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Tod und Zerstörung in Folge eines Wolkenbruchs

7. Juli 2021 | |

In den letzten Wochen erlebte Baden-Württemberg mehrere zum Teil heftige Unwetter. Dabei kam glücklicherweise nur eine geringe Anzahl an Menschen ums Leben (wobei jeder Tote einer zu viel ist). Außerdem kam es zu nicht unerheblichen Sachschäden.

Auch in früheren Zeiten forderten Unwetter ihren Tribut. Aufgrund fehlender systematischer Wetteraufzeichnungen findet man darüber jedoch nur selten Berichte. Wenn, dann sind diese meist in spezielle Chroniken oder auch in Kirchenbüchern zu finden.

Vor genau 243 Jahren, am 7. Juli 1778, ereignete sich zwischen Hallwangen und Aach, heute Ortsteile von Dornstetten, ein starker Wolkenbruch, in dessen Folge das Flüsschen Glatt derart anschwoll, dass die Flut im etwa drei Kilometer südlich gelegene Glatten schwere Verwüstungen anrichtete und das Leben von fünf Menschen – nahezu eine ganze Familie – auslöschte. Ein totes Mädchen wurde erst im sieben Kilometer flussabwärts gelegene Leinstetten, heute Ortsteil von Dornhan, gefunden. Ebenfalls durch die Flut mitgerissenes Vieh wurde teilweise über 23 Kilometer bis nach Horb am Neckar oder sogar über 40 Kilometer bis nach Rottenburg am Neckar fortgespült.

Der ganze Bericht über das Unglück und die Folgen ist im Totenregister von Glatten zu finden und lautet:

„[Am Dienstag] den 7. Julii abends [zwischen] 6 – 7 [Uhr] wurde die hiesige Innwohnerschafft durch plözlich und grausamen Anlauf des Wassers Glatt in eine unbeschreibliche grosse Noth und Schrecken versezet. Ein gegen 1 1/2 Stund oberhalb im Thal, und zwar zwischen Hallwangen und Aach, entstandener starcke Wolckenbruch verursachte, daß das Wasser, die Glatt genannt, auf einmal mehr als mannshoch, ohne einen Tropfen hiesigen Orts vorher zu regnen, und in wenigen Augenblicken gegen 16 Schuh [1 Schuh = ca. 28,6 cm] hoch in den hiesigen Flecken eingedrungen. Ein ganzes Hauß wurde durch die hefftige Wellen des Wassers, und wegen herbeigekommenen vielen Holtzes von 60 biß 70 Schuh lang, vom Fundament aus aufgehoben, umgedreht und eingestürzt; viele andere Häußer grausamlich beschädiget; die Brücke über die Glatt wurde eingerissen und fortgespült. Eine Reib- und eine Lohmühle wurden auch von ihrem Ort weggerißen, und 3 Mühlen auf das übelste ruinirt. Zerschiedene [!] Gattung Vieh, welche zum Theil das Wasser mit den Krippen an denselben angebunden, fortgeflözet, und davon noch an den Krippen angebunden in Horb und Rothenburg ausgestoßen, giengen hiebei zu Grunde. Fruchtbare Bäume, auch Felben und Aehrlen, wurden mit der Wurzel ausgerißen und fortgeflözt, oder wie Schilfrohr abgebrochen, obschon solche 1 und 2 Schuh dick gewesen. Mit dem ersten von Grund aus weggerißenen und eingestürzten Hauß haben ihr Leben, ohne menschmöglich geweßte Rettung, elendiglich eingebüßet, und sind erst am folgenden Tag unter dem Schutt wieder vorgefunden worden folgende Personen:

Anna Magdalena, Joh. Michael Zieglers, Bürger und Wagner allhier uxor [= Ehefrau], als hochschwanger, 35 Jahr, 8 Monate, 18 Tag

mit ihren nachstehenden Kindern:

Joh. Michael Ziegler, 11 Jahr, weniger 5 Tag

Margaretha Zieglerin, 3 Jahr, 6 Monat, 1 Tag

Johannes Ziegler, 1 Jahr, 6 Monat, 9 Tag

Welche 4 Personen in 2 Todtenbahren den 9. Julii nachmittags um 1 Uhr, in 2 Gräbern, unter allgemeiner Bedaurung und einer Menge Leutte, hochstlöblichem Gebrauch nach zur Erden bestattet wurden, und dabei eine richtende Predigt gehalten worden; und dann

Barbara Zieglerin, 4 Jahr, 7 Monate, 5 Tage

welches Kind von dem Wasser biß nach Leinstädt fortgeflözet, gegen einem ausgestellten Revers herausgegeben, und den 10. Julii bei eine Bettstund [= Betstunde] auf dem hiesigen Kirchhoff zu den obigen [genannten] beerdigt worden.“

Dieser detaillierte Eintrag ist eine seltene Dokumentation eines Wetterereignisses bzw. dessen Folge, in diesem Falle die Auswirkung von Starkregen an einem Ort auf einen anderen, regenfreien Ort. Den Bericht findet man nahezu wortgleich auch in der Pfarrbeschreibung für Glatten 1828. In der 1858 erschienenen Oberamtsbeschreibung Freudenstadt wird das Ereignis ebenfalls noch erwähnt.

 

Quellen:

Todeseintrag 07.07.1778 = Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Kirchenbücher des evangelischen Pfarramtes Glatten, Mischbuch 1743-1803, Totenregister 1743-1799, S. 28

Pfarrbeschreibung 1828 = Landeskirchliches Archiv Stuttgart, A 29, Nr. 1502, Qu. 1, S. 4f

Oberamtsbeschreibung Freudenstadt = Königliches statistisch-topographisches Bureau (Hrsg.): Beschreibung des Oberamts Freudenstadt. Stuttgart 1858, S. 228