde er wegen seiner Ablehnung des sogenannten Weltanschauungsunterrichts verhaftet und gerichtlich zum Austritt aus der Partei gezwungen. Wenig später trat er jedoch wieder ein. Im September 1944 wurde er erneut verhaftet, was dieses Mal deutlich schwerere Konsequenzen hatte. Bis Kriegsende saß er im Polizeigefängnis in Welzheim in Schutzhaft. 1946 wurde Reinhold Sautter durch ein Spruchkammerverfahren entlastet. In dem Prozess setzte sich die Kirche mit einer Stellungnahme für ihn ein. Darin räumte sie ein, dass Sautter zwar bewusst und ohne Zwang in die NSDAP eingetreten sei, sich jedoch so sehr gegen den Weltanschauungsunterricht und damit auch gegen die Nazi-Ideologie gestellt habe, dass man bei ihm von einem aktiven Widerstandskämpfer sprechen könne.
Reinhold Sautter trat 1953 aus dem Dienst der Kirche in den Ruhestand, war jedoch noch als Aushilfslehrer für Religion und Geschichte tätig. An seinem 70. Geburtstag, dem 29.03.1958, wurde ihm das Verdienstkreuz Erster Klasse verliehen. Sautter heiratete im Sommer 1918 seine Frau Martha, geborene Söldner, und hatte mit ihr sechs Kinder, vier Töchter und zwei Söhne. Reinhold Sautter starb 1971 nach kurzer Krankheit in Stuttgart.
Der Nachlass von Reinhold Sautter (D 154) gelangte durch einen Enkel in das Landeskirchliche Archiv. Er besteht zum Teil aus Handakten aus seiner Zeit als Lehrer, Pfarrer und Oberkirchenrat. Obwohl Sautter nur vier Jahre als Pfarrer in Schalkstetten tätig war, beinhaltet der Nachlass überwiegend Abschriften aus Amtsprotokollen, Kirchenbüchern und anderen Quellen sowie seine Notizen zur Ortsgeschichte von Schalkstetten und dem Nachbardorf Stubersheim. So hat Sautter die Familien von Schalkstetten von 1420 bis Anfang des 20. Jahrhunderts ausführlich dokumentiert. Zudem hat er seine Recherchen genutzt, um selbst gezeichnete Karten von Schalkstetten aus den Jahren 1415 bis 1928 anzufertigen. Da die Notizen kaum datiert sind, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wann Sautter begonnen hat, sich mit der Ortsgeschichte von Schalkstetten zu beschäftigen. Es gibt jedoch Anhaltspunkte dafür, dass dies kein Projekt seiner Jahre in der Gemeinde war, sondern ihn bis in den Ruhestand begleitet hat.
Gehalt: D154 Nachlass Reinhold Sautter, aus Gehaltsdokumentation in Akte Nr 10. Foto: EABW
Neben seinen ortsgeschichtlichen Studien hat Reinhold Sautter auch Unterlagen aus seiner Zeit als Oberlehrer am Lehrerseminar in Backnang hinterlassen. Besonders interessant ist dabei eine Gehaltsdokumentation aus den Jahren 1921 bis 1923: Während die Hyperinflation der Weimarer Republik die Kosten in die Höhe treibt, hält Sautter akribisch fest, wie sich sein Einkommen und seine Ausgaben entwickeln und um wie viel Prozent sie steigen. Heute kaum vorstellbar: Im Sommer 1923 beträgt Sautters Monatseinkommen über 2,5 Millionen Mark.
In seinem neuen Buch beschreibt der langjährige ehemalige Leiter des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart, Hermann Ehmer, die Kirchengeschichte Württembergs von der Christianisierung bis zur Gegenwart. Wir sind sehr gespannt auf dieses Werk. Die Buchpremiere findet am 17. September um 18 Uhr im Hospitalhof in Stuttgart statt. Der Hospitalhof bittet um Anmeldung.
Im Juli übergab Erika Stöffler, mittlerweile 98-jährig, dem Evangelischen Archiv Baden und Württemberg (EABW) Unterlagen aus ihrer Zeit als Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Frauenarbeit. Die Evangelische Frauenarbeit fusionierte 2005 mit dem Evangelischen Frauenwerk zu den „Evangelischen Frauen in Württemberg“ (EFW).
Während ihrer Vorstandszeit von 1976 bis 1992 lag Erika Stöffler neben der Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Kirche besonders die Ökumene am Herzen. Die übergebenen Unterlagen beinhalten verschiedene ökumenische Studienreisen, die für Frauen aus den Mitgliedsverbänden der Frauenarbeit angeboten wurden. Der Schwerpunkt der Reisen lag auf den persönlichen Kontakten und Lebenssituationen der Frauen bei Besuchen in Polen, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei, aber auch in Rom, Brüssel und Irland.
Jahrzehntelang arbeitete Erika Stöffler im Rundfunkrat des SDR und im Programmbeirat der ARD, dessen Vorsitz sie 1995 übernahm. Auch hierzu sind Unterlagen im Vorlass vorhanden.
Erika Stöffler ist immer noch interessiert an der Arbeit der Evangelischen Frauen in Württemberg. Ihr ist bewusst, dass sich das Frauenbild im Vergleich zu ihrer Vorstandszeit grundlegend geändert hat und fragt sich, was an Frauenarbeit heute noch möglich ist. Die unter anderem von der EFW angebotenen Frauenpilgerreisen findet sie gut und wichtig, weil Frauen dort in Bewegung und ins Gespräch miteinander kommen können.
Wir freuen uns, die Unterlagen von Erika Stöffler unter der Signatur D 201 in unserem Archiv zu haben. Sie ergänzen den bereits vorhandenen Bestand K 6 Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche.
Am Freitag, dem 25. Juli, besuchten die Ältestenräte der badischen und der württembergischen Landeskirche unser Haus. Die Ältestenräte sind Gremien der Synode. Anlass des Besuchs war die Fusion der Archive und Bibliotheken der beiden Landeskirchen.
Nach einer Andacht und Begrüßung stellte die EHZ-Bibliothek ihre Räumlichkeiten, Bestände und Online-Angebote vor. Anschließend zeigten Dr. Claudius Kienzle und Mareike Ritter den Mitgliedern des Ausschusses einige besondere Stücke aus dem Archiv und der musealen Sammlung. So wurden etwa die Talare der ersten Pfarrerinnen beider Landeskirchen gezeigt. Anhand von Beispielen badischer und württembergischer Kirchenbücher wurden restaurierungsbedürftige und restaurierte Archivalien präsentiert. Auch Vasa Sacra, die 1945 aus Kriegsschrott hergestellt und im Kriegsgefangenenlager Böckingen verwendet wurden, sowie ein Ährenkranz zur Erinnerung an die überwundene Hungersnot von 1816, konnten bestaunt werden. Aus der Handschriftensammlung des Archivs zeigte Dr. Kienzle ein Exemplar des Augsburger Glaubensbekenntnisses mit Originalunterschriften württembergischer Pfarrer von 1565 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts.
Zudem wurden verschiedene Online-Angebote vorgestellt, darunter das Kirchenbuchportal Archion, das vor zehn Jahren als Gemeinschaftsprojekt von zwölf Landeskirchen – darunter der Badischen und der Württembergischen – und der EKD an den Start ging.
Im Anschluss bekamen die Mitglieder des Ältestenrates eine Führung durch das Haus mit dem neuen Erweiterungsbau. Dabei hatten sie die Gelegenheit, weitere interessante Objekte zu sehen und Details zu klima- und gebäudetechnischen Besonderheiten zu erfahren.
Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass sich die Ältestenräte der beiden Landeskirchen die Zeit genommen haben, unser neues Archiv kennenzulernen und mehr über unsere Arbeit zu erfahren!
Präsident der badischen Landessynode, Axel Wermke. Foto: EABW
Foto: EABW
Stv. Referatsleiterin Mareike Ritter und Referatsleiter Claudius Kienzle bei der Präsentation von besonderen Objekten und Archivalien.
Präsentation eines Ährenkranzes von 1817, der nach der Hungersnot von 1816 zum Gedenken eingerahmt wurde. Foto: EABW
Dr. Claudius Kienzle stellt ein Exemplar des Konkordienbuches aus der Handschriftensammlung vor. Foto: EABW.
Dieser Bericht aus dem Kreis der Besuchsgruppe des kirchengeschichtlichen Proseminars, das uns dieses Jahr besuchte, wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Wir danken dafür. Hier der Bericht:
Im Rahmen eines kirchengeschichtlichen Seminars besuchte eine Delegation Tübinger Theologiestudierender am 16. Juni das Evangelische Archiv Baden und Württemberg. Ziel des Besuchs war es, einen vertieften Einblick in die archivische Arbeit, den quellenkundigen Umgang und die Bedeutung kirchlicher Überlieferung zu erhalten. Die Führung begann im Lesesaal des Archivs, wo ein Archivar dieser Institution die grundlegenden Aufgaben und Strukturen der Einrichtung erläuterte. Das Evangelische Archiv Baden und Württemberg verwahrt die zentralen Überlieferungen der Evangelischen Landeskirche aus Baden und Württemberg und erfüllt damit eine unverzichtbare Funktion für Forschung, kirchliche Erinnerungskultur und Verwaltung. Ein erster Halt unserer Führung galt dem Nachlass des ehemaligen Landesbischofs Theophil Wurm, dessen Unterlagen sich über 19 laufende Regalmeter erstrecken. Es war beeindruckend, in einem Raum voller Akten einer einzigen Person zu stehen. Derartige Nachlässe sind in doppelter Hinsicht reizvoll: Einerseits dokumentieren sie die kirchengeschichtlichen Entwicklungen und die Spuren, die die betreffende Person hinterlassen hat, andererseits auch ihre persönliche Frömmigkeit. Die Frage, wann Geschichte beginnt und was als archivwürdig gilt, wurde im Zusammenhang mit dem sogenannten Aktenplan thematisiert – einem Hilfsmittel zur systematischen Erfassung und Bewertung von Dokumenten. Eindrucksvoll war dabei die Vielfalt der im Archiv aufbewahrten Objekte. Neben schriftlichen Quellen werden in der dem Archiv angeschlossenen Abteilung Museale Sammlung nämlich auch Koffer, Möbelstücke und Bilder als aussagekräftige Gegenstände gelagert. Natürlich besitzen diese Gegenstände nicht den informativen Stellenwert schriftlicher Dokumente. Sie können jedoch als frömmigkeits- und alltagsgeschichtliches Abbild verstanden werden und ermöglichen einen weiteren Zugang zu historischer Empathie.
Die Einsicht in die württembergischen Kirchenbücher war besonders eindrucksvoll. Sie sind nicht nur für die historische Forschung, sondern auch für die individuelle Ahnenforschung von unschätzbarem Wert. Die Erkenntnis, dass sich der eigene Lebensweg über Generationen hinweg in diesen Dokumenten nachvollziehen lässt, löste ein tiefes Gefühl der Verbundenheit und Verwurzelung aus. Im Rahmen des Besuchs wurde auch auf die Herausforderungen der Digitalisierung hingewiesen. Mit dem Neubau dreier Magazine, der Auflösung des badischen Archivs und der Ausweitung des Online-Angebots steht das Archiv vor einer enormen Aufgabe, die jedoch auch neue Möglichkeiten der Zugänglichkeit eröffnet.
Beitragsbild: Gruppenbild der Exkursion. Foto: EABW
Wie möchten auf die Neuerscheinung „Der Kreis Calw in der Zeit des Nationalsozialismus“ hinweisen, die von Schuldekan Thorsten Trautwein und Gabriel Stängle herausgegeben wurde. Unter anderem wurden Quellen des Evangelischen Archivs Baden und Württemberg herangezogen.
In 32 Beiträgen geben 23 Autorinnen und Autoren vielfältige Einblicke in die Zeit des Nationalsozialismus im Kreis Calw – dem heutigen Landkreis Calw und dem südlichen Enzkreis – sowie in die Erinnerungsarbeit in 80 Jahren. Untersucht wird die NS-Herrschaft auf Kreis- und Ortsebene wie auch ausgewählte Institutionen, Bürgermeister, Dekane, Pfarrer, Vereine und andere in ihrem Verhältnis zum Nationalsozialismus. Es entsteht ein vielschichtiges und aussagekräftiges Bild; zudem werden Linien bis heute gezogen. Auch unser Kollege von der Abteilung Records Management und Aktenplan im Oberkirchenrat, Diplom-Archivar Martin Frieß, hat einen Beitrag für diesen Band geschrieben.
Die Publikation des Bandes wird durch einige Vorträge begleitet. Unter anderem spricht Thorsten Trautwein zum Thema „Erwin Dirr: Stammheimer Bürgermeister, Landtagsabgeordneter und Bezirksleiter der NSDAP für die Oberämter Calw und Neuenbürg“ am Mi, 17.9.2025, 14:30 Uhr im Rahmen der Nachmittagsakademie Calw im Ort: Andreäsaal, Haus der Kirche, Badstraße 27, 75365 Calw. Eintritt: 5 EUR (inkl. Kaffee und Gebäck).
Am Donnerstag, den 20.11.2025, 19 Uhr hält Lorenz Walch einen Vortrag über „Theodor Fritz – Der Birkenfelder Vikar im Kirchenkampf“ im Martin-Luther-Gemeindehaus, Kirchweg 1, 75217 Birkenfeld
Am Mittwoch, dem 2. Juli, besuchte uns eine Gruppe von Sekretärinnen aus dem Kirchenbezirk Esslingen. Die Führung führte durch ausgewählte Bereiche unseres großen Archivgebäudes (Bestandsbau und Erweiterungsbau) sowie durch das gemeinsam mit der EHZ-Bibliothek genutzte Foyer und den Lesesaal. Der Schwerpunkt lag auf den Kirchenbüchern. Dabei wurde die Geschichte und Bedeutung dieser Quellengattung erläutert und anhand der Kirchenbücher von Baltmannsweiler die verschiedenen Registerarten vorgestellt. Zudem wurde anhand weiterer Beispiele gezeigt, welche Schadensbilder es bei diesen alten Bänden gibt und wie diese vom Restaurator behandelt werden. Außerdem wurde die Unterbringung der in unserem Archiv verwahrten Pfarrarchive gezeigt und einige besondere Stücke aus dem Pfarrarchiv Reichenbach präsentiert. Zum Abschluss wurden in unserem Besprechungsraum das Kirchenbuchportal und einige weitere Online-Angebote des Archivs vorgestellt. Es wurde viel gefragt und die zwei für die Führung angesetzten Stunden vergingen wie im Flug.
EABW, LKAS, Kirchenbucharchiv, Taufregister Leonberg (1761 – 1807), Eintrag 28. Januar 1775 für Friedrich Wilhelm Joseph Schelling
In diesem Jahr feiern wir den 250. Geburtstag von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der am 27. Januar 1775 in Leonberg geboren wurde. Das ist Grund genug, einige Quellen zu seiner Person aus den Beständen des Landeskirchlichen Archivs vorzustellen. Er wurde als Sohn des Diakons Joseph Friedrich Schelling, Inhaber der zweiten Stadtpfarrerstelle, im Pfarrhaus geboren, das nur wenige Schritte von der Stadtkirche entfernt liegt. Im Taufregister (1761–1807) der Leonberger Kirchengemeinde hat sich der Eintrag zu seiner Taufe erhalten. Dem Eintrag ist zu entnehmen, dass er am 27. Januar nach drei Uhr morgens geboren wurde und am darauffolgenden Tag getauft wurde, vermutlich durch seinen Vater. Ihm verdankt er auch seinen dritten Taufnamen Joseph, während er den Namen Wilhelm aufgrund seiner Tante und Taufpatin Wilhelmine Dorothea Bardili erhielt. Den Namen Friedrich trug sein Vater als zweiten Vornamen, ebenso sein Großvater, der ebenfalls Pfarrer war. Seine Mutter, Maria Gottliebin, geborene Cless, stammte ebenfalls aus einer württembergischen Pfarrersfamilie. In protestantischen Pfarrhäusern herrschte ein günstiges Klima für das, was man als „Bildung“ bezeichnet, denn Pfarrer mussten von Berufs- und Standes wegen gebildet sein. Dies blieb nicht ohne Auswirkung auf die Familie, da die Söhne nach dem Durchlaufen der entsprechenden Ausbildungsstationen ebenfalls Pfarrer wurden und die Töchter Pfarrer heirateten. Somit wurden kulturelle Werte über Generationen weitergegeben.
Bereits zwei Jahre nach Schellings Geburt zog die Familie nach Bebenhausen, da der Vater dort eine Stelle als Prediger und Professor am niederen theologischen Seminar antrat. Dort wurde Schelling im Jahr 1788 von seinem Vater konfirmiert, was im Konfirmandenregister verzeichnet ist. „Auch diese Kinder lasse der HErr einen Saamen seyn und bleiben, der Ihm diene!“ heißt es unter der Konfirmandenauflistung.
Die Erlaubnis des Stuttgarter Konsistoriums, bereits als Fünfzehnjähriger zum Theologiestudium in Tübingen zugelassen zu werden, ist in den Konsistorialprotokollen von 1790 vermerkt. Bei dem jungen Schelling handelte es sich um einen Hochbegabten, was bereits sein Lehrer an der Nürtinger Schule bemerkt hatte. So besuchte er ab seinem elften Lebensjahr das niedere theologische Seminar, obwohl er eigentlich viel zu jung war. Rein altersmäßig hätte er 1790 noch nicht an der Universität studieren dürfen, aufgrund seiner besonderen Begabung und der bereits erworbenen Kenntnisse erteilte das Konsistorium jedoch eine Ausnahmegenehmigung, als sein Vater darum bat.
Fünf Jahre später, am 13. November 1795, legte Schelling sein Examen vor den Konsistorialräten Direktor Ruoff und Vizedirektor Wächter sowie den Prälaten Griesinger, Keller und Bernhard in der Stuttgarter Kanzlei ab. Er war einer von sechs Prüflingen an diesem Tag. Zunächst musste jeder Kandidat eine viertelstündige Probepredigt auf der Kanzel der Stuttgarter Stiftskirche halten und wurde anschließend mündlich geprüft. Schelling, der nicht Pfarrer werden wollte, erhielt im Anschluss die Genehmigung zur Annahme einer Hofmeisterstelle, also einer Anstellung als Privatlehrer bei den Baronen von Riedesel, wie ebenfalls im Protokoll des Konsistoriums festgehalten wurde.
LKAS, A 13, Nr. 1. Testimonienbuch mit dem Eintrag bezüglich der Prüfung Schellings am 13. November 1795
Das Examenszeugnis findet sich im Testimonienbuch. Schelling wird dort als erster der Klasse I des Jahrgangs aufgeführt, also als herausragender Absolvent. Er war der Primus der damaligen Magisterpromotion. Dort heißt es: Valetudo non satis firma, statura media, eloquium distinctum, gestus decentes, ingeium excellens, iudicium acre, meemoria facilis et tenax, scriptia parum venusta, mores honesti, industria insignis, opes sufficientes. Studia theologica felici cum faciessu tractavit, orationem sacram ingeniose elaboratam, saepius memoriter recitavit. Philologiae et Philosophiae imprimis peritus. (Gesundheitlich nicht sehr stark, durchschnittliche Statur, ausgeprägte Beredsamkeit, anständige Gesten, ausgezeichnetes Talent, scharfes Urteilsvermögen, leichtes und zähes Gedächtnis, wenig ansprechende Schrift, ehrliche Manieren, bemerkenswerter Fleiß, ausreichende Anlagen. Er betrieb mit heiterer Gesinnung theologische Studien, verfasste gekonnt Predigten und rezitierte sie oft auswendig. Er war besonders begabt in Philologie und Philosophie.) Seine Probepredigt hatte er über Philipper 3.8 („Ja, ich erachte es noch alles für Schaden gegenüber der überschwenglichen Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne.“) zu halten und glänzte dabei mit seiner Gelehrsamkeit.
Obwohl er das Herzogtum Württemberg später verließ, erscheint er noch einmal in einem württembergischen Kirchenregister. Nachdem er von seinem eigenen Vater getauft und konfirmiert worden war, ließ er sich von diesem auch mit der frisch geschiedenen Caroline Schlegel (1763–1809) trauen. Dieser war mittlerweile Prälat in Murrhardt. In der dortigen ehemaligen Klosterkirche fand am 26. Juni 1803 die Eheschließung statt, wie das Murrhardter Eheregister bezeugt. Im Eheregister hat ein späterer Interessent an dieser Trauung eine Abschrift aus den Briefen der Caroline Schlegel eingelegt. „Prälatur Murrhardt, 15. Juni 1803. Ich begrüsse dich aus dieser fernen und friedlichen Gegend, liebe Luise, wo ich glücklich, ohne den kleinsten Zufall, angekommen, und über alle Beschreibung wohl und herrlich empfangen worden bin. Der Ort liegt am Fuss der nicht wilden Gebirge, welche Franken und Schwaben trennen, ungleich lieblicher als wir es uns dachten, und nicht allein lieblicher, sondern schlechtweg sehr anmutig, in einem weiten Tal zwischen mannigfachen Hügeln und Bächen“.
Schellings erste Frau verstarb im Jahr 1809 während eines Besuchs im Haus seiner Eltern in Maulbronn an der Ruhr. Ihr Tod ist im dortigen Sterberegister vermerkt. Schellings Vater war seit 1807 Prälat und Generalsuperintendent in Maulbronn. Der Philosoph selbst erscheint in keinem württembergischen Sterberegister. Er starb während eines Kuraufenthalts in Bad Ragaz in der Schweiz.
Eintrag zur Prüfung Schellings vor dem Konsistorium im Protokoll vom 13.11.1795. EABW, LKAS Stuttgart, A3, Bd. 63, p. 1075. recto
verso
Beschluss des Konsistoriums den jungen Schelling auf Bitten des Vaters schon als 15jährigen ins Tübinger Stift aufzunehmen. EABW, LKAS Stuttgart, A3, Bd. 61, p. 494. „Cl. prof. Schelling petit idem für seinen Sohn, hospitem zu Bebenhausen. Concl[usum:] Recipiatur hospes Schelling aus besonders bewegenden Ursachen, aber noch nicht bekannt zu machen und also auch nicht auszuschreiben.
Eintrag im Eheregister von Murrhardt 1803 die Trauung von Schelling mit Caroline Michaelis, durch Schellings Vater.
EABW, LKAS, Kirchenbucharchiv, Sterberegister Maulbronn (1808 – 1854), Eintrag für Caroline Schelling vom 9.9.1809.
Literatur:
Gustav Plitt, Aus Schellings Leben. Erster Band 1775-1803, Leipzig 1869.
Hermann Ehmer, Das württembergische Konsistorium 1780-1795, In: Michael Franz (Hrsg.) „…an der Galeere der Theologie“?. Hölderlins, Hegels und Schellings Theologiestudium an der Universität Tübingen (Schriften der Hölderlin-Gesellschaft, Bd. 23/3) Tübingen 2007, S. 263-283
Ich konnte die Eröffnung der Ausstellung mit der Reise des Tübinger Landrates kombinieren, der wegen einer Partnerschaft zwischen dem Landkreis Tübingen und dem Landkreis Hof Ha-Carmel dorthin fuhr. So reisten wir am 11.06.2025 auf 5 Tage nach Israel.
Am ersten Tag besuchte die vierköpfige Delegation die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem und unternahm einen kurzen Ausflug in die Jerusalemer Altstadt, bei dem sie die deutsche Erlöserkirche, die Grabeskirche und das Johanniterhospiz besichtigte. Am Abend wurde die Ausstellung im Beisein von ca. 200 Gästen, darunter Vertreter der Deutschen Botschaft und des Goethe-Instituts sowie Bürger der Stadt Haifa, eröffnet. Ein Teil der historischen Aufnahmen wurde durch KI-Animation zum Leben erweckt, einige historische Schwarzweißbilder durch Farbgebung.
Am nächsten Tag hätten wir zur Landkreisverwaltung fahren sollen. In der Nacht war ein erster Alarm zu hören. Wir wussten, dass wir uns in einem Kriegsgebiet befanden. Die Raketeneinschläge ließen nicht lange auf sich warten. In Haifa und im Landeszentrum schlugen zahlreiche Raketen ein. Trotz der schweren Lage gelangten wir nach Hof HaCarmel, wo wir die Landwirtschaftsschule und das Internat Kefar Galim besuchen konnten. Die Rückreise anzutreten erwies sich jedoch als äußerst schwierig, da sowohl der Luftraum über Israel als auch der Schiffsverkehr gesperrt waren. Uns blieb nur die Ausreise über Jordanien oder Ägypten.
Schließlich ermöglichte es uns unser Scuba-Reisebüro in Stuttgart, uns anderen Gruppen anzuschließen, die am 17. Juni von Jerusalem aus aufbrachen. Von Jerusalem aus ging es zum Toten Meer, über Qumran, Ein Gedi und Massada zur Jordansenke. Von dort aus ging es weiter nach Eilat am Roten Meer. Nach mehreren Stunden konnten wir schließlich den Grenzübergang nach Taba passieren. Mit zwei Bussen kamen wir nach Mitternacht in Scharm El-Scheich an. Von dort aus nahmen wir einen Flug über Istanbul und anschließend nach Stuttgart. Insgesamt dauerte die Heimreise 34 Stunden. Es war eine gefühlt sehr lange Dienstreise …
Ankunft am Ben Gurion Flughafen in Tel Aviv. Noch war alles ganz friedlich.
Ausstellungseröffnung in Haifa. Leiterin des Stadtmuseums, und Künstlerin der Ausstellung in Haifa
Grußwort des Leiters aller Städtischen Museen in Haifa, Herr Namir
Grußworte vom Goethe-Institut
Musikalische Umrahmung
Yad Vashem, Jerusalem
Yad Vashem, Halle der Namen
Eingang zum Luftschutzbunker
Luftschutzbunker im Hotel in Haifa
Beratung zwischen Kreisarchivar Wolfgang Sannwald,unserem Kollegen Jakob Eisler und Landrat Joachim Walter
Landwirtschaftliche Schule und das Internat Kefar Galim
Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit zählt heute zu den wichtigen Aufgaben eines Archivs. So bietet auch das Evangelische Archiv Baden und Württemberg oftmals zusammen mit seinem Partner, dem Verein für Württembergische Kirchengeschichte, verschiedene Angebote auf diesem weitgefächerten Terrain an: Vorträge und Ausstellungen, Publikationen auf „Württembergische Kirchengeschichte online“, quellenkundliche Seminare, die Teilnahme am „Tag der Archive“ sowie Archivführungen, um nur die wichtigsten aufzuzählen. Sie alle dienen den Zielen, die Inhalte archivischer Bestände für die Auswertung bekannt zu machen und/oder in die Nutzung von Archiv und Archivgut auf analogem und digitalem Weg einzuführen. Zwar wenden sich unsere Veranstaltungen immer an ein breites Publikum, jedoch haben die einzelnen Veranstaltungen meistens auch einen bestimmte Adressatenkreis im Blickfeld: Studentinnen und Studenten, Kirchenhistorikerinnen und –historiker, Familienforscherinnen und -forscher, Heimatforscherinnen und -forscher, kirchliche und historische Vereine und natürlich auch unsere Kirchengemeinden.
Sieht man einmal von den Themenvorschlägen des Landeskirchlichen Archivs für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ab, so traten bisher Schülerinnen und Schüler als eigene Zielgruppe historischer Bildungsarbeit nicht in Erscheinung. Folglich betrat das Landeskirchliche Archiv auch ein Stück Neuland, als am 8. Mai 2025 dreizehn Schülerinnen und Schüler einer 9. Klasse des Werner-Heisenberg-Gymnasiums Göppingen zusammen mit ihrem Lehrer und ihrer Lehrerin das Landeskirchliche Archiv besuchten. Die Schulklasse hatte sich zuvor im Religionsunterricht mit dem Kirchenkampf der württembergischen Landeskirche beschäftigt. Dabei ist der Wunsch entstanden, ein Archiv und seine Aufgaben kennenzulernen, in dem auch die historischen Unterlagen zum Kirchenkampf aufbewahrt werden. Ihr Religionslehrer, Herr Michael Hermann, hatte dann die Verbindung zum Evangelischen Archiv Baden und Württemberg hergestellt und seine Schülerinnen und Schüler inhaltlich auf den bevorstehenden Besuch gut vorbereitet. Sie sollten die Kernaufgaben eines Archivs kennenlernen und erste Erfahrungen im Umgang mit historischen Originalquellen sammeln. Dementsprechend ist auch ein traditioneller analoger Einstieg im Lesesaal im Unterschied zum digitalen Einstieg auf der Website des Landeskirchlichen Archivs gewählt worden.
Am Beginn des Besuchs stand ein einleitender Vortrag über die deutsche Archivlandschaft, den Zuständigkeitsbereich des Landeskirchlichen Archivs und seiner Bestände auf dem Programm. Der weitere Verlauf war vorgegeben durch den Prozess der Archivierung von der Sicherung des Schriftgutes bis zu seiner Bereitstellung für die Benützung im Lesesaal: Unsere Restauratorin, Frau Anna Eifler, erklärte am anschaulichen Beispiel eines beschädigten Kirchenbuches die Notwendigkeit zur Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen. Ob bei einer Abgabe an das Archiv das gesamte Schriftgut übernommen werden sollte oder aber eine Auswahl nach bestimmten Kriterien zu treffen sei, die Frage also nach der Archivwürdigkeit von Schriftgut, wurde als nächstes mit den Schülerinnen und Schülern besprochen. Dem schloss sich die Erstellung von Findmitteln als der Kernaufgabe von Archiven an. Den pfarramtlichen Archivinventaren konnten die Schülerinnen und Schüler entnehmen, welche Daten bei der Erschließung der Archivalien erfasst werden müssen, damit die Quellen bei einer Recherche auch gefunden werden können. Zur Veranschaulichung und Einsichtnahme lagen Amtsbücher, Akten und Rechnungsunterlagen aus den Pfarrarchiven bereit, die zugleich auch die archivalischen Hauptgattungen darstellten.
Der Präsentation der Archivalien folgte die Führung durch ein Magazin, in dem auch die Pfarr- und Dekanatsarchive und der Nachlass des Landesbischofs Theophil Wurm, der für die Erforschung des Kirchenkampfes in Württemberg von zentraler Bedeutung ist, aufbewahrt werden. Hier konnte den Schülerinnen und Schülern vor Augen geführt werden, welche Anforderungen an die Verpackung der Archivalien, an Raumklima, -beschaffenheit und -ausstattung eines Magazins gestellt werden, damit die Überlieferung für die Nachwelt erhalten bleibt. Besonders beeindruckt waren die Schüler im Magazin von unseren Fahrregalanlagen.
Zurück im Lesesaal lagen nun aus dem Bestand D1 Theophil Wurm maschinenschriftliche Archivalien zum Kirchenkampf mit folgenden Themenkreisen bereit: Evangelische Bekenntnisgemeinschaft, Deutsche Christen, Eingliederung der evangelischen Jugendarbeit in Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädel. Michael Hermann erläuterte seiner Klasse nun die anstehende Aufgabe: in Zweier- oder Dreiergruppen sollten die Schülerinnen und Schüler die Dokumente lesen und sich für eines davon entscheiden, dessen Inhalt sie besonders anspricht. Nach einer dreißigminütigen Arbeitszeit stellten dann die Kleingruppen ihren Mitschülerinnen und -schülern ihre Auswahl vor und beantworteten Rückfragen.
Danach war dringend eine Pause angesagt. Die Schülerinnen und Schüler hatten schließlich bis dahin eine Menge an Informationen über das Archivwesen erhalten, aufmerksam und interessiert zugehört, Fragen gestellt und ihr erstes Quellenstudium in einem Archiv absolviert.
Am Ende blieb noch ein wenig Zeit, um auf die Website des Landeskirchlichen Archivs, die Online-Findbücher und unsere digitalisierten Quellen im Internet hinzuweisen, dabei besonders auf den Nachlass Theophil Wurm und auf die Kriegschroniken des Zweiten Weltkrieges, denn schließlich fand ja der Archivbesuch an einem 8. Mai statt. So konnten die Schülerinnen und Schüler bei weiterem Interesse von ihrem heimischen PC aus den Archivbesuch fortsetzen und abschließen.
Der Besuch der Schülergruppe war ein erster Schritt des Landeskirchlichen Archivs auf dem Weg zu einem archivpädagogischen Konzept für Schülerinnen und Schüler. Er verdeutlichte, welche Aspekte ein Archiv als außerschulischer Lernort bei seiner Konzeptualisierung einbeziehen muss: Archiverfahrungen, paläografische Kenntnisse, und die Jahrgangsstufe der Schülerinnen und Schüler; die Abstimmung von Lehrplan und Quellenstudium. Gerade in Anbetracht einer analogen und/oder digitalen Einstiegsmöglichkeit in die Archivnutzung ist über eine Aufgabenteilung zwischen Schule und Archiv im Vorfeld eines Archivbesuchs weiter nachzudenken, denn eine Archivpädagogik kann nur gemeinsam von Schule und Archiv entwickelt werden. Deshalb am Ende nochmals herzlichen Dank an Herrn Hermann und seine Klasse vom Werner-Heisenberg-Gymnasium für die gute Kooperation.
Claudius Kienzle und Gregor Hofmann auf dem 84. Südwestdeutschen Archivtag. Foto: EABW
Zum 84. Südwestdeutschen Archivtag versammelten sich etwa 300 Archivarinnen und Archivare – vor Ort in Weinheim an der Bergstraße oder online. Im Mittelpunkt standen Fragen des Archivrechts.
Das Thema der Tagung lautete „Alles Recht – und gut?“ Anlass für den archivrechtlichen Schwerpunkt war das neue Archivgesetz für Baden-Württemberg. Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Landesarchivrechts wurde nur wenige Tage vor der Veranstaltung zur Beschlussfassung an den Landtag übergeben.
Aus dem Evangelischen Archiv Baden und Württemberg nahmen Referatsleiter Claudius Kienzle und Gregor Hofmann teil. Für sie standen am ersten Veranstaltungstag Workshops und Foren auf dem Programm, die eine Vielzahl juristischer Fragen des archivischen Alltags berührten. Hinter den historischen Fassaden der Weinheimer Altstadt diskutierten die Teilnehmenden über das Urheberrecht an Fotos und Tonaufnahmen, Schutzfristen, Datenschutzrecht oder gestohlenes Archivgut.
Impression des reizvollen Tagungsortes Weinheim an der Bergstraße. Foto: EABW
Am zweiten Tag in der Weinheimer Stadthalle hörten die Archivarinnen und Archivare nicht weniger als acht Fachvorträge. Die ersten beleuchteten gleich den Entwurf für ein neues Archivgesetz aus verschiedenen Perspektiven und lieferten damit wertvolle Anregungen für die Archivare des EABW. Schließlich arbeitet auch die Evangelische Landeskirche in Württemberg an einer neuen Archivordnung.
Die Vortragenden rückten dabei unter anderem die Online-Stellung von Archivgut, den Aufbau von Zwischenarchiven oder die Entwicklungen im luxemburgischen Archivrecht in den Fokus. An Stoff für Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen aus staatlichen, kommunalen, kirchlichen und privaten Archiven mangelte es nicht. Angesichts des vollen Programms war es zwar kaum möglich, Weinheim oder die Umgebung zu erkunden. Für den fachlichen Austausch hat sich die Reise aber gelohnt!
Mit einem Gedenkgottesdienst am 1. Juni 2025 um 10 Uhr und der anschließenden Ausstellungseröffnung erinnert die Evangelische Leonhardsgemeinde Stuttgart an zwei wichtige historische Ereignisse nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Bereits am 3. Juni 1945, also kurz nach der Kapitulation am 8. Mai, wurde hier der erste Gottesdienst gefeiert. Nach weniger als fünf Jahren, am 19. März 1950, konnte die wiederhergestellte Leonhardskirche neu eingeweiht werden.
Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Stuttgarter Leonhardskirche (1945). AS 1 (Fotosammlung Landeskirchliches Archiv), Nr. 1593.
Die Stuttgarter Innenstadt war nämlich am 25. und 26. Juli 1944 so stark bombardiert worden, dass nicht nur nahezu 900 Menschen starben und fast 2.000 Menschen verletzt wurden, sondern auch viele Gebäude zerstört oder schwer beschädigt wurden.
Leonhardskirche Stuttgart. Außenansicht. Evangelisches Archiv Baden und Württemberg, Inventarisation.
Der Wiederaufbau der Leonhardskirche war von großer Bedeutung, denn die Kirche wurde einst von Zisterziensern gegründet. Im Jahr 1334 kamen zwei Zisterziensermönche aus dem bayerischen Kloster Fürstenfeld nach Stuttgart. Im Jahr 1337 stiftete die Stuttgarter Bürgerschaft eine kleine Kapelle zu St. Leonhard vor dem Esslinger Tor, die am 8. Juli 1339 eingeweiht wurde. Spätestens im Jahr 1408 wurde die Kapelle durch eine einschiffige Kirche mit Chor und Turm ersetzt. Von 1463 bis 1466 wurde die Kirche durch die beiden Baumeister Aberlin Jörg und vermutlich Conrad von Gundelsheim zu einer dreischiffigen Hallenkirche mit fünf Jochen und einem dreijochigen Langchor mit 3/8-Schluss erweitert. Vermutlich wurde nach 1482 auf der Chornordseite eine Sakristei (Alte Sakristei) angebaut. Von 1856 bis 1858 wurde der Kirchenraum im neugotischen Stil renoviert und mit einem neuen Altar und einer neuen Kanzel ausgestattet. 1898 wurde nach Plänen von Baurat Frey südlich des Chores eine zweite Sakristei erbaut, um Platz für die Unterbringung von Brautgesellschaften und die Abhaltung des Konfirmandenunterrichts zu schaffen (Neue Sakristei). Von 1883 bis 1884 erfolgte eine umfassende Renovierung des gesamten Kirchenbaus. Im Jahr 1884 wurde eine erste Empore eingebaut. Nach einem Brand, der durch einen Heizungsdefekt verursacht wurde, musste die Kirche 1902 an mehreren Stellen restauriert werden. Am 25. Juli 1944 wurde die St.-Leonhard-Kirche durch einen Bombeneinschlag zerstört; allein die Umfassungsmauern und die nördliche Pfeilerreihe blieben erhalten. Ab 1948 erfolgte der Wiederaufbau der Kirche nach Plänen der Architekten Rudolf Lempp und Gerhard Schneeweiß. Am 12. Dezember 1948 wurde Richtfest gefeiert und am 19. März 1950 fand die erneute Einweihung statt.
Epitaph für Johannes Reuchlin von 1501. Foto: EABW, Inventarisation.
Die Leonhardskirche zeichnet sich erstens durch den hochrechteckigen Gedenkstein für Johannes Reuchlin aus dem Jahr 1501 aus. Dieser wurde ursprünglich für das Stuttgarter Dominikanerkloster (Hospitalkirche) geschaffen, doch Reuchlin wünschte schließlich, dass er in der Leonhardskirche beigesetzt wird. Das Denkmal wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, konnte nach seiner Restaurierung im Jahr 1955 jedoch wieder in der Leonhardskirche aufgestellt werden.
Der Kirchenchor mit den Glasmalereien von Wolf-Dieter Kohler. Foto: EABW, Inventarisation.
Erwähnenswert sind zweitens die Glasmalereien, die in den 1950er Jahren von Wolf-Dieter Kohler für den Chor geschaffen wurden. Drittens ist das historische Chorgestühl aus der Hospitalkirche erwähnenswert, das 1943 ausgebaut und zunächst in der Thomaskirche in Stuttgart-Kaltental eingelagert wurde, bevor es 1950 in der Leonhardskirche aufgestellt wurde. Viertens ist schließlich die Abendmahlsgarnitur zu nennen, die 1985 von Hermann Stadelmacher für die Leonhardskirche aus dem Silber gegossen wurde, das einst im Feuersturm in der Kirche geschmolzen war.
Verglichen mit dem heutigen Bestand der Vasa Sacra sei aus der Pfarrbeschreibung der Leonhardskirche von 1905 (LKA S, Nr. 4380) der damalige Bestand zitiert. Damals wurden aufgelistet: „1 silbernes Altarkruzifix, 8 silberne Abendmahlskannen, 6 silberne Kelche mit Patenen, 2 silberne und 2 ebenhölzerne Hostienkästchen, 2 silberne und 2 zinnerne Taufgeräte, 7 silberne Opferteller, 2 silberngoldene Löffel, 2 silberglattierte, 2 versilberte und 2 ganz silberne Altarleuchter.“
Detail aus einer Abendmahlskanne des 19. Jahrhundert. Foto: EABW, Inventarisation.
Die Kreuzigungsgruppe wurde ursprünglich im Jahr 1501 von Hans Seyffer geschaffen und vom Ehepaar Jakob Walther, genannt Kühorn, der damaligen Bürgermeister und Vogtamtverweser von Stuttgart, und Klara, geborene Mager, gestiftet. Ursprünglich befand sie sich auf dem ehemaligen Leonhardskirchhof hinter dem Chor der Leonhardskirche. Gemäß der Stiftung sollte sie als Friedhofskreuz am Chor der Leonhardskirche aufgestellt werden. Sie besaß ursprünglich einen sechseckigen architektonischen Sockel, auf dem ein künstlicher Felsenhügel ruhte. An diesem waren das Jahr der Fertigstellung (1501) und die Wappen des Stifterpaares angebracht. Auf dem Hügel befanden sich ein Totenkopf, Gebeine und Getier. Darüber erhob sich das Kruzifix. Zu seinen Füßen kniete Maria Magdalena als Rückenfigur. Rechts und links des Kreuzes waren Maria und Johannes dargestellt. Über dem Haupt Christi befand sich der dreisprachige Titulus.
Kreuzigungsgruppe. Foto: EABW, Inventarisation
1889 wurde die Figurengruppe zum Schutz vor Verwitterung von der Leonhardskirche in die Hospitalkirche verlegt. Dort sind die Figuren, wie auch heute noch, auf einzelnen Sockeln aufgestellt. Im Jahr 1905 wurde unter der Leitung von Adolf von Donndorf eine Kopie der Kreuzigungsgruppe angefertigt. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wiederhergestellt und im Jahr 1948 neu eingeweiht. Aufgrund erneuter Witterungsschäden wurde sie 1975 durch eine Kopie ersetzt, die von Günter Schönfeld geschaffen wurde.
Im Gottesdienst kommen zudem die historischen „Vasa Sacra“, also das Abendmahlsgeschirr aus Silber, das im Feuersturm in der Kirche geschmolzen war, zum Einsatz.
Quellen: EABW, K1, Nr. 220; EABW, A 29, Nr. 4380 (Pfarrbeschreibung).
Literatur: Chronik der Leonhardskirche, in: Evangelischen Leonhardskirche Stuttgart. Zerstörung und Wiederaufbau, S. 11-22; Möhring, Harald: Stuttgart Ev. St. Leonhardskirche. München Zürich. 1. Aufl. 1984, S. 2-6; Wais, Gustav: Die St. Leonhardskirche und die Hospitalkirche zu Stuttgart. Stuttgart 1956, S. 11-39: Halbauer, Karl; Binz, Maria: Das Stuttgarter Dominikaner-Chorgestühl. Das Chorgestühl der ehemaligen Stuttgarter Dominikanerkirche (Hospitalkirche) heute in der Leonhardskirche. Stuttgart 2014, S. 22-51, 49-51; Halbauer, Karl; Binz, Maria: Das Stuttgarter Dominikaner-Chorgestühl. Das Chorgestühl der ehemaligen Stuttgarter Dominikanerkirche (Hospitalkirche) heute in der Leonhardskirche. Stuttgart 2014, S. 7-79.
Abendmalskanne von Helmut Stadelberger. Foto: EABW, Inventarisation
Abendmalsschale von Helmut Stadelberger. Foto: EABW, Inventarisation
Abendmalsschale von Helmut Stadelberger. Foto: EABW, Inventarisation
Abendmalskelch von Helmut Stadelberger. Foto: EABW, Inventarisation
Eines der entscheidendsten Jahre des Dreißigjährigen Krieges war das Jahr 1634. Bei Jahresbeginn dominierte im deutschen Südwesten die protestantische Großmacht Schweden, deren Heere die katholischen Gebiete südlich der Donau bis hinunter zum Bodensee besetzt hielten. Im Osten waren württembergische Truppen über die vorderösterreichische Grafschaft Hohenberg und die hohenzollerischen Herrschaften bis in das württembergische Amt Tuttlingen vorgerückt, hatten diese Gebiete besetzt und die Stadt Rottweil erobert. Von dort aus okkupierten sie die vorderösterreichische Landgrafschaft Nellenburg und die Stadt Radolfzell. Nur wenige Orte konnten diesen Besatzungsmächten widerstehen. So gelang es einem württembergischen Heer nicht, die vorderösterreichische Stadt Villingen zu erobern. Schwedische Heere hatten die Bodenseestädte Überlingen und Konstanz erfolglos belagert. Im Frühjahr 1634 unternahm der schwedische General Gustav Horn einen weiteren Versuch, die Stadt Überlingen in Besitz zu nehmen, scheiterte aber trotz mehrerer Versuche sowie einer starken Beschießung und musste die Belagerung nach wenigen Wochen aufgeben.
Trotzdem blieb die Macht der schwedisch-württembergischen Allianz insgesamt unangefochten. Das änderte sich schlagartig am 5. September 1634, als es bei Nördlingen zu einer großen Schlacht zwischen den kaiserlichen Verbündeten einerseits und den schwedisch-württembergischen Heeresverbänden auf der anderen Seite kam. Nach mehreren Stunden erbitterter Kämpfe konnte die kaiserliche Koalition der Gegenseite eine verheerende Niederlage zufügen. Tausende von Soldaten starben auf dem Schlachtfeld, mehrere schwedische Generäle und Offiziere gerieten in Gefangenschaft, und die Heere der unterlegenen Kriegspartei wurden zerstreut. Kaiser Ferdinand II. setzte seinen Sohn König Ferdinand von Ungarn – den späteren Kaiser Ferdinand III. – als Regent im Herzogtum Württemberg ein und beauftragte ihn, das Land zu besetzen. Als der noch junge Landesherr Herzog Eberhard III. von Württemberg von der Niederlage in Nördlingen erfuhr, ließ er in großer Eile im Schloss Stuttgart alles zusammenpacken und floh mit seiner Familie nach Straßburg. Die meisten Hofbeamten folgten ihm, und nur wenige Kirchenbeamte blieben in Stuttgart.
Die Einheiten des kaiserlichen Heeres besetzten nun das ganze Land und verübten an vielen Orten Gräueltaten. Außerdem schleppten sie Krankheiten ein, an denen im folgenden Jahr 1635 – dem schlimmsten Kriegsjahr – Tausende von Menschen starben, darunter über 200 evangelische Geistliche. Das ist auch der Grund, warum in vielen Gemeinden die Aufzeichnungen in den Kirchenbüchern abbrechen. Für das Jahr 1634 sind noch etwa für ein Drittel der württembergischen Kirchengemeinden Einträge in Tauf-, Ehe- und Totenbüchern vorhanden. Sie stellen wichtige Quellen für das Kriegsgeschehen dar, da die Pfarrer nicht selten die Todesumstände wenigstens in Stichworten notierten. Außerdem sind die Synodusprotokolle erhalten, also Protokolle über die Sitzungen der württembergischen Kirchenleitung. Auch dort musste man sich mit Problemen wie dem Pfarrermangel, zerstörten Pfarrhäusern und Kirchen und ungenügender Versorgung der im kirchlichen Dienst stehenden Personen befassen. So gibt es auch dort Notizen über Kriegsereignisse.
Diese Zeugnisse über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges im Herzogtum Württemberg wurden nun für ein Buch ausgewertet, in dem über 2.000 Quellen aus dem Jahr 1634 für den südwestdeutschen Raum in chronologischer Folge inhaltlich zusammengefasst sind. Eberhard Fritz hat in seinem Band „Der Dreißigjährige Krieg in Südwestdeutschland. Quellen aus Oberschwaben, dem westlichen Allgäu, der Bodenseeregion mit dem Hegau und der nördlichen Schweiz, den fürstenbergischen Herrschaften und dem Herzogtum Württemberg, 1634“ Dokumente aus über 20 Archiven in Südwestdeutschland und der nördlichen Schweiz ausgewertet, darunter auch die erwähnten noch erhaltenen Kirchenbücher und Synodusprotokolle. Aus den Totenbüchern wurden alle Einträge erfasst, in denen ein Sterbefall im Zusammenhang mit dem Krieg aufgeführt ist. Bereits zu Beginn des Jahres 1634, als Schweden und Württemberger das Land beherrschten, kam es vereinzelt zu Gewalttaten mit Todesfolge. Mit der Besetzung des Landes durch kaiserliche Truppen nach der Schlacht bei Nördlingen stieg die Zahl der Misshandlungen und Morde drastisch an. Die Menschen wurden systematisch verfolgt, gequält und ermordet. Durch die vollständige Auswertung der kirchlichen Quellen wird das Kriegsgeschehen eindrucksvoll greifbar. In Verbindung mit Dokumenten aus anderen Archiven verbindet sich die lokale und regionale Geschichte mit den großen Ereignissen des Krieges. Natürlich liest sich das Buch nicht wie ein Roman, sondern eher wie ein Tagebuch. Aber für viele Orte lassen sich besondere Ereignisse finden. Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen:
Totenbuch Waldenbuch, 9./19. Januar 1634: Am Sonntag, dem 9./19. Januar, wurden sechs kranke Soldaten nach Waldenbuch gebracht, von denen einer in der Nacht starb, der aus Marbach am Neckar stammen soll, dessen Namen man aber nicht weiß. [Die Datumsangabe erscheint doppelt, weil man in den protestantischen Territorien, so auch im Herzogtum Württemberg, nach dem Julianischen Kalender zählte, der zehn Tage vor dem heute gebräuchlichen Gregorianischen Kalender, welcher damals schon in den katholischen Herrschaften galt, liegt.].
Totenbuch Dagersheim, 11./21. und 12./22. September 1634: Paul Häger der Ältere wurde von kaiserlichen Soldaten erbärmlich umgebracht und ohne Leichenpredigt beerdigt. Ebenso erging es einen Tag später Konrad Widehopf.
Totenbuch Hohenhaslach, 13./23. und 14./24. September 1634: Am 3./23. September wurde Hans Rehm begraben, der von kaiserlichen Soldaten in den Weingärten erschossen worden war. Der alte Schultheiß Albrecht Steinlin wurde von Kroaten bei seinem Haus erschossen und am 14./24. September begraben.
Totenbuch Waldenbuch, 9./19. Januar 1634: Am Sonntag, dem 9./19. Januar, wurden sechs kranke Soldaten nach Waldenbuch gebracht, von denen einer in der Nacht starb, der aus Marbach am Neckar stammen soll, dessen Namen man aber nicht weiß.
Auf der gegenüberliegenden Seite desselben Totenbuchs: „Montags den 8. wie auch den 9. 10. 11. 12. Septembris [1634] seindt in der Plünderung volgende Personen niedergemacht, jämmerlich erschossen, und nachgehends begraben worden … “ [15 Personen]
In der Reihe „Der Dreißigjährige Krieg in Südwestdeutschland“ sind bislang fünf Bände erschienen, in denen die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges anhand von einigen tausend Quelleninhalten und Nachweisen über ihren Standort für die Jahre 1618 bis 1641 dokumentiert ist.
Wir weisen bei dieser Gelegenheit auf folgende früher erschienene Blogbeiträge zu Quellen zum Dreißigjährigen Krieg hin:
„Seine wichtigste herausragende Bedeutung ist allerdings seine Predigttätigkeit“. So fasste Pfarrer Dr. Jürgen Quack das Verdienst seines Amtsbruders Ulrich Schüle zusammen. Beide waren Anfang der 1990er Jahre Pfarrer in Reutlingen. Ende März 2025 übergab Dr. Quack den Predigtnachlass von Pfarrer Schüle an das Archiv.
Tätigkeit in Südafrika. Foto: Privat
1963 wurde Ulrich Schüle Hilfsreferent beim Oberkirchenrat in Stuttgart mit der Amtsbezeichnung Pfarrer. Besonders hervorzuheben ist seine anschließende Tätigkeit als Dozent am Pastoralseminar der Moravian Church (Herrnhuter Brüdergemeine) in Südafrika (1964-1967) sowie seine ökumenische Arbeit an der Kreuzkirche in Reutlingen (ab 1977). In den zehn Jahren dazwischen war Schüle Pfarrer in Gönningen.
Verabschiedung von Ulrich Schüle in der Kreuzkirchengemeinde in Reutlingen. Foto: Privat
In Reutlingen gab es eine lebendige ökumenische Zusammenarbeit mit der Theologischen Hochschule der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Schüle war ein wichtiger Gesprächspartner für internationale Professoren, aber auch für die benachbarte katholische Heilig-Geist-Gemeinde. Mehrere Angebote für Dekanats- und andere Sonderämter lehnte Schüle ab, weil er sich als Gemeindepfarrer am richtigen Platz fühlte.
Die Predigtakten sind ein beredtes Zeugnis seiner Predigt-, aber auch seiner Gemeindearbeit. Sie erhielten die Signatur D 197, umfassen 24 Akten mit einem Umfang von 0,4 lfd. m und haben eine Laufzeit von 1959 bis 1983 und 1987 bis 1995. Die Erschließungsdaten sind online recherchierbar, die Akten selbst können in unserem Lesesaal eingesehen werden.
Bei der Ahnenforschung stößt man hin und wieder auf so genannte Tote Punkte, also Stellen in der Forschung, an denen keine weiteren Ahnen mehr gefunden werden können. Dies kann daran liegen, dass in der benutzen Quelle die für die weitere Forschung notwendige Information nicht vorhanden oder ungenau angeben ist.
Eine Möglichkeit, einen Toten Punkt zu überwinden, ist die Umgebungssuche, die wir bereits vor einiger Zeit anhand eines Beispiels vorgestellt hatten.[1]
In manchen Fällen können aber auch Kirchenkonventsprotokolle zur Überwindung Toter Punkte beitragen, wie hier anhand zweier Beispiele dargestellt werden soll.
Im Taufregister von Tumlingen (heute Kirchengemeinde Waldachtal) ist unter dem 5. Oktober 1797 der Geburts- und Taufeintrag des im Filialort Hörschweiler unehelich geborenen Mädchens Agatha zu finden. Zu ihren Eltern ist folgendes vermerkt: „Christina, Joh. Riegers Bürgers und Bauren in Hörschweiler Tochter gibt zum Vater an Friederich Rohrer, Zimmergesellen aus dem neuen Dörfchen, gegenwärtig auf der Wanderschaft, welcher sich nach der kirchenconventl. Untersuchung auch würklich in so ferne dazu bekennt, als sie auf seine Zeit niederkommen, welches dann auch so erfolgt, aber alles schlechterdings wegläugnet“.[2] Genauere Informationen zu Friedrich Rohrer sind nicht zu finden.
Evangelisches Archiv Baden und Württemberg (EABW), G 244, Nr. 2, S. 339
Was ist mit „dem neuen Dörfchen“ gemeint? Ein Blick in die Kirchenkonventsprotokolle von Tumlingen bringt Klarheit. Christina Rieger wurde am 5. und 6. Januar 1797 vom Kirchenkonvent über ihre Schwangerschaft befragt. Als dritte Frage – nach „Ob wahr, daß sie schwanger sei?“ und „Wie lang?“ – wird sie gefragt „Von wem?“. Sie gibt zur Antwort „Jacob Friderich Rohren, Zimmergesell von Herzogsweiler“.[3]
Der heute zu Pfalzgrafenweiler gehörende Ort Herzogsweiler wurde erst 1723 auf rentkammerlichem Boden im Weilerwald durch Waldenser angelegt. Auch wenn seitdem mehr als 60 Jahre vergangen waren, hatte sich bis 1797 die Bezeichnung „neues Dörfchen“ gehalten. Vergleicht man diese 60 Jahre mit dem Alter von Tumlingen und Hörschweiler (Ersterwähnung 782 bzw. 1086), was den Menschen der damaligen Zeit in etwa auch bekannt gewesen sein dürfte, so war Herzogsweiler tatsächlich noch „neu“.
Es ist anzunehmen, dass der genannte Jacob Friderich Rohrer derjenige im Ortssippenbuch für Pfalzgrafenweiler unter Nr. 4747 aufgeführte ist.[4] Auch er wurde vom Kirchenkonvent befragt, leugnete aber, die Christina geschwängert bzw. überhaupt mit ihr Verkehr gehabt zu haben. Die Protokolle vom 5. und 6. Januar 1797 mit genaueren Angaben stehen online zur Verfügung.[5]
Bitte um einen Kirchenstuhl
KB Peterzell, M 1696-1832, Ta 1733-1808, S. 19
Am 16. November 1735 wurde in Peterzell bei Alpirsbach das Mädchen Maria Catharina geboren und getauft. Ihre Eltern waren Matthias Engisch, Bürger und Schuhmacher in Peterzell, und Maria Barbara Krimmel.[6] Üblicherweise wird bei der Ahnenforschung als nächster Schritt nach dem Hochzeitseintrag der Eltern gesucht – jedoch, es gibt keinen im Eheregister von Peterzell. Auch über den hervorragenden Index zu den Kirchenbüchern („Sonstiges 1648 bis ca. 1875 Band 20“) wird man nicht fündig. Aus dem Index ist lediglich zu entnehmen, dass das erste Kind des Ehepaares am 24. Mai 1732 geboren wurde.[7]
EABW, G 561, Nr. 12-2, Actum 12.11.1731, 2. Seite
Ein auf Verdacht in die Kirchenkonventsprotokolle von Peterzell geworfener Blick hilft auch an dieser Stelle weiter. Im Protokolleintrag vom 12. November 1731 ist zu lesen: „Maria Barbara, Matth. Enggischen Eheweib, von Aysteig gebürttig, bittet weil sie frembd hiehro gekommen, auch um einen Kirchen-Stuhl.“[8] – Man durfte sich früher nicht einfach in der Kirche dorthin stellen bzw. setzen, wo man wollte, sondern bekam seinen Platz zugewiesen. Diese Praxis erscheint aus heutiger Sicht ungewöhnlich, wenn nicht sogar komisch, hilft in diesem Fall aber bei der Überwindung des Toten Punktes.
KB Aistaig, M 1648-1741, E 1648-1740, 10.09.1731
Im Eheregister von Aistaig ist unter dem 10. September 1731 der Hochzeitseintrag des Ehepaares zu finden: „Aystaig den 10. 7bris ist Matthaeus Engisch, Schuhknecht, Matthaeus Engischen, seel. Bürgerß zu Peterzell hinderlaßener Sohn mit Maria Barbara, weyl. Christoph Heinrichs Krimmels seel. weyl. Schneiderß und Bürgerß zu Bahlingen ehel., anitzo aber Johann Jacob Riederß Bürgerß allhir Stieftochter an diesem Monntag nach gehaltener Bettstund ehelich copuliert und eingesegnet worden.“[9]
Die falsche Angabe des Geburtsorts der Maria Barbara im Kirchenkonventsprotokoll hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass sie zwar in Balingen (im heutigen Zollernalbkreis) geboren wurde, aber durch die zweite Ehe ihrer Mutter wohl schon sehr lange in Aistaig lebte.
Kirchenkonventsprotokolle sind in den meisten Dekanats- und Pfarrarchiven in Württemberg und auch in den Archiven alt-württembergischer, heute badischer bzw. bayerischer Pfarreien in unterschiedlichem Umfang überliefert. Ein großer Teil der Kirchenkonventsprotokolle aus Württemberg befindet sich im Archiv in Stuttgart-Möhringen, ein Teil aber auch noch vor Ort auf den Pfarrämtern.
Die Kirchenkonventsprotokolle werden nach und nach digitalisiert und auf https://suche.archiv.elk-wue.de/online gestellt werden. Eine Übersicht über die aktuell online zur Verfügung stehende Kirchenkonventsprotokolle ist hier zu finden.
[4] Oertel, Burkhart: Ortssippenbuch Pfalzgrafenweiler. Für die Teilorte Durrweiler, Edelweiler, Herzogsweiler, Kälberbronn, Neu-Nuifra sowie die in Pfalzgrafenweiler geführten Teile von Missihof, Mönchhof, Oberwaldach und Vesperweiler, Kreis Freudenstadt in Württemberg; 1645 bzw. Ortsgründung – 1925; ungekürztes Ortssippenbuch. Neubiberg 2013, S. 152, Nr. 4747.
[5] [5] EABW, G 244, Nr. 2, S. 339-342, S. 339 siehe [3]
Fast auf den Tag genau 470 Jahre nach dem ältesten Kirchenbucheintrag der Badischen Landeskirche (Mosbach (ref.), ~ 5. Juni 1555) zog heute auch der Kirchenbuchbestand des (ehemaligen) Landeskirchlichen Archivs Karlsruhe nach Stuttgart in die Räumlichkeiten des neu gebildeten ‚Evangelischen Archivs Baden und Württemberg‘. Damit sind die ältesten, wertvollsten und zugleich am meisten benutzten Quellen nun andernorts gelagert.
Allerdings handelt es sich hierbei „nur“ um etwa 2.400 Kirchenbücher, die als Deposita von den Kirchgemeinden an das Archiv abgegeben wurden, und 90 Laufmeter umfassen. Das ist etwa ein Viertel des Gesamtbestandes.
Alle Kirchenbücher sind daneben nicht nur verfilmt, sondern auch digitalisiert überliefert. Eine Einsicht kann unabhängig von unserem Archiv im Kirchenbuchportal (www.archion.de) nach einer Registrierung und gegen Gebühr genommen werden. Insoweit ist deren Lagerort relativ.
Fotos: Evangelisches Archiv Baden und Württemberg
Ältester Kirchenbucheintrag
Umzugswagen
Anlieferungsbereich in Stuttgart während des Aktenummzugs
Gestern, am 7. Mai, wurde im Stuttgarter Stadtpalais die Ausstellung zum 125-jährigen Jubiläum dieser bekannten Stuttgarter Kulturinstitution mit einer schönen Vernissage eröffnet. Unser Archiv, das Evangelische Archiv Baden und Württemberg, konnte den Ausstellungsmachern zahlreiche Dokumente, Plakate, Fotos und Konzertmitschnitte zur Verfügung stellen. Die Vorbereitungen der vom Chor beauftragten Ausstellungsmacher wurden dadurch erleichtert, dass die Archivbestände vor einigen Jahren in unserem Haus verzeichnet wurden. Das Inventar kann online eingesehen werden. Dr. Steffen Kaiser, der damals mit der Erschließung beauftragt war, hatte die ehrenvolle Aufgabe, bei der Vernissage in einem kurzen Vortrag die wechselvolle und faszinierende Geschichte des Chores vorzustellen. Mitglieder des Chores gaben einige Kostproben ihres Könnens. Am Sonntag wird der Chor einen Festgottesdienst in der Stiftskirche mitgestalten und in der kommenden Woche ein großes Jubiläumskonzert mit 210 Mitwirkenden in der Stuttgarter Liederhalle geben.
Die Sonderausstellung ist bis zum 25. Mai (Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr) im Saal Marie im Erdgeschoss des Stuttgarter Stadtpalais bei freiem Eintritt zu sehen und eignet sich für alle Altersgruppen, insbesondere für Familien mit Kindern.
Vor fünf Jahren erschienen auf diesem Blog 16 Beiträge zum Thema Nachkriegszeit. Jetzt, 80 Jahre nach 1945 ist das historische Ereignis in noch weitere Ferne gerückt. Andererseits tobt wieder ein Krieg in Europa. Nicht jeder hat die Blogserie vor fünf Jahren verfolgt. Von dem her möchten wir hiermit auf die damaligen Beiträge verweisen:
Kriege fordern nicht nur Menschenleben, zerstören nicht nur Bausubstanz und Infrastruktur, sie vernichten auch historische Quellen. Während die Kirchenbücher von Freudenstadt, die im Zweiten Weltkrieg großer Hitze ausgesetzt waren und verkohlten, heute nicht mehr benutzbar sind, traf es die Kirchenkonventsprotokolle von Ditzingen nicht ganz so schlimm. Aber auch hier ging ein Teil der Informationen verloren. Offenbar waren die Räume des Pfarramtes einem Granateinschlag ausgesetzt, der zu Schäden durch Splitter führte. Leider fehlt für Ditzingen ein Bericht über das Kriegsende und damit ein einfacher Zugang zu Informationen über diesen Vorfall, der sich Ende April 1945 ereignet haben muss.
Die beiden Bände mit den Laufzeiten 1785-1804 und 1804-1823 waren in diesem Zustand aus konservatorischen Gründen nicht benutzbar. Hätte man sie in diesem Zustand in den Lesesaal gebracht, wäre es zum einen sehr schwierig gewesen, die Seiten umzublättern, und vor allem hätte die Gefahr bestanden, dass die Seiten dabei noch stärker beschädigt worden wären. Deshalb haben wir uns entschieden, die Bände zur Restaurierung in die Werkstatt für Buch- und Papierrestaurierung von Matthias Raum in Römerstein zu geben. Dort mussten die Bände neu gebunden werden. Die Fehlstellen der einzelnen Seiten wurden fachmännisch angefasert und anschließend neu gebunden. Letzte Woche brachte Herr Raum die Bände zurück ins Archiv. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Band kann nun Interessierten vorgelegt werden. Eine Bereitstellung als Digitalisat ist ebenfalls geplant. Die Kirchenkonventsprotokolle sind sozialgeschichtlich sehr interessante Quellen und werden von der Forschung genutzt.
Fotos: Werkstatt für Buch- und Papierrestaurierung Matthias Raum
Im April 1947 beauftragte die Kirchenleitung alle württembergischen Gemeinden, die Zeit des Nationalsozialismus, des Kriegs und der unmittelbaren Nachkriegszeit in einer Kriegschronik zu dokumentieren. Sie gab dafür ein Schema vor, an dem sich die Gemeinden orientieren sollten. Viele Pfarrer kamen der Anweisung nicht nach: Teils hatten sie schlicht keine Zeit, teils schreckten sie aber auch davor zurück, Gemeindeglieder bloßzustellen. Es kamen aber bis zum Abschluss der Aktion im Jahre 1957 immerhin ungefähr 270 Kriegschroniken zusammen. Ihr Umfang reicht von einer Seite bis über fünfzig Seiten, und ihre Qualität schwankt enorm. Insgesamt bilden sie aber eine einzigartige Quelle für die Zeit des Nationalsozialismus, des Krieges und des Kriegsendes auf lokaler, kirchlicher Ebene. Wir haben den gesamten Bestand der überlieferten Kriegschroniken digitalisieren lassen und ihn nun anlässlich der 80 Jahre Kriegsende online zugänglich gemacht. Entdecken Sie die Vergangenheit mittels dieser faszinierenden Quellen!
Einen Beitrag zu den Kriegschroniken mit einem Beispiel aus Waldenbuch finden Sie hier.
Das Beitragsbild zeigt einen Ausschnitt eines Kriegsberichtes betreffs Schlichten bei Schorndorf. Der Pfarrer von Baiereck hat zur Illustration in die rechte obere Ecke des Schreibens von 1944 eine Skizze der aufgrund eines Luftangriffs abgebrannten Gebäude des Dorfes eingezeichnet. Der erste Absatz lautet in Transkription:
In der für Stuttgart verhängnisvollen Nacht vom 12. auf 13. September d.J. ist zwischen 22 u. 23 Uhr in dem zur Pfarrei gehörigen, gegen 300 Einwohner zählenden u. 5 km von Schorndorf entfernt auf dem Schurwald gelegenen Dorf Schlichten durch feindlichen Bombenwurf ein Großfeuer entstanden, durch welches 12 Wohn- und Ökonomiegebäude u. eine für sich stehende Scheuer vollständig, 1 Gebäude zur Hälfte eingeäschert worden sind (etwa ein Fünftel der Gebäude des Dorfes); auch die kleine Kirche hat beträchtlichen Schaden erlitten. 12 Familien sind obdachlos geworden und haben fast ihr gesamtes bewegliches Eigentum u. ihre Vorräte an Heu, Stroh u. Frucht verloren. Menschen sind (gottlob!) nicht umgekommen, auch kein Großvieh, dagegen einige Kälber, Schweine u. einiges Geflügel. An den meisten Häusern des Dorfes sind die Dächer durch Bruch u. Verschiebung der Dachziegel beschädigt u. viele Fensterscheiben zertrümmert worden.