27. April 2023 | Andreas Butz | Allgemein
Andrea Kittel übergibt ein Objekt der Musealen Sammlung an ihre Nachfolgerin Tamara Scheck
Zum 1. Mai verabschieden wir unsere Kollegin Andrea Kittel in den Ruhestand. Seit 2006 hat sie bei uns im Archiv die Museale Sammlung geleitet. In gut aufbereitetem Zustand übergibt sie diese nun an ihre Nachfolgerin Tamara Scheck.
Neben der Musealen Sammlung war die studierte Kulturwissenschaftlerin auch für Ausstellungen und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Die Erfahrung mit großen Ausstellungsprojekten hat sie aus dem Landeskirchlichen Museum in Ludwigsburg mitgebracht, wo sie zuvor 15 Jahre lang wissenschaftliche Mitarbeiterin war. Die dort entstandenen Ausstellungen, die unter verschiedenen Aspekten das Leben und Glauben in Württemberg beleuchteten, sind vielen Besucherinnen und Besuchern noch in guter Erinnerung: „Zwischen Kanzel und Kehrwoche“, „Mit Gott für Volk und Vaterland“, „Tier und Mensch“, Barock und Pietismus“ und ganz besonders die Doppelausstellung „Herd und Himmel / Weib und Seele“, die sich erstmals mit Frauen im evangelischen Württemberg befasste.
Auch nach ihrem Wechsel ins Archiv kuratierte Andrea Kittel größere landeskirchliche Ausstellungen, etwa zur Einführung der Reformation in Württemberg, zur Geschichte der Diakonie, zum Kulturkontakt in der Mission und zum 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017.
Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit war sie am Aufbau unseres Internetportals „Württembergische Kirchengeschichte Online“ (wkgo) beteiligt und engagierte sich bis zum Schluss im Bereich Social-Media.
Andrea Kittel resümiert: „Bei meiner Arbeit hatte ich die Gelegenheit zu entdecken, was Objekte und Bilder erzählen können. Geschichte anschaulich zu vermitteln und einem größeren Publikum näher zu bringen, ist immens wichtig. Diese Aufgabe hat mir immer sehr viel Spaß gemacht. Ich bin froh, dass Tamara Scheck den Arbeitsbereich übernimmt und mit frischem Blick und neuen Ideen das Geschaffene weiter entwickeln wird.“
Sowohl Andrea Kittels fachliche Kompetenz als auch ihre kollegiale Arbeitsweise haben uns immer wieder beeindruckt. Deshalb bedauern wir sehr, dass sie sich nun in den Ruhestand verabschiedet. Für ihre wertvolle Arbeit im Landeskirchlichen Archiv möchten wir uns herzlich bei ihr bedanken. Wir wünschen Frau Kittel alles Gute für die Zukunft und hoffen, dass sie uns in guter Erinnerung behält.
26. April 2023 | Jakob Eisler | Palästina, Veranstaltung
Am Sonntag, 23. April wurde im Bibeldorf Rietberg bei Bielefeld die Ausstellung “Die neue Heimat im Heiligen Land eröffnet”. Mehr als hundert Personen wohnten der Eröffnungsveranstaltung bei. Pfarrer Dietrich Fricke sprrach die Dankesworte an die Stiftung Würth und an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart. Dann folgte ein Vortrag von Dr. Jakob Eisler vom Landeskirchlichen Archiv, der die Ausstellung zusammen mit konzipiert hatte. Nach einer Beantwortung von Fragen aus dem Publikum erfolgte die Eröffnung der Ausstellung. Sie wird im Bibeldorf drei Monate bis Mitte Juli zu sehen sein. Danach wird sie noch in Ludwigsburg, in Australien und in Israel gezeigt.
24. April 2023 | Andreas Butz | Veranstaltung
Am 21. April lud die Evangelische Kirchengemeinde Schützingen zu einem Findbuchabend in die Ulrichskirche ein. Auf Anregung der Kirchengemeinde war das Pfarrarchiv verzeichnet worden. Für die Erschließung konnte die Doktorandin Regina Fürsich, Mitarbeiterin am Historischen Institut, Abteilung Landesgeschichte der Universität Stuttgart gewonnen werden. Mitglieder der Kirchengemeinde unterstützten die Finanzierung des Projektes. Die Erschließung des Pfarrarchivs sollte ein bleibender Beitrag für das Ortsjubiläum sein, feiert Schützingen doch im Jahr 2023 das 1000-Jahrfest seiner urkundlichen Ersterwähnung (1023) mit einem vielfältigen Programm. Der Findbuchabend in der mit wunderschönen, farbigen mittelalterlichen Fresken bemalten Ulrichskirche fand im Rahmen dieses Festprogrammes statt. Die einzelnen Programmpunkte des Abends wurden von stimmungsvoller Orgelmusik eingerahmt. Bürgermeister Armin Piocha würdigte in seiner Ansprache das Findbuchprojekt der Kirchengemeinde. Vom Landeskirchlichen Archiv stellte der Sprengelarchivar Dr. Andreas Butz, der die Verzeichnung redaktionell begleitet hatte, die Arbeit des Landeskirchen Archivs mit einem Kurzvortrag vor. Bei der danach erfolgten Überreichung des Findbuches an die Kirchengemeinde wurde der Kirchengemeinde für ihr Engagement gedankt und der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass das Inventar von Interessierten eifrig genutzt werde. Regina Fürsich stellte dann in ihrem spannenden Vortrag “Die Pfarrer der Kirchengemeinde Schützingen. Anekdoten und Schlaglichter aus 1000 Jahren Geschichte” die Aufgaben der Pfarrer im Lauf der Jahrhunderte anhand von Beispielen vor. Bei einem Stehempfang im Anschluss bot sich Gelegenheit zum anregenden Gespräch bei leckerer Bewirtung vom Frauenfrühstückkreis und mit dem Jubiläumswein, den das Weingut Zaiss für das runde Jahrtausend urkundlicher Ersterwähnung kreiert hatte.
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Dr. Andreas Butz überrreicht Pfarrerin Sigrid Telian und Mitgliedern des Kirchengemeinderats das Findbuch des Pfarrarchivs
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Pfarrerin Telian bedankt sich bei Regina Fürsich für den Abendvortrag
19. April 2023 | Uwe Heizmann | Genealogie
Die Konfession war bis ins 19. Jahrhundert hinein, wenn nicht sogar noch länger, ein Kriterium bei der Partnerwahl. Evangelische und Katholiken blieben jeweils unter sich. Konfessionswechsel waren äußerst selten, nicht unbedingt gerne gesehen und fanden deshalb – soweit bekannt – als Nachtrag ihren Niederschlag in den Taufregistern. In manchen Fällen geschah dies wertend, wie z.B. am 12. Oktober 1673 in Peterzell, „Er [der Täufling] wurde Abtrünniger“[1], in anderen Fällen, wie dem im Folgenden beschriebenen, als nüchterne Feststellung.
Am 22. August 1736 wurde in Alpirsbach im evangelischen Herzogtum Württemberg der einen Tag vorher ebenda geborene Johann Friedrich, Sohn des Bäckers Johannes Gigi und seiner Ehefrau Waldburga, getauft. Der Taufeintrag wurde Jahrzehnte später nachträglich um folgende Bemerkung ergänzt: „ist katholisch worden und haußt im [!] Schabbach“.[2]
https://openstreetmap.de, Unterstreichungen und fürstenbergisch-württembergische Grenze ergänzt
Johann Friedrich Gigi trat also später zur katholischen Konfession über und wohnte in Schapbach, heute ein Ortsteil von Bad Rippoldsau-Schapbach, damals ein Ort im katholischen Fürstentum Fürstenberg – das Wort „haußt“ dürfte wertneutral als „wohnt“ oder „hält sich auf“ zu interpretieren sein.
Der Karte ist die Lage von Alpirsbach und Schapbach zu entnehmen. Die rot gepunktete Linie stellt die fürstenbergisch-württembergische Grenze dar.
Johann Friedrich Gigi heiratete am 2. Februar 1767 im katholischen Schapbach Maria Agatha Echlin (Echle) – laut einer späteren Randbemerkung könnte ihr Nachname auch Bächlin (Bächle) gelautet haben. Dem Eheeintrag im Eheregister der Pfarrei Schapbach sind genauere Informationen zum Konfessionswechsel zu entnehmen. Der Eintrag lautet vollständig:
Kirchenbücher Schapbach, Eheregister 1720-1810, S. 70
„Die 2. Febr. Honestus Juvenis Joannes Fridericus Gigi ex Alpirsbach, sed anno 1763 15to Augusti hic Schappachii ad catholicam fidem conversus tribus factis proclamationibus cum pudica virgine M. Agatha Echlin copulatus est coram testibus Joanne Gigi acatholico sponsi patre, et Joanne Georgio Schuhler.“[3]
Übersetzt heißt dies: „Am Tag des 2. Februars: Der ehrenhafte Junggeselle Johannes Friedrich Gigi aus Alpirsbach, der aber 1763, am 15. August, hier in Schapbach zum katholischen Glauben konvertierte, wurde nach drei Proklamationen mit der keuschen Jungfrau Maria Agatha Echlin vereint, in Anwesenheit der Zeugen Johannes Gigi, dem nichtkatholischen Vater des Bräutigams, und Johannes Georg Schuler.“
Für die Genealogie sind solche aus dem 17. und 18. Jahrhundert in den katholischen Pfarreien im Schwarzwald häufig vorzufindenden Eheeinträge ein Graus. Durch die fehlenden Väter, die im Gegensatz zu evangelischen Einträgen nicht angegeben sind, ist ein toter Punkt erreicht, da nur bei eher seltenen Vor- und Nachnamen der richtige Taufeintrag dem Bräutigam bzw. der Braut eindeutig zugeordnet werden kann. Die in katholischen Eheeinträgen angegebenen Trauzeugen helfen nur selten weiter. In dem beschriebenen Fall war aber der Vater des Bräutigams einer der Trauzeugen und der Schapbacher Pfarrer legte Wert darauf, anzugeben, dass dieser nicht katholisch war. So ist die Forschung zumindest auf der Linie des Bräutigams problemlos möglich, wobei bei der Recherche nach dem richtigen Taufeintrag schon allein der Nachtrag im Taufeintrag des Johannes Friedrich Gigi ausreichen würde.
Was Johannes Friedrich Gigi nach Schapbach zog – sein Beruf, der nicht erwähnt ist, die Liebe oder etwas anderes – bleibt unbekannt. Auf jeden Fall brachte er einen neuen Nachnamen nach Schapbach, der auch in Alpirsbach selten war. Der Name stammt aus der Schweiz und kam mit Johannes Friedrichs Urgroßvater, Johannes (Hans) Gigi oder Chigi,[4] der am 17. Mai 1663 in Alpirsbach heiratet, in den Schwarzwald. Lediglich der Name seines Vaters, Melchior, ist angegeben. Ein genauerer Herkunftsort ist in entsprechendem Eheeintrag leider nicht angegeben.[5]
Sollte jemand zufällig über einen möglicherweise passenden Taufeintrag in der Schweiz stoßen, freuen wir uns über entsprechende Mitteilung.
Quellen
[1] siehe https://blog.wkgo.de/2020/10/23/
[2] Kirchenbücher Alpirsbach, Taufregister 1732-1804, S. 56
[3] Kirchenbücher Schapbach, Eheregister 1720-1810, S. 70
[4] Albrecht, Georg: Familienverzeichnis Alpirsbach, o.J. (1950er), Band III, S. 137
[5] Kirchenbücher Alpirsbach, Mischbuch 1663-1808, Eheregister 1663-1808, S. 3
11. April 2023 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
Die Annonce von 1911 aus der Cannstatter Zeitung zeigt, dass das Thema Kleidung für die Konfirmation damals offensichtlich so wichtig war wie heute – wenn nicht gar noch wichtiger.
Die Konfirmation war lange Zeit eine wichtige Zäsur im Leben der Heranwachsenden. Mit der Konfirmation war auch die Schulpflicht zu Ende, und für die meisten begann der Start in die Lehre, in den Beruf, der erste Schritt ins Erwachsenenleben. Deshalb bekamen die Konfirmandinnen und Konfirmanden erstmals Erwachsenenkleidung, meist etwas größer, zum Hineinwachsen. Auf älteren Konfirmations-Fotos sehen die Jugendlichen mit ihren 14 Jahren daher merkwürdig alt aus: Die Jungs mit Anzügen und Hüten, die Mädchen mit schwarzen hochgeschlossenen Kleidern. Die in der Zeitungsanzeige von 1911 angebotenen Konfirmanden-Stiefel scheinen jedoch nichts für die Durchschnittsjugendlichen gewesen zu sein, in edlen Ledervarianten und feiner Ausführung waren sie zu teuer und unpraktisch für die meisten.
Das Zeitungsblatt kam zufällig mit anderen Objekten in die Museale Sammlung. Neben den Konfirmanden-Stiefeln wurden auf der Rückseite vom selben Kaufhaus auch Konfirmanden-Anzüge angeboten. Der Bezug zur Konfirmation war Grund dafür, dass das Blatt aufbewahrt wurde.
Doch jedes Ding erzählt nicht nur eine Geschichte. Die Annonce war platziert worden vom Kaufhaus Sally Hirsch in Cannstatt, Seelbergstraße 16. Der Vorname weckte unser Interesse und führte zu weiteren Recherchen. Ist Sally der Name einer Frau? Oder ist er die Abkürzung von Salomo, wie es bei deutsch- und jiddischprachigen Juden früher üblich war? Was ist aus dem Kaufhaus und ihren Inhabern geworden? Auf der Internetseite der Stuttgarter Stolperstein-Initiative wurden wir fündig. Rainer Redies beschreibt dort den Werdegang und das Schicksal der Kaufmannsfamilie.
Das Ehepaar Sally und Clara Hirsch betrieben seit dem späten 19. Jahrhundert ein Bekleidungsgeschäft in der Seelbergstraße, seit 1906 im eigenen Haus. Die Firma und das Haus der Hirschs wurden im Juni 1938 „arisiert“. 1939 starb Sally Hirsch knapp 80-jährig. Seine Frau Clara starb 1942 mit 70 Jahren in Theresienstadt. Ihre Kinder Bertha und Hugo konnten rechtzeitig in die USA emigrieren.
Ausführlicher dazu:
Clara Hirsch: Vergebliche Hoffnung auf ein Wiedersehen | Cannstatter Stolperstein-Initiative (stolpersteine-cannstatt.de)
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Anzeigen Konfirmations-Kleidung, Cannstatter Zeitung, 21.2.1911 (Museale Sammlung, Inv. Nr. 11.256
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Konfirmandengruppe, um 1910, Museale Sammlung, Inv. Nr. 97.038
5. April 2023 | Uwe Heizmann | Genealogie
Auch wenn die Kirchenbücher Amtshandlungen dokumentieren und deshalb korrekt geführt werden sollten (und sollen), stößt man hier und dort auf ungenau Angaben und Widersprüche. Speziell bei Herkunftsorten von auswärtigen und möglicherweise fremdsprachigen Personen konnten mangels Geografie- und Sprachkenntnisse der Schreiber Fehler auftreten, so dass die Angaben aus einem Kirchenbucheintrag unter Umständen nicht ausreichen, um korrekte Informationen zu erhalten, wie das folgende Beispiel zeigt.
Am 3. Januar 1715 wurde in Herrenberg das Mädchen Johanna, Tochter des Korporals Augustin Mayh de Tresiger und dessen Ehefrau Eva Maria, geboren und noch am gleichen Tag getauft.[1] Das Mädchen starb leider bereits etwas mehr als zwei Wochen später und wurde am 19. Januar in Herrenberg begraben (unterster Eintrag im Bild).[2]
Das Auffällige in diesen Einträgen ist die widersprüchliche Angabe zum Aufenthaltsort des Vaters. Während im Taufeintrag zu lesen ist, der Vater sei „abwesend auf einer Reise in Gr. Britannien ein Erbgut abzuhohlen“, steht im Begräbniseintrag „dermalen in Brettagne vereißt“.
Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären? Der Schrift nach zu urteilen, können zwei unterschiedliche Schreiber angenommen werden. Die Amtshandlungen wurden zwar alle vom Diakon Wilhelm Friedrich Lentilius durchgeführt, wie beiden Registern zu entnehmen ist (nur auf dem Bild des Taufeintrag zu sehen), das bedeutet jedoch nicht, dass er auch jeden Registereintrag selbst vorgenommen hat. Denkbar ist, dass Augustin Mayh de Tresiger als Herkunft „Bretagne“ angegeben, der Schreiber des Taufeintrags dies aber als „Grande-Bretagne“ interpretiert hatte.
Die Auflösung ist schließlich im Eheeintrag vom 5. Mai 1706 in Gültstein zu finden. Dort ist als Geburtsort des Augustinus Mays, hier im Rang bzw. mit der Aufgabe eines Führers, „Brest in Britannia“ angeben,[3] was als Brest im Département Finistère in der Bretagne identifiziert werden kann.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Genealogie bzw. andere personenbezogene Forschung, speziell die zu Militärangehörigen, häufig auch ein Puzzlespiel ist, bei dem das Gesamtbild aus mehreren Einträgen verschiedener Pfarreien zusammengesetzt werden muss.
Weitere Details zu Augustin Mayh de Tresiger und zu den aufgeführten Einträgen sind auf https://www.uwe-heizmann.de/militaer/ma0000160.html zu finden. Evtl. können später dort weitere Einträge ergänzt werden.
Quellen
[1] Kirchenbücher Herrenberg, Mischbuch 1639-1716, Taufregister 1639-1716, S. 414
[2] Kirchenbücher Herrenberg, Totenregister 1631-1717, S. 280
[3] Kirchenbücher Gültstein, Mischbuch 1636-1783, Eheregister 1636-1783, S. 426