Buchvorstellung zur Biografie von Gotthilf Schenkel

18. März 2021 | |

Wir möchten auf eine Buchvorstellung am 19. März als Veranstaltung der Kirchengemeinde Oberesslingen hinweisen. Für das vorzustellende Buch ist auch in unserem Archiv recherchiert worden. Es geht um folgendes, im vergangenen Jahr erschienene Werk: Dr. Jörg Thierfelder, Hans Norbert Janowski, Günter Wagner: Gotthilf Schenkel. Pfarrer in Oberesslingen und SPD Mitglied. Vom religiösen Sozialisten zum Kultusminister.

Dass ein Pfarrer in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts SPD-Mitglied wurde, war nicht selbstverständlich. Nach ständigen Auseinandersetzungen mit dem Nationalsozialismus und seinem Pfarrdienst am Rand der Landeskirche kam Gotthilf Schenkel 1947 als Pfarrer nach Oberesslingen. Von 1951 bis 1953 war er Kultusminister und blieb bis zu seinem Tod der direkt gewählte Abgeordnete Esslingens im Landtag. 2020 ist Schenkels Biographie erschienen. Ihr Titel „Kirche – Sozialismus – Demokratie“ nennt, wofür Gotthilf Schenkel eingetreten ist. Die Verfasser Dr. Jörg Thierfelder, Hans Norbert Janowski und Günter Wagner werden vor allem Einblicke in Schenkels Konflikte mit dem Nationalsozialismus und in sein Engagement in Esslingen bieten.

Freitag, 19. März 2021 19.30 bis 21.30 Uhr
Evangelische Martinskirche Oberesslingen
Online-Teilnahme: https://youtu.be/AKeXqsR4sl8

Das rätselhafte Herz. Ein Fundstück aus einem Familiennachlass

16. März 2021 | | ,

Im Archiv finden sich immer wieder rätselhafte Dinge, deren Bedeutung sich nicht auf Anhieb erschließen lässt. So wie dieses nur 9 x 8 cm große Herz aus dem Nachlass einer Pfarrfamilie, das mit seinen Zahlen, Bildern und Symbolen etliche Fragen aufwirft: Handelt es sich um die Gabe zu einer silbernen Hochzeit, da dieses Herz mit silberner Folie umrahmt ist? Was bedeuten die Jahresangaben in Verbindung mit Ansichten von Gebäuden? Stellen sie etwa die Lebensstationen und Wohnhäuser einer Familie dar, die 23 ½ Jahre in einem Gebäude lebte, dann umzog und dort 1 ½ Jahre lebte und nach 25 Jahren Ehe wiederum ein neues Heim bezog? Unter den jeweiligen Gebäudeansichten sind Garnele, Fisch und Tannenbaum abgebildet. Tanne und Garnele gelten als Fruchtbarkeitsymbole, der Fisch als Symbol der Taufe. Leider finden sich keinerlei Erklärungen zu diesem Fundstück, so dass ein weiter Raum für Spekulationen bleibt.
Während amtliche Überlieferungen aus Pfarr- und Dekanatsarchiven meist vorgegebenen Aktenplänen folgen und daher selten wirkliche Überraschungen bergen, gestaltet sich die Überlieferung privater Nachlässe weit weniger homogen und ist von der Persönlichkeit dessen beeinflusst, der die Unterlagen gesammelt hatte. Im Nachlass der Familien Hermann, der derzeit verzeichnet wird, trifft die Überlieferung verschiedener Familienzweige ganzer Pfarrerdynastien aufeinander. Bedeutende Namen der württembergischen Pfarrerschaft wie Hermann, Faber, Wurm und Sapper finden sich hier wieder, doch bestehen durch Heirat auch Verbindungen zur Klavierfabrik Kaim aus Kirchheim/Teck und dem Münchner Kaim-Orchester.
Einen Gutteil der Überlieferung macht die Korrespondenz zwischen einzelnen Familienmitgliedern aus, die jedoch weit über Privates hinaus von der Amtstätigkeit der einzelnen Pfarrer und späteren Dekanen geprägt ist. Ergänzt wird dieser Nachlass durch einen umfangreichen Fotobestand mit Aufnahmen der jeweiligen Pfarrer, Dekane und Prälat Theodor von Hermann. Fotos aus einer Zeit, in der Fotographie nicht so selbstverständlich und massenhaft vorliegt wie heute.
Dass in einem solch umfangreichen Familiennachlass gelegentlich Skurriles auftaucht, ist nicht ungewöhnlich. Auch wenn das rätselhaft gestaltete Herz die erfahrene Archivarin erst einmal ratlos zurücklässt – hübsch ist es allemal!

Ein Gretchen in Mühlhausen an der Enz

9. März 2021 | |

Im Sterberegister von Mühlhausen an der Enz findet sich unter dem Datum 18. Juli 1746 als Todeseintrag für Christina Margaretha Baumgartner die Bemerkung “Caput ense capitatum est infanticida …”. Der lateinische Passus bezeichnet die Todesart, nämlich den Tod durch Enthauptung, und das Delikt der im Sterberegister eingetragenen: Kindsmörderin (“infanticida”). Wie die Suche im Taufregister ergab, handelte es sich um eine zur Tatzeit achtzehnjährige Bürgerstocher des damals reichsritterschaftlichen Fleckens und um die Mutter eines am 27. August 1745 von ihr gleich nach der Geburt ermordeten Sohnes, dessen Tod ebenfalls im Sterberegister erscheint.  Wie sich über eine einfache Recherche ergab, wurde über den Fall, der zu dem Todesurteil führte, in einem zeitgenössischen juristischen Werk ausführlich behandelt, das heute digital einsehbar ist. Das Urteil erfolgte im Namen der damaligen Ortsherren, der Herren von Stein.

Der Fall wirft ein Licht auf die sozialen Zwänge in der dörflichen Gemeinschaft aber auch darauf, welche Bedeutung es für die Familien hatte, dass man meinte, die Tochter möglichst wohlhabend verheiraten zu müssen. Das getötete Kind war die Frucht einer Liebesbeziehung der Mühlhausenerin mit Albanus Müller, einem jungen Mann aus dem Dorf, die sich um die Weihnachtszeit 1744 ereignet hatte. Zwar hielt er die Hand um sie an, aber etwa zur selben Zeit lag auch ein Eheinteresse von Friedrich Kientsch, dem Sohn des Feldmessers, vor, der aus vermögenderen Verhältnissen kam. Um sich diese in Aussicht stehende bessere Partie, auf die auch ihre Eltern drängten, nicht zu verderben, kam es zu der tragischen Tat, die bald ans Licht kam. Durch eine Obduktion des in einem Versteck beim Haus aufgefundenen Kindes durch den Mühlhausener Chirurgen Georg Friedrich Eulenfuß wurde ermittelt, dass der Tod nicht durch eine natürliche Ursache eingetreten war. Im peinlichen Verhör, – also unter der Folter – , gestand die junge Frau alles, plädierte aber auf mildernde Umstände, da sie sich durch ihre Eltern wie auch durch ihre Freunde unter Druck gesetzt gefühlt habe, die bereits im Dorf gemutmaßte Schwangerschaft zu verheimlichen.

Die Geschichte ist etwas anders gelagert als bei der von Johann Wolfgang von Goethe geschaffenen Figur des verführten, dann zur Kindsmörderin gewordenen und schließlich zum Tode verurteilten “Gretchens”, aber angesichts der Namensgleichheit (Margarethe) und des gleichen Zeitraums (18. Jahrhundert), liegt es doch nahe, den Eintrag im Kirchenregister in eine Beziehung zu der sehr bekannten und zentralen Figur aus dem “Faust” zu setzen. Beide lebten in kleinen Verhältnissen und sahen sich durch die Situation einer ungeplanten Schwangerschaft überfordert, so dass sie das uneheliche Kind ermordeten.

Tatsächlich geht man davon aus, dass es ein reales Vorbild für die Gretchenfigur gab. Diese war allerdings nicht Christina Margaretha Baumgartner, sondern Susanna Margaretha Brandt aus Goethes Heimatstadt Frankfurt am Main, die 1772 bei der dortigen Hauptwache den Tod durch Enthaupten fand.

Zu einer literarischen Bearbeitung führte allerdings auch der Fall der jungen Mühlhausenerin. Der damalige Ortsherr Baron Walrad Heinrich von Stein (auch: vom Stain) wurde durch den Fall so bewegt, dass er am 28. August 1745, – dem Tag nach der Ermordung des Knaben -, ein etwa 20seitiges Klagelied verfasst hat, welches heute in der Handschriftenabteilung der Württembergischen Landesbibliothek aufbewahrt wird.

Quellen

KB Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Sterberegister, S. 21

KB Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Sterberegister, S. 19

KB, Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Taufregister, S. 1. 

Walrad Heinrich vom Stain: Schmerzliche Weheklage über Margaretha Baumgärttner. Klagelied in 66 Strophen über die Kindsmörderin. Verfasst am 28. August 1745. Württembergische Landesbibliothek, Handschriften, Cod. Poet. Et Phil. 4° 180. 

Johann George Estor, Gründlicher Unterricht von geschickter Abfassung der Urtheln …, Marburg 1749, S. 704-766.

Karl Hittler, Familien in Mühlhausen an der Enz 1641 – 1920: mit älteren Nachweisen ab 1596, Mühlacker 2013, S. 56.

Wo ist Vanuatu? Und wie leben die Frauen dort?

4. März 2021 | |

Damit beschäftigen sich am 5. März Christinnen auf der ganzen Welt.

Immer am ersten Freitag im März findet der Weltgebetstag statt und beleuchtet die Lebenssituation von Frauen eines anderen Landes. In diesem Jahr ist es Vanuatu – der Inselstaat im Südpazifik, der aus 83 Inselgruppen besteht. Jährlich wählen Frauen des ausgesuchten Landes Texte, Gebete und Lieder aus, und bringen Wünsche und Bedürfnisse sowie die eigene kulturelle Vielfalt mit ein. Nach dieser Liturgie wird in weltweiten Gottesdiensten auf 88 Sprachen in 108 Ländern gefeiert.

Der Weltgebetstag entwickelte sich in den letzten 130 Jahren zur größten christlichen Basisbewegung von Frauen.  Unter dem Motto „Informiert beten – betend handeln“ engagieren sich Frauen dafür, dass Frauen und Mädchen überall auf der Welt in Frieden, Gerechtigkeit und Würde leben können.

Entstehung und Verbreitung in Deutschland

Seine Wurzeln hat der Weltgebetstag Nordamerika. Ab 1887 pflegten Frauen verschiedener Konfessionen in den USA und in Kanada unabhängig voneinander jährliche Gebetstage. Die Methodistinnen nahmen als erste Kontakt zu anderen Glaubensgemeinschaften auf und luden ein zum gemeinsamen Gebet. 1927 wurden Statements der Vision einer Weltgemeinschaft christlicher Frauen definiert und erstmalig zu einem ökumenischen Gebet weltweit aufgerufen. Das Echo war enorm: In China, Indien, Polen, Syrien und anderswo schlossen sich Christinnen an. 1929 feierten den Tag bereits Frauen in 30 Ländern, darunter neun europäische. In Deutschland waren es die international gut vernetzten methodistischen Frauen, die die Idee aufgriffen und sich beteiligten.

Zwei Methodistinnen waren es dann auch, die den Impuls nach dem Zweiten Weltkrieg ins besiegte Deutschland trugen. Die Amerikanerin Stella Dueringer-Wells, deren Mann bei der amerikanischen Zivilverwaltung im besetzten Berlin arbeitete und Luise Scholz, die Vorsitzende des Methodistischen Frauendienstes in Deutschland, besorgten kurzerhand eine Liturgie, ließen diese übersetzen und unter abenteuerlichen Bedingungen drucken. Am 22. Februar 1947 begingen 600 Frauen im zerstörten Berlin einen ökumenischen Weltgebetstagsgottesdienst. Amerikanische und englische Frauen der Siegermächte feierten gemeinsam mit deutschen Frauen trotz des Fraternisierungsverbotes einen zweisprachigen Gottesdienst – nach einer Liturgie, die eine indische Christin ausgearbeitet hatte. Ein Jahr später waren auch russische und französische Frauen aus den anderen Besatzungszonen dabei. Die Schrecken der Kriegserfahrung und die Hoffnung auf Frieden nährten den Wunsch nach Verbindung mit den christlichen Frauen der Welt und verschafften dem Weltgebetstag schließlich Eingang und breite Resonanz in Deutschland.

In die evangelische Frauenarbeit wurde der Weltgebetstag durch Antonie Nopitsch eingeführt. Als Leiterin des Bayerischen Mütterdienstes hatte sie ihn während einer USA-Reise und bei der Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates in Amsterdam 1948 kennengelernt. Schon ein Jahr später wurde auf ihre Initiative hin die Gottesdienstliturgie gedruckt und 10.000 Exemplare deutschlandweit verschickt. Von da an wurden es jedes Jahr mehr.

Auch die Leiterin der Frauenhilfe in Württemberg, Gertrud Mohrmann, war sofort begeistert, als sie 1948 bei einer Tagung der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland erstmals vom Weltgebetstag hörte. Sie nutzte ihren Verteiler, um die Idee in Württemberg bekannt zu machen. Seither sind auch die Evangelischen Frauen in Württemberg (EFW) dabei.

Materialien zur Weltgebetstagsarbeit der letzten Jahrzehnte kamen über die Bestände der Evangelischen Frauen in Württemberg (EFW) ins Landeskirchliche Archiv Stuttgart.

Abbildungen

Plakate verschiedener Weltgebetstage (1979, 1991, 1993), Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Plakatsammlung:

Musik-CD zum Weltgebetstag 2012 (Malaysia), Landeskirchliches Archiv Stuttgart, K 38:

Fotos aus der WGT-Werkstatt Indonesien 1999, Landeskirchliches Archiv Stuttgart, K 38
Das ökumenische Team der württembergischen WGT-AG veranstaltet unter der Leitung der EFW regionale Vorbereitungstage. Die Teilnehmerinnen tragen anschließend die Impulse für die Gestaltung der Gottesdienste in die Bezirke und in die Gemeinden.

Foto Weltgebetstagsgottesdienst mit Logo im Hintergrund, Stuttgart 2007, Landeskirchliches Archiv Stuttgart, K 38:

Mottobändchen verschiedener Weltgebetstage, LKAS, Museale Sammlung, Nr. 18.082: