Turmkugel auf der Spitze der Stadtkirche Winnenden. Foto: Evangelische Kirchengemeinde Winnenden
Bei der Renovierung der Stadtkirche St. Bernhard in Winnenden stellte sich die Frage nach dem Verbleib der Zeitkapsel in der Turmkugel. Die Turmkugel bzw. der Turmknauf ist eine runde, vergoldete Metallkapsel, die auf der Turmspitze unterhalb des Turmkreuzes angebracht ist. Aufgrund ihrer relativen Unzugänglichkeit galten Turmknäufe als sichere Aufbewahrungsorte für historische Zeugnisse aus der Bauzeit, wie zum Beispiel Zeitungen oder Münzen der damaligen Zeit, die man der Nachwelt überliefern wollte. Für die darin aufbewahrten Dokumente bürgerte sich die Bezeichnung „Kirchturmknopfakte“ oder „Turmakten“ ein. Zu den darin zu erwartenden Dokumenten gehören neben Aufzeichnungen der jeweiligen Kirchengemeinde auch Auszüge aus Geburts- und Sterberegistern sowie Berichte über besondere Ereignisse zur Bauzeit.
Die Zeitkapsel wurde anlässlich der Renovierung herausgenommen und geöffnet. Unsere Kollegin Birgitta Häberer wurde von der Kirchengemeinde kontaktiert und mit der Recherche zum Turmkugelarchiv beauftragt. Die Pfarrerin Heike Bosien besuchte unser Archiv und sichtete gemeinsam mit Frau Häberer verschiedene Akten aus dem Pfarrarchiv. Tatsächlich wurden die Dokumente bereits 1823 und dann 1977 transkribiert und im letztgenannten Jahr sogar im Gemeindebrief veröffentlicht. Auch die Umstände der Anfertigung der Turmkugel konnten durch die Korrespondenz geklärt werden. Inzwischen befindet sich die restaurierte Turmkugel wieder an ihrem Platz auf der Kirchturmspitze.
Die Turmkugel enthielt eine Kapsel mit Dokumenten aus den Jahren 1698, 1715, 1752, 1793, 1948 und 1977. Immer wieder musste die Turmkugel aufgrund von Materialermüdung, Blitzschlag oder Kriegseinwirkungen repariert oder ausgebessert werden, wie aus den Texten hervorgeht. Die Dokumente in der Zeitkapsel enthalten spannende Informationen über Naturereignisse, historische Ereignisse und technische Entwicklungen. Bei den diesjährigen Renovierungsarbeiten wurden der Zeitkapsel weitere Dokumente beigefügt.
Heinrich Löber vor dem Archivgebäude. Foto: Andreas Butz
Seit dem 18. September bereichert Heinrich Löber als neuer Kollege unser Team. Er war zuvor 14 Jahre im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe tätig, zuletzt als stellvertretender Leiter der Abteilung Archiv, Bibliothek und Registratur. Die geplante Zusammenlegung der Landeskirchlichen Archive Stuttgart und Karlsruhe war für ihn der Anlass, sich über die beruflichen Möglichkeiten in unserem Haus zu informieren. Er wird bei uns als Sachgebietsleiter im Archiv für die Bereiche Archivbenutzung, Ausbildung, Projektmanagement und Bestandserhaltung zuständig sein.
Heinrich Löber studierte Evangelische Theologie und schloss das Studium mit dem Diplom ab. Nach seinem Studium war er zunächst am Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beschäftigt. Eine Anstellung im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg weckte in ihm das Feuer für den Beruf des Archivars. Nach weiteren Stationen in (kirchen-) historischen Projekten wurde Löber 2006 Angestellter im Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz. Im Jahr 2009 trat Löber schließlich seine Stelle beim Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe an. Während seiner Zeit im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe absolvierte er berufsbegleitend den Masterstudiengang Archivwissenschaft an der FH Potsdam.
Einige seiner neuen Kolleginnen und Kollegen in Stuttgart kannte Löber bereits aus früheren beruflichen Kontakten und hatte sie in guter Erinnerung. Er freut sich auf die Arbeit im Team und auf die neuen Herausforderungen. Heinrich Löber sieht das Archiv in der Verantwortung, die Überlieferung der Landeskirche zu sichern und die Nutzung der historischen Quellen zu gewährleisten. “Das ist der Auftrag, durch den unsere Aufgaben bestimmt werden. Wir sind aber aufgefordert, die Arbeitsabläufe zu optimieren, die Prozesse zu beschleunigen und die Digitalisierung voranzutreiben. Durch die angedachte Zusammenlegung des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart mit dem Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe (Landeskirchliches Archiv Baden und Württemberg) wird zudem die Effizienz unserer Arbeit gesteigert werden.” Damit wären wir, die wir uns um die Übernahme der alten Überlieferung kümmern, schon die ersten, die das Neue leben, so Heinrich Löber.
Wir begrüßen Noah-Joshua Veit, der sich bei uns nun für ein Jahr im Rahmen eines FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) Denkmalpflege engagieren wird.
Sein geschichtliches Interesse, und der Wunsch sich nach dem Abitur beruflich zu orientieren, führten zu seinem Entschluss, ein FSJ in unserem Archiv zu machen. Er erschließt während seiner Zeit bei uns Bestände, begleitet uns auf Außentermine, hilft der Musealen Sammlung, der Öffentlichkeitsarbeit, und vieles andere mehr. Außerdem nimmt er an Seminaren der Jugendbauhütte Baden-Württemberg teil, die das FSJ Denkmalpflege in Baden-Württemberg organisiert. Wir freuen uns über die Unterstützung unseres Teams! Er wird auf unserem Blog auch regelmäßig über seine Arbeit bei uns berichten.
Das FSJ Denkmalpflege richtet sich an junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jahren. Wir sind eine der Einsatzstellen. Mehr Infos gibt es hier:
Seit Beginn meines Freiwilligen Sozialen Jahres habe ich mich im Archiv der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hauptsächlich in den Bereichen der Musealen Sammlung und der klassischen Aktenarbeit beweisen müssen. Vor allem im ersten halben Jahr habe ich einen Großteil meiner Zeit beim Inventarisieren von Bildern, Gegenständen und Möbeln in der Musealen Sammlung verbracht, sowie dem Vorbereiten von Ausstellungen und dem Durchführen einer Einholung von Missionsgut für die Sammlung. Es gab Massen von noch noch nicht inventarisierten Gegenständen, die einem ihre Geschichte erzählen wollen oder deren Geschichte gefunden werden will.
Ebenfalls haben mir die klassisch archivarischen Tätigkeiten sehr viel Spaß gemacht, beispielsweise das Digitalisieren und das Durchführen von Einholungen von Pfarrarchiven und Diakonieakten, das Bearbeiten von Aktenbeständen und die Arbeiten im Magazin. Er war schön, dass ich Sütterlin-Schrift lernen und gleich anwenden konnte. Fraktur-Schrift konnte ich bereits lesen. Über das Jahr habe ich an insgesamt fünf Einholungen teilgenommen, bin an der Verzeichnung meines zweiten Aktenbestandes und habe unsere Disketten vollständig und die Daten-CDs und Audio-Kassetten zu Teilen digitalisiert.
Für mich war es ein sehr gutes und richtungsweisendes Jahr und ich plane nach einem abgeschlossenen Studium zum gehobenen Archivdienst in das Landeskirchliche Archiv zurückzukehren.
Für das Dekanatsarchiv Ludwigsburg lag bereits seit 1962 ein Inventar vor, und der Bestand wurde seit den 1990er Jahren im Landeskirchlichen Archiv aufbewahrt. Allerdings gelangten Anfang der 2000er Jahre weitere Bestandteile des Dekanatsarchivs in das Landeskirchliche Archiv. Außerdem waren in dem älteren Archivinventar nicht alle Akten des Bestands berücksichtigt, so dass es notwendig war, die Erschließung zu ergänzen.
Das Dekanat Ludwigsburg gehört nicht zu den älteren Dekanaten der württembergischen Landeskirche. Schließlich wurde die barocke Residenzstadt erst im Jahr 1714 gegründet. Die neue Stadt wurde 1720 Sitz eines Oberamts und eines Dekanats. Dazu wurde das frühere Dekanat Markgröningen aufgelöst. Zusätzlich wurden noch Kirchengemeinden der Nachbarbezirke Cannstatt, Marbach und Waiblingen eingegliedert.
Die Dekanatsarchive beinhalten jeweils die Überlieferung des Stadtpfarramts. Da der Stadtpfarrer in Personalunion auch der Dekan des Kirchenbezirks ist, laufen bei ihm die Fäden zusammen. Auf dem Dekanatamt werden pfarramtliche Akten und dekanatsamtliche Akten gebildet. Ein wichtiger Bestandteil der dekanatsamtlichen Akten sind die Ortsakten zu den einzelnen Kirchengemeinden. Bei Ludwigsburg sind dies folgende Gemeinden: Aldingen, Asperg, Beihingen, Benningen, Bissingen (Enz), Eglosheim, Geisingen, Heutingsheim, Hochberg, Hochdorf, Hoheneck, Kornwestheim, Ludwigsburg, Markgröningen, Neckargröningen, Neckarrems, Neckarweihingen, Ossweil, Pflugfelden, Poppenweiler, Schwieberdingen und Tamm.
Derzeit entsteht an der Rückseite unseres Gebäudes ein Erweiterungsbau. Aus diesem Grund befindet sich dort, wo bis Februar noch unser Parkplatz und unsere Anlieferung war eine große Baustelle. Zwar versuchen wir die Einholung von neuen Beständen stark einzuschränken, da eine normale Anlieferung nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig gehen unsere Erschließungs- und Verzeichnungsarbeiten aber weiter. Aus diesem Grund haben wir nach wie vor den üblichen Verbrauch an Archivschatullen für das Verpacken der Archivalien. Von dem her mussten wir wieder Nachschub an diesen Materialien bestellen, in diesem Fall 17 Paletten mit Archivschatullen. Wie bekommt man jedoch 17 Paletten mit Schatullen in ein Archiv unter Wegfall des normalen Anlieferungsbereiches? Glücklicherweise war das Bauunternehmen so freundlich, uns zu helfen. Die Paletten wurden mit Hilfe des Baukrans über die Baustelle hinweg direkt zu dem Anlieferungstor geführt. Das war für uns allerdings ein sehr ungewöhnliches Ereignis. Die Paletten wurden vor unserem Tor ebenerdig auf eine Platte gestellt und dann mit einen Hubwagen in den Anlieferungsbereich hineingezogen.
Am 15. Mai 2023 wurde im Landratsamt des Enzkreises in Pforzheim die Ausstellung “Sterben und Leben. Der Dreißigjährige Krieg zwischen Oberrhein, Schwarzwald und Kraichgau” vor vollem Haus eröffnet. Die Schau ist bis zum 13. Juli zu sehen. Doch nicht nur das: es gibt auch eine wissenschaftliche Tagung zum Thema und das Portal Dreißigjähriger Krieg mit hunderten von archivischen Quellen und Kirchenbucheinträgen, Diagrammen, Aufsätzen, Videos, Karten und Tabellen wurde online gestellt. Das Landeskirchliche Archiv hat als Leihgeber zur Ausstellung ein Kirchenbuch von Gräfenhausen beigesteuert, das in einer Vitrine gezeigt wird. Die aufgeschlagene Doppelseite nennt 40 Angehörige der Pfarrei (darunter 13 Kinder), die teilweise durch soldatische Gewalt und kriegsbedingte Seuchen umkamen. Die Einträge sind überschrieben mit:
Ausschnitt aus einer Informationstafel
“Mittwochs, den 27. Septembris, ist Stadt, Schloss und Ampt Newenbürg von dem kaiserlichen Kriegsvolck eingenommen, die Leutt in die Wildnussen und Wäld verjagt, auch folgende Personen umbkommen und begraben worden:”.
Kirchenbücher waren insgesamt eine wichtige Quelle für dieses Projekt des Enzkreis-Archives. Wir wissen zwar viel über Schlachtverläufe und wichtige Kriegsprotagonisten, aber Berichte, die genau Auskunft über das Leiden der Menschen und ihre Bewältigungsstrategien geben sind selten. Das Team des Kreisarchivs unter der Leitung von Kreisarchivar Konstantin Huber hat die Kirchenbücher von 39 Pfarreien im Großraum Pforzheim für die Ausstellung und das Geschichtsportal umfassend in Hinsicht auf Informationen über den Dreißigjährigen Krieg hin untersucht. Auf diese Weise ließen sich fast 1.400 Einträge erfassen, die in irgendeiner Weise mit dem Thema Krieg zu tun haben. Dank des Kirchenbuchportals Archion war und ist ein guter Zugang zur Erforschung der Quellen gegeben. Zum Beispiel im Kirchenbuch von Ensingen fand sich eine Chronik der Ereignisse, in anderen Kirchenbüchern Hochzeiten von Soldaten mit Einheimischen, Todesfälle durch kriegerische Handlungen, Hunger oder eingeschleppte Seuchen, und vielerlei andere Informationen. Auch für Erkenntnisse zur Neubesiedlung der am Ende des Krieges teilweise entvölkerten Dörfer stellen die Kirchenbücher die wichtigste Quelle dar.
Am Freitag den 28. April wurde unser neuer Referats- und Archivleiter Claudius Kienzle mit einem Gottesdienst in der Hospitalkirche in Stuttgart-Mitte feierlich in sein Amt eingeführt. Zu dem würdigen und eindrucksvollen Akt erschienen zahlreiche Gäste aus dem Verwandten- und Freundeskreis von Dr. Kienzle, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Referats 5.4 des Oberkirchenrats Stuttgart (Archiv, Bibliothek, Wissensmanagement), Kolleginnen und Kollegen des Oberkirchenrats und anderer Archive, sowie weitere geladene Gäste. Zum Einzug wurde die Prélude aus Judicium Salomonis (Orgel/Bläser) gespielt. Nach Votum und eine Begrüßung, Schriftlesung, einer Ansprache des Direktors des Oberkirchenrats Stefan Werner, stellte sich Dr. Kienzle mit persönlichen Worten vor und nahm Bezug auf seinen Werdegang. Nach der feierlichen Amtsverpflichtung wurde ein Segenswort gesprochen, sowie Fürbitten von Wegbegleitern und Wegbegleiterinnen ausgesprochen. Grußworte sprachen Direktor Stefan Werner, Dr. Dörte Bester, Direktorin der Karlshöhe, Mareike Ritter, Leiterin des Landeskirchlichen Archivs Karlsruhe, Prof. Dr. Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg und Dr. Henning Pahl, Leiter des Evangelischen Zentralarchivs in Berlin. Nach dem Auszug aus dem altehrwürdigen und schönen Gotteshaus folgte noch ein Stehempfang im Hospitalhof mit vielen guten Gesprächen.
Andrea Kittel übergibt ein Objekt der Musealen Sammlung an ihre Nachfolgerin Tamara Scheck
Zum 1. Mai verabschieden wir unsere Kollegin Andrea Kittel in den Ruhestand. Seit 2006 hat sie bei uns im Archiv die Museale Sammlung geleitet. In gut aufbereitetem Zustand übergibt sie diese nun an ihre Nachfolgerin Tamara Scheck.
Neben der Musealen Sammlung war die studierte Kulturwissenschaftlerin auch für Ausstellungen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die Erfahrung mit großen Ausstellungsprojekten hat sie aus dem Landeskirchlichen Museum in Ludwigsburg mitgebracht, wo sie zuvor 15 Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin war. Die dort entstandenen Ausstellungen, die unter verschiedenen Aspekten das Leben und Glauben in Württemberg beleuchteten, sind vielen Besucherinnen und Besuchern noch in guter Erinnerung: „Zwischen Kanzel und Kehrwoche“, „Mit Gott für Volk und Vaterland“, „Tier und Mensch“, Barock und Pietismus“ und ganz besonders die Doppelausstellung „Herd und Himmel / Weib und Seele“, die sich erstmals mit Frauen im evangelischen Württemberg befasste.
Auch nach ihrem Wechsel ins Archiv kuratierte Andrea Kittel größere landeskirchliche Ausstellungen, etwa zur Einführung der Reformation in Württemberg, zur Geschichte der Diakonie, zum Kulturkontakt in der Mission und zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017.
Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit war sie am Aufbau unseres Internetportals „Württembergische Kirchengeschichte Online“ (wkgo) beteiligt und engagierte sich bis zum Schluss im Bereich Social-Media.
Andrea Kittel resümiert: „Bei meiner Arbeit hatte ich die Gelegenheit zu entdecken, was Objekte und Bilder erzählen können. Geschichte anschaulich zu vermitteln und einem größeren Publikum näher zu bringen, ist immens wichtig. Diese Aufgabe hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Ich bin froh, dass Tamara Scheck den Arbeitsbereich übernimmt und mit frischem Blick und neuen Ideen das Geschaffene weiter entwickeln wird.“
Sowohl Andrea Kittels fachliche Kompetenz als auch ihre kollegiale Arbeitsweise haben uns immer wieder beeindruckt. Deshalb bedauern wir sehr, dass sie sich nun in den Ruhestand verabschiedet. Für ihre wertvolle Arbeit im Landeskirchlichen Archiv möchten wir uns herzlich bei ihr bedanken. Wir wünschen Frau Kittel alles Gute für die Zukunft und hoffen, dass sie uns in guter Erinnerung behält.
Am Freitag, den 3. Februar fand hinter unserem Archivbau in der Balingerstr. 33/1 in Stuttgart-Möhringen der Spatenstich zu einem Bauprojekt statt, welches uns nun mehr als ein Jahr begleiten wird. Die Parkplätze sind für diesen Zeitraum erst einmal weggefallen, aber bald schon wird das Archiv von dieser Maßnahme profitieren können. Durchgeführt wurde der Spatenstich von Stefan Werner (Direktor im Evangelischen Oberkirchenrat), Dr. Claudius Kienzle (Referatsleiter und Leiter des Landeskirchlichen Archivs), Michael Bing (Leiter Registratur und Dokumentenmanagement) und Bertram Sehl (Leiter Zentrales Gebäudemanagement). Ein Abschluss mit den Kollegen und Kolleginnen, den Architekten, Planern, Vertretern der Kommunalpolitik und weiteren geladenen Gästen rundete das Ereignis ab und gab Gelegenheit zum Austausch und zur Information.
Mittlerweile sind schon die schweren Maschinen am Arbeiten. Es wird einen Anbau an das bisherige Bestandsgebäude geben. Insgesamt wird die Grundfläche von 5.000 qm auf 6.300 qm, sowie die Geschossflächen von 8.500 qm auf 13.600 qm erweitert.
In diesem Anbau werden künftig unterkommen:
Archivflächen
das Planarchiv
das Fotoarchiv
das Digitalisierungszentrum
Besprechungsbereiche/ -räume
Büros und Kommunikationszone
die Anlieferung
und der Technikbereich.
Insgesamt wird es im Anbau 15.000 laufenden Metern Regalflächen geben. Das entspricht etwa der Strecke vom Stuttgarter Rotebühlplatz bis zur Balinger Straße 33 in Möhringen und dann noch weiter bis zum Campus der Uni Stuttgart in Stuttgart-Vaihingen.
Wie im Neubau des Oberkirchenrats Stuttgart an der Gänsheide, sieht auch das Energiekonzept vom Anbau des Archiv vor, dass es ohne fossile Brennstoffe auskommt. Es wird eine Luft-Wasser-Wärmepumpe geben, sowie ein Trafo und Photovoltaik-Anlage.
Die Photovoltaikanlage wird den gesamten Eigenverbrauch selbst erzeugen.
Der Bezug soll 2024 stattfinden.
Aktuell ist eine Bauzeit von 15 Monaten angesetzt.
Er ist im Landeskirchlichen Archiv keineswegs ein Unbekannter. Bereits 1998 machte er als Geschichtsstudent ein Praktikum im Hause, um das potentielle Berufsfeld Archivar kennenzulernen. Wie er heute sagt, war diese Erfahrung tatsächlich so positiv für ihn, dass er dieses Berufsziel wählte. In den folgenden Jahren arbeitete er immer wieder als Werkstudent bei Erschließungsprojekten für das Landeskirchliche Archiv.
Wie man anhand dieser biografischen Skizzen vielleicht erahnen kann, ist er mit seiner Ernennung zum Leiter des Landeskirchlichen Archivs bei seinem Traumberuf angekommen. Dabei warten auf ihn einige Herausforderungen als Referatsleiter. Die elektronische Aktenführung soll mit ihren Möglichkeiten ausgeweitet und in Einklang mit der Verwaltungsreform gebracht werden. Neben den digitalen Unterlagen müssen aber auch die analogen Bestände, die weiterhin wachsen, gut gesichert werden. Für sie ist ein Erweiterungsbau des Archivs geplant. Der Baubeginn ist im Jahr 2023. Außerdem ist die Gratwanderung zu meistern, auf die erwartbaren Strukturveränderungen der Landeskirche einzugehen, und dennoch die Vermittlung des kulturellen Erbes zukunftsfähig aufzustellen. Seine Aufgabe als Referatsleiter sieht er als stark koordinierend. Er möchte mit den Mitarbeitern als Team arbeiten.
Aufgewachsen in einem Pfarrhaus, hat Dr. Kienzle in Tübingen und in Heidelberg Neuere Geschichte, Politikwissenschaft und Religionswissenschaft studiert. Somit hat er einen biografischen und wissenschaftlichen Zugang zu den kirchlichen Quellen. Konsequenterweise beschäftigte er sich für seine geschichtswissenschaftliche Promotion mit einem kirchengeschichtlichen Thema, nämlich “Mentalitätsprägung im gesellschaftlichen Wandel. Evangelische Pfarrer in einer württembergischen Wachstumsregion der frühen Bundesrepublik“. Während der Promotion hatte er ein Forschungsstipendium des Instituts für europäische Geschichte (Mainz). Nach der Promotion im Jahr 2008 arbeitete er zunächst im Landeskirchlichen Archiv und nahm parallel dazu an der Fernweiterbildung Archivwesen an der FH Potsdam teil. Von 2009 bis 2011 erfolgte eine archivfachliche Ausbildung im Rahmen eines Referendariats zum Höheren Archivdienst des Landes Hessen. An der Marburger Archivhochschule übernahm er dann für zwei Jahre die Leitung der Koordinierungsstelle für die Retrokonversion von analogen archivischen Findmitteln.
Mit der Rückkehr nach Stuttgart war er beim Landesarchiv Baden-Württemberg tätig. 2014 wurde er Leiter der Abteilung Dokumentenmanagement (Registratur) des Oberkirchenrats Stuttgart. Dort beschäftigten ihn unter anderem die Einführung der elektronischen Akte sowie der Aufbau eines neuen Servicebereiches für die Schriftgutverwaltung. Somit verfügt er nicht nur über eine starke Verbindung zum Archiv, sondern auch zur Abteilung Dokumentenmanagement im Oberkirchenrat.
Zuletzt dürfen wir noch darauf hinweisen, dass man ihn im Archiv nicht nur als Kollegen und studentischen Mitarbeiter kennt, sondern auch als Archivnutzer in unserem Lesesaal, da er für seine Dissertation Anfang der 2000er Jahre ausgiebig Akten aus unseren Beständen auswertete. Gerade die Quelle der Pfarrberichte und die Visitationsberichte waren für seine Arbeit sehr ergiebig. Besonders spannend findet er aber auch die Bestände der kirchlichen Einrichtungen und die Diakoniearchive, da sich in diesen kirchliches Handeln außerhalb der Parochialverhältnisse widerspiegelt. Und noch in einer anderen Hinsicht waren die Erfahrungen, die er im Landeskirchlichen Archiv machen konnte, für ihn wegweisend: Er hat im Archiv seine Frau kennengelernt.
Wer sich wissenschaftlich mit Kirchengeschichte auseinandersetzt, kommt nicht umhin, mit Primärquellen zu arbeiten. Umso naheliegender ist es, im Rahmen eines Proseminars zur Neueren Kirchengeschichte die größte kirchliche Archivsammlung in Baden-Württemberg zu besuchen. Daher besichtigten wir, der Proseminarkurs der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, mit unserem Dozenten Herrn Gerber am 23. Mai 2022 das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart-Möhringen. Unser Ziel war es, zu erfahren, wie wir in unserem weiteren theologischen Studium an Originalquellen für Haus- und Abschlussarbeiten kommen können und welche Quellen zu unserem Seminarthema „Deutsche Einflüsse auf Palästina im 19. Jahrhundert“ im Stuttgarter Archiv zu finden sind.
In Möhringen angekommen, gab uns Herr Bing zunächst einen Einblick in die Tätigkeiten und Aufgaben des Landeskirchlichen Archives und welche Möglichkeiten der Recherche wir Studierende nutzen können. Er verdeutlichte uns, welche besondere Rolle die Kirchen für die Überlieferung von Stammbäumen durch Tauf- und Totenregister spielen und nach welchen verschiedenen Kategorien sie im Keller des Archivs schlummern. Herr Bing berichtete auch von aktuellen Entwicklungen für die Arbeit in Archiven. Beispielsweise, wie das Landeskirchliche Archiv andere Archive im ukrainischen Kriegsgebiet unterstützt oder welche neuen Herausforderungen auf die Archivarbeit in den kommenden Jahren durch die zunehmende Digitalisierung zukommen werden.
Besonders eindrucksvoll für uns war die anschließende Führung durch die kühlen Kellerräumlichkeiten des Archivs. Die vollgepackten Rollregale mit all den historischen Dokumenten und Büchern gaben uns Einblicke in den Alltag längst vergangener Zeit. Per Zufall schauten wir in verschiedene, teilweise mehrere Jahrhunderte alte Kirchenbücher. Wir bekamen beispielsweise einen Einblick in die Haushaltskasse einer Pfarrfamilie im 18. Jahrhundert, in eine Erntedankzeremonie einer kleinen schwäbischen Kirchengemeinde oder einen Strafprozess gegen zwei Geistliche. Auch konnten wir in einem Tübinger Studentenregister die Beurteilung über Friedrich Hölderlin als Student auf lateinisch entziffern.
Besonders spannend war es die Originaldokumente zu sehen, mit denen wir uns bereits in unserem Proseminar beschäftigt haben oder noch beschäftigen werden. So hatten wir die Möglichkeit, einen Blick auf die Originalfotos und Dokumente des Syrischen Waisenhauses und der Schneller Familie zu werfen.
Auch in der musealen Sammlung des Archivs durften wir uns umschauen und die vielen verschiedene Ausstellungsstücke begutachten. Zum Schluss bekamen wir noch eine Einführung in die für uns doch recht antiquierte Technik des Auslesens eines Mikrofilmes.
Die Führung durch das Landeskirchliche Archiv hat uns Studierenden einen sehr spannenden Einblick gegeben und die Hemmschwelle deutlich gesenkt, während unseres Studiums auf die Arbeit und Unterstützung des Landeskirchlichen Archives zurückzugreifen. Das Potenzial, welches in den Primärquellen im Archiv in Stuttgart schlummert, hat uns jedenfalls sehr begeistert und uns einen neuen Blick auf das Thema „Kirchengeschichte“ eröffnet.
Nach umfangreichen Vorarbeiten und den ein oder anderen zu überwindenden technischen Problemen, verbessert das Landeskirchliche Archiv Stuttgart sein Online-Angebot mit einem großen Schritt: ab sofort sind auf der Webseite suche.archiv.elk-wue.de Informationen zum größten Teil der im Archiv archivierten Bestände für die Öffentlichkeit zugänglich. Dabei reicht das Spektrum von wenigen Informationen – Bestandsname, Bestandssignatur, Laufzeit – bei noch unerschlossenen Beständen, über eingescannten Fragebögen zu pfarramtlichen Registraturen aus den 1940er und 1950er Jahren, eingescannten Findbüchern aus den 1960er bis 1980er Jahren, bis hin zur vollständigen Erschließungsinformationen zu den einzelnen Verzeichnungseinheiten eines Bestandes.
Als Krönung bietet das Archiv zudem bei vielen Beständen Digitalisate von Bänden, Büscheln oder Fotos, die bequem orts- und zeitunabhängig online benutzt werden können. Aktuell stehen 869.146 Digitalisate mit einem Umfang von 7.250 GB von 3.350 Verzeichnungseinheiten aus 113 Beständen online zur Verfügung.
Der Zugriff auf die Informationen und Digitalisate kann auf zwei Wegen geschehen. Zum über die Tektonik (das „Inhaltsverzeichnis“ des Archivs), zum anderen über die Suchfunktion.
Folgende Bestände sind vollständig digitalisiert:
Visitationsberichte 1581 bis 1822 (A 1)
Sitzungsprotokolle des Konsistoriums 1556 bis 1922 (A 3)
Nachlass Theophil Wurm 1883 bis 1986 (D 1)
Evangelische Bekenntnisgemeinschaft in Württemberg / Theodor Dipper 1930 bis 1969 (D 31)
Nachlass Heinrich Fausel 1923 bis 1966 (D 33)
Nachlass Werner Oloff 1945 bis 1968 (D 113)
Folgende Bestände sind teilweise, dies aber umfangreich, digitalisiert:
aus A 13: Zeugnisbücher 1614 bis 1897
aus A 29: Pfarrbeschreibungen und Pfarrberichte 19. Jahrhundert bis ca. 1923
Außerdem hat das Landeskirchliche Archiv damit begonnen, die Kirchenkonventsprotokolle ausgewählter Dekanat- und Pfarrämter zu digitalisieren. Von folgenden Dekanat- und Pfarrämtern stehen die überlieferten Kirchenkonventsprotokolle bereits vollständig digital zur Verfügung:
Digitalisate weiterer Kirchenkonventsprotokolle und anderer Archivalien werden nach und nach folgen. Einen Beitrag zu den Kirchenkonventsprotokollen als historischer Quelle von unserem Mitarbeiter Dr. Bertram Fink finden Sie hier auf unserer Homepage.
Gottlieb Wilhelm Hoffmann (1771-1846). LKAS, Bildersammlung
Am 19. Dezember 1771 wurde Gottlieb Wilhelm Hoffmann in Ostelsheim bei Calw geboren. Er gehört zu den bedeutenden Pietisten Württembergs. Wilhelm Hoffmann, der Berliner Hofprediger und Begründer des Jerusalemsvereins, und Christoph Hoffmann, der Begründer der Tempelgesellschaft, welche Siedlungen in Palästina gründete, waren Söhne.
Laut Eintrag im Ostelsheimer Taufregister wurde er einen Tag nach seiner Geburt getauft (“ren.” = lat. renatus = deutsch: wiedergeboren = getauft). Eine spätere Hand hat unter seinem Namen noch eine Notiz zu seinem Tod hinzugefügt: “als kön[iglicher] Notar und Gemeindevorsteher zu Kornthal am 30. Januar 1846. alt 74 Jahr 1 Monat u. 11. Tage.” Als Eltern werden der hiesige Pfarrer Christian Ludwig Hoffmann und seine aus Malmsheim stammende Frau Katharina Blandina Ludwig vermerkt. Der Schreiber des Eintrags dürfte der Vater selber gewesen sein, da ihm als Pfarrer des Kirchspiels die Führung des Kirchenregisters oblag.
Seine historische Leistung war die Gründung der pietistischen Siedlungen Korntal und Wilhelmsdorf. Um den Gegensatz zwischen landesherrlichem Kirchenregiment und den pietistischen Strömungen im Land abzumildern, wurde 1819 von staatlicher Seite die Erlaubnis zur Begründung von Korntal erteilt. Damit wollte man auch verhindern, dass weitere Pietisten, wie etwa 1816 sich für eine Auswanderung aus Württemberg entschließen würden. Hoffmann sammelte für diese Begründung Gelder und setzte auch sein eigenes Vermögen ein. Die Gemeinde Korntal trennte sich nicht von der Landeskirche, erhielt jedoch einige Privilegien wie etwa die eigenständige Wahl von Pfarrer und Gemeindevorsteher. 1825 wurde noch die Siedlung Wilhelmsdorf in Oberschwaben gegründet.
Der Taufeintrag kann auf Archion hier eingesehen werden.
Den ersten Gedanken, den viele mit einem Archiv verbinden, ist sicherlich „ein paar Akten und ziemlich viel Staub und ziemlich langweilig“. Nach einem Jahr FSJ im Landeskirchlichen Archiv kann ich definitiv sagen, ja Akten gibt es und definitiv auch eine Menge Staub, aber bestimmt nicht so viel wie immer alle denken. Langweilig war es mir hingegen in den letzten zwölf Monaten nicht. Während diesem Zeitraum durfte ich sämtliche Bereiche, die das Archiv zu bieten hat, kennenlernen. Von dem Besuch eines Pfarrarchivs, über die Erschließung eines Bestandes (das sind die Berge an Akten, an die immer alle denken) bis hin zur Beantwortung von Benutzeranfragen war alles dabei.
Pfarrarchive, Bildmaterial, Heimakten, Exponate der Musealen Sammlung, Scanner und Benutzeranfragen geben einen übergreifenden Einblick darin, was ich die letzten zwölf Monate über erarbeitet und entdeckt habe. Nach einigen kleineren Einstiegsaufgaben, wie eine Schulung in der Paläografie und den Verzeichnisprogrammen, ging es auch direkt zu meinem ersten größeren Projekt. Dem Erschließen eines Pfarrarchivs, das zu meiner Freude auch in der Nähe meines Heimatortes lag und ich somit das ein oder andere Mal schmunzeln konnte, wenn ein bekannter Ort oder Firmen erwähnt wurden, die es auch heute noch gibt.
Der nächste Projektpunkt hat mich wohl auch die meiste Zeit während meines FSJs begleitet, die Digitalisierung. Seien es Tonbandaufnahmen, die Digitalisierung mit einem hochmodernen Archivscanner oder doch noch ganz altmodisch mit einem normalen Scanner. Dabei habe ich mit Exponaten aus der Grafiksammlung der Musealen Sammlung, Aktenbeständen oder auch schwarz-weiß Fotos und Farbfotos gearbeitet. Sei es für die digitale Langzeitarchivierung, einer Ausstellung oder für Benutzeranfragen, alles war dabei. Auch im Bereich der Bildarchivierung hatte ich einige Projekte. Vom Erschließen, Bewerten und Auskassieren und anschließenden verpacken des Bildmaterials habe ich alles gemacht. Die hauptsächlichen Themenbereiche dabei waren Einrichtungen der Diakonischen Werke, wie beispielsweise Kinderheime oder Einrichtungen des Samariterstifts. Dass es dabei nicht nur um Farbfotos geht, war ziemlich schnell klar. So habe ich im Verlauf der unterschiedlichen Projekte diverse Bildmaterialien kennengelernt. Die Häufigsten dabei waren sicherlich Dias und schwarz-weiß Fotos, aber auch, Negative, Glasplatten oder natürlich Farbfotos. Dabei habe ich vor allem eines gelernt, bei der Arbeit mit Bildmaterial IMMER Handschuhe tragen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist auch die fachgerechte Verpackung und Lagerung des Materials, das gilt sowohl für Bildmaterial als auch für sämtliche andere Archivalien.
Das letzte größere Projekt während meines FSJs war, die Erschließung von Heimakten aus einem Kinderheim der Diakonischen Werke.
Zudem habe ich während der gesamten Zeit auch einige überraschendere Funde getätigt, von Autoschlüsseln, Ausweisdokumenten, die Kartonagen mit der Aufschrift „nonfat dry milk / donated by the United States of America / to be sold or exchanged / store in cool, dry place“, einer 1 $ Münze oder ein Mittel gegen Herzinsuffizienz.
Und wer jetzt denkt, dass Archivarbeit nicht körperlich anstrengend sein kann, der war noch nie dabei, im Magazin Pfarrarchive zu bewerten, auskassieren und zu verpacken. Denn wer einmal den ganzen Tag Amtskalender, Kirchenbücher und sonstige Akten (Achtung hier ist der staubige Teil, an den immer alle denken) durch das Magazin getragen hat und diese verpackt und wieder zurückgestellt hat, kann sicherlich alle vom Gegenteil überzeugen.
Somit kann ich nach fast zwölf Monaten sagen, dass ich die passende Mischung aus „Schreibtischarbeit“ und ausreichendem „Archivsport“ in den Magazinen hatte.
Es gibt so viel mehr in einem Archiv zu entdecken als man vielleicht auf den ersten Blick erahnen kann. Man kann durch die verschiedensten Materialien sei es Schriftgut oder Bildmaterial in längst vergangene Zeiten eintauchen und diese so einmal auf eine ganz eigene Art und Weise erleben.
Die Evangelische Akademie Bad Boll ist die älteste und größte europäische Akademie in kirchlicher Trägerschaft. Hinter ihr liegt eine lebendige Geschichte: 1945 Gründung durch Pfarrer Eberhard Müller, intensive Förderung einer demokratischen Gesprächskultur, Behandlung unterschiedlichster Themen, Vorreiterrolle in vielen Bereichen bspw. Nachhaltigkeit, prominente Gäste wie Theodor Heuss, Rudi Dutschke, Richard von Weizsäcker, Erhard Eppler, Theo Zwanziger, Alice Schwarzer, Winfried Kretschmann, Harald Welzer, Dorothee Sölle, Host Eberhard Richter und viele mehr.
Am Sonntag, 27. September, ab 15.00 findet der Festakt statt, der über Livestream übertragen wird. Näheres über den Festakt erfahren Sie über die Homepage der Akademie.
Von herausragender Bedeutung des Kirchengebäudes ist das berühmte Kinderepitaph des Herzogs Heinz von Sachsen-Lauenburg auf der Nordseite des Mittelschiffes, der 1437 im Alter von nur sechs Jahren verstarb. Es ist ein hochrechteckiges Epitaph, das auf einem Sockel aus Sandstein ruht und eine Sandsteineinfassung aufweist. Das Epitaph wird auch als das Weikersheimer “Prinzle” bezeichnet und ist als eines der ältesten aus dem Mittelalter noch erhaltenen Kinderepitaphe anzusehen. Es ist aus verschiedenen gebrannten Tonplatten zusammengesetzt und weist einen umlaufenden gekehlten Rahmen mit aufgelegtem Blattwerk auf. Im Binnenfeld ist lebensgroß und im Ganzkörperportrait die aus Blei gegossene Figur des kleinen Herzogs dargestellt. Er steht unter einem vorgewölbten Baldachin auf einem hohlen Baumstumpf. Der Knabe trägt ein knielanges Hemdchen mit langen Ärmeln in Blaugrau mit vergoldeter Ornamentik, neigt seinen Kopf leicht zur Seite und legt seine Hände zum Gebet zusammen. Vor dem Baumstumpf liegt das an den beiden Querseiten eingerollte Schriftblatt mit der aufgemalten Sterbeinschrift. Beidseitig des Kindes jeweils oben und unten und nach innen geneigt befinden sich die vier Wappenschilde von Sachsen, Leiningen, Weinsberg und Braunschweig. Alle Wappenschilde ziert ein Maßwerkwimperg mit abschließendem Kielbogen, der von Krabben besetzt ist und eine krönende Kreuzblume aufweist. Die Wimperge werden von Fialen begleitet, die jedoch bei den unteren Wimpergen nicht alle erhalten geblieben sind.
Heinz war der Sohn Herzogs Erich V von Sachsen-Lauenburg aus dem Geschlecht der Askanier und seiner Frau Elisabeth von Weinsberg. Sein Vater verstarb Ende 1435, so dass er als Kind Herzog wurde, allerdings nur für ein Jahr, da er mit sechs Jahren seinem Vater in den Tod folgte. Sein Onkel wurde dann zum neuen Herzog. Sein Großvater mütterlicherseits war der Stifter der Weikersheimer Kirche.
Bald wird ein neuer Kirchenführer zur Stadtkirche St. Georg in Weikersheim erscheinen, verfasst von Anette Pelizaeus, Inventarisatorin im Landeskirchlichen Archiv, und Günter Breitenbacher. Die Neubearbeitung des schon bestehenden Kirchenführers ergab sich aus der Inventarisation des Kirchenbezirks Weikersheim im vergangenen Jahr. Der Kirchenführer liefert neue Erkenntnisse sowohl zu ihrer Baugeschichte als auch ihrer Ausstattungsstücke. Alle zur Baugeschichte des Sakralbaues heranzuziehenden Quellen wurden gesichtet, in die heutige Schriftsprache umgesetzt und ausgewertet, wodurch die vielschichtige Entwicklung von der einst einfachen romanischen Kirche bis zur heutigen Stadtkirche mit ihrem wohl gelungenen Stilpluralismus lebendig nachvollziehbar wird. Innenraum und Außenbau des Kirchengebäudes erschließen sich durch präzise Beschreibungen und anhand ausgewählter Betrachtungen, die alle historisch, kunsthistorisch oder kulturhistorisch interessierten Besucherinnen und Besucher in die jeweilige Stilepoche der jeweiligen Kunstobjekte eintauchen lassen. Zahlreiches Anschauungsmaterial dient als lebendige Begleitung des Fließtextes, der nicht zuletzt von der geistlichen Botschaft des Sakralgebäudes im christlichen Abendland zeugt.
Einen Überblick über die Geschichte des Diakonischen Werks Württemberg befindet sich nun auf Württembergische Kirchengeschichte Online. Das Diakonische Werk Württemberg besteht unter diesem Namen seit 1970 und ist aus den beiden Säulen „Landesverband der Inneren Mission in Württemberg“ und „Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Württemberg“ hervorgegangen. Der Landesverband der Inneren Mission wurde vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 gegründet, das Hilfswerk entstand nach dem Zweiten Weltkrieg im August 1945 als unmittelbare Folge von Krieg und Vertreibung. Beide Werke hatten es sich zur Aufgabe gemacht, aus christlicher Überzeugung für Notleidende zu sorgen. Unter dem Dach der Inneren Mission versammelten sich neben Vereinen und Verbänden wie z.B. der „Evangelische Verband für die weibliche Jugend“, verschiedene Einrichtungen, die aus der Kinderrettungshaus-Bewegung, der Krankenpflege oder Gefährdetenfürsorge kamen. Das Hilfswerk kümmerte sich um Flüchtlinge und Vertriebene, baute Kinder-, Jugend- und Altenheime, und versuchte Kriegsversehrten eine Perspektive durch arbeitstherapeutische Maßnahmen in speziell erbauten Versehrtenheimen zu ermöglichen. Da beide Werke in ähnlichen Arbeitsfeldern tätig waren, wurde 1950 die „Arbeitsgemeinschaft der diakonischen Werke in der Evangelischen Landeskirche Württemberg“ gegründet und somit die Weichen für eine spätere Fusion gestellt. Das Hilfswerk engagierte sich in einer Patenschaft mit der Thüringer Landeskirche, baute in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Siedlungswerk zahlreiche Wohnungen und Häuser für Flüchtlinge und Vertriebene. Zudem kamen für die in den 1960er Jahren angeworbenen Gastarbeiter Sprachkurse hinzu, die eine Integration in die westdeutsche Gesellschaft erleichtern sollten. Mit der Fusion zum Diakonischen Werk zum Jahresbeginn 1970 wurden die traditionsreichen Arbeitsgebiete der Gemeindekrankenpflege, Erziehungs-, und Altenhilfe weiter ausgebaut. Hinzu kamen die Bereiche der Betreuung von Zivildienstleistenden und Initiierung von Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeitende.
Im Dachverband des Diakonischen Werks Württemberg sind heute, im Jahr 2020, 1400 Einrichtungen angeschlossen. Dabei werden 270 000 Menschen in Beratungsstellen und Heimen betreut. Für die Hilfe bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die Pflege von alten und behinderten Menschen, die Betreuung von Wohnungslosen und Suchtkranken ist das Diakonische Werk Württemberg heute genauso wichtig wie damals ihre Vorgängerinstitution, die Inneren Mission, vor mehr als 100 Jahren.
Evangelisches Erziehungsheim Stammheim bei Calw (Schwarzwald), ca. 1930 Aus: Bildertasche der Graph. Kunstanstalt Kettling und Krüger. LKAS, Bildersammlung, U 909,2
Hilfswerksiedlung Kleinglattbach bei Vaihingen/ Enz. Häuser im Rohbau, 1957 Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung, Nr. 9645
Paketesammlung des Hilfswerks für die SBZ, 1953 Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung, U 943,1
Knabenheimschule Kleinglattbach, Orchesterspiel im Freien Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung, U 901,5
Die Wanderausstellung “Wer wir sind”. Blick auf eines der Ausstellungsmodule. Sommer 1948 Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung, U 954,10
Taubstummenanstalt Höchsten, Wilhelmsdorf, ca. 1940 LKAS, Bildersammlung Zieglersche Anstalten
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg schreibt in Zusammenarbeit mit dem Landesausschuss Heimatpflege Baden-Württemberg für 2020 den Landespreis für Heimatforschung Baden-Württemberg aus, der damit zum 39. Mal verliehen werden soll.
Mit dem Landespreis für Heimatforschung, der Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg verliehen wird, sollen beispielhafte wissenschaftliche Leistungen von Menschen gewürdigt werden, die sich ehrenamtlich mit einem Gebiet der Heimatforschung befassen, das außerhalb ihrer fachlichen Ausbildung und ihrer Berufsarbeit liegt. Es wird ein Hauptpreis mit 5.000.- € vergeben, zwei 2. Preise mit je 2.500.- €, ein Jugendförderpreis und ein Schülerpreis mit je 2.500.- €. Erstmalig wird in diesem Jahr ein Preis „Heimatforschung digital“ ausgelobt, der ebenfalls mit 2.500 € dotiert ist.
Was passiert in einem Archiv, wenn die Feuerwehr die Flammen gelöscht hat? Sicher erinnern Sie sich an die Bilder vom Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar oder dem Einsturz des Stadtarchivs in Köln. Schnell musste gehandelt werden, um Archivalien, Bücher, Fotos und museale Objekte zu bergen und provisorisch zu versorgen. Damit wir, die Mitarbeiter von Landeskirchlichem Archiv und Zentralbibliothek, im Ernstfall sofort handeln können, haben wir uns starke Partner gesucht: und uns dem Notfallverbund Stuttgart angeschlossen. Einen ersten Eindruck, wie eine solche Bergung laufen sollte, haben wir bei der Feuerwehrübung in der Staatsgalerie Stuttgart miterlebt. In den nächsten Wochen werden wir für unser Haus einen Notfallplan erstellen, in dem z.B. geregelt wird, welche Medien zuerst geborgen werden sollten, welche Materialien man dazu braucht oder in welchem Kühlhaus die beschädigten Objekten bis zur Restaurierung gelagert werden können. Auch eine Notfallkiste wird bestückt und ein Materiallager angelegt werden. Schließlich werden alle Mitarbeiter geschult.
Auch wenn wir hoffen, dass es nie zu so einem Notfall kommt, ist es doch besser vorbereitet zu sein!
Notfrallübung in der Staatsgalerie. Foto: Katrin von Lerber
Notfallübung in der Staatsgalerie. Foto: Katrin von Lerber
Die Sichtung des neu ins Landeskirchliche Archiv Stuttgart eingeholten Pfarramts Lichtenwald (Hegenlohe und Thomashardt) brachte unter anderem verschiedene Unterlagen und Materialien aus der Zeit des ersten Weltkrieges zu Tage. Genuin dem Bereich der Seelsorge und Fürsorge für die Gemeindeglieder zuzuordnen sind verschiedene fortlaufend geführte Auflistungen von zum Kriegsdienst eingezogenen Männern der Gemeinde, mit den jeweiligen Feldpostadressen und ähnlichen Informationen. Zu den Gefallenen wurden besondere Erkundigungen eingeholt, die sich in manchmal eine ganze Seite füllenden, handschriftlich angefertigten Lebensläufen niedergeschlagen haben. Dazu wurden verschiedene Hefte angelegt. Dass das Pfarramt aber darüber hinaus als Schnittstelle zwischen staatlichen, nichtstaatlichen und semistaatlichen Organisationen und der lokalen Bevölkerung als Zielgruppe fungierte beweisen allerdings die zahlreichen Aufrufe, Bekanntmachungen, Handzettel, Formulare und ähnliche Unterlagen, die den größten Teil der Überlieferung ausmachen. Eigentlich fremder Provenienz schien ihre Aufbewahrung ebenfalls sinnvoll, da sie einen Querschnitt über solcherart spezifische Druckwerke von 1915 bis 1918 liefert. Es handelt sich dabei um die zahlreiche Bitten zur Zeichnung der verschiedenen Kriegsanleihen, zur Goldablieferung, zur Windelwoche, zu Spenden für die verschiedensten Soldatenhilfsstellen. Die wirtschaftliche Situation wird deutlich an den vielerlei Druckwerken und Plakaten, die Anweisungen geben, um dem Mangel entgegenzuwirken, wie etwa Anleitungen zum eigenständigen Gemüseanbau oder zum Sparen von Seife. Offenbar sah man hier nicht nur das Rathaus sondern auch das Pfarrhaus als wichtigen Partner, die Menschen vor Ort zu erreichen.
Sammlungen zur Windelwoche. Landeskirchliuches Archiv, Pfarrarchiv Lichtenwald
Aufruf, Eicheln und Kastanien zu sammeln. Landeskirchliches Archiv, Pfarrarrchiv Lichtenwald
Aufrufe zur Goldablieferung. Landeskirchliches Archiv, Pfarrarchiv Lichtenwald
In unserer Handbibliothek haben wir durch Zufall eine kleine Informationsbroschüre für das Archiv- und Bibliothekswesen aus dem Jahr 1974, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für das Archiv- und Bibliothekswesen der evang. Kirche. Dies soll keineswegs heißen, dass diese Broschüre alt und verstaubt ist; sie ist immer noch aktuell und sehr informativ für die Archivarbeit.
Folgende Darstellung bietet einen umfassenden Blick auf die Funktion und den Wert eines Archivs.
Wer den Begriff „Archiv” von Spinnweben und vom Hauch des Moders befreit, der kommt schnell zu dem Resultat: ein Archiv ist keine Rumpelkammer, es ist vielmehr eine Schatzkammer, eine Fundgrube, ein Arsenal wertvollen Schriftguts, wichtiger Urkunden und Dokumente, die nur ein einziges Mal vorhanden und daher unersetzlich sind.
Vergangenheit hat Zukunft – „ein Archiv ist auch ein Informationsspeicher für Menschen von heute, die kulturelle Werte von gestern auf ihre Verwendbarkeit für Vorhaben der Zukunft untersuchen”.
Was kann also ein Archiv tun, um aktuell zu bleiben?
Wer ist nicht schon einmal selbst bei den Eltern oder Großeltern oder auch nach Kauf eines älteren Hauses in Schränken, auf dem Dachboden oder im Keller auf alte Unterlagen gestoßen und hat sich gefragt, was damit geschehen soll? Viel zu schnell wird dann die Entscheidung getroffen, das „alte Zeug” einfach wegzuwerfen! Doch dieses „alte Zeug”, alte, handschriftlich verfasste Texte, Hefte oder Bücher, aber auch alte Fotos können für die Forschung interessant sein. Es können Unterlagen aus dem privaten Bereich sein, wie Tagebücher oder Briefe, aber auch Predigtmitschriebe oder Notizen und Fotografien zum kirchlichen und gesellschaftlichen Leben. Außerdem können historische Unterlagen darunter sein, die auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen von kirchlichen oder kommunalen Einrichtungen in Privatbesitz gelangt sind, aber eigentlich Eigentum des örtlichen Pfarramts oder der Gemeinde sind, wie z.B. Kirchenbücher oder Protokollbände. Deshalb darf mit diesen historischen Unterlagen nicht sorglos umgegangen werden. Das Landeskirchliche Archiv Stuttgart bietet an, diese Unterlagen in Augenschein zu nehmen und eine Empfehlung abzugeben, was damit getan werden sollte. Das Landeskirchliche Archiv hat selbst Interesse an Unterlagen, die Bezüge zur Landeskirche haben, z.B. Nachlässe von Pfarrern, Missionaren oder anderen, mit der Kirche verbundenen Personen, aber auch Unterlagen mit personengeschichtlichem Bezug und auch an Unterlagen, die seit geraumer Zeit auf den Pfarrämtern vermisst werden. Gedruckte (Familien-)Bibeln sind dagegen vorhanden.
Sollten Sie im Besitz solcher alter Unterlagen sein und selbst keine Verwendung dafür haben, so bittet das Landeskirchliche Archiv darum, mit dem Archiv Kontakt aufzunehmen.
Ein neuer Fund aus dem Landeskirchlichen Archiv: Einer der Baumeister der Wittenberger Schlosskirche ging kurz nach der Einweihung nach Jerusalem und baute dort nicht nur die deutsche Erlöserkirche, sondern auch die Kirche des Waisenhauses.
Paul Ferdinand Groth mit Kind in Wittenberg 1891
Die ersten Verbindungen zwischen Wittenberg und Jerusalem gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Im Vorgängerbau der heutigen Schlosskirche legte „Friedrich der Weise“ 1515 eine umfangreiche Reliquiensammlung an, die aus dem Heiligen Land stammten und viele Wallfahrer von weither anzogen. Zwei Jahre später schlug Martin Luther aber nicht nur seine Thesen an die hölzerne Tür dieser Kirche, er geißelte auch die dortige Reliquienverehrung als Götzendienst. Weder von der Tür noch von den Reliquien ist heute noch etwas erhalten. Im Siebenjährigen Krieg brannte die Kirche 1760 vollständig aus. Anstelle der verbrannten hölzernen Thesentür stiftete der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 10. November 1858 anlässlich des 375. Geburtstag Luthers eine in Bronze gegossene Thesentür. Und Kaiser Wilhelm II. schließlich beauftragte ein Vierteljahrhundert später seinen Architekten Friedrich Adler mit einem neuerlichen Umbau der Kirche im neugotischen Stil. Sie sollte ein „Denkmal der Reformation“ zum 400. Luther-Geburtstag im Jahr 1883 sein.
Die Pläne Adlers für die Erlöserkirche
Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es eine neue Verbindung nach Jerusalem. Der Architekt Adler hatte 1871 die Planung der deutschen Erlöserkirche am Muristan-Gelände in Jerusalem übernommen. In Wittenberg wurde Adler beim Bau der Schlosskirche tatkräftig von seinem Assistenten Paul Groth unterstützt, der später selbst nach Jerusalem gehen sollte und gewissermaßen ein architektonisches Band zwischen der Wittenberger Schlosskirche, der Jerusalemer Erlöserkirche und der Kirche im Syrischen Waisenhaus flechten sollte.
Wer war Paul Groth? Paul Ferdinand Groth wurde am 29. Juni 1859 als Sohn des Schiffskapitäns Johann Ferdinand Groth in Neu-Wintershagen (heute Grabienko, Polen) geboren. Er besuchte vom 7. bis zum 14. Lebensjahr die dortige Elementarschule. 1874 wurde er in das Realgymnasium zu Stolp (heute Słupsk, Polen) aufgenommen und blieb dort bis Ostern 1878. Er wechselte auf das Gymnasium in Danzig, wo er 1880 sein Examen ablegte. Daraufhin studierte er Hochbau an der Technischen Hochschule zu Berlin und lernte dort Friedrich Adler als Professor und Mentor kennen. Groth wurde nach erfolgreichem Studium am 6. Juli 1885 zum Regierungs-Bauführer ernannt.
Durch seine persönlichen Verbindungen zu Adler, der für die Umbaumaßnahmen der Schlosskirche in Wittenberg zuständig war, wurde Groth der Königlichen Baukreisinspektion zu Wittenberg zugeteilt. Dort machte er nach einem Jahr die Baumeisterprüfung und widmete sich nun ganz dem Umbau der Schlosskirche, in der sich Martin Luthers Grab befindet. Die Schlosskirche wurde am Reformationstag, dem 31. Oktober 1892 wieder eingeweiht.
Daraufhin wurde Groth vom Kuratorium der Jerusalem-Stiftung zu Berlin gebeten, die Bauleitung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem zu übernehmen. Von September 1893 bis 1899 lebte er mit seiner Familie in Jerusalem.
Bei den Ausschachtungsarbeiten für die Fundamente der deutschen Erlöserkirche stieß er übrigens auf Gefäße und Münzen aus der Zeit des jüdischen Aufstandes im ersten und zweiten Jahrhundert, was eine historische Einordnung des Geländes überhaupt erst ermöglichte. Es handelte sich dabei um wichtige und bedeutende archäologische Funde. Groth berichtete darüber sehr detailliert an die Jerusalem-Stiftung in Berlin, die sich jedoch weniger für die Kupfermünzen und archäologischen Funde interessierte, als vielmehr für die Fertigstellung der Kirchenfundamente. Groth konnte deswegen diese Münzen im Privatbesitz behalten.
Innenansicht der Kirche des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem
Bei der Durchsicht der vertraulichen Protokolle des Syrischen Waisenhauses, dem sogenannten “Geheimbuch”, konnte Groth als Architekt eines weiteren Kirchenbaus in Jerusalem identifiziert werden. Parallel zu seiner Aufgabe am Muristan versuchte Johann Ludwig Schneller, der Leiter des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem, Paul Groth für den Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses zu gewinnen. Groth übernahm diese Aufgabe und war sogar für die Bemalungsarbeiten nach Fertigstellung der Kirche verantwortlich. Noch vor Einweihung der Erlöserkirche konnte der Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses abgeschlossen werden.
Die Erlöserkirche wurde am 31. Oktober 1898 von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gattin Auguste Victoria eingeweiht. Zu dieser Zeit fungierte Groth auch als Vorsitzender des Zweigvereins des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas“ in Jerusalem.
Er kehrte im Jahre 1899 nach Deutschland zurück und wurde in Hannover Kreisbauinspektor. In seinem Engagement für das Heilige Land ließ er aber nicht nach. Auf Bitten des Jerusalemsvereins zu Berlin begann Groth mit der Planung einer Kirche für die evangelische Gemeinde von Jaffa. Er fertigte 312 detailreiche Zeichnungen an, für die er jedoch kein Honorar verlangte. Nach der Einweihung in Jaffa im Jahre 1904 sorgte er auch für die Entwürfe der Innenmalereien, die 1907 angebracht wurden. Von Hannover zog Groth nach Halberstadt und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung. Er blieb bis zu seinem Lebensende in Kontakt mit der deutschen Gemeinde in Jerusalem. Paul Groth starb im hohen Alter in der DDR im Jahre 1955.
In diesem Jahr feiert der Ort Korntal, der sich an Stuttgarts nordwestlicher Peripherie befindet, sein 200jähriges Jubliäum. Diese späte Ortsgründung wurde den württembergischen Pietisten im Jahr 1819 vom württembergischen König gewährt. In den Jahren davor waren zahlreiche pietistische Gruppen aus Württemberg ausgewandert, um ihren Glauben leben zu können, zum Beispiel nach Südrussland. Zunächst 68 Familien der Brüdergemeinde ließen sich in dem Ort nieder. Erst ab 1871 durften auch Nichtmitglieder in dem pietistischen Gemeinwesen leben. Die Brüdergemeinde hat anlässlich des Jubliäumsjahr ein Museum eröffnet, um die Geschichte Korntals museal dazustellen. Weitere Jubliäumsaktivitäten werden über das Jahr hinweg folgen. Näheres zu Öffnungszeiten und Inhalten des neuen Museum Zeit.Raum entnehmen Sie dem Internetauftritt des Museums und dem ausführlichen Beitrag der Ludwigsburger Kreiszeitung.
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Eine neue Publikation des Studienzentrums der EKD für Genderfragen beschäftigt sich mit der Einführung des Frauenwahlrechts in den evangelischen Landeskirchen ab 1919.
Auch das Landeskirchliche Archiv Stuttgart war beteiligt und stellte die historischen Quellen und
Informationen aus Württemberg bereit.
Das Heft ist als 2. Ergänzungsband zum Gleichstellungsatlas erschienen und steht zum Download bereit unter https://www.genderekd.de/publikationen.html. Gedruckte Exemplare können im Studienzentrum für Genderfragen unter info@sfg.ekd.de bestellt werden. Rückfragen bitte an Antje Buche, Studienzentrum der EKD für Genderfragen, Tel. 0511/554741-39.
Mit dieser Frage wurde das Landeskirchliche Archiv anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Frauenordination im November 2018 konfrontiert.
Die Frauenordination wurde erstmals mit der Theologinnenordnung vom 15.11.1968 geregelt. Dort wird in § 3 definiert: Die Theologinnen im ständigen Dienst führen die Amtsbezeichnung Pfarrerin, im unständigen Dienst Vikarin. Nach der alten Theologinnenordnung von 1948 führten die Vikarinnen nach Ablegung der Zweiten Theologischen Dienstprüfung die Amtsbezeichnung Pfarrvikarin, wenn sie in den ständigen Dienst übernommen wurden.
Mit der neuen Ordnung von 1968 waren somit alle Pfarrvikarinnen im ständigen Pfarrdienst berechtigt, die Amtsbezeichnung „Pfarrerin“ zu tragen.
Warum ist diese Klarstellung aber im Zusammenhang mit der Frage, wer nun die erste Pfarrerin der Landeskirche war, so wichtig?
Investitur von Heide Kast 1970, links neben ihr Lenore Volz, beide im Frauentalar mit Frauenbeffchen. Privatbesitz Heide Kast
Als erste Pfarrerin wird seit je her in den Medien und der Literatur Heide Kast genannt. Heide Kast wurde nach dem Gesetz über den Zeitpunkt der Ordination von Pfarramtsbewerbern und der Einsegnung von Theologinnen vom 3.10.1961 am 13.10.1963 von Pfarrer Heiland (Rosenbergkirche Stuttgart) an ihrem Heimatwohnort eingesegnet. Die zweite theologische Dienstprüfung absolvierte sie im Juli 1966, im September 1967 wurde sie als Pfarrvikarin in Besigheim in den ständigen Dienst übernommen. Aus ihrer Personalakte geht hervor, dass sie im August 1969 noch als Pfarrvikarin tituliert wurde, im Dezember d.J. dann als Pfarrerin. Zum 1. Februar 1970 wurde sie in Ludwigsburg als Gemeindepfarrerin der 2. Gemeindestelle der Auferstehungskirche mit einem eigenem Seelsorgebezirk betraut.
Nun tauchte aber im Zuge der Feierlichkeiten des Jubiläums der Frauenordination in den Medien eine weitere Theologin auf, die noch vor Heide Kast den Anspruch auf den Titel der ersten Pfarrerin erheben dürfe: Liselotte Schaser. Sie kam als in Rumänien ausgebildete Theologin über die Bayrische Landeskirche, die sie als angestellte Katechetin beschäftigte. Zum 1.11.1969 wurde sie in Crailsheim in den ständigen Pfarrdienst übernommen mit der gleichzeitigen Ernennung zur Pfarrerin. Ihr Dienstauftrag in Crailsheim umfasste vornehmlich die Erteilung von Religionsunterricht und gelegentliche Predigttätigkeit.
Das Landeskirchliche Archiv erhielt daraufhin den Auftrag, aktenkundlich festzustellen, wer nun tatsächlich die erste Pfarrerin der Landeskirche war. Und welche Theologin nach der neuen Theologinnenordnung von 1968 als erste Frau ordiniert wurde. Es stellte sich heraus, dass diese Beantwortung dieser Frage aus den Akten des Archivs ein komplexeres Ergebnis erbrachte, als zunächst erwartet.
Bei den Recherchen in Personal- und Stellenakten traten nun noch mehr potentielle Kandidatinnen für den fraglichen Titel in Erscheinung.
Etwa Ute Nies, welche am 20.6.1969 als Vikarin ordiniert wurde, dann aber ein Auslandsstipendium antrat und erst 1974 in den ständigen Pfarrdienst übernommen. Oder Gisela Blocher, deren Ordination das Archiv schon für den 9.2.1969 nachweisen konnte. Den Titel der Pfarrerin wurde ihr vom Landesbischof allerdings erst 1973 förmlich verliehen. Oder Elisabeth Schmitthenner, die 1964 schon eingesegnet wurde; das zuständige Dekanatamt Kirchheim/Teck bezeichnete diesen Vorgang 1964 schon als Ordination, obwohl eine rechtliche Regelung eben erst mit der Theologinnenordnung im Jahre 1968 gefunden wurde. Schmitthenner wurde zum 1.11.1969 zur Pfarrerin ernannt und erhielt am 1. September 1970 mit der zweiten Pfarrstelle in Ditzingen die erste Gemeindepfarrstelle. Oder Margarete Schmid, sogar schon 1958 eingesegnet und 1965 zur Pfarrvikarin ernannt. Ihr wurde allerdings erst 1971 das erste Gemeindepfarramt übertragen.
Wer aber war nun wirklich die erste Pfarrerin der Landeskirche? Wer wurde nach der Theologinnenordnung vom 15.11.1968 als erste Theologin ordiniert?
Die Recherchen haben vor allem eines gezeigt. Die Antworten darauf sind nicht unbedingt eindeutig. Ordinationen wurden seinerzeit nicht durchgängig und zuverlässig auf den Personalakten dokumentiert. Ende 1969 waren zeitgenössisch 72 Theologinnen verzeichnet. Eine zeitaufwendige Recherche in all‘ derer Personalakten würde vermutlich ergeben, dass Ordination, ständiger Pfarrdienst und Ernennung auf eine Gemeindepfarrstelle in keinem linearen Verhältnis zueinander standen. Man würde erkennen müssen, dass das eine ohne das andere durchaus möglich war. Etliche Frauen waren auf der Grundlage eines älteren Einsegnungsgesetzes auch ohne Ordination ständig. Andere wurden trotz dieser Einsegnung womöglich doch noch ordiniert. Manche saßen auf ständigen Stellen aber ohne eigenen Gemeindebezirk.
Und doch können wir als Resumee unserer Recherchen wohl bestätigen, dass mit der Nennung von Heide Kast als erste Pfarrerin in Medien und Literatur keine falschen Tatsachen behauptet werden. Sie war sicherlich die erste Gemeindepfarrerin mit einem eigenen Seelsorgebezirk.
Einen ausführlichen Artikel über die ersten württembergischen Theologinnen finden Sie hier auf Württembergische Kirchengeschichte Online.