24. September 2024 | Uwe Heizmann | Bestand, Digitalisierung
Nachdem bereits die Pfarrberichte bis ca. 1923 im Bestand A 29 seit Juni 2022 online stehen und die Benutzung derselben im Dezember 2023 verbessert wurde, stehen nun die Pfarrberichte (Pfarrberichte, Visitationsberichte und Inspektionsberichte) aus dem Zeitraum 1924 bis 1966 (vereinzelt auch früher oder später) im Bestand A 129 online zur Verfügung.
Die vom Ortspfarrer verfassten Pfarrberichte enthalten Informationen zur Kirchengemeinde, ihrem immobilen und mobilen Eigentum, zum Pfarrer und zum Kirchengemeinderat, aber auch zum Verhältnis zur katholischen Kirche, zu Sekten und zu den politischen Parteien sowie zu Schule und Religionsunterricht und zu den örtlichen sozialen Verhältnissen und etliche weitere Informationen. Die Pfarrberichte aus den 1930er und 1940er Jahren berichten zudem über die Verhältnisse zum Nationalsozialismus, Krieg, Kriegsende und Verhältnisse zu den als so genannte „Neubürger“ aufgenommen Flüchtlingen aus den Ostgebieten.
Zwei Anleitungen für die Erstellung eines Pfarrberichts sind im Abschnitt „Muster für Pfarrberichte“ zu finden, anhand denen genauer ersichtlich ist, was genau ein Pfarrbericht enthalten kann.
Die vom Dekan bzw. Prälaten, teils auch vom Schuldekan verfassten Visitationsberichte bzw. Randbemerkungen zu den Pfarrberichten und die Inspektionsberichte geben die Sicht des Visitators wieder und können in manchen Fällen auch der Sicht des Ortspfarrers widersprechen.
Weiter unten sind Beispiele zu den verschiedenen Thematiken aufgelistet.
Die Pfarr–, Visitations- und Inspektionsberichte sind keineswegs nur Quellen für Forschungen im engeren Gebiet der Kirchen- und Schulgeschichte, sondern auch für Fragestellungen aus dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der politischen Geschichte – v.a. aus den 1930er und 1940er Jahren – oder der neueren Kulturgeschichte. Diese Quellengattung kann also für die ganze Bandbreite an Forschungsmöglichkeiten herangezogen werden, von der Bachelor- und Masterarbeit über die Doktorarbeit bis hin zur Habilitationsschrift und anderen akademischen Forschungen, aber auch für die Orts- und die Personengeschichtsschreibung.
Die Akten mit den Pfarrberichten sind pro Ort jahrgangsweise verzeichnet. Die Titelinformationen enthalten ferner Angaben zu den Filialen. Aufgrund der teils komplexen Parochialverhältnisse oder wegen der teilweise großen Anzahl an Filialen und Nebenorten sind diese jedoch nicht bei jeder Akte (vollständig) angegeben.
In einigen Fällen, in denen die Akten sehr umfangreich sind, ist im Enthält-Feld ein Inhaltsverzeichnis und im METS-/DFG-Viewer ein Inhaltsverzeichnis mit Sprungmarken zu finden. Aufgrund des Aufwandes konnte dies nur für einen kleinen Teil der Akten gemacht werden.
Die Pfarrberichte können abhängig davon, was der Pfarrer alles berichten wollte, sehr umfangreich sein und teils 50 Seiten und mehr umfassen. Beispielsweise schreibt der Dekan zum Pfarrbericht 1955 von Neckarhausen (49 Seiten): „Nachdem der Pfarrbericht schon fast ein Buch geworden ist, möchte ich auf einen ausführlichen Beibericht verzichten.“ (Nr. 3566-7, Beibericht des Dekans).
Insgesamt umfassen die Pfarrberichte im Bestand A 129 7.154 Verzeichnungseinheiten mit 143.934 Digitalisaten. Informationen zur Benutzung der Digitalisate bzw. zur Bedienung der Rechercheseite sind auf suche.archiv.elk-wue.de zu finden.
Beispiele zu den verschiedenen, in den Pfarrberichten behandelten Thematiken
Im Folgenden ist der Wortlaut aus der jeweiligen Quelle unverändert wiedergegeben, auch wenn die ein oder andere Formulierung unangemessen erscheint oder anstößig ist. Lediglich vorhandene Personennamen wurden abgekürzt.
Beurteilung der Pfarrer und Kirchenpfleger
Beurteilung der Bevölkerung
Verhältnis zu den Katholiken
Freikirchen und Verhältnis zur Religion
Verhältnis zum Nationalsozialismus
Sexualmoral und Abtreibung
Hexerei und Zauberei
Zustand des Pfarrhauses
Predigt im Radio
Maulbronn und sein Kloster
Beurteilung der Pfarrer und Kirchenpfleger
„Das Protokollbuch weist Lücken auf, die Verhandlungsniederschriften sind teilweise ganz dürftig, Unterschriften fehlen, seelsorgerliche und allgemeinkirchliche Fragen sind nicht besprochen worden. Ein trübes Bild der Amtsführung eines gewissenlosen Pfarrers.”
Aus dem Visitationsbericht Grabenstetten 1937 (LKAS, A 129, Nr. 3282-5).
„Pfarrer L. gehört zu den originellen Geistern unter den Ostpfarrern. Seiner Individualität nach ist er eine eigentümliche Mischung aus Gemüt (Humor,Beobachtungs -und Erlebnisgabe,Gedächtnis) und Sorglosigkeit (in puncto Handschrift,Orthographie,Formen des amtlichen Verkehrs,Verwaltung);“
Urteil des Dekans von Weikersheim über den Pfarrer von Vorbachzimmern 1951 (Nr. 3890-3, Visitationsbericht, S. 1). Bemerkenswert ist, dass der Dekan dies genauso, mit den fehlenden Leerzeichen nach dem Komma, geschrieben hat.
„Das Pfarrhaus ist kein schwäbisches Pfarrhaus. Weil das kinderlose Ehepaar stark seinen bürgerlichen hobbies [!] lebt (Autos, Hund u.a.). Die Pfarrfrau gibt sich redlich Mühe, aber schon die sprachliche Verständigung mit den Dorfbewohnern ist schwer.“
Visitationsbericht Möhringen 1965 (Nr. 3538-3, Visitationsbericht, S. 3).
„Es ist ihm nicht gelungen, sich in diesem ersten Amtsjahr mit den wesentlichen Dingen seines Amtes zu beschäftigen, sondern er verplempert seine Zeit und Kraft mit vielen Nebensächlichkeiten. […] Er schreibt dann unzählige Briefe und Denkschriften überallhin und wird der Schreck aller Ämter. […] Zu all dem Genannten tritt ein unernstes, unreifes Gehabe, z.B. schlechte Tischsitten, Herumvespern in der Gemeinde, gelegentlich auch dumme Sprüche und törichte Ausreden. […]
Bedauerlich ist endlich, daß das Ansehen des Pfarrers auch durch die Pfarrfrau untergraben wird. Diese versteht vom Haushalt, insbesondere vom Kochen, gar nichts. Ihre Kinder sind die schmutzigsten im Dorf. Sie selbst ist in der Kleidung eine Schlampe, daß man sich in der Gemeinde und im Pfarrkranz gleichermaßen entsetzt.“
Urteil des Dekans über den Pfarrer von Wiesenbach und dessen Ehefrau 1966 (Nr. 3945-11, Visitationsbericht, S. 1f).
„Kirchenpfleger G. verwaltet die Kirchenpflege nicht gewissenhaft genug, er ist schlampig und oberflächlich. Die Kasse ist auch nie in Ordnung. […] Am Liebsten würde ich ja beantragen, daß die Kirchengemeinde Benzenzimmern sich nach einem andern Kirchenpfleger umsieht, aber bei den besonderen Verhältnissen in Benzenzimmern, wo die halbe Gemeinde mit Kirchenpfleger G. verwandt ist und auch in anderen Angelegenheiten der Kirchengemeinde ein verschworenes Lager bildet, möchte ich von diesem Antrag aber zunächst mit Rücksicht auf den Frieden in der Kirchengemeinde Benzenzimmern, dann aber auch mit Rücksicht auf Pfarrer O., der wohl sehr darunter zu leiden hätte, absehen.“
Visitation Kirchheim/Ries-Benzenzimmern 1958 (Nr. 3426-7, Bemerkungen des Dekans, S. 2f).
Beurteilung der Bevölkerung
„Wirtshausbesuch der Burschen beginnt mit 17 Jahren, wenn der Vater zur Feier des Sonntags ein paar Pfennige herausrückt oder irgendwo ein Trinkgeld abgefallen ist. Man sitzt dann mehr oder weniger trübselig aber im Vollgefühl seiner männlichen Würde stundenlang hinter einem Glas Bier.“
Pfarrbericht Kocherstetten 1935 (Nr. 3436-4, Pfarrbericht, S. 10f).
„Schönaich hat in der Tat einen recht eigenen Charakter, welcher wohl auf viel fremdes Blut zurückzuführen ist, das nach dem 30jährigen Krieg hereinkam. Die Leute dort sich recht aufgeweckt, geistig regsame, und doch auch wieder zäh.“
Bemerkung des Dekans zum Pfarrbericht Schönaich 1933 (Nr. 3759-3, Bemerkung des Dekans, S. 1).
Die „Auswirkung“ des „fremden Bluts“ durch Zuzug nach dem 30jährigen Krieg beurteilt ein anderer Autor anders:
„Die Gründe für diese gewohnheitsmässige Unchristlich- und Unkirchlichkeit sind auch dieselben geblieben, ja es ist durch neuere Entwicklung ein weiterer dazugekommen.
a.) Ein Hauptgrund dürfte in der Struktur der Gemeinde zu finden sein. Die Gegend hat keinen eigenen völkischen Charakter, sie ist nicht schwäbisch, nicht fränkisch, nicht pfälzisch – und doch alles zugleich; dazu kommt dann noch ein kräftiger Tropfen Waldenserblut. Sodann ist das Gebiet wiederholt, bes. im 30jährigen Krieg arg mitgenommen und entvölkert worden, und wurde dann Auffüllgebiet. Die Zugezogenen werden auch nicht die edelsten ihres Stammes gewesen sein.
b.) Weiter wird ein Grund die Berufs- u. Standesschichtung sein. Die Steinhauer sind rauhe [!] Menschen, die jederzeit eine Vorliebe für Alkohol haben. reine [!] Bauern gibt es im Ort wenigstens nicht, oder nichtmehr, so ist man beides zugleich, Bauer und Arbeiter und keines ganz und teilt die Unzufriedenheit beider. Daneben stehen zahlreiche Beamte, von deren Standesdünkel man sich aus der Vergangenheit tragikomische Geschichten erzählt, und der auch heute noch nicht verschwunden ist, wenn er auch einen kräftigen Stoss erlitten hat.“
Pfarrbericht Maulbronn 1937/38 (Nr. 3514-4, Pfarrbericht, S. 1).
„Die Gemeinde Loffenau nimmt unter den Gemeinden des Bezirks eine Sonderstellung ein. Ihre Abgelegenheit und die dadurch bedingte jahrhunderte [!] lange Inzucht hat eine Bevölkerung geschaffen, in der geistig minderbegabte und psychisch labile Menschen einen hohen Prozentsatz bilden. Die einst oft lieblose Behandlung durch die Landeskirche – Strafstelle – und der wohlgemeinte Eifer früherer Pfarrer, jeden Pietismus fernzuhalten, hat dazu geführt, dass der ‘Separatismus‘ heute in Form von Freikirchen und Sekten in einer Mächtigkeit vertreten ist, wie in keiner 2. Gemeinde des Bezirks.“
Visitation in Loffenau 1954 (Nr. 3482-4, Visitationsbericht des Dekans, S. 1).
Verhältnis zu den Katholiken
„In letzter Zeit waren verschiedenen Mischehen zu trauen, bei denen jedoch stets evang. Kindererziehung gesichert werden konnte. Aber von Seiten des kath. Pfarramts wurde alles versucht, um dies zu verhindern. Der kath. Geistliche in Empfingen wollte den Bräutigam veranlassen, seine Braut wegen des vorhandenen Kindes auszubezahlen und nicht zu heiraten. Bei einem andern Fall schloß der kath. Geistliche von Nordstetten den kath. Bräutigam von der Kanzel aus feierlich von der Kirche aus und warnte vor dem Verkehr mit seinem Elternhause. Abends stand er persönlich Posten vor dem Gasthaus, in dem die Hochzeit stattfand, um alle Mädchen heimzuschicken, die zum Tanz wollten.“
Pfarrbericht Mühlheim am Bach 1928 (Nr. 3546-2, Pfarrbericht, S. 10f).
„Die Katholiken nehmen leicht zu durch Zuzug von Angestellten der Strickerei G.m.b.H. und der Ob. Elektr.-werke; die Gefahr der Mischehen ist vermehrt. Aber noch immer werden die Katholiken vielfach geistig aufgesaugt von ihrer evangelischen Umgebung, ausgenommen natürlich die Unkirchlichen. Bei der erdrückenden evangelischen Mehrzahl ist kein Boden für konfessionelle Reibereien.“
Pfarrbericht Mägerkingen 1931 (Nr. 3500-2, Pfarrbericht, S. 5).
„Direkte Eingriffe haben nicht stattgefunden. Ein ev. Mädchen von hier hat sich im Herbst 1929 katholisch trauen lassen, weil sie angeblich später in die Heimat des kath. Mannes ziehen wollen und sie es dort sonst nicht aushalten könne. Das Paar lebt aber noch hier und hat jetzt zwei kath. getaufte Kinder. Ein hier wohnhafter kath. Kaufmann hat sich seine evang. Frau von Baiersbronn geholt. Auf den Druck seiner Eltern hin liessen sie sich ebenfalls katholisch trauen. Es ist aber auch erfreulich, wie andere junge Leute fest hinstehen und ev. Trauung durchsetzten [!], auch wenn sie in vorwiegend kath. Gegenden kommen.“
Pfarrbericht Mühlhausen am Neckar 1932 (Nr. 3533-3, Pfarrbericht, S. 19).
„Seit kurzem […] ist mit dem katholischen Stadtpfarramt Bietigheim ein Vertrag bezüglich Benützung der Kirche zu kath. Gottesdiensten abgeschlossen worden, der damit begründet wurde, daß für alte und kränkliche Katholiken der Weg zur kath. Kirche in Bietigheim zu weit sei. Der wahre Grund dürfte der sein, daß etliche Katholiken sich in Metternzimmern zur evang. Kirche halten, besonders etliche Kinder.“
Visitationsbemerkungen des Dekans zum Pfarrbericht Metternzimmern 1948 (Nr. 3525-6, Visitationsbemerkungen, S. 1).
„Das Verhältnis zur Katholischen Kirche, die in Hofen eine sehr bewußte Vertretung hat, ist gut, wie schon an der Überlassung des katholischen Kinderschülchens zu evangelischen Gottesdiensten zu erkennen ist. Eine kurze Auslassung des Unterzeichneten über die Auswirkungen des neuen Mariendogmas im Ortsteil des Ev. Gemeindeblattes vom November 1950 veranlaßte den katholischen Pfarrer von Hofen zu einer vierseitigen Entgegnung in seinem Gemeindeblatt, die sichtlich der Sorge um seine Seelsorgekinder entsprungen war. Diese Kontroverse hat jedoch das freundlich korrekte Verhältnis zwischen beiden Gemeinden nicht gestört.“
Pfarrbericht Mitteltal 1951 (Nr. 3545-4, Pfarrbericht, S. 9f).
„Das evang. Element gewinnt stetig an Vorrang. Selbst kath. Kinder kommen zu unserem Kindergottesdienst. Die Katholiken hier haben wenig Kinder. Soweit sie nicht abziehen, werden sie wohl im Laufe der Jahre aufgesogen werden.“
Visitation in Botenheim 1956 (Nr. 3101-6, Pfarrbericht, S. 6f).
„Das Verhältnis zur katholischen Gemeinde ist mit dem Bau einer katholischen Kirche, deren Weihe am 24. Juni erfolgte, in ein neues Stadium getreten. Es gilt, wachsam zu bleiben und die klare evangelische Linie festzuhalten. Besondre Gefahrenpunkte sind die katholische Beichtpraxis und die Mischehenpraxis. Vor der Eingehung einer Mischehe kann nicht eindringlich genug gewarnt werden. Auf die Auswirkungen der katholischen Volksmission ist besonders zu achten.“
Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll Neckartenzlingen 1956 (Nr. 3571-10, Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll, S. 2).
„Die katholische Kirche ist in den letzten Jahren durch den Zuzug der Heimatvertriebenen stark gewachsen. Sie hat eine neue große Kirche gebaut. Das Verhältnis zu ihr und ihrem Leiter, Stadtpfarrer Schmitt, ist freundlich, zu besonderen Veranstaltungen (Einführung des neuen evang. Pfarrers, Grundsteinlegung der katholischen Kirche) wird der Pfarrer der anderen Konfession eingeladen und zum Sprechen aufgefordert.“
Pfarrbericht Metzingen 1957 (Nr. 3524-9, Pfarrbericht, S. 15).
„Die katholische Gemeinde […] hat in Maulbronn seit 1956 eine eigene Kirche und seit 1958 einen eigenen Kindergarten. Das Verhältnis zu dem katholischen Pfarrer hätte ich mir vom Oberland aus, wo ich 25 Jahre war, schöner vorgestellt, wenn es auch nicht zu irgendwelchen Konflikten kam. Aber die Art der Werbung für den katholischen Kindergarten und die Gerüchte über Ausfälle gegen die evangelische Seite von der Kanzel erhöhen auch bei anderen nicht das Ansehen des katholischen Stadtpfarrers. Bei der Einweihung der katholischen Kirche 1956 erinnerte er an die Trauer bei der Tempeleinweihung nach der Gefangenschaft in der Erinnerung an die Herrlichkeit des ersten Tempels. ‘Ähnlich mag es manchen unter uns heute gehen‘.“
Pfarrbericht Maulbronn 1961 (Nr. 3514-7, Pfarrbericht, S. 13f).
Freikirchen und Verhältnis zur Religion
„Münster ist bestimmt durch die große Neuapostolische Gemeindebildung, die den zur Zeit größten ‘kirchlichen‘ Raum am Ort hat, und durch die böse Pfingstbewegungsgemeinde von H. L. (z. Z. Krähwinkel bei Schorndorf). Ich fürchte, daß [Pfarrer] K. ihre Tätigkeit etwas zu optimistisch beurteilt. Das stärkste Kennzeichen Münsters aber ist der totale Unglaube, die Gottlosigkeit als Normalzustand, das Ergebnis des Freidenkertums während und nach dem ersten Weltkrieg.“
Bemerkungen des Prälaten zur Visitation Münster am Neckar 1952 (Nr. 3553-3, Bemerkungen des Prälaten).
Verhältnis zum Nationalsozialismus
„Wir dürfen mit Dank anerkennen, dass unser Volk durch die nationale Revolution vor dem Bolschewismus bewahrt geblieben ist und stellen und vertrauensvoll auf den Boden des nationalen Staats. […] Wenn die SA und HJ in letzter Zeit ihre Leute am Sonntag morgen [!] auch während der Zeit des Gottesdienstes zu Übungen in Anspruch genommen hat, so ist das als eine Übergangserscheinung zu betrachten, die wieder verschwinden wird, wenn man die hereindrängenden Massen etwas in die Hand genommen hat.“
Merklingen (Weil der Stadt), Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll 25.06.1933 (Nr. 3523-3, Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll, S. 1).
„Die Sonntagsheiligung befindet sich stark in Auflösung. Seitdem am Sonntag Vormittag [!] S.A., H.J. pol. Leiter usw. ihren Dienst ansetzen und durchführen, fällt in weiten Kreisen beim Versäumen des Gottesdienstes am Sonntag Morgen [!] auch das schlechte Gewissen weg.“
Pfarrbericht Merklingen (Weil der Stadt) 1937 (Nr. 3523-4, Pfarrbericht, S. 2).
Sexualmoral und Abtreibung
„Einer Aeuserung der hiesigen Hebamme nach scheint die Abtreibung in manchen Familien überhaupt noch nicht bekannt zu sein. Doch wird wohl auch einmal im Blick auf kinderreiche Häuser gesagt: wie kann man auch so viel Kinder haben, wenn es Mittel dagegen gibt!“
Pfarrbericht Mitteltal 1932 (Nr. 3533-3, Pfarrbericht, S. 4).
„Im Dorf herrscht ein Kommen und Gehen. Auch sonst herrscht viel Unruhe im Dorf, eben weil man auf der Jagd nach dem Glück ist.. Uneheliche Geburten sind selten. Man weiß sie zu vermeiden.. […]
Voreheliche Geschlechtsgemeinschaft …bis das Kind kommt…. werden unumwunden zugegeben.“
Pfarrbericht Mönsheim 1961 (Nr. 3536-7, Pfarrbericht, S. 3). Die mehrfachen Punkte stammen vom Autor des Pfarrberichts.
Hexerei und Zauberei
„Erwähnt muss noch werden der Bauer F. M. auf dem Oedenhof. Er gilt als der Zauberei verdächtig. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, da er anscheinend mit mehr als 5 Büchern Mose rechnet, und da er seinen Bergspiegel um die Zeit der 12 heiligen Nächte an einem Kreuzweg vergraben soll. Ich glaube aber, dass bei ihm auch gewisse natürliche Gaben auf dem Gebiet des Hellsehens und der Naturheilkunde vorliegen, vielleicht auch suggestive und magnetische Kräfte.“
Pfarrbericht Mitteltal 1932 (Nr. 3533-3, Pfarrbericht, S. 16).
„Seit mehreren Jahren wird in unserer Gemeinde eine Familie in ungerechter Weise der Hexerei bezichtigt. Doch schlummerte die Sache bis zum Frühjahr 1958 mehr oder weniger ‘unter der Decke‘. Im April dieses Jahres entpuppte sich plötzlich der Vater einer Flüchtlingsfamilie mit 8 Kindern als Hexenbanner. Bei verschiedenen von der Hexerei angeblich ‘betroffenen‘ Familien sprach er vor und bot seine Künste an. Offensichtlich war diese Kunst sowohl weisse als auch schwarze Magie. Als eine der Familien nicht sofort zu seinen Diensten stand, weil sie bisher in gutem Einvernehmen mit der Hexenfamilie lebte und diese von diesem Treiben unterrichtete, da flammte die ganze Sache auf und brannte, zum Ergötzen einiger Mißmacher [!], aber auch zum Verdruß nicht weniger Gemeindeglieder, lichterloh. Besonders aufgebracht und bis aufs äusserste erregt zeigte sich die der Hexerei bezichtigt Familie. Zum Glück blieb der Brand bis heute auf die Muttergemeinde Beimbach beschränkt. Während der Pfarrer und mit ihm einige Gemeindeglieder versuchten, die einen von dem Irrtum solchen Treibens zu überzeugen, die andern zur gegenseitigen Versöhnung zu ermahnten und vor allem die verleumdete Familie herzlich und dringend zu bitten, sich von solchem Geschwätz nicht beunruhigen zu lassen, hatte eine aussenstehende Person die Sache bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Darauf kam es – unter grosser Beleiligung [!] der Gemeinde – am 30. Okt. 1958 zur Gerichtsverhandlung in Langenburg. Dabei wurde der angebliche Hexenbanner wegen Verleumdung zu drei Wochen Gefängnis verurteilt. Noch kaum von Langenburg zurück, wurde dieser von seinen Anhängern dazu bewogen, Berufung einzulegen. Dies geschah. Nun warten beide Seiten, teils mit Zittern, teils mit Freude, ob es nocheinmal zur Verhandlung kommt.“
Pfarrbericht Beimbach 1959 (Nr. 3046-7, Pfarrbericht, S. 14f).
Zustand des Pfarrhauses
„Besondere Not macht in Schömberg die Frage der Pfarrwohnung für die Familien K. und B.. Familie K. ist bei ihrer Grösse durch das Mitwohnen der Familie des Kurpfarrers im Pfarrhaus ziemlich beengt. Eines der Kinder muss in der Registratur schlafen, ein Mädchenzimmer, das den Namen verdient, ist nicht mehr vorhanden. Jugendkreise müssen im Wohnzimmer der Pfarrfamilie stattfinden, da das Jugendzimmer als Amtszimmer für Pfarrer B. dient.
Dabei ist Familie B. völlig ungenügend untergebracht. Das Amtszimmer, ein früherer Pferdestall, ist feucht und kalt. Im Schlafzimmer der Familie B. sind im Winter die Aussenwände vereist. Sowohl das Wohn- als auch das Schlafzimmer sind viel zu klein. Das Kinderschlafzimmer ist ausser Hörweite des Elternschlafzimmers. Die Haushilfe muss auswärts schlafen.“
Inspektionsbericht Schömberg (Lkr. Calw) 1954 (Nr. 3758-5, S. 2).
„Wenn dazu noch eine solche Bruchbude von Pfarrhaus kommt, dann kann man, ohne Prophet zu sein, mit Sicherheit voraussagen, wieviele Bewerber sich, wenn Pfarrer K. einmal geht, für Schömberg finden werden, nämlich, wenn Gott nicht ein Wunder tut, kein einziger.“
Visitationsbericht Schömberg (Lkr. Calw) 1960 (Nr. 3758-8, Visitationsbericht, S. 3).
„P[farrer] P. wohnt in dem Pfarrhaus in solch einer Primitivität, daß seine Behausung eher an einen Gefechtsstand an der alten Rußlandfront erinnert wie an ein gastliches Pfarrhaus; er ‘zeltet‘ und ist jederzeit bereit, die Zeltpflöcke anderwärts einzuschlagen. Seine Frau ist nur sporadisch hier und hat die Wohnung im alten Großvillars, während er zwischen lauter zu Behelfsbücherständern verarbeiteten Holzkisten residiert. Dazu kommt, daß die Bauarbeiten an dem wegen des verfaulten Fachwerks zur Hälfte eingerissenen Kirchturm in vollem Gang sind und die Bauarbeiter im Pfarrhaus ein halbes Depot eingerichtet haben. So kann man verstehen, daß das Äußere seiner Umgebung sich gelegentlich in seinem Wesen spiegelt.“
Inspektionsbericht Unterheinriet 1963 (Nr. 3867-8, Inspektionsbericht, S. 1).
Predigt im Radio
„Manche Gemeindeglieder hören am Sonntag durch das Radio eine Predigt. Dabei werde aber von dem Gemeindeglied kein Bekenntnis in der Offentlichkeit [!] abgelegt, wie es durch den Kirchgang ein Bekenntnis zu seiner Kirche ablege.“
Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll Neckargartach 1932 (Nr. 3565-3, Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll, S. 3).
Maulbronn und sein Kloster
„Wenn man von einer festgefügten, schwäbischen Gemeinde herkommt, erscheint einem Maulbronn wie ein Sandhaufen, in dem ein schwerer Stein, das Kloster liegt. Der Stein bleibt ein Fremdkörper in diesem Sandhaufen, auch wenn der Sandhaufen immer grösser wird.“
Pfarrbericht Maulbronn 1954 (Nr. 3514-5, Pfarrbericht, S. 1).
„Die Kirche steht noch im Dorf. Der Maulbronner ist stolz, auf ‘sein Kloster‘, auch wenn er es von innen noch gar nicht gesehen hat.“
Pfarrbericht Maulbronn 1954 (Nr. 3514-5, Pfarrbericht, S. 3). Diese Aussage trifft heutzutage wahrscheinlich auch noch auf manche Maulbronner zu.
18. September 2024 | Heinrich Löber | Bestand
Pfarrer Manfred Mehring mit seiner Verlobten Adelheid geb. Palm um 1863, LKAS, D-186, Nr. 64
Die zum „Nachlaß Manfred Mehring (1832-1888)“ formierte Überlieferung wurde in den letzten Monaten bearbeitet. Deren Erschließungsdaten können nun zielgerichtet recherchiert und die Nachlassakten in unserem Lesesaal eingesehen werden. Eine Online-Recherche kann hier durchgeführt werden.
Der Vorbachzimmerner, späterer Herrentierbacher Pfarrer Manfred Mehring war selbst nicht nur Sohn des Prälaten Gebhard von Mehring, Pfarrersenkel, Pfarrersvater und Pfarrersgroßvater, sondern auch Pfarrersurenkel. Allerdings handelt es sich bei seinem Urgroßvater um den fränkischen – und damit nicht württembergischen – Pfarrer Jakob Gebhard Mehring (um 1716-1784). Wir haben es also genau genommen mit mindestens sechs Pfarrergenerationen zu tun und damit können hier auf einen fortlaufenden geistlichen Dienst von 1746 bis 1970, als Enkel Rudolf Mehring (1907-1991), zuletzt Pfarrer in Baiereck, emeritiert wurde, verweisen.
Die Nachlassunterlagen dokumentieren diese württembergisch-presbyterologische Tradition sehr gut. So bestehen sie vornehmlich aus familienhistorischen Unterlagen und Privatkorrespondenz, aber auch aus Predigten, amtlichen Unterlagen und einigen Druckschriften. Dabei bilden Akten zu Manfred Mehring nur einen Teil, denn Unterlagen seines Vaters und Großvaters, seines Sohnes Hermann und seiner Schwiegerfamilien sowie zur württembergischen Pfarrerdynastie Mehring überhaupt sind wesentliche Bestandteile dieses Nachlasses. Zahllose Bilder und Fotos (ca. 1860-1940) sind im Bestand geblieben und dort grob sortiert (Nr. 64).
Ein Notabene sei gesagt: der ältere Sohn von Manfred Mehring, Gebhard (1864-1931), war Archivrat im Staatsarchiv Stuttgart.
Das Bestandsinventar finden Sie hier.
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Zur Erinnerung an Manfred Mehring. Gerabronn 1888 gedruckte Leichenpredigt u. a. Gedächtnisse, Exempl. der EHZ-Bibliothek Stuttgart Stuttgart, Sign. FS 945
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Evangelische Pfarrkirche Vorbachzimmern. Foto: Schorle https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pfarrkirche_Vorbachzimmern_02.jpg
11. September 2024 | Andreas Butz | Allgemein
Wir freuen uns, dass wir nun schon das vierte Jahr in Folge durch ein junges Gesicht im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres tatkräftig unterstützt werden. Wir sind eine der Einsatzstellen der Jugendbauhütte Baden-Württemberg, bei der junge Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren ein breites Spektrum an Arbeitsfeldern kennen lernen können, zum Beispiel in einer Münsterbauhütte, in der Archäologie oder eben im Archiv. Die Arbeitseinsätze werden durch Seminare der Jugendbauhütte ergänzt.
Unser neuer FSJler heißt Daniel Miller Martìnez und hat vor zwei Monaten in Stuttgart sein Abitur gemacht. Schon in der Schule hat er sich im Leistungskurs intensiv mit Geschichte beschäftigt, weil ihn dieses Fach begeistert hat. Jetzt überlegt er, Geschichte zu studieren und möchte sich bei uns über das mögliche Berufsfeld Archiv informieren.
Obwohl er erst seit einer Woche bei uns ist, durfte er schon eine erste Aufgabe übernehmen. Nach einer Einweisung in unsere Archivsoftware ActaPro erstellt er nun eine Klassifikation für die Handakten des Bischofsbüros aus der Zeit von ca. 1980 bis 2017. Er wird uns auf Außentermine begleiten, in der Musealen Sammlung unterstützen, der Öffentlichkeitsarbeit, und vieles andere mehr.
10. September 2024 | Andreas Butz | Veranstaltung
Am 11. Oktober findet von 10 bis 18 Uhr im Landeskirchlichen Archiv (Balinger Str. 33/1, 70567 Stuttgart) die Vereinstagung statt. Die Evangelische Landeskirche in Württemberg kann 2024 auf ein bemerkenswertes Jubiläum blicken: Ihre 1924 in Kraft gesetzte Kirchenverfassung gilt – mit wenigen Veränderungen – bis heute fort. Während sich die meisten Landeskirchen nach der NS-Zeit neue Kirchenverfassungen gaben, die Impulse aus dem „Kirchenkampf” aufnahmen, blieb in Württemberg die zu Beginn der Weimarer Republik erarbeitete Verfassung im Wesentlichen unverändert. Freuen Sie sich auf ein reichhaltiges Tagungsprogramm. Weitere Informationen erhalten Sie hier. Den Flyer können Sie hier herunterladen. Bitte melden Sie sich bis zum 7. Oktober über dieses Formular an: https://forms.office.com/e/FPtbJ4N6Y8
5. September 2024 | Heinrich Löber | Allgemein, Zeitgeschichte
„Grenzen in der Geschichte“ – so lautet das Thema des Geschichtswettbewerbs 2024/25, zu dem der Bundespräsident aufruft.
Er ist am 1. September gestartet und endet am 28. Februar 2025. Aufgerufen sind Schülerinnen und Schüler sowie Jugendliche bis 21 Jahre, sich diesem Thema zu widmen, indem sie sich anhand von regionalen Themenbeispielen an beteiligte Archiven, Museen und Geschichtswerkstätten wenden. Die gemeinsam mit ihrer Lehrkraft ausgewählte Fragestellung soll quellenbasiert recherchiert werden. Dies kann z. B. auch anhand von Zeitzeugengesprächen sein. Unterstützt werden sie dabei durch die genannten Einrichtungen.
Unser Archiv beteiligt sich wieder an diesem Wettbewerb, indem es auf Quellen aus seinen Beständen verweist, die sich dem Thema auf zweierlei Weise annähern:
- „Eine innerfamiliäre konfessionelle Grenze“. Der Umgang der württembergischen Landeskirche mit Mischehen;
- „Grenzüberschreitende Jugendarbeit im Kalten Krieg.“ Die Unterstützung der kirchlichen Jugendarbeit in der DDR durch das Evangelische Jugendwerk in Württemberg.
Auf die von uns und anderen Einrichtungen ausgewählten Quellen werden die Tutoren durch die Körber-Stiftung hingewiesen. Dadurch sollen Ideen eingebracht, Zugriffe erleichtert und „Grenzen durchlässiger“ gemacht werden.
Natürlich sind darüber hinaus weitere Themenkomplexe möglich: Unser Landeskirchliches Archiv bietet zahllose Möglichkeiten, sich dem Thema „Grenzen in der Geschichte“ anzunähern. Nehmen Sie einfach mit uns Kontakt auf – wir freuen uns und unterstützen diesen attraktiven Wettbewerb.
21. August 2024 | Andreas Butz | Aktenfund
Welche Macht Bauern auch heute noch haben, wissen wir spätestens seit den landwirtschaftlichen Protesten im Winter 2023/2024. Außerdem ist dem Thema 500 Jahre Bauernkrieg die kommende Große Landesausstellung Baden-Württemberg gewidmet.
Unser Archiv verwahrt keine zeitgenössischen Quellen zum Deutschen Bauernkrieg (1524-1526), obwohl das historische Großereignis in Südwestdeutschland einen seiner Schwerpunkte hatte. Die im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart verwahrte Überlieferung beginnt erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Es wird angenommen, dass diese Revolution des gemeinen Mannes eine Verbindung zur der gleichzeitigen Verbreitung reformatorischen Gedankenguts, insbesondere der lutherischen Lehre habe. Eine solche pauschale Aussage greift sicherlich zu kurz. Martin Luther und der württembergische Reformator Johannes Brenz haben sich in deutlichen Worten gegen den Aufstand der Bauern ausgesprochen. Andererseits war es Luther, der die Autorität der Kirche und damit auch die gesellschaftliche Ordnung in Frage gestellt hatte. In den zwölf Artikeln, der Programmschrift der Bauern, wurde unter anderem auch die freie Pfarrerwahl, wie auch die “Predigt des lauteren Evangeliums” gefordert. Wir sind im Rahmen unserer archivischen Erschließung auf einen Hinweis einer solchen Verbindung zwischen Reformation und Bauernkrieg gestoßen.
Wie sich der Chronik von Schützingen in dem bei uns verwahrten Pfarrarchiv von Schützingen entnehmen lässt, war dort der lutherisch gesinnte Pfarrer auf Seiten der Aufständischen aktiv und wurde von der Obrigkeit dafür mit dem Tode bestraft. In der Chronik, die um 1934 von Pfarrer Gotthilf Gammertsfelder verfasst wurde, heißt es:
1525 wird ein Pfarrer von Schützingen von den Vaihingern gefangen genommen; der Schwäb[ische] Bund gibt am 30. Mai , den Befehl, den Pfarrer zu Schützingen, dieweilen er gleichermaßen der lutherischen Faktion anhängig, und sich unterstanden, unter dem gemeinen Volk Aufruhr und Empörung zu erwecken. Daß sie selbigen in einem Wald an einen dürren Ast binden und hängen lassen.
Die in der Chronik genannte, aber nicht exakt angegebene Quelle dieser Nachricht ist der Verhaftungs- und Hinrichtungsbefehl des Schwäbischen Bundes an die Regierung in Württemberg vom 31.5.1525, der im Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Bestand H 54, Büschel 16, Nr. 22 aufbewahrt wird. Dort finden sich folgende drei Befehle (veröffentlicht in: Der Bauernkrieg im deutschen Südwesten, Stuttgart 1975, S. 105):
1. den Pfarrer Dr. Gall von Tübingen wegen Predigten, die sich gegen die Obrigkeiten richteten, auf der Burg Hohenurach gefangen zu setzen,
2. den Franz Gigelin von Stuttgart, der in Tübingen gefangen liegt, wegen Zuneigung zur lutherischen Lehre und Anhängerschaft an Herzog Ulrich unter Folter befragen und dann richten zu lassen,
3. den Pfarrer von Schützingen, weil er gleichermaßen der lutherischen Faktion anhängig und sich unterstanden, unter dem gemeinen Volk Aufruhr und Empörung zu erwecken, in einem Wald an einen dürren Ast binden und hängen zu lassen.
Die Information, dass der Pfarrer von den Vaihingern gefangen genommen wurde, hat Pfarrer Gammertsfelder einer anderen Akte in demselben Bestand entnommen. Dort (HSTAS, H 54, Büschel 7,2) heißt es nämlich:
17) Der Schultheiß von Vaihingen berichtet über die anbefohlene Festnahme des Pfarrers zu Schützingen. Dem Schultheiß wird von der Regierung aufgegeben, den Gefangenen nach Tübingen einzuliefern, 20. Mai 1525
Wie wir gesehen haben, kann davon ausgegangen werden, dass die lutherische Lehre tatsächlich einen Einfluss auf das Entstehen der großen Aufstandsbewegung hatte. Nicht nur der Pfarrer von Schützingen, auf den wir über die Chronik im Schützinger Pfarrarchiv aufmerksam wurden, hat sich den Aufständischen angeschlossen und wurde hingerichtet. Beim Hinzuziehen der Originalquelle stellte sich heraus, dass dort auch über einen anderen Pfarrer und einen anderen Anhänger des Luthertums geurteilt wurde.
Die Chronik von Schützingen im Pfarrarchiv Schützingen finden Sie als Digitalisat hier.
Beitragsbild: LKAS, G 433, Evangelisches Pfarramt Schützingen, Nr. 73 (Chronik der Gemeinde Schützingen)
14. August 2024 | Uwe Heizmann | Genealogie
Schriftliche Berichte von Zeitzeugen und Autobiografien aus der Zeit vor 1900 sind begehrte Quellen für die Forschung, da, je weiter die Zeit zurückliegt, die schriftliche Überlieferung immer mehr nur aus amtlicher Überlieferung besteht und die Quellen zur Alltagsgeschichte und dem Leben einzelner, nicht-prominenter Personen rar sind.
Doch wie zuverlässig sind diese Quellen? Kann man diesen Berichten, speziell den Autobiografien trauen? Liegt es nicht auf der Hand, dass in letzteren das ein oder andere vielleicht etwas beschönigend oder nicht ganz der Wahrheit entsprechend dargestellt wird?
Vieles wird man, da die gemachten Aussagen weder bestätigt noch widerlegt werden können, so übernehmen müssen. Anderes kann anhand anderer Quellen überprüft werden. Für Lebensdaten – Geburt, Hochzeit, Tod – sind die Kirchenbücher die primären Quellen.
Abb. 1: Taufeintrag 13. Juni 1769 in Ulm
Als Beispiel wird im Folgenden die Autobiografie des Oberforstmeisters der Reichsstadt Ulm und späteren Direktors des königlich-württembergischen Forstrates und Direktors der Finanzkammer des Neckarkreises Johann Georg Seutter von Lötzen behandelt, die er 1820 verfasst hatte und die in „Sylvan, ein Jahrbuch für Forstmänner, Jäger und Jagdfreunde für das Jahr 1822“ veröffentlicht wurde.[1]
Über seine Geburt und seine Hochzeit schreibt Seutter: „Ich wurde den 13ten Juni 1769 geboren und nebst meinen sechs jüngern Geschwistern, unter der fortwährenden Aufsicht meiner Eltern, auf dem Lande, wo mein Vater seines Amtes wegen wohnte, erzogen.“[2] „Im Jahr 1795 endlich wurde ich als Reichstadt Ulmischer Oberforstmeister bestellt […]“.[3] „Im Jahr 1795 mit einer anständigen Besoldung angestellt, verheirathete ich mich im Jahr 1796 mit einer Tochter des Raths-Aelter [!], Freiherrn v. Welser in meiner Vaterstadt […]“.[4]
Unter „Vaterstadt“ versteht man im Allgemeinen die Stadt, aus der jemand stammt, in der jemand geboren wurde und/oder aufgewachsen ist.[5] Seutters Aussagen können also dahingehend interpretiert werden, dass er am 13. Juni 1769 in Ulm geboren wurde und 1796 auch dort geheiratet hatte.
Was sagen nun die Quellen?
Im Taufregister von Ulm ist unter der Nummer 248/1769 die Taufe von Johann Georg Seutter von Lötzen am Dienstag, den 13. Juni 1769 eingetragen.[6] – Die Jahres- und Datumsangaben in Abbildung 1 erfordern hier eine kurze Erklärung: „17 JVNIVS 69“ steht für Juni 1769. Das auch als Symbol für „männlich“ verwendete Marssymbol steht hier für den Dienstag. „hujus“ = „huius“ ist Lateinisch für „dieser“ und meint „dieser Monat“, bezieht sich also auf den genannten Juni 1769.
Der Taufeintrag enthält keine Angaben zur Geburt, sondern dokumentiert allein die Taufe. Als Geburtsort kann Ulm angenommen werden, da der Vater Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen Mitglied des Rats war und als solcher zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich auch in Ulm wohnte. Außerdem wäre bei Ortsfremden sicherlich eine entsprechende Bemerkung zu finden.
Auf den Wohnort von Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen und damit den Geburtsort seiner Kinder kann auch anhand der Taufeinträge der Kinder geschlossen werden. Zwischen 1769 und 1778 gebar seine Ehefrau sieben Kinder, darunter ein Zwillingspaar. 1769 bis 1772 wird Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen als Mitglied des Rats in Ulm bezeichnet, 1773 zusätzlich als Oberforstmeister. Die entsprechenden Taufen fanden in Ulm statt. 1778 wird das letzte Kind des Ehepaars in Altheim (Alb) getauft, der Vater als „Oberforstmeister zu Altheim“ bezeichnet.[7] Er scheint also zwischen 1773 und 1778 zum Oberforstmeister ernannt worden zu sein und in diesem Zeitraum nach Altheim (Alb), wo sich seit 1700 der Amtssitz des Ulmer Oberforstmeisters befand, umgezogen zu sein.
Über das Geburtsdatum kann nur spekuliert werden. Meistens war die Taufe ein oder zwei Tage nach der Geburt, immerhin musste die Taufe organisiert und die Taufpaten eingeladen werden. Zwar ist es nicht auszuschließen, dass eine Taufe noch am Tag der Geburt stattfand, jedoch war dies nur – logischerweise – bei Nottaufen üblich oder bei Eltern, die zeitnah weiterziehen mussten, z. B. Soldaten, nicht ungewöhnlich.
Abb. 2: Familienregistereintrag Seutters in Ludwigsburg
Wie kommt nun Johann Georg Seutter von Lötzen auf den 13. Juni 1769 als Geburtsdatum?
Es ist anzunehmen, dass er einen Taufschein des Pfarramts Ulm über seine Taufe besaß. Evtl. wurde dort mangels anderen Datums das Geburtsdatum mit dem Taufdatum gleichgesetzt. Dieses weitverbreitete Phänomen unterläuft nicht nur Ahnenforschungsneulingen, sondern eben auch Pfarrern. Vielleicht stand auf dem Taufschein kein Geburtsdatum und Seutter selbst hat Geburts- und Taufdatum gleichgesetzt. Dieser Fehler scheint auch demjenigen unterlaufen zu sein, der das Ludwigsburger Familienregister geführt hat, wo Seutter später lebte. In Abbildung 2 ist ein Ausschnitt des Familienregistereintrags Seutters – ohne Vornamen – in Ludwigsburg zu sehen, worin zur Geburt „Ulm 13. Jun. 1769“ eingetragen ist.[8]
Abb. 3: Todeseintrag 24. Dezember 1833 in Ludwigsburg
In seinem Todeseintrag vom 24. Dezember 1833 in Ludwigsburg, siehe Abbildung 3, wird der 13. Juni 1769 ebenfalls als Geburtsdatum angegeben, als Geburtsort jedoch „Altheim bei Ulm“, also Altheim (Alb).[9] Hier sind dem Schreiber also gleich mehrere Fehler unterlaufen.
Das Taufdatum als nicht belegtes Geburtsdatum und der falsche Geburtsort Altheim (Alb) haben sich bis in aktuelle Datenbanken eingeschlichen, z. B. in der Deutschen Biografie[10] oder bei LEO BW, wo zudem das falsche Altheim – Altheim/Allmendingen statt Altheim (Alb) – verknüpft ist.[11]
Um es nochmals festzustellen: nur die Taufe in Ulm ist durch die authentische, pfarramtliche Quelle des Taufeintrags dokumentiert. Der Geburtsort Ulm ist nicht belegt, kann aber guten Gewissens angenommen werden. Über das Geburtsdatum kann nur spekuliert werden.
Abb. 4: Hochzeitseintrag 12. Mai 1795 in Ulm
Auch hinsichtlich seiner Hochzeit „im Jahr 1796 mit einer Tochter des Raths-Aelter [!], Freiherrn v. Welser“ (vgl. oben) irrte sich Seutter – abgesehen davon, dass es etwas merkwürdig ist, dass er seine Frau, die ihn überlebte (vgl. Familienregistereintrag), nicht beim Namen nennt. Dem Eheregister von Ulm ist zu entnehmen, dass er am 12. Mai 1795 in Ulm Helena Magdalena, Tochter des Ratsälteren Marcus Theodosius Freiherr von Welser, heiratete, siehe Abbildung 4.[12]
Während Johann Georg Seutter von Lötzen sich beim Hochzeitsjahr „nur“ um ein Jahr irrte, schreibt er bezüglich des Todes seines Vaters Dinge, die nicht nur so nicht in den Quellen dokumentiert sind, sondern dem Todeseintrag des Vaters sogar widersprechen.
Seutter schreibt: „Den 4ten Oktober 1789 nachdem mein Vater den ganzen Tag hindurch amtlich auf dem Zimmer beschäftigt war, wollte er sich Abends noch in Begleitung zweier meiner Brüder etwas Bewegung machen, und ritt aus. Schon gegen die Abend-Dämmerung hin und auf dem Rückwege begriffen, verwickelte sich ein an sich unbedeutender Schwarzdorn-Zweig in dem Schweife seines ohnehin nicht frommen, von ihm als sehr gutem Reiter aber stets gebändigten Pferdes, dasselbe wurde toll, band mit meinem Vater ein und dieser war nach wenigen Augenblicken meinen Brüdern aus dem Gesichte verschwunden. Sie verfolgten mit Anstrengung seine Spur und nach wenigen Minuten schon sahen sie – den Vater todt auf dem Felde liegen.“[13]
Abb. 5: Todeseintrag 4. Oktober 1790 in Altheim (Alb)
Dieser dramatische Todesfall ist mit keinem Wort im Totenregister von Altheim (Alb) erwähnt. Dort steht, siehe Abbildung 5, dass Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen am „Montag, den 4. Octobr. [1790] abends zwischen 6 und 7 […] in seinem Erlöser entschlaffen“ ist. Er wurde erst am Freitag darauf nach einer „christl. privat-Trauerrede zu Haus vor der nächsten hohen Anverwendtschaft [!] in der Kirchen zur Erden bestattet“.[14] Ein Unfall oder Unglück wird mit keinem Wort erwähnt und würde auch zu „entschlafen“ nicht passen. Wäre ein Sturz vom Pferd die Todesursache gewesen, so hätte dieses Unglück sicherlich seine Erwähnung im Todeseintrag gefunden.
Einen Grund, einen Sturz vom Pferd als Todesursache nicht zu erwähnen bzw. zu „verschleiern“, ist nicht ersichtlich. Der Grund, warum Johann Georg Seutter von Lötzen die Umstände des Todes seines Vaters derart angibt, abgesehen davon, dass er sich wiederum um ein Jahr irrt, kann ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Fakt ist jedoch, dass hier die zeitgenössische, pfarramtliche Quelle glaubhafter ist als eine „Lebenserinnerung“, die 30 Jahre nach dem angeblichen Unglück verfasst wurde.
Die Autobiografie von Johann Georg Seutter von Lötzen ist ein Beispiel dafür, dass solche Quellengattungen mit Vorsicht zu genießen sind und Angaben anhand zeitgenössischer Quellen überprüft werden sollten.
Quellen
[1] Sylvan, ein Jahrbuch für Forstmänner, Jäger und Jagdfreunde für das Jahr 1822 = https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11038165, S. 1 – 20 (Scan-Nr. 10 – 30).
[2] Sylvan, S. 3.
[3] Sylvan, S. 7.
[4] Sylvan, S. 19.
[5] https://www.duden.de/rechtschreibung/Vaterstadt.
[6] Kirchenbücher Ulm, Taufregister 1767-1775, Bl. 124v.
[7] Kirchenbücher Ulm, Taufregister 1767-1775, Bl. 124v, 175v, 223r, 271r und 319r sowie Kirchenbücher Altheim (Alb), Taufregister 1712-1802, Nr. 17/1778.
[8] Kirchenbücher Ludwigsburg, Familienregister VII, S. 4094.
[9] Kirchenbücher Ludwigsburg, Totenregister 1828-1836, S. 180.
[10] https://www.deutsche-biographie.de/pnd117471135.html#adbcontent, Stand: 24.07.2024.
[11] https://www.leo-bw.de/web/guest/detail/-/Detail/details/PERSON/wlbblb_personen/117471135/Seutter+Johann+Georg+von, Stand: 24.07.2024.
[12] Kirchenbücher Ulm, Eheregister 1767-1800, S. 763.
[13] Sylvan, S. 4 f.
[14] Kirchenbücher Altheim (Alb), Totenregister 1712-1821, Nr. 20/1790.
24. Juli 2024 | Anette Pelizaeus | Kunstgeschichte, Veranstaltung
Bis Sonntag, 21. Juli 2024, war im Museum im Großen Schloss in Kirchentellinsfurt die Bibelsammlung des ortsansässigen Sammlers Walter Tiedemann zu sehen, die Bibeln aus verschiedenen Jahrhunderten mit zum Teil hochwertigen Illustrationen umfasst. Die imposante Sammlung füllte zwei Räume und der Kirchentellinsfurter Bürgermeister Bernd Haug ließ es sich nicht nehmen, die Ausstellung mit einem Vortrag zu würdigen. Dieser fand am 17. Juli statt und schloss mit einer kleinen Führung ab. Der Vortrag beschäftigte sich mit der Bibel als Buch der Bücher und beleuchtete zunächst die aufwändige Herstellung von Büchern, Farben und Tinten im Mittelalter. Auch wenn die Codices im Vergleich zu den Rotuli wesentlich besser zu lesen und aufzubewahren waren, so mussten die Pergamentblätter doch in mehreren Arbeitsschritten hergestellt, die Lagen gefaltet, die Bindung hergestellt, die Texte abgeschrieben, die Illustrationen angefertigt und schließlich die Schließen und Buckel für die Lagerung der Bücher angefertigt werden. Alle 18 vorlutherischen Bibeln wurden noch auf diese Weise hergestellt, und zwar in den verschiedenen Sprachen des deutschen Sprachraums. Es war daher ein mediales Ereignis, als Johannes Gutenberg 1455 den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfand und damit das Verfahren des Bibeldrucks erheblich beschleunigte. Darüber hinaus war es das Verdienst Martin Luthers, mit seiner Bibelübersetzung eine deutsche Sprache gefunden zu haben, die in allen Landesteilen gleichermaßen verstanden wurde, um die Bibel möglichst vielen Menschen in Nord und Süd, West und Ost zugänglich zu machen. Die erste Bibel für Württemberg schließlich wurde 1564 von Sigmund Feyerabend, Georg Rab und Weygand Hanen Erben in Frankfurt gedruckt, mit dem Brustbild des Herzogs und insgesamt 134 handkolorierten Holzschnitten, die im Original nur 11 x 15,5 cm groß waren. Besonders der Detailreichtum der Darstellungen, in denen oft mehrere Szenen einer biblischen Geschichte zum besseren Verständnis des Textes in einem Bild zusammengefasst sind, zeugt von der hohen Kunstfertigkeit der beteiligten Formschneider. Martin Luther versah seine Bibeln noch zu Lebzeiten mit Randglossen zu Vergleichsstellen oder zur Einfügung von Illustrationen, ein Verfahren, das sich nach und nach verselbständigte, so dass auch später gedruckte Bibeln noch Randglossen aufweisen, wie zwei Bibeln aus dem 18. Jahrhundert in der Ausstellung zeigten.
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Impressionen Bibelausstellung Kirchentellinsfurt. Fotos: LKAS
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17. Juli 2024 | Felix Kraeutl | Bestand
Fast ein Jahr nach dem Ende meines Freiwilligen Sozialen Jahres hatte ich nun die Möglichkeit, für ein zweiwöchiges Praktikum ins Landeskirchliche Archiv Stuttgart zurückzukehren. Es ist schön, wieder im Archiv zu sein, alte Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen und neue Gesichter kennenzulernen. Es war interessant zu sehen, was sich in der kurzen Zeit alles verändert hat oder wie hoch der Erweiterungsbau inzwischen ist.
Diesmal galt es zunächst, den Nachlass von Pfarrer Erich Roller (1902-1975) zu erfassen. Dieser Nachlass mit der Bestandssignatur D 189 besteht hauptsächlich aus Predigten aus seiner Studien- und Vikarszeit sowie aus seiner ersten Station als frischgebackener Pfarrer in Tumlingen (1928-1936). So besteht der kleine Bestand hauptsächlich aus Predigten, wie z.B. die Predigt zur Einweihung der neuen Kirche in Tumlingen-Hörschweiler vom August 1929 (D 189, Nr. 1).
Außerdem ist ein Lebenslauf seines Urgroßvaters mütterlicherseits, Pfarrer Mag. Ludwig Friedrich Schmid (1798-1860; zuletzt Pfarrer in Neuffen), enthalten (D 189, Nr. 10) sowie ein Dokument über die Ausbildung künftiger Wehrmachtspfarrer (D 189, Nr. 11).
Der Bestand umfasst 19 Signaturen, eine Laufzeit von 1923 bis 1942 und einen Umfang von 0,2 lfd. m. Die Erschließungsdaten ist mittlerweile in unserer Online-Suche recherchierbar, die Akten selbst können in unserem Lesesaal eingesehen werden.
10. Juli 2024 | Felix Kraeutl | Bestand
Adolf Schreiber, LKAS
Was macht den 1894 in Urach (heute Bad Urach) geborenen und späteren Pfarrer Adolf Schreiber zu einer hochinteressanten Person? Ist es der Fakt, dass er 1933 in die NSDAP eintrat, der dass er 1943 bei der Bombardierung Mühlhausens der dortige Stadtpfarrer war oder doch der, dass er im Dezember desselben Jahres das jüdische Paar Krakauer bei sich im Pfarrhaus von Mühlhausen für einige Zeit aufnahm und versteckte?
Klasse des niederen theologischen Seminars Maulbronn, LKAS
Gustav Adolf Schreiber wurde als Sohn des Pfarrers Paul Schreiber geboren und schlug bereits vor dem Ersten Weltkrieg dieselbe Laufbahn ein, unterbrach sein Studium der Theologie aber, um seinen Dienst im ersten Weltkrieg zu leisten. Er wurde vier Mal verwundet und ausgezeichnet. Schreiber setzte nach dem Krieg sein Studium fort und wurde nach mehreren kleineren Stationen im Jahre 1931 Pfarrer in Onolzheim. Bereits hier in seiner ersten Stelle zeigte sich seine Gespaltenheit gegenüber der Hitlerbewegung, da er einerseits als pflichtbewusster Ex-Soldat Deutschland an die erste Stelle stellte und das neue Nationalbewusstsein begrüßte, andererseits aber bereits 1933 die Bewegung der Deutschen Christen als suspekt ansah. Er trat aus ihr aus, nicht zuletzt, weil für ihn die Ideen der „Glaubensbewegung“, wie z.B. die Entfernung des Alten Testaments aus der Bibel, unerträglich waren. Schreiber engagierte sich zunächst in der Partei und in der NSV (NS-Volkswohlfahrt), legte diese Ämter aber 1936 nieder. In seinem Brief an Rudolf Heß (1934) lassen sich Brüche mit der Partei erkennen, da ihm beispielsweise die bereits im Vorjahr beantragte NSDAP-Mitgliedskarte auf Gauebene verweigert wurde; Grund für diese Benachteiligung war seiner Meinung nach sein oben erwähnter Austritt aus den „Deutschen Christen“.
Max und Karoline Krakauer
Schreibers nun beginnende Auseinandersetzung mit der Partei wurde vor allem auf dem Rücken seiner Kinder ausgetragen, denn seine lokalen Gegner waren zwei Lehrer und ein SA-Mann, die z.B. seine Briefe an diese Lehrer ungeöffnet zurückgaben, was auch zu einer Anzeige gegen Schreiber wegen eines ungelesenen Schulbefreiungsgesuchs führte. 1939 wurde er von Onolzheim nach S-Mühlhausen versetzt, wo er bis zu seinem Tod blieb.
Der endgültige Bruch erfolgte 1941 mit der Beschlagnahme des Theologischen Seminars Maulbronn, an dem sein Sohn studierte, und der damit verbundenen kritischen Beobachtung und Kommentierung des Kriegsgeschehens und des Zeitgeschehens. Die endgültige Grenze der Legalität wurde, wenn nicht schon vorher, dann durch die Beteiligung der Pfarrhauskette erreicht, als sie in der Vorweihnachtszeit 1943 das jüdische Ehepaar Max und Karoline Krakauer für eine Woche bei sich aufnahmen und damit Leib und Leben riskierten. Bis zu seinem Tod 1945 blieb er kritisch und mutig.
Der Nachlass Adolf Schreibers ist heute unter der Signatur D9 verzeichnet und umfasst 70 Verzeichnungseinheiten auf 0,3 lfm. und hat eine Gesamtlaufzeit von 1936 bis 1945.
Das Inventar kann hier eingesehen werden: http://suche.archiv.elk-wue.de/actaproweb/document/Best_338b7a1f-a833-4a00-bcf6-b6a012a55de7
3. Juli 2024 | Andreas Butz | Genealogie
Am Freitag vergangene Woche übergaben das Ehepaar Walter und Doris Salzer Belegexemplare des von ihnen erstellten Ortsfamilienbuches von Eglosheim (1660-1875). Das Landeskirchliche Archiv hatte Kopien der Mikroverfilmungen der Kirchenbücher zu diesem Zweck leihweise zur Verfügung gestellt. Ortsfamilienbücher sind personengeschichtliche Sekundärquellen, die anhand der Einträge in den Kirchenregistern erstellt werden. Die Informationen zu den Familien werden zusammengeführt und Querverweise erstellt. Die Erstellung erfolgt rechnergestützt mit Genealogieprogrammen. Für Familienforscher und Familienforscherinnen bedeutet es eine erhebliche Erleichterung ihrer Recherchen, wenn sie auf ein solches Ortsfamilienbuch zurückgreifen können.
27. Juni 2024 | Jakob Eisler | Palästina, Veranstaltung
Am Sonntag, dem 23. Juni, fand anlässlich des 163. Gründungstages der Tempelgesellschaft in Stuttgart-Degerloch ein Vortrag über die Lebensgeschichte des Architekten Theodor Sandel statt, bei dem einige Stationen seines Lebens in Wort und Bild vorgestellt wurden.
Theodor Sandel (1845-1902). LKAS, Archiv der Tempelgesellschaft.
Theodor Sandel wurde 1845 in Heilbronn geboren. Sandel legte 1863 am Kirschenhardthof sein Abitur ab und studierte anschließend am Polytechnikum in Stuttgart Bauingenieurwesen. Nach Abschluss seines Studiums 1867/68 unternahm er eine Reise nach Paris.
Am 10. Juli 1870 wanderte Sandel nach Palästina (Jaffa) aus. Sein erster Auftrag dort war der Entwurf für die erste jüdische Landwirtschaftsschule „Mikwe Israel“ im Jahr 1870. Im folgenden Jahr wurde er mit der Planung und Parzellierung der neu zu gründenden Templerkolonie Sarona (heute im Zentrum von Tel Aviv) beauftragt. Ab 1875 arbeitete er in Jerusalem. In den folgenden Jahren trug er maßgeblich zur Erschließung Palästinas durch Landvermessungen, den Bau von Verkehrswegen – wie 1876 der Straße von Jaffa nach Jerusalem – und die Errichtung zahlreicher öffentlicher Gebäude bei. 1879/1880 wurde er mit der Parzellierung der ersten jüdischen Siedlung Petach Tiqua beauftragt. Es folgten in Zusammenarbeit mit Conrad Schick das Herrenhuter Leprosenhaus “Jesus-Hilfe” (1884), das alte katholische Hospiz unweit der Jaffastraße (1885-87), die deutsche Weihnachtskirche des Jerusalemsvereins zu Berlin in Bethlehem (1891-92), das Kaiserswerther Krankenhaus in Jerusalem (1894), das jüdische Gymnasium – Edel-von-Lämmel-Schule, das Londoner Missionskrankenhaus in Jerusalem (1894), das jüdische Krankenhaus “Schaare Zedek” (1902), die evangelische Kirche in Jaffa (1904), das Greisenasyl in der Templerkolonie der Borromäusschwestern (1903) und die Dormitio-Kirche (1910). Die drei letztgenannten Bauten wurden nach seinem Tod von seinen Söhnen Benjamin und Gottlob Sandel vollendet.
Zu den von ihm entworfenen Bauten gehören auch mehrere Gebäude in der Rephaim-Ebene bei Jerusalem. Neben seiner Tätigkeit als Architekt war er jahrzehntelang Bürgermeister der Tempelkolonie Rephaim bei Jerusalem. Als der deutsche Kaiser Wilhelm II. im Oktober/November 1898 Jerusalem besuchte, erhielt Sandel die ehrenvolle Aufgabe, ihn zu empfangen. Ein Jahr später wurde er zum Königlich Württembergischen Baurat ernannt.
Zu dem Vortrag kamen viele Templer, aber auch Gäste vom Kirschenhardthof, aus Korntal und sogar der Leiter des deutschen Bibeldorfes aus Nordrhein-Westfalen.
Eine Buchpublikation zu Theodor Sandel, die vom Verein für Württembergische Kirchengeschichte herausgegeben wird, ist derzeit in Arbeit und wird im Herbst 2025 erscheinen. Die Autoren sind Jakob Eisler und Ulrich Gräf. Der Band wird sehr viele Abbildungen enthalten. Die Würdigung seines Werkes war ein Desiderat. Wir dürfen auf dieses Buch gespannt sein!
Beitragsbild: Kolonie Jerusalem mit mehreren von Sandel geplanten und gebauten Bauten. LKAS, Archiv der Tempelgesellschaft.
26. Juni 2024 | Andreas Butz | Veranstaltung
Um sich über aktuelle Entwicklungen im Archivwesen zu informieren und auszutauschen, ist es sinnvoll, an Fachtagungen teilzunehmen, im Falle unseres Hauses z. B. am Deutschen Archivtag, an den Tagungen des Verbandes kirchlicher Archive (Süddeutscher Kirchenarchivtag) oder am Südwestdeutschen Archivtag. Das Thema des 83. Südwestdeutschen Archivtags, der am 20. und 21. Juni in Landau stattfand, lautete “Gehör finden – gehört werden. Archive und Audience Development in Verwaltung und Öffentlichkeit”. Vom Landeskirchlichen Archiv Stuttgart waren Birgitta Häberer und Andreas Butz vor Ort. Für jedes Archiv ist es wichtig, einerseits innerhalb der eigenen Verwaltung gut aufgestellt zu sein, andererseits aber auch die Öffentlichkeit zu erreichen, und entsprechend gehört zu werden. Über die rein gesetzliche Verankerung der Pflichtaufgaben hinaus gibt es verschiedene Strategien, dieses Ziel zu erreichen. Diese reichen von der Übernahme der Projektleitung bei der Einführung der digitalen Aktenführung über den Einsatz von Analysen als Instrument der Überzeugungsarbeit bis hin zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit.
19. Juni 2024 | Andreas Butz | Genealogie, Quellenkunde, Reformation
Dis Buch ist erkaufft worden umb iiii Fl (Gulden) am Newen Jars Tag Anno 1566 Bernhard Schonkapp Pfarrher Bin gen Riettenau khommen Anno 1555. ist itzund zehen Jar. Gott verleih sein Gnad und Geist weitter Amen
Fast ein halbes Jahrtausend lang wurde im Pfarrhaus von Rietenau ein Gesangbuch aufbewahrt, das 1560 in Straßburg vom Buchdrucker Georg Messerschmid gedruckt wurde. Der stattliche Band im Folioformat mit Holzdeckeln, die mit geprägtem Schweinsleder überzogen sind, enthält 108 Lieder mit Noten und ist zweifarbig (rot und schwarz) gedruckt. Vorangestellt ist eine Vorrede des Reformators Martin Bucer. Aus dem Titelblatt geht hervor, dass die erste Ausgabe von 1541 um weitere 50 Lieder ergänzt wurde. Der Band wurde von Pfarrer Bernhard Schönkapp am 1. Januar 1566 für die Gemeinde zum Preis von vier Gulden erworben, wie im Band handschriftlich vermerkt ist. Das war kein geringer Betrag, konnte es doch der Jahreslohn eines Knechtes in damaliger Zeit sein.[1] Die Anschaffung eines Gesangbuches war angebracht, war doch in der Großen Kirchenordnung von 1559 deutlich darauf hingewiesen worden, dass im Gottesdienst Kirchenlieder in deutscher Sprache gesungen werden sollen. Ein Gesangbuch der württembergischen Landeskirche gab es damals jedoch noch nicht. Nur wenige Exemplare dieses Straßburger Gesangbuchs haben die Zeiten überdauert. Der Rietenauer Band wird in der Gesangbuchbibliografie der Universität Mainz aufgeführt.
Die Pfarrstelle Rietenau wurde erst 1554 mit einem evangelischen Pfarrer besetzt. Diese Besonderheit der späten Reformation hängt damit zusammen, dass das Pfarrbesetzungsrecht bei dem Nonnenkloster in Steinheim lag. Der letzte katholische Pfarrer Gallus Schweiger musste damals dem ersten evangelischen Pfarrer Nikolaus Mutschelknaus weichen, der aber bereits 1555 durch Schönkapp ersetzt wurde.
Eine Besonderheit dieses Exemplars ist, dass im Gesangbuch auch das älteste Taufregister (1560-1614) enthalten ist. Durch herzogliches Reskript waren die württembergischen Pfarrer 1558 angewiesen worden, solche Register zu führen. Die Große Kirchenordnung von 1559 regelte weitere Einzelheiten. Die Bücher mussten von den Pfarreien auf eigene Kosten angeschafft werden. In Rietenau entschied sich Pfarrer Schönkapp offenbar dafür, das vorhandene Gesangbuch für das Taufbuch zu verwenden, beziehungsweise einen hybrid genutzten Band anfertigen zu lassen. Da das Taufbuch bereits seit 1560 geführt wurde, ist anzunehmen, dass er die für die Taufregister vorgesehenen und begonnenen Blätter gemeinsam mit dem beim Kauf ungebundenen Gesangbuch binden ließ. Damals kaufte man Bücher nicht im gebundenen Zustand, sondern als ungebundene, ungeschnittene Blätter, die man noch dem Buchbinder geben musste. Heute ist das kaum noch vorstellbar. Das ist auch der Grund dafür, dass frühe Buchdrucke so gut wie immer unterschiedliche Einbände haben. Jedenfalls konnte man so die Kosten für den Buchbinder gleich für die Erstellung des Kirchenbuches verwenden und auf schwäbische Art Kosten sparen.
Teuerung und Überschwemmungen 1570 als Strafgericht Gottes an der sündigen Menschheit in der Deutung Pfarrer Bernhard Schönkapps.
Das A bei Anno schmückte Schönkapp mit einer kleinen Zeichnung aus, die an die heutigen Emoticons erinnert.
“Angefangen nach der Brunst 1560” steht am Anfang des Taufregisters, das mit den Einträgen des Jahres 1614 endet. Was mit der Brunst gemeint ist, bleibt unklar. Gab es einen Brand? An einigen Stellen finden sich auch kleine Zeichnungen des Pfarrers Schönkapp, die an Vorläufer der heute beliebten Emoticons erinnern. Schönkapp führte das Register bis zu seiner Pensionierung 1580. Er datierte die Taufen noch in alter Tradition mit den Heiligentagen, was für die heutigen Nutzer bedeutet, dass das Taufdatum durch Umrechnung, etwa mit Hilfe des Umrechnungswerkes von Grotefend ermittelt werden muss. Teilweise finden sich auch einige Notizen zwischen den Registereinträgen, die darauf hinweisen, dass der Pfarrer die Dauerhaftigkeit der Kirchenbücher nutzen wollte, um Gedanken an die Nachwelt zu überliefern. Zum Beispiel wies er auf die Teuerung des Getreides infolge der Allerheiligenflut von 1570 hin. Die Flut, die Städte und Dörfer an der Nordsee überschwemmte und viele Todesopfer nach sich zog, interpretierte er als ein Strafgericht Gottes über die sündige Menschheit.
Der wertvolle Band, der als kultureller Schatz in Rietenau so lange gehütet wurde, ist gut erhalten. Einige altersbedingte Schäden sollen durch einen Restaurator behandelt werden. Als Standort des Bandes ist das Kirchenbucharchiv vorgesehen. Gleichzeitig hat die EHZ-Bibliothek das Gesangbuch in ihren Katalog aufgenommen.
Anmerkungen:
- Der Jahreslohn eines Knechtes bewegte sich 1545 in Württemberg zwischen vier und sieben Gulden, vgl. Hippel, Türkensteuer und Bürgerzählung, Karte 28.
Literatur:
BWKG, 1946, S. 69.
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Titelblatt des Gesangbuchs
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Vorrede des Straßburger Reformators Martin Butzer (Bucer)
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Das Weihnachtslied In dulci jubilo
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Erste Seite des Rietenauer Taufregisters
12. Juni 2024 | Uwe Heizmann | Bestand
Manuskripte von Predigten und Ansprachen sind nicht nur Quellen für die Forschung zu Predigten und Ansprachen an sich, sondern können auch die Haltung des Sprechers zu gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen widerspiegeln und sind damit auch hervorragende Quellen für die Forschung zur jeweiligen Person und deren gesellschaftliche und politische Entwicklung.
Private Nachlässe sind eine sinnvolle Ergänzung zur amtlichen Überlieferung in Form von Personal- und Ortsakten. Die amtliche Überlieferung gibt die Sicht des Dienstherrn auf eine Person wieder, die Nachlässe ermöglichen eine andere, eine private Sicht auf diese Person.
Erwin Raaf, Jahrgang 1909, begann 1936 seine Pfarrertätigkeit als Stadtvikar in Großbottwar, danach war er Pfarrverweser in Isingen, 1937 bis 1940 in Creglingen. 1940 wurde er auf die Pfarrstelle in Rosenfeld ernannt. Zum 12. September 1940, kurz nach seinem Stellenantritt, wurde er jedoch in die Wehrmacht eingezogen. Er diente zuerst in Frankreich, dann im „Ostraum“. Am 29. Juni 1941 wurde er in Russland schwer verwundet und ins Lazarett Greiffenberg in Schlesien verlegt. Später diente er zeitweise als Unteroffizier im Innendienst in Frankreich. Wegen Dienstunfähigkeit wurde er am 23. September 1942 aus dem Heeresdienst entlassen und konnte die Pfarrstelle in Rosenfeld antreten, die er bis 1957 innehatte. Danach war er bis 1967 Pfarrer in Klosterreichenbach, danach in Obertal (Baiersbronn). Zum 1. Mai 1975 wurde er offiziell in den Ruhestand versetzt, führte die Pfarrstelle aber noch einige Monate weiter. 1975 und 1976 übernahm er in Vakaturvertretung die Pfarrstelle in Dornstetten, 1980 und 1981 die in Fürnsal. Im Ruhestand lebte er in Unteriflingen, einem Ortsteil von Schopfloch (Lkr. Freudenstadt), wo er 2006 verstarb.
Raafs Nachlass (D 179,) enthält umfangreiche Predigtmanuskripte aus den Jahren 1934 bis 1987 (Umfang ca. 15 cm) sowie private bzw. persönliche Unterlagen, darunter auch Wehrmachts- und SA-Dokumente.
Von den Manuskripten sind zwei besonders hervorzuheben. Zum einen ist es die Predigt vom 14. Dezember 1941 in der Friedenskirche in Niederwiese bei Greiffenberg in Schlesien, wo Erwin Raaf nach seiner Verwundung im Juni 1941 einige Monate im Lazarett war. Zum anderen ist es die Ansprache bei der gemeinsamen Beerdigung eines deutschen und eines französischen Soldaten am 21. April 1945 in Brittheim, die leider durch Wasserschäden stellenweise unleserlich ist.
Neben den Predigten ist auch die Raafs Vortrag „60 Jahre Pfarrersleben“ von 1994 zu nennen, der auf Audiokassette und in Form von Audiodateien vorliegt.
Auch wenn der Bestand gerade einmal einen Umfang von 30 cm aufweist, so ermöglicht er dennoch eine Forschung zu Predigten aber auch zur Person Raafs über einen langen Zeitraum hinweg.
Im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart ist außerdem die Personalakte von Erwin Raaf überliefert (A 324, Nr. 2113).
Quellen:
– Ansprache 21.04.1945 aus: LKAS, D 179, Nr. 7
– Predigt 14.12.1941 aus: LKAS, D 179, Nr. 7
– Wehrpass aus: LKAS, D 179, Nr. 8
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Ansprache_1945-04-21_S-1
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Ansprache_1945-04-21_S-2
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Wehrpass_S-32f
5. Juni 2024 | Heinrich Löber | Veröffentlichung
Zeitgleich mit dem Erscheinen des neuen Jahresbandes des Verbandes kirchlicher Archive(VkA) in gedruckter Form wurde dieser auch als Online-Ressource auf der Website des VkA bereitgestellt.
Der 63. Band der Reihe ‚Aus evangelischen Archiven“ bietet ein breites Themenspektrum, wie ein Blick in das Inhaltsverzeichnis verrät:
Thomas Fuchs (Leipzig), Das „Alte“ im „Neuen“. Vorreformatorische Buchbestände in evangelischen Kirchenbibliotheken des albertinischen Sachsen
Margit Scholz (Magdeburg): Genealogie im Dienst des NS-Regimes. Die Überlieferung des Genthiner Kreissippenamts
Norbert Friedrich (Kaiserswerth): Die Bestände zur Internationalen Diakonie im Archiv der Fliedner-Kulturstiftung
Kathrin Siekmann (Rottenburg): Der Pfarrbrief in Zeiten des Medienumbruchs. Archivische Überlieferungsbildung zwischen analog und digital
Wolfgang Krogel (Berlin): Digitale Archivierung im Verbund kirchlicher Archive. Das Modell KRZ.dips.kirche 2023
Ingrun Osterfinke (Bielefeld): Was, wie, für wen? Strategieentwicklung im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen. Ein Praxisbericht
Kristin Schubert (Dresden): Planung und Entstehung eines Archivzweckbaus für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen
Marco Krahmer/David Sommer (Dresden): Der Umzug des Landeskirchlichen Archivs Dresden
Henning Pahl (Berlin): „Dornröschenschlaf“: 6.000 Kirchenbücher im Evangelischen Zentralarchiv für die Ewigkeit verpackt
Bettina Wischhöfer (Kassel): Archivausstellungen „zu jedermanns Nutz und Frommen“. Ein Erfahrungsbericht
Birgit Hoffmann (Wolfenbüttel): „Jetzt ist die Zeit, Zukunft und Vergangenheit miteinander ins Gespräch zu bringen!“ Teilnahme der AABevK am Evangelischen Kirchentag in Nürnberg 2023
Sebastian Kranich (Neudietendorf): Bericht zu der Tagung der AABevK „Medien des Kirchenkampfes. Neue Perspektiven auf die innerprotestantische Auseinandersetzung während der NS-Diktatur“
Das neue gemeinsame Logo vom Verband kirchlich-wissenschaftlicher Bibliotheken und dem Verband kirchlicher Archive.
Henning Pahl: „Erst wenn man verstanden hat, wo man herkommt, kann man zukunftsorientierte Strategien schreiben.“ Bericht über eine wissenschaftliche Tagung des Verbands kirchlicher Archive in der AABevK
Henning Pahl: Bericht aus dem Verband kirchlicher Archive in der AABevK für den Zeitraum September 2022 bis September 2023
Für unser Haus von besonderem Interesse ist der Erfahrungsbericht von Marco Krahmer und David Sommer („Der Umzug des Landeskirchlichen Archivs Dresden“, S. 182-191 mit zahlreichen Abbildungen) angesichts unseres im Spätsommer dieses Jahres beginnenden Umzugs in den Erweiterungsbau.
Vorgestellt wird in diesem Band auch das neue Logo, das erstmals auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg (Juni 2023) präsentiert wurde und künftig von der Arbeitsgemeinschaft und ihren beiden Vereinen (AABevK) geführt wird. Es zeigt in der Mitte das christliche Kreuz, das rechts und links vom Buchstaben „i“ eingerahmt wird. Das „i“ steht symbolisch für den Informationsauftrag der Archive und Bibliotheken. Zugleich weist das Logo auf moderne PC-Arbeitsplätze mit Bildschirm hin, die in Archiven und Bibliotheken inzwischen zum Standard gehören (S. 248 f.).
29. Mai 2024 | Uwe Heizmann | Genealogie
Die Kirchenbuchdatenbank (auf https://www.archiv.elk-wue.de/familienforschung/familienforschung) wurde in den letzten Monaten komplett überarbeitet.
Hauptsächlich wurden die Bände logischer sortiert: zuerst die Taufregister bzw. die Mischbücher mit den Taufregistern, dann die Eheregister, dann die Totenregister, anschließend Konfirmanden-, Kommunikanten- und Seelenregister und Bevölkerungslisten, danach die Familienregister und schließlich Sonstiges.
Daneben wurden Fehler korrigiert sowie für die Benutzung hilfreiche Hinweise ergänzt. Außerdem wurde dabei festgestellt, dass einige wenige Kirchenbücher gar nicht digital vorhanden waren, weil sie bei der Verfilmung in den 1980er Jahren entweder nicht vorlagen oder übersehen wurden, und deshalb auch nicht auf Archion zur Verfügung standen. Diese Bände wurden inzwischen ergänzt bzw. werden in den nächsten Wochen verfilmt und digitalisiert und anschließend ergänzt.
Rückmeldungen zu übersehenen Fehlern oder Ergänzungen sind willkommen.
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Beispiel vor der Überarbeitung
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Beispiel nach der Überarbeitung
22. Mai 2024 | Andreas Butz | Allgemein
Wir begrüßen Sophia Melilli in unserem Archiv. Im Rahmen ihrer beruflichen Orientierung hat sie zunächst ein Praktikum in der Evangelischen Hochschul- und Zentralbibliothek absolviert und lernt nun bei uns die Arbeitsbereiche eines Archivs kennen. Beide Berufe interessieren sie.
Derzeit erschließt sie einen großen Bildbestand, den wir vom Evangelischen Missionswerk (EMS) übernommen haben. Es handelt sich um Tausende von Dias aus den verschiedenen Arbeitsbereichen des Missionswerks weltweit. Frau Melilli übernimmt die Daten aus den zu den Bildern angelegten Karteikarten (Aufnahmeort, Fotograf:in etc.) in unsere archivische Erschließungssoftware und prüft jedes einzelne Dia auf Beschädigungen, die gegebenenfalls auch dokumentiert werden. Die Aufnahme dieser Informationen in eine Datenbank wird die Benutzung dieser Fotografien erheblich erleichtern.
Ihr Projekt umfasst die Erschließung von Fotografien, die in Japan und Südkorea aufgenommen wurden. Die Fotos wurden zwischen den 1960er und 1990er Jahren aufgenommen. Zum Beispiel gibt es viele Fotos, die im Zusammenhang mit einem Krankenhaus in der Arbeiterstadt Taebaek in Südkorea aufgenommen wurden. Die Bergarbeiter litten häufig an Lungenproblemen und mussten behandelt werden. Das Krankenhaus wurde mit Hilfe der EMS gebaut. Andere Fotos zeigen die Stadtentwicklung von Seoul in den 1970er Jahren. Auch der Kontrast zwischen der damaligen Armut der Menschen in Südkorea und den entstehenden Wolkenkratzern sei auf den Fotos dokumentiert, so Sophia Melilli.
15. Mai 2024 | Anette Pelizaeus | Inventarisation, Kirchen, Kunstgeschichte
Im ehemaligen Dienstgebäude des Oberkirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Württemberg befanden sich mehrere Sitzungssäle, darunter der so genannte Brenzsaal, benannt nach dem Reformator Johannes Brenz (1499-1570) der Reichsstadt Schwäbisch Hall und des Herzogtums Württemberg. In der Stuttgarter Stiftskirche befinden sich Epitaph und Grabplatte des bedeutenden Theologen, der auch in zahlreichen Wandmalereien in Kirchen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gewürdigt wird. Im ehemaligen Brenzsaal befand sich ein Okulus (Rundfenster) mit einer Pfingstdarstellung, die 1988 von der Künstlerin Regine Schönthaler, einer Schülerin des Glasmalers Hans Gottfried von Stockhausen (1920-2010), geschaffen wurde. Das Glasfenster wird von einem lichtdurchfluteten Dreieck dominiert, dessen Spitze nach unten zeigt und im unteren Bilddrittel schließt. Seitlich davon sind rechteckig übereinander angeordnete graue und ockergraue Farbgläser zu sehen, die stufenförmig nach oben ansteigen und von schmalen, hoch aufragenden grünen und grünblauen Farbgläsern abgelöst werden. Das zentrale Dreieck kann als Symbol des Heiligen Geistes gedeutet werden, der die Erde mit seiner Schöpfung durchzieht und in ihr wirkt. Das eigentlich unbetitelte Glasfenster wurde so mit Pfingsten in Verbindung gebracht und das Wirken des Heiligen Geistes auf Pfingsten bezogen. Gerade in der heutigen Zeit, die von so viel Hass, Krieg, Leid und Tod geprägt ist, sind die Zeichen des einstigen Pfingstereignisses, gerade auch im Hinblick auf die Verständigung in der Welt, nicht nur tröstlich, sondern geben Hoffnung auf Aufbruch und Veränderung, auf eine neue Zeit, die von der Würde des Menschen geprägt ist.
13. Mai 2024 | Andreas Butz | Veranstaltung
Am Donnerstag, den 16. Mai, um 17 Uhr veranstaltet die Evangelische Hochschul- und Zentralbibliothek in der Balinger Straße 33/1 in Stuttgart-Möhringen eine Abendveranstaltung zum Thema Klimakrise. Die Teilnehmenden erwarten Impulsvorträge von Dr. Sarah Köhler (Diözese Rottenburg-Stuttgart), Ajla Salatovic (Fridays for Future), Jan Kohlmeyer (Stabsstelle Klimaschutz der Stadt Stuttgart), Siglinde Hinderer (Umweltreferat der Landeskirche), Ulrike Schaich (Pfarrerin für Schöpfungsspiritualität), Frithjof Rittberger (Referat Theologie, Kirche und Gesellschaft). Die Podiumsdiskussion im Anschluss an die Vorträge moderiert Romeo Edel. Danach bietet ein kleiner Imbiss die Möglichkeit für Austausch im lockeren Gespräch.
Anmeldung und weitere Infos hier.
8. Mai 2024 | Jakob Eisler | Palästina, Veranstaltung
Foto: LKAS
Am 7. Mai 2024 besuchte eine Gruppe des Johanniterordens aus Stuttgart das Landeskirchliche Archiv und die Hochschul- und Zentralbibliothek in Stuttgart-Möhringen. Zehn Vertreter des Ordens erhielten eine Führung durch die Magazinräume des Archivs mit den dort verwahrten zentralen Beständen des Oberkirchenrats und des früheren Konsistoriums, Dekanats- und Pfarrarchiven, verschiedenen christlichen und diakonischen Werken sowie einer Vielzahl von Nachlässen. Zusammen mit den frei zugänglichen Bänden im Lesesaal beeindruckten die Schätze der Zentralbibliothek mit über 300.000 gedruckten Büchern und ca. 150.000 E-Books und E-Journals. Im Magazin der Musealen Sammlungen konnte die Gruppe Gemälde, Grafiken, Kult- und Kunstgegenstände bewundern.
Es folgte ein Vortrag über die Ursprungsorte des Johanniterordens im Heiligen Land, untermalt mit Bildern aus der Fotosammlung des Archivs. Gezeigt wurden u.a. Fotos der Ruinen der Johanniterkirche „Sancta Latina Major“ aus der Zeit der Kreuzzüge sowie der Neubauten auf dem Jerusalemer Johannitergelände, z.B. die heutige „Deutsche Erlöserkirche“ in der Jerusalemer Altstadt und der Bau des Johanniterhospizes nebenan aus dem 19. Jahrhundert.
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Besuch der Kommende Baden-Württemberg im Landeskirchlichen Archiv
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Eingang zum Johanniterhospiz in der Via Dolorosa in jerusalem. Quelle: Aufn. LKA Stuttgart
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Bericht über das Johanniterhospiz Jerusalem, 1864
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Johanniterkapelle in Jerusalem Quelle Aufn. LKA Stuttgart
30. April 2024 | Heinrich Löber | Bestand
Prälat Gottlob Müller (1816-1897) [LKAS, AS 1, Nr. 354]
Viele Primärquellen zu Prälat Gottlob Müller waren bisher im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart nicht vorhanden: Neben einigen Fotos sind seine Personalakte (A 27, Nr. 2262) sowie ein von ihm 1863 für die “Schwäbische Chronik” des “Merkur“ verfasstes Manuskript über das Deutsche Hospital in Paris recherchierbar, das im Bestand „Evangelische Feldpropstei“ (AP 3, Nr. 267) überliefert ist. Dies hat sich nun durch einen Fund in einer vor etwa zehn Jahren an die Landeskirchliche Bibliothek gelangten, nicht mehr identifizierbaren Buchlieferung mit 17 Predigten und einem von Müller verfassten Sammelband „Allerley aus dem Klosterleben“ geändert.
Gottlob Müller war ein bedeutender kirchenleitender Theologe des 19. Jahrhunderts in unserer Landeskirche. Dies wird dadurch unterstrichen, dass mehr als 30 Jahre nach seinem Tod (noch) ein Artikel in der RGG2 (1930) erschien. Dort beschreibt Richard Brecht Gottlob Müller als “einflußreichen und beliebten Prediger und Seelsorger sowie verdient als Mitarbeiter am Werk des Gustav-Adolf-Vereins […] und auf dem Gebiet des höheren Mädchenschulwesens.”
In der Tat weist Ferdinand Gottlob Jakob Müller eine bemerkenswerte Berufsbiographie auf: 1846 übernahm er im Alter von 29 Jahren die Pfarrstelle in Langenburg, wo er zugleich Dekanatsverweser und ab 1852 Dekan war, bevor er 1853 als Garnisonsprediger und ab 1861 zugleich als Oberkonsistorialrat nach Stuttgart berufen wurde. 1868 übernahm Müller schließlich das Amt des Oberkonsistorialrats in Stuttgart. 1868 wurde Müller schließlich württembergischer Feldpropst und Prälat und im selben Jahr promovierte ihn die Tübinger Theologische Fakultät zum Dr. theol. 1895 trat er schließlich nach 50 Dienstjahren und im Alter von fast 80 Jahren in den Ruhestand. Müller starb am 2. Februar 1897 in Stuttgart.
Darüber hinaus war Müller mit zahlreichen weiteren Aufgaben betraut: 1854 Mitglied der Bibelanstaltskommission; 1860-1866 Vorstand des württembergischen Hauptvereins der Gustav-Adolf-Stiftung; 1867 Mitglied des Zentralvorstands der deutschen Gustav-Adolf-Stiftung; 1877 Vorstand der Kommission für höhere Mädchenschulen; 1891 Ehrenmitglied des Evangelischen Kirchengesangvereins und 1895 des Evangelischen Konsistoriums.
Merkwürdigerweise sind sieben der 17 überlieferten Predigten Weihnachtspredigten. Zufall oder bewusste Auswahl?
In der Personalakte ist ein Brief der Schwestern des Verstorbenen Gottlob Müller, Sofie Müller, an den Stadtdekan erhalten, der vier Wochen nach seinem Tod (3.03.1897) verfasst wurde. Sie teilt darin mit, dass die Hinterbliebenen das Prälatenkreuz dem Kultusministerium (zurück)gegeben haben. Zugleich äußert sie die Befürchtung, “wenn wir etwa damit nicht den richtigen Weg eingeschlagen haben u. Ihnen, verehrter Herr Stadtdekan[,] dadurch Mühe verursachen”. Ob das auch ein Grund ist, warum in unseren Sammlungsbeständen kein Prälatenkreuz überliefert ist?
Hier geht es zum Inventar des Bestands auf unserer Online-Suche.
Der Eintrag zu seiner Person im Pfarrerbuch auf Württembergische Kirchengeschichte Online befindet sich hier.
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Schreiben der Schwester des verstorbenen Prälaten Gottlob Müller an den Stadtdekan (3.03.1897) [LKAS, A 27, Nr. 2262] Die zu einem „Nachlaß Gottlob Müller“ formierten Zeugnisse bestehen aus drei Akten, weisen eine Gesamtlaufzeit von 1852 bis 1889 und einen Umfang von 0,5 Laufmeter auf. Sie haben die Bestandssignatur ‚D 185‘ erhalten und die Erschließungsdaten sind in der Online-Recherche [Link] zu erkunden.
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Rückseite
24. April 2024 | Andreas Butz | Bestand
Pünktlich vor Beginn der Europameisterschaft in Deutschland kann im Archivbestand des Landeskirchlichen Sportbeauftragten geforscht werden.
Dieses Sonderpfarramt ging aus dem Arbeitskreis Kirche und Sport hervor, welcher seinen Sitz an der Evangelischen Akademie in Bad Boll hatte. Die Schwerpunkte der Arbeit des Sportbeauftragten waren die Kontaktpflege zu den Vereinen und die Organisation, die Moderation und die inhaltliche Mitwirkung bei Tagungen und Veranstaltungen zum Thema. Wer sich historisch mit dem Thema Kirche und Sport im Bereich der Württembergischen Landeskirche beschäftigen möchte wird Unterlagen aus diesem Bestand gerne auswerten wollen. Die damaligen Landessportbeauftragten waren Klaus Strittmatter (1978-2001) und Volker Steinbrecher (2001-2011). Der Bestand deckt inhaltlich diesen Zeitraum ab.
Hier geht es zur Online-Recherche im Bestandsinventar.
17. April 2024 | Anette Pelizaeus | Veranstaltung
Archivalientisch bei der Führung
Neben der Verwahrung, Erhaltung und Bereitstellung von Quellen für die Forschenden im Landeskirchlichen Archiv ist auch die Öffentlichkeitsarbeit von wesentlicher Bedeutung für die archivarische Arbeit und zählt zu den ohne Frage bereichernden Aufgaben des Archivs. Anfragen zu Führungen in unserem Hause nehmen wir gerne entgegen, so eben auch die des Seniorenkreises der Stuttgarter Christuskirche, die uns a. 11. April 2024 besuchte. Vor der Besichtigung der einzelnen Magazine mit den Beständen der Kirchenleitung, der neuwürttembergischen Kirchenstellen, der Bildungseinrichtungen und Seminare, der privaten Nachlässe und Sammlungen, der Kirchenbücher, der Dekanats- und Pfarrarchive, der Handschriften, der kirchlichen Einrichtungen, Vereine und Werke, der Diakonie sowie den Bildarchiven und der Musealen Sammlung steht die Geschichte des Hauses im Fokus, das ja eng mit der Verwaltung bzw. des Oberkirchenrates der evangelischen Kirche in Württemberg in Zusammenhang steht, auch wenn sich das Landeskirchliche Archiv aus Platzgründen nicht mehr im Hauptgebäude des Oberkirchenrates befindet. Die Seniorinnen und Senioren der Stuttgarter Christuskirche haben den weiten Weg von der Gänsheide nach Möhringen auf sich genommen und keine Treppenstufen gescheut, um sich den Schätzen des Archivs zu widmen, von denen im Rahmen der Führung im Einzelnen nur wenige gezeigt werden können, aber einen Eindruck von der Fülle des Archivmaterials erhalten haben, von der sie doch sehr begeistert waren. Wir danken der Gruppe für Ihr Kommen und insbesondere dem Organisator, Herrn Prof. Dr. Hermann Ehmer, dem ehemaligen Leiter des Landeskirchlichen Archivs, der persönlich die Gruppe begleitet hat.
11. April 2024 | Noah-Joshua Veit | Inventarisation, Kirchen, Kunstgeschichte
Am 13.03.2024 begleitete ich Frau Dr. Anette Pelizaeus bei der Inventarisierung der Lamprechtskirche in Meßstetten. An diesem Tag war das Wetter kalt und regnerisch. Aus diesem Grund haben wir die meiste Zeit im Inneren der Kirche verbracht und die Außenaufnahmen so kurz wie möglich gehalten. Diese besondere Kirche besitzt glücklicherweise einen Verbindungsgang aus dem 20. Jahrhundert zwischen dem (beheizten) Pfarrhaus und dem Kirchenschiff, was sich unter den gegebenen Umständen im Laufe des Tages noch mehrmals als vorteilhaft erwies. Im Kirchenschiff öffnete uns der Pfarrer zunächst die Vitrine mit den historischen Kirchengegenständen im Vorraum, um die Vasa sacra zu erfassen. Außerdem wurden uns in der Sakristei eine Festschrift und weitere Broschüren zur Kirchengeschichte ausgehändigt. Nachdem sich der Pfarrer wegen des anstehenden Konfirmandenunterrichts verabschiedet hatte, begannen wir im Vorraum mit der Erfassung des losen Kircheninventars und der relevanten Kunstgegenstände. Anschließend wurden das Kirchenschiff und das feste Inventar vermessen.
Das im 13. Jahrhundert erstmals erwähnte Gotteshaus ist ein Paradebeispiel für den stilistischen Wandel im Kirchenbau. Dass ein so kleiner Ort wie Meßsstetten eine so stattliche Kirche aufweist, hat damit zu tun, dass Martin Elsaesser Anfang des 20. Jahrhunderts den Auftrag zur Erweiterung des Baus erhielt.
Plan nach A. Ast, 100 Jahre Evangelische Lamprechtskirche Meßstetten, S. 8.
Die erste urkundliche Erwähnung der damals im gotischen Stil erbauten Kirche stammt aus dem Jahr 1275. Ihren Namen verdankt sie dem heiligen Bischof Lamprecht, dem sie geweiht ist. Zunächst nach Ebingen eingepfarrt, wurde sie im 14. Jahrhundert Dekanatssitz und beherbergte damals noch drei Altäre. Drei Kapläne, vier Messpriester und ein Pfarrer besorgten die geistlichen Aufgaben.
Nach 500 Jahren stürzte 1725 der Kirchturm ein und das Kirchenschiff wurde zerstört. Dies führte beim Wiederaufbau zu einigen baulichen Veränderungen, so wurde beispielsweise das Kirchenschiff in Richtung des Pfarrhauses verlängert. Außerdem wurden Ende des 19. Jahrhunderts eine Orgel und eine Turmuhr eingebaut. In den folgenden sieben Jahren erhielt die Kirche einen Blitzableiter, Ofenheizung und Gasbeleuchtung sowie eine dritte Glocke im Turm.
Das Pfarrhaus bestand zu diesem Zeitpunkt bereits seit 350 Jahren und musste mehrmals aufwendig renoviert werden. Als schließlich 1909 die Kirche zu klein wurde und erneut umgebaut werden musste, gab es Überlegungen für einen kompletten Neubau. Ein Vorschlag war, das Pfarrhaus zu verlegen, um Platz für die Erweiterung des Gotteshauses zu gewinnen. Da man sich in der Frage der Kirchenerweiterung nicht einig wurde, beauftragte man den Stuttgarter Architekten Martin Elsaesser mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser schlug vor, die Kirche um 90° versetzt neu zu bauen, um das historische Pfarrhaus nicht zu beeinträchtigen. Auch dieser Vorschlag wurde mit gemischten Gefühlen aufgenommen.
Die Uneinigkeit wurde jedoch bald durch höhere Gewalt beendet, als 1911 ein schweres Erdbeben große Teile von Meßstetten zerstörte. Neben dem Pfarrhaus, das irreparable Schäden erlitt, war auch die Kirche reparaturbedürftig. Dies veranlasste Elsaesser, in einem neuen Baugutachten den Abriss des Pfarrhauses in Erwägung zu ziehen. Durch die Unbenutzbarkeit der Kirche zum Handeln gezwungen, nahm der Kirchenvorstand den endgültigen Bauplan von Martin Elsaesser an. Der Turm wurde in den beiden unteren Geschossen belassen, nach oben durch ein achteckiges und ein rundes Element erweitert und mit einem Kegeldach abgeschlossen. Die Kirche selbst wurde auf etwas mehr als das Doppelte vergrößert. Schließlich wurde das Pfarrhaus im 90°-Winkel hinter der Kirche neu errichtet und durch einen Gang mit der Kirche verbunden.
Bildcollage: Noah-Joshua Veit unter Verwendung eines Fotos der Inventarisation (LKAS) und A. Ast, 100 Jahre Evangelische Lamprechtskirche, S. 12, Foto von 1913.
Der Innenraum wurde vom Architekten im Stil des expressiven Jugendstils umgestaltet. Die Realisierung erfolgte von 1912 bis 1913. Der Kunstmaler Walter Strich-Chapell bemalte 1913 die Südwand mit Landschaftsbildern aus dem Leben Jesu (Bergpredigt, Gethsemane und Gang durchs Ährenfeld), der Meßstettener Bürger Johannes Eppler fertigte zwei Gedenktafeln für die Gefallenen an. Neben einer Längsempore an der Nordseite befinden sich Hochemporen im Westen und Osten, wobei die Orgel in der Chornische auf der Westempore steht. In der Chornische befindet sich ein großes Fenster, das von je zwei lebensgroßen figürlichen Gemälden (rechts Simeon und Hanna, links Jesus mit seinen Eltern) gerahmt wird.
Nur 40 Jahre später wurde die ursprüngliche Jugendstilausstattung im Zuge der Modernisierung in den 1960er Jahren wieder entfernt. An der Umgestaltung im Innenraum war vor allem Rudolf Yelin d.J. beteiligt, der auch die Reliefwand im Chor gestaltete. Durch die Umgestaltung wurde der Jugendstilcharakter der Kirche maßgeblich verändert. 1960 wurden die Gemälde übermalt und die östlichen und westlichen Emporen abgerissen, um den Chorraum zu vergrößern und Platz für eine Orgel auf der Ostempore zu schaffen. Das westliche Chorfenster erhielt ein großes Relief mit Bildern aus dem Leben Jesu (Taufe, Abendmahl, Getsemani, Auferstehung) und der Chor ein neues Fenster an der Südwand. Außerdem wurden die Kronleuchter durch minimalistische Lampen ersetzt und ein frei hängendes Kreuz im Altarraum angebracht. Das Gestühl wurde mit Teakholz erneuert und alle Fenster mit Antikglas neu verglast. Der historische Turmsockel wurde mit Beton verstärkt. Bis auf die unveränderte Außenfassade blieb von der ursprünglichen Idee des Architekten Martin Elsaesser wenig übrig. Im Jahr 2016 wurden schließlich die Fenster künstlerisch in helleren Farben neu verglast und der Gemeindesaal unter der Ostempore mit einer Glastrennwand ausgestattet. Der teilweise erhaltene PVC-Bodenbelag aus den 1960er Jahren wurde durch Naturstein ersetzt.
Online-Informationen zur Lamprechtskirche: A. Ast, 100 Jahre Evangelische Lamprechtskirche Meßstetten
Literatur:
100 Jahre evangelische Lamprechtskirche Meßstetten 1913-2013. Hrsg. v. Evangelische Kirchengemeinde Meßstetten. Unter Mitarbeit v. Adolf Ast, Gottlieb Gerstenecker, Wilfried Groh, Harald Sauter u. Reinhold Schuttkowski. Meßstetten 2013, S. 4-28; Helber, Ingrid: Baudenkmale und bemerkenswerte Gebäude, in: Eine Stadt im Wandel der Zeit. Die Geschichte von Meßstetten und seinen Ortsteilen Hartheim, Heinstetten, Hossingen, Oberdigisheim, Unterdigisheim und Tieringen. Hrsg. i.A. der Stadt Meßstetten v. Sigrid Hirbordian, Andreas Schmauder u. Manfred Waßner. Meßstetten 2019, S. 326-351.
Quellen im Landeskirchlichen Archiv:
LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr. 64: Neubau von Kirche und Pfarrhaus 1827-1916; LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr.67: Kirchenerneuerung 1937-1966; LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr. 255: Hauptbuch für Neubau von Kirche und Pfarrhaus 1912-1915; LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr.258: Tagebuch für Neubau von Kirche und Pfarrhaus 1912-1915; LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr. 256-257: Beilagen zu den Baurechnungen für Kirchenneubau 1912-1914; LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr. 436: Kirchenerneuerung 1958-1961; LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr. 294: Beilagen zu den Baurechnungen der Kirchenerneuerung 1958-1962; LKAS, A 29, Nr. 2818: Pfarrberichte und Pfarrbeschreibungen 1828, 1841-1921; LKAS, G 62 (Pfa Meßstetten), Nr. 66: Orgelerneuerung 1902-1963.
3. April 2024 | Heinrich Löber | Allgemein
Abschied von Dr. Johannes Grützmacher, hier im Bild mit Archivleiter Dr. Claudius Kienzle. Foto: LKAS
Zum 1. April verabschiedeten wir unseren langjährigen Mitarbeiter Dr. Johannes Grützmacher, den als Leiter des Stadtarchivs in Tübingen nun eine neue Aufgabe erwartet. Johannes Grützmacher war 15 Jahre lang im Landeskirchlichen Archiv als Sachgebietsleiter tätig. Dabei leitete er zuletzt die Sachgebiete: Digitale Archivierung, Archivrecht, Bildarchiv, Diakonische Einrichtungen, Museale Sammlung, Überlieferungsbildung sowie archivische Grundsatzfragen.
Als bleibende Verdienste sind vor allem die Überarbeitung des landeskirchlichen Aktenplans, der Aufbau eines Digitalen Archivs, des Online-Portals „Württembergische Kirchengeschichte Online“, die Onlineveröffentlichung von Erschließungsdaten durch die Online-Recherche-Funktion auf unserer Website sowie im Archivportal-D zu nennen. Auch für diesen Archivblog gab Johannes Grützmacher die erste Anregung und brachte beim Aufbau seine Expertise ein. Seine fachliche Kompetenz, seinen Sachverstand, seine angenehme und bescheidene Art sowie sein unermüdlicher Einsatz für unser Archiv werden wir vermissen. Wir wünschen ihm von Herzen viel Erfolg, alles Gute und Gottes Segen für seinen weiteren beruflichen und persönlichen Weg!
Beitragsbild: Führung durch das Magazin am Tag der Archive 2. März 2024. Foto: LKAS
27. März 2024 | Uwe Heizmann | Quellenkunde
Aus: Markl, Gregor: Bergbau und Mineralienhandel im fürstenbergischen Kinzigtal. Wirtschafts- und Sammlungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Zeit zwischen 1700 und 1858 (Schriftenreihe des Mineralienmuseums Oberwolfach, 2). Filderstadt 2005, S. 14.
Die Montangeschichte untersucht zum einen die Geschichte des Bergbaus einer bestimmten Region an sich, zum anderen, neben anderen Dingen, auch seine Auswirkungen auf die sozialen Verhältnisse im jeweiligen Bergrevier. Hierfür kommen verschiedene Quellen in Frage, u.a. auch solche, an die vielleicht zuerst nicht oder gar nicht gedacht wird.
Ein solcher Fall liegt bezüglich der Montangeschichte des fürstenbergischen Bergreviers in Wittichen (heute Teil von Schenkenzell) im Schwarzwald, wo Kobalt und Silber abgebaut wurden, für das 18. Jahrhundert vor. Als primäre Quellen sind hier Akten aus dem Fürstlich Fürstenbergischen Archiv Donaueschingen zu nennen. Daneben könnten, da das Fürstentum Fürstenberg katholisch war, weitere Dokumente in den Überlieferungen des ehemaligen Bistums Konstanz oder in den Kirchenbüchern der örtlichen katholischen Pfarreien Wittichen/Kaltbrunn oder Schenkenzell denkbar sein.
Das Witticher Revier weist jedoch eine Besonderheit auf. Bei der Wiederaufnahme des Bergbaus in der gesamten fürstenbergischen Herrschaft Kinzigtal zu Beginn des 18. Jahrhunderts setze man, da vor Ort das bergmännische Fachwissen verloren gegangen war, verstärkt auf „ausländische“ Fachkräfte. Ein großer Teil von diesen kam aus Sachsen, das lutherisch war, weshalb im eigentlich streng katholischen Fürstenberg protestantischen Bergleuten die freie Religionsausübung gestattet wurde, unter der Bedingung, dass dies ohne großes Aufsehen und ohne Missionierungsversuche von statten ging.
Auch in Wittichen arbeiteten evangelische Bergleute in den dortigen Gruben und als Fachkräfte in der Farbmühle (Blaufarbenwerk). Sie durften dort ihre Konfession nicht offen ausleben. Jedoch waren die benachbarten württembergisch-lutherischen Orte Alpirsbach, Reinerzau und Schiltach nicht weit entfernt, wo sie am kirchlichen Leben offen teilnehmen konnten.
In der Visitationsakte von 1741 für Reinerzau heißt es dazu:
„Unten in dem Thal unter dem Witticher Nonnen Closter in dem fürstenberg-stühlingischen Territorio ligt die berühmte Farbmühle und Grube, St. Josephs Zech und Gütte Gottes genannt, von wannen [!] die Officianten und Laboranten evangelischer Religion den Gottesdienst in der Kirche zu Rienertzau besuchen, und daselbsten die Sacramenten empfangen, auch bey ereignenden Kranckheiten und Unglücksfällen sich dieses Pfarers bedienen; wiewohl sie alß wirckliche Filialisten der Kirche zu Rienertzau nicht eingepfaret sind, wie dann auch eine Anzahl von ihnen zu Alpirspach und etliche wenige zu Schiltach communiciren und ihre Sacra verrichten“.[1]
Aufgrund dieser Verhältnisse sind Einträge zu diesen Bergleuten deshalb auch in den Kirchenbüchern dieser Orte, v.a. von Alpirsbach und Reinerzau, und nicht in denen von Wittichen zu finden.[2]
Die genannten Orte befinden sich in der abgebildeten Karte im rechten Bereich.[3]
Aus den Kirchenbüchern können aber nicht nur die Lebensdaten der Bergleute und ihrer Angehörigen entnommen werden. Anhand der Paten kann über das Verhältnis zwischen den Bergleuten einerseits und der restlichen Bevölkerung andererseits oder über das Ansehen der jeweiligen Familien Rückschlüsse gezogen werden.
Diese Kirchenbücher sind jedoch nicht die einzigen „orts-, herrschafts- und konfessionsfremden“ Quellen für die Montangeschichte im fürstenbergisch-katholischen Wittichen. Die bereits erwähnten Visitationsakten für die Pfarrei Reinerzau, die teils im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart (im Bestand A 1), teils im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (im Bestand A 281) überliefert sind, sind hierfür weitere „württembergisch-evangelische Quellen“, da bei der Visitation auch auf die Situation der zwar offiziell nicht eingepfarrten, aber dennoch der Pfarrei zugewandten Protestanten in Wittichen geachtet wurde. Daneben finden sich auch in einem Sitzungsprotokoll des Konsistoriums (im Bestand A 3) weitere Informationen.
Für die Jahre zwischen 1738 und 1742 ist in den eben genannten Quellen ein Konflikt um die Schulbildung für die Kinder der evangelischen Bergleute in Wittichen dokumentiert.
Für diese Kinder war für eine gewissen Zeit auf der Farbmühle bei Wittichen ein eigener Schulmeister angestellt und hauptsächlich durch Freikuxe der fürstenbergischen Bergwerke „St. Joseph“ und „Güte Gottes“ finanziert worden. – Ein Kux ist ein Anteil an einem Bergwerk. Ein Kuxbesitzer musste bei Bedarf Zubuße bezahlen, also sich finanziell an den Kosten eines Bergwerks beteiligen. Der Inhaber bzw. Nutznießer eines Freikuxes war davon befreit, erhielt aber, wenn das Bergwerk Ausbeute machte, einen Anteil vom Gewinn. – Der Visitationsakte von 1738 ist jedoch zu entnehmen, dass es „seit etlichen Jahren“ keinen Schulmeister mehr gab, da die Freikuxe durch ein oberbergamtliches Dekret auf die nahegelegene Kaltbrunner Schule übertragen worden war. Deshalb mussten die evangelischen Bergleute, „die doch selber kaum über das abc hinauß“ waren, ihre Kinder selbst unterrichten oder sie in die katholischen Schulen in Kaltbrunn oder Schenkenzell schicken, wo diese „allerhand elende und der evangelischen Religion praejudicirliche [= schädliche] Principia einsaug[t]en“.[4] Eine offizielle evangelische Schule war auf fürstenbergischem Territorium nicht erwünscht. Der Visitationsakte von 1740 ist aber zu entnehmen, dass der evangelische Hüttenschreiber der Farbmühle die Situation dadurch verbesserte, dass er die fünf evangelischen Kinder durch den Hauslehrer, den er auf eigene Kosten für seine eigenen Kinder angestellt hatte, unterrichten ließ.[5] Die Angelegenheit wurde sogar auf höchster Ebene diskutiert. Das Konsistorium in Stuttgart sprach sich jedoch dafür aus, sich nicht für eine offizielle Schule für die evangelischen Kinder einzusetzen, sondern die Lösung des Hüttenschreibers beizubehalten, damit „man mit den Pontificiis unverworren bleibe“.[6] Die Anstellung des Hauslehrers scheint jedoch nur kurzfristig gewesen zu sein. Die Visitationsakten von 1741/42 berichten, dass ein Versuch, mithilfe der evangelischen Kaufleute in Calw, die sich am Bergbau in Wittichen beteiligten, eine evangelische Schule zumindest innerhalb von Privaträumen einzurichten, scheiterte. Die evangelischen Kinder wurden wieder durch ihre Eltern sowie den Pfarrer von Reinerzau im Rahmen der Kinderlehre sowie der Sonn- und Feiertagsschulen unterrichtet und „bezeug[t]en eine besondere Begierde nach der evangelischen Lehre“.[7]
Dieses Beispiel zeigt, dass im Landekirchlichen Archiv Stuttgart Quellen liegen bzw. es aus dem evangelischen Württemberg Quellen gibt, die auch für Forschungen jenseits der Konfessions- und Landesgrenze interessant sein können.
Ein Aufsatz über den fürstenbergischen und württembergischen Bergbau im oberen Kinzigtal, der die obige Thematik beinhaltet und in dem ferner darstellt ist, welche über die Lebensdaten hinausgehenden Informationen zu einem Bergmann aus den Kirchenbüchern entnommen werden können, wurde Ende 2023 in der montanhistorischen Zeitschrift „Der Anschnitt“ veröffentlicht.[8]
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Kloster Wittichen. Foto: Stefan Kunner
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Infotafel: Ehemalige Farbmühle Wittichen. Foto: Stefan Kunner
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Infotafel “Güte Gottes” in Wittichen. Foto: Stefan Kunner
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Infotafel Geologischer Lehrpfad Wittichen. Fotos: Stefan Kunner
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Infotafel: Störungszone im Triberger Granit, Wittichen. Foto: Stefan Kunner
Quellen
[1] Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStAS), A 281, Bü. 1256, Bl. 34r.
[2] Z. B. Kirchenbücher (KB) Alpirsbach, Taufregister (Ta) 1732-1804, S. 10, 17, 63, 106 u. 119; ebd., Mischbuch (M) 1663-1808, Eheregister (E) 1663-1808, S. 95, 101 u. 132; ebd., Totenregister (To) 1732-1808, S. 3, 6 u. 46; KB Reinerzau, Ta 1558-1815, S. 155 u. 157; ebd., M 1651-1812, E 1651-1812, S. 42-44, 55 u. 57; ebd., To 1747-1812, S. 1-3 u. 10.
[3] Vorlage: Markl, Gregor: Bergbau und Mineralienhandel im fürstenbergischen Kinzigtal. Wirtschafts- und Sammlungsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung der Zeit zwischen 1700 und 1858 (Schriftenreihe des Mineralienmuseums Oberwolfach, 2). Filderstadt 2005, S. 14.
[4] Landeskirchlichen Archiv Stuttgart (LKAS), A 1, Nr. 70, S. 106 f., Zitate S. 107.
[5] LKAS, A 1, Nr. 72, Bl. 56r; HStAS, A 281, Bü. 1255, Bl. 32r.
[6] LKAS, A 3, Nr. 30, S. 663.
[7] Vgl. HStAS, A 281, Bü. 1255, Bl. 32v; ebd. Bü. 1256, Bl. 37r; LKAS, A 1, Nr. 73, Bl. 51r; ebd. Nr. 74, Bl. 44r, hieraus das Zitat.
[8] Heizmann, Uwe: Fürstenbergischer und württembergischer Bergbau im oberen Kinzigtal im 18. Jahrhundert. Eine vergleichende Übersicht. Mit Biografien des aus Sachsen stammenden Steigers Augustin Schlegel und dreier seiner ebenfalls im Bergbau tätigen Söhne als Beispiele sozialhistorischer Auswertungsmöglichkeiten. In: Der Anschnitt 75, 2023, Heft 5, S. 190-206.
Für die freundliche Genehmigung zur Verwendung der Fotos bedanken wir uns bei Stefan Kunner, Geotouren Schwarzwald.
20. März 2024 | Heinrich Löber | Allgemein
Bernd-Uwe Grand (SGS) bei seinem Rück- und Ausblick
Als eine von 17 Mitgliedseinrichtungen nahm das Landeskirchliche Archiv an dem Frühjahrstreffen des Notfallverbundes im Naturkundemuseum der Stadt teil. Das Naturkundemuseum ist das jüngste Mitglied im Verbund (Beitritt im August 2023) – daher war es Gastgeber des jährlichen Treffens.
Nach einer Vorstellungsrunde begrüßte die kaufmännische Direktorin Beate Lex die Teilnehmer, unter denen sich auch drei Feuerwehrmänner der Berufsfeuerwehr Stuttgart befanden.
In seinem Rückblick auf das vergangene Jahr (u.a. die Notfallübung im Oktober im Außenmagazin des Stadtarchivs in Stuttgart-Bad Cannstatt) und Ausblick auf das laufende Jahr gab der Sprecher des Verbundes, Bernd-Uwe Grand (SGS), interessante Informationen über die Arbeit des Stadtverbundes, aber auch der Verbünde in Baden-Württemberg (5 Notfallverbünde) und Deutschland (über 60 Verbünde). Nach Berlin 2023 wird Gera am 20./21.06.2024 Gastgeber des Bundestreffens sein.
Dr. Marian Lechner stellt die Arbeit des Museums vor
Dr. Christian Herrmann (WLB) war bei der Notfallübung mit dem (neuen) Notfallcontainer am 7.09.2023 in Münster dabei. Sein Bericht über dieses neue, aber teure mobile Hilfsgerät war sehr beeindruckend. Es ist ein sehr hilfreiches Modul im Katastrophenfall. Die Anschaffung eines solchen Containers für den Einsatz in ganz Baden-Württemberg ist geplant (Standort: Ludwigsburg).
In den Weiten des Depots des Naturkundemuseums
Lea Rechenauer, Restauratorin an der Universität Tübingen, stellte ihre Ausbildung zur ‚Truppfrau‘ der Freiwilligen Feuerwehr durch die Berufsfeuerwehr vor. Dieses außergewöhnliche ehrenamtliche Engagement beeindruckte die Zuhörer sehr.
Nach einer Kaffeepause stellte der Gastgeber sein Haus vor. Nach einer allgemeinen Einführung in die Geschichte und Arbeit des Naturhistorischen Museums durch Dr. Marian Lechner („Wir sind kein Dinosaurier-Museum“) folgte eine kurze Führung durch die Ausstellung und die Depoträume, in denen unzählige Objekte aufbewahrt werden.
Dabei wurden die besonderen Herausforderungen sowohl für Präventionsmaßnahmen als auch für den (hoffentlich nie eintretenden) Ernstfall besonders deutlich.
Nach insgesamt drei Stunden fand das Frühjahrstreffen in diesem eindrücklichen Haus mit seinen außergewöhnlichen Beständen sein Ende.
Fotos: Landeskirchliches Archiv Stuttgart
13. März 2024 | Heinrich Löber | Bestand
Nachlass von Karl Gerok. Foto: Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Die Gerokstraße in Stuttgart ist im Evangelischen Oberkirchenrat wohlbekannt. Nicht nur, weil sie nach dem württembergischen Prälaten, Oberkirchenrat und Kirchenlieddichter und Stuttgarter Ehrenbürger Karl von Gerok (1815-1890) benannt ist, sondern auch, weil sich in der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dienstgebäude befindlichen Straße zahlreiche landeskirchlichen Dienststellen befinden.
Doch Vorsicht ist geboten. Neben dem genannten Karl Gerok gibt es weitere bedeutende „württembergische Kirchenmänner“ dieses Namens: Der Stuttgarter Organist und Komponist Karl Ludwig Gerok (1906-1975) sowie der zwischen beiden anzusiedelnde, zuletzt in Mühlheim am Bach eingesetzte Pfarrer Karl Friedrich Samuel Gerok (1866-1944).
Nicht nur in Stuttgart gibt es eine Gerokstraße: Schild der nach dem württembergischen Theologen und Kirchenlied-dichter Karl Gerok (1815-1890) benannten Straße in Dresden-Johannstadt (Bild: Facebook, CDU-Fraktion Dresden, 2021. Mit freundlicher Genehmigung der CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat
Um den letztgenannten Karl Gerok geht es nun. Nach ihm ist in Mühlheim am Bach eine Straße benannt. Denn dieser wurde Ehrenbürger von Mühlheim, wo er 18 Jahre Pfarrdienst leistete und als „Heimatdichter“ in Erscheinung trat.
Eine weitläufig verwandte Nachfahrin übergab im Dezember 2017 einige wenige Nachlassunterlagen dem Landeskirchlichen Archiv. Diese wurden zum „Nachlass Karl Gerok“ formiert (Signatur: D 93) und nun fast 80 Jahre nach seinem Tod erschlossen.
Dieser Bestand weist sechs handgeschriebene gebundene und jeweils mit einem voranstehenden Inhaltsverzeichnis versehene Gedichtbände auf. Sie zeugen von einem über 50jährigen dichterischen Schaffen (1892-1944). Daneben befinden sich zwei Gästebücher der Familie sowie hymnologische Vorträge, die er Anfang der 1940er Jahre hielt. Der in Sulz 1926 erschienene und in nur zwei Bibliotheken nachgewiesene Gedichtband „Heckenröslein“ ist ebenfalls in den Nachlassunterlagen überliefert (Nr. 10).
Dieser kleine, aber feine Nachlassbestand des Mühlheimer Pfarrers und Dichters Karl Gerok könnte Anlass sein für eine Beschäftigung mit der württembergischen Gerok-Dynastie sowie damit einhergehenden poesie- und liedhistorischen Zusammenhängen.