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„Wohin mit dem alten Zeug?“ – historische Unterlagen in Privatbesitz und was damit geschehen sollte

15. Mai 2019 | |

Wer ist nicht schon einmal selbst bei den Eltern oder Großeltern oder auch nach Kauf eines älteren Hauses in Schränken, auf dem Dachboden oder im Keller auf alte Unterlagen gestoßen und hat sich gefragt, was damit geschehen soll? Viel zu schnell wird dann die Entscheidung getroffen, das „alte Zeug” einfach wegzuwerfen! Doch dieses „alte Zeug”, alte, handschriftlich verfasste Texte, Hefte oder Bücher, aber auch alte Fotos können für die Forschung interessant sein. Es können Unterlagen aus dem privaten Bereich sein, wie Tagebücher oder Briefe, aber auch Predigtmitschriebe oder Notizen und Fotografien zum kirchlichen und gesellschaftlichen Leben. Außerdem können historische Unterlagen darunter sein, die auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen von kirchlichen oder kommunalen Einrichtungen in Privatbesitz gelangt sind, aber eigentlich Eigentum des örtlichen Pfarramts oder der Gemeinde sind, wie z.B. Kirchenbücher oder Protokollbände. Deshalb darf mit diesen historischen Unterlagen nicht sorglos umgegangen werden. Das Landeskirchliche Archiv Stuttgart bietet an, diese Unterlagen in Augenschein zu nehmen und eine Empfehlung abzugeben, was damit getan werden sollte. Das Landeskirchliche Archiv hat selbst Interesse an Unterlagen, die Bezüge zur Landeskirche haben, z.B. Nachlässe von Pfarrern, Missionaren oder anderen, mit der Kirche verbundenen Personen, aber auch Unterlagen mit personengeschichtlichem Bezug und auch an Unterlagen, die seit geraumer Zeit auf den Pfarrämtern vermisst werden. Gedruckte (Familien-)Bibeln sind dagegen vorhanden.

Sollten Sie im Besitz solcher alter Unterlagen sein und selbst keine Verwendung dafür haben, so bittet das Landeskirchliche Archiv darum, mit dem Archiv Kontakt aufzunehmen.

Kontakt: Uwe Heizmann, uwe.heizmann@elk-wue.de, 0711 2149 662, Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Balinger Str. 33/1, 70567 Stuttgart

Von Wittenberg nach Jerusalem. Die Schlosskirche in Wittenberg und die Kapelle des Syrischen Waisenhauses tragen die gleiche Handschrift

7. März 2019 | | , , ,

Ein neuer Fund aus dem Landeskirchlichen Archiv: Einer der Baumeister der Wittenberger Schlosskirche ging kurz nach der Einweihung nach Jerusalem und baute dort nicht nur die deutsche Erlöserkirche, sondern auch die Kirche des Waisenhauses.

Paul Ferdinand Groth mit Kind in Wittenberg 1891

Die ersten Verbindungen zwischen Wittenberg und Jerusalem gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Im Vorgängerbau der heutigen Schlosskirche legte „Friedrich der Weise“ 1515 eine umfangreiche Reliquiensammlung an, die aus dem Heiligen Land stammten und viele Wallfahrer von weither anzogen. Zwei Jahre später schlug Martin Luther aber nicht nur seine Thesen an die hölzerne Tür dieser Kirche, er geißelte auch die dortige Reliquienverehrung als Götzendienst. Weder von der Tür noch von den Reliquien ist heute noch etwas erhalten. Im Siebenjährigen Krieg brannte die Kirche 1760 vollständig aus. Anstelle der verbrannten hölzernen Thesentür stiftete der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 10. November 1858 anlässlich des 375. Geburtstag Luthers eine in Bronze gegossene Thesentür. Und Kaiser Wilhelm II. schließlich beauftragte ein Vierteljahrhundert später seinen Architekten Friedrich Adler mit einem neuerlichen Umbau der Kirche im neugotischen Stil. Sie sollte ein „Denkmal der Reformation“ zum 400. Luther-Geburtstag im Jahr 1883 sein.

Die Pläne Adlers für die Erlöserkirche

Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es eine neue Verbindung nach Jerusalem. Der Architekt Adler hatte 1871 die Planung der deutschen Erlöserkirche am Muristan-Gelände in Jerusalem übernommen. In Wittenberg wurde Adler beim Bau der Schlosskirche tatkräftig von seinem Assistenten Paul Groth unterstützt, der später selbst nach Jerusalem gehen sollte und gewissermaßen ein architektonisches Band zwischen der Wittenberger Schlosskirche, der Jerusalemer Erlöserkirche und der Kirche im Syrischen Waisenhaus flechten sollte.

Wer war Paul Groth? Paul Ferdinand Groth wurde am 29. Juni 1859 als Sohn des Schiffskapitäns Johann Ferdinand Groth in Neu-Wintershagen (heute Grabienko, Polen) geboren. Er besuchte vom 7. bis zum 14. Lebensjahr die dortige Elementarschule. 1874 wurde er in das Realgymnasium zu Stolp (heute Słupsk, Polen) aufgenommen und blieb dort bis Ostern 1878. Er wechselte auf das Gymnasium in Danzig, wo er 1880 sein Examen ablegte. Daraufhin studierte er Hochbau an der Technischen Hochschule zu Berlin und lernte dort Friedrich Adler als Professor und Mentor kennen. Groth wurde nach erfolgreichem Studium am 6. Juli 1885 zum Regierungs-Bauführer ernannt.

Durch seine persönlichen Verbindungen zu Adler, der für die Umbaumaßnahmen der Schlosskirche in Wittenberg zuständig war, wurde Groth der Königlichen Baukreisinspektion zu Wittenberg zugeteilt. Dort machte er nach einem Jahr die Baumeisterprüfung und widmete sich nun ganz dem Umbau der Schlosskirche, in der sich Martin Luthers Grab befindet. Die Schlosskirche wurde am Reformationstag, dem 31. Oktober 1892 wieder eingeweiht.

Daraufhin wurde Groth vom Kuratorium der Jerusalem-Stiftung zu Berlin gebeten, die Bauleitung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem zu übernehmen. Von September 1893 bis 1899 lebte er mit seiner Familie in Jerusalem.

Bei den Ausschachtungsarbeiten für die Fundamente der deutschen Erlöserkirche stieß er übrigens auf Gefäße und Münzen aus der Zeit des jüdischen Aufstandes im ersten und zweiten Jahrhundert, was eine historische Einordnung des Geländes überhaupt erst ermöglichte. Es handelte sich dabei um wichtige und bedeutende archäologische Funde. Groth berichtete darüber sehr detailliert an die Jerusalem-Stiftung in Berlin, die sich jedoch weniger für die Kupfermünzen und archäologischen Funde interessierte, als vielmehr für die Fertigstellung der Kirchenfundamente. Groth konnte deswegen diese Münzen im Privatbesitz behalten.

Innenansicht der Kirche des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem

Bei der Durchsicht der vertraulichen Protokolle des Syrischen Waisenhauses, dem sogenannten “Geheimbuch”, konnte Groth als Architekt eines weiteren Kirchenbaus in Jerusalem identifiziert werden. Parallel zu seiner Aufgabe am Muristan versuchte Johann Ludwig Schneller, der Leiter des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem, Paul Groth für den Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses zu gewinnen. Groth übernahm diese Aufgabe und war sogar für die Bemalungsarbeiten nach Fertigstellung der Kirche verantwortlich. Noch vor Einweihung der Erlöserkirche konnte der Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses abgeschlossen werden.

Die Erlöserkirche wurde am 31. Oktober 1898 von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gattin Auguste Victoria eingeweiht. Zu dieser Zeit fungierte Groth auch als Vorsitzender des Zweigvereins des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas“ in Jerusalem.

Er kehrte im Jahre 1899 nach Deutschland zurück und wurde in Hannover Kreisbauinspektor. In seinem Engagement für das Heilige Land ließ er aber nicht nach. Auf Bitten des Jerusalemsvereins zu Berlin begann Groth mit der Planung einer Kirche für die evangelische Gemeinde von Jaffa. Er fertigte 312 detailreiche Zeichnungen an, für die er jedoch kein Honorar verlangte. Nach der Einweihung in Jaffa im Jahre 1904 sorgte er auch für die Entwürfe der Innenmalereien, die 1907 angebracht wurden. Von Hannover zog Groth nach Halberstadt und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung. Er blieb bis zu seinem Lebensende in Kontakt mit der deutschen Gemeinde in Jerusalem. Paul Groth starb im hohen Alter in der DDR im Jahre 1955.

200 Jahre Korntal. Eröffnung eines neuen Museums

25. Februar 2019 | | ,

In diesem Jahr feiert der Ort Korntal, der sich an Stuttgarts nordwestlicher Peripherie befindet, sein 200jähriges Jubliäum. Diese späte Ortsgründung wurde den württembergischen Pietisten im Jahr 1819 vom württembergischen König gewährt. In den Jahren davor waren zahlreiche pietistische Gruppen aus Württemberg ausgewandert, um ihren Glauben leben zu können, zum Beispiel nach Südrussland. Zunächst 68 Familien der Brüdergemeinde ließen sich in dem Ort nieder. Erst ab 1871 durften auch Nichtmitglieder in dem pietistischen Gemeinwesen leben. Die Brüdergemeinde hat anlässlich des Jubliäumsjahr ein Museum eröffnet, um die Geschichte Korntals museal dazustellen. Weitere Jubliäumsaktivitäten werden über das Jahr hinweg folgen. Näheres zu Öffnungszeiten und Inhalten des neuen Museum Zeit.Raum entnehmen Sie dem Internetauftritt des Museums und dem ausführlichen Beitrag der Ludwigsburger Kreiszeitung.

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Weitere Informationen

 

 

Untersuchung zum Frauenwahlrecht in der Kirche

14. Februar 2019 | |

Eine neue Publikation des Studienzentrums der EKD für Genderfragen beschäftigt sich mit der Einführung des Frauenwahlrechts in den evangelischen Landeskirchen ab 1919.

Auch das Landeskirchliche Archiv Stuttgart war beteiligt und stellte die historischen Quellen und

Informationen aus Württemberg bereit.

Das Heft ist als 2. Ergänzungsband zum Gleichstellungsatlas erschienen und steht zum Download bereit unter https://www.genderekd.de/publikationen.html. Gedruckte Exemplare können im Studienzentrum für Genderfragen unter info@sfg.ekd.de bestellt werden. Rückfragen bitte an Antje Buche, Studienzentrum der EKD für Genderfragen, Tel. 0511/554741-39.

 

Wer war die erste Pfarrerin der Evangelischen Landeskirche in Württemberg?

5. Februar 2019 | |

Mit dieser Frage wurde das Landeskirchliche Archiv anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Frauenordination im November 2018 konfrontiert.

Die Frauenordination wurde erstmals mit der Theologinnenordnung vom 15.11.1968 geregelt. Dort wird in § 3 definiert: Die Theologinnen im ständigen Dienst führen die Amtsbezeichnung Pfarrerin, im unständigen Dienst Vikarin. Nach der alten Theologinnenordnung von 1948 führten die Vikarinnen nach Ablegung der Zweiten Theologischen Dienstprüfung die Amtsbezeichnung Pfarrvikarin, wenn sie in den ständigen Dienst übernommen wurden.
Mit der neuen Ordnung von 1968 waren somit alle Pfarrvikarinnen im ständigen Pfarrdienst berechtigt, die Amtsbezeichnung „Pfarrerin“ zu tragen.

Warum ist diese Klarstellung aber im Zusammenhang mit der Frage, wer nun die erste Pfarrerin der Landeskirche war, so wichtig?

Investitur von Heide Kast 1970, links neben ihr Lenore Volz, beide im Frauentalar mit Frauenbeffchen. Privatbesitz Heide Kast

Als erste Pfarrerin wird seit je her in den Medien und der Literatur Heide Kast genannt. Heide Kast wurde nach dem Gesetz über den Zeitpunkt der Ordination von Pfarramtsbewerbern und der Einsegnung von Theologinnen vom 3.10.1961 am 13.10.1963 von Pfarrer Heiland (Rosenbergkirche Stuttgart) an ihrem Heimatwohnort eingesegnet. Die zweite theologische Dienstprüfung absolvierte sie im Juli 1966, im September 1967 wurde sie als Pfarrvikarin in Besigheim in den ständigen Dienst übernommen. Aus ihrer Personalakte geht hervor, dass sie im August 1969 noch als Pfarrvikarin tituliert wurde, im Dezember d.J. dann als Pfarrerin. Zum 1. Februar 1970 wurde sie in Ludwigsburg als Gemeindepfarrerin der 2. Gemeindestelle der Auferstehungskirche mit einem eigenem Seelsorgebezirk betraut.

Nun tauchte aber im Zuge der Feierlichkeiten des Jubiläums der Frauenordination in den Medien eine weitere Theologin auf, die noch vor Heide Kast den Anspruch auf den Titel der ersten Pfarrerin erheben dürfe: Liselotte Schaser. Sie kam als in Rumänien ausgebildete Theologin über die Bayrische Landeskirche, die sie als angestellte Katechetin beschäftigte. Zum 1.11.1969 wurde sie in Crailsheim in den ständigen Pfarrdienst übernommen mit der gleichzeitigen Ernennung zur Pfarrerin. Ihr Dienstauftrag in Crailsheim umfasste vornehmlich die Erteilung von Religionsunterricht und gelegentliche Predigttätigkeit.

Das Landeskirchliche Archiv erhielt daraufhin den Auftrag, aktenkundlich festzustellen, wer nun tatsächlich die erste Pfarrerin der Landeskirche war. Und welche Theologin nach der neuen Theologinnenordnung von 1968 als erste Frau ordiniert wurde. Es stellte sich heraus, dass diese Beantwortung dieser Frage aus den Akten des Archivs ein komplexeres Ergebnis erbrachte, als zunächst erwartet.
Bei den Recherchen in Personal- und Stellenakten traten nun noch mehr potentielle Kandidatinnen für den fraglichen Titel in Erscheinung.
Etwa Ute Nies, welche am 20.6.1969 als Vikarin ordiniert wurde, dann aber ein Auslandsstipendium antrat und erst 1974 in den ständigen Pfarrdienst übernommen. Oder Gisela Blocher, deren Ordination das Archiv schon für den 9.2.1969 nachweisen konnte. Den Titel der Pfarrerin wurde ihr vom Landesbischof allerdings erst 1973 förmlich verliehen. Oder Elisabeth Schmitthenner, die 1964 schon eingesegnet wurde; das zuständige Dekanatamt Kirchheim/Teck bezeichnete diesen Vorgang 1964 schon als Ordination, obwohl eine rechtliche Regelung eben erst mit der Theologinnenordnung im Jahre 1968 gefunden wurde. Schmitthenner wurde zum 1.11.1969 zur Pfarrerin ernannt und erhielt am 1. September 1970 mit der zweiten Pfarrstelle in Ditzingen die erste Gemeindepfarrstelle. Oder Margarete Schmid, sogar schon 1958 eingesegnet und 1965 zur Pfarrvikarin ernannt. Ihr wurde allerdings erst 1971 das erste Gemeindepfarramt übertragen.

Wer aber war nun wirklich die erste Pfarrerin der Landeskirche? Wer wurde nach der Theologinnenordnung vom 15.11.1968 als erste Theologin ordiniert?
Die Recherchen haben vor allem eines gezeigt. Die Antworten darauf sind nicht unbedingt eindeutig. Ordinationen wurden seinerzeit nicht durchgängig und zuverlässig auf den Personalakten dokumentiert. Ende 1969 waren zeitgenössisch 72 Theologinnen verzeichnet. Eine zeitaufwendige Recherche in all‘ derer Personalakten würde vermutlich ergeben, dass Ordination, ständiger Pfarrdienst und Ernennung auf eine Gemeindepfarrstelle in keinem linearen Verhältnis zueinander standen. Man würde erkennen müssen, dass das eine ohne das andere durchaus möglich war. Etliche Frauen waren auf der Grundlage eines älteren Einsegnungsgesetzes auch ohne Ordination ständig. Andere wurden trotz dieser Einsegnung womöglich doch noch ordiniert. Manche saßen auf ständigen Stellen aber ohne eigenen Gemeindebezirk.

Und doch können wir als Resumee unserer Recherchen wohl bestätigen, dass mit der Nennung von Heide Kast als erste Pfarrerin in Medien und Literatur keine falschen Tatsachen behauptet werden. Sie war sicherlich die erste Gemeindepfarrerin mit einem eigenen Seelsorgebezirk.

Einen ausführlichen Artikel über die ersten württembergischen Theologinnen finden Sie hier auf Württembergische Kirchengeschichte Online.