Zwist um eine Friedenskirche
Derzeit wird der bislang noch unverzeichnete Teil des Dekanatsarchivs Ludwigsburg erschlossen. Naturgemäß stößt man beim Verzeichnen auf den ein oder anderen interessanten Vorgang. Dass ausgerechnet ein Aktenbund, der den Titel “Friedenskirche” (jetzt LKAS, DA Ludwigsburg, Nr. 709) trug, umfangreiches Material über einen konfessionellen Zwist enthielt, fanden wir bemerkenswert. Aus heutiger Sicht und aus der zeitlichen Distanz kann man freilich leicht mit einer gewissen Gelassenheit auf Probleme blicken, die damals die Gemüter erhitzten.
Auf der B 27 von Stuttgart kommend erblickt man kurz vor der Abbiegung zur Ludwigsburger Innenstadt auf linker Seite eine imposante Kirche. Dieser Kirchenbau ist nicht nur schön, sondern hat auch eine besondere Geschichte. Die heutige Friedenskirche war ursprünglich die evangelische Garnisonskirche für den ehedem wichtigen württembergischen Militärstandort. Entworfen von dem Architekten Friedrich von Thiersch, wurde sie 1903 im Beisein des Königspaars eingeweiht. 1920 wurde die Garnisonsgemeinde aufgelöst. Das Gebäude wurde dennoch bis 1945 für Militärgottesdienste genutzt. Die Württembergische Kirchenleitung hatte sich 1924 beim Militärpfarramt V ein Mitbenutzungsrecht an der Garnisonskirche gesichert. Infolge des Zusammenbruchs der deutschen Wehrmacht haben die evangelischen Militärgemeinden aufgehört zu bestehen. 1945 wurde beschlossen, aus dem ehemaligen Südstadtbezirk der Stadtkirche eine neue Kirchengemeinde zu bilden. Im Mai 1947 wurde aus der Südstadtgemeinde eine eigene Teilkirchengemeinde mit neuen, erweiterten Grenzen gebildet. 1948 erfolgte die Umbenennung zur Friedenskirche. Aufgrund des großen Zustroms von katholischen Heimatvertriebenen wurde der katholischen Kirchengemeinde eingeräumt, die Kirche mitzubenützen, was ein Jahrzehnt lang auch ein funktionierendes Arrangement war. Man wechselte sich bei der Benutzung der Räumlichkeiten ab. Der Eigentümer war aber der Bund, und als dieser ab 1958 über den Verkauf der Kirche an die evangelische Kirchengemeinde verhandelte, kam eine gewisse Unruhe auf, da die katholische Kirchengemeinde sich nun hintangesetzt fühlte. Von dem her standen sich nun bis 1966 zwei Interessen entgegen: Auf der einen Seite, das Interesse an einem Weiterbestehen des Status Quo, auf der anderen Seite das Interesse am Zustandekommen des Kaufvertrages zwischen der evangelischen Friedenskirchengemeinde und dem Bund. Die Entwicklung führte zu einem umfangreichen Schriftverkehr, zu etlichen Stellungsnahmen, zu Kontaktaufnahmen bis in höchste politische Kreise (etwa zu Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, Minister Hans Wilhelmi, Minister Franz-Josef Strauß, verschiedene Bundestagsabgeordnete). Erst als der Kauf vollzogen wurde, ebbten die Wellen wieder ab. Das Problem war letztlich nicht so groß wie man dachte, da die katholische Kirchengemeinde noch bis in die 70er Jahre die Kirche mitbenutzten konnte. Auch wenn sich die Benennung der Friedenskirche auf einen Neuanfang nach ihrer militärischen Vergangenheit bezog, so erwies es sich auch hier, dass man, wenn ein Streit vorbei ist, wieder Frieden schließen und im Frieden gut zusammenleben kann.