Artikel in Ulm

Posaunen für den Neubeginn: Landesposaunentag 1946

23. Juni 2021 | | ,

Am 4. Juli findet wieder der legendäre württembergische Landesposaunentag des evangelischen Jugendwerks statt – Corona bedingt leider nicht in gewohnter Form, sondern digital und dezentral.

Das ist eine gute Gelegenheit an die Geschichte dieser kirchenmusikalischen Großveranstaltung zu erinnern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als überall Not und Schuld groß waren und viele Städte in Trümmern lagen, kamen im Jahr 1946 Bläser aus ganz Württemberg in Ulm auf dem Münsterplatz zusammen, um ein Zeichen für den Neubeginn zu setzen. Ulm selbst war bei mehreren Bombenangriffen fast völlig vernichtet worden. Das Münster war eines der wenigen größeren Gebäuden in der Innenstadt, das nahezu intakt geblieben war – obwohl noch im März 1945 eine 500-Kilo-Bombe das Chorgewölbe durchschlagen hatte, die jedoch glücklicherweise nicht explodierte.

Dieser erste Landesposaunentag nach dem Krieg muss ein bewegendes Ereignis gewesen sein. Landesbischof Theophil Wurm begann die Predigt zur Losung „Jesus Christus herrscht als König“ mit den Worten: „Seit 12 Jahren ist es mir nicht möglich gewesen, zu euch zu sprechen“. Körbe mit gespendeten Broten wurden herum gereicht, und als dann die 2000 anwesenden Bläser inmitten von Ruinen das „Gloria“ spielten, blieb Augenzeugen zufolge kaum ein Auge trocken.

Damit begann die große Tradition der Ulmer Posaunentage, die seither alle zwei Jahre an einem Wochenende im Mai oder Juni in der Münsterstadt stattfinden und den größten „Posaunenchor der Welt“ unter dem höchsten Kirchturm der Welt bilden.

Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts begleiten Posaunenchöre die Gottesdienste und Feiern der Evangelischen Kirche. Die württembergische Posaunenchorarbeit ist Teil der Jugendarbeit, wo die Ausbildung der Jungbläser traditionell durch ehrenamtliche Chorleiterinnen und -leiter in den Kirchengemeinden und Bezirken erfolgt.

Das Ulmer Münster wurde im Lauf der Zeit für die zunehmende Zahl der Teilnehmer der Landesposaunentage zu klein. Mittlerweile sind fünf weitere Veranstaltungsorte im Stadtgebiet mit einbezogen, um vorwiegend geistliche Werke aller Epochen und Stile zu musizieren und Gottesdienste zu feiern. Der Landesposaunentag  endet traditionell mit einer liturgischen Schlussfeier auf dem Münsterplatz, bei der alle teilnehmenden Bläser gemeinsam musizieren. Als vorletztes wird der Choral „Nun danket alle Gott“ nach dem Satz von Johann Sebastian Bach geblasen: zuerst 4-stimmig, dann mit den Fanfaren und zum Abschluss mit der vom württembergischen Landesposaunenwart Hermann Mühleisen entwickelten Oberstimme. Während der dritten Strophe beginnen die Münsterglocken zu läuten. Zum Schluss wird die dritte Strophe des Chorals „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ – bei den Bläsern schlicht als „Gloria“ bekannt – gespielt.

Hinweise:

Bestand K 24 ejw

Landesposaunentag mal anders – Evangelisches Jugendwerk in Württemberg (ejw) – EJW (ejwue.de)

EJW feiert – Evangelisches Jugendwerk in Württemberg (ejw) – EJW (ejwue.de) 

Kriminalgeschichten aus dem Ulmer Münster

3. Juni 2019 | | ,

„Denen ist wohl nichts heilig!“, mag sich der ein oder andere Leser der Südwestpresse am Freitag den 14. Juni 1985 gedacht haben, als er beim Durchstöbern der Zeitung auf folgenden Artikel stieß: „Mit Schrauben und Blei gegen die Bibel-Diebe“. Der Autor dieses Artikels empörte sich über die anhaltende Entwendung einer Bibel, die in der Bessererkapelle des Ulmer Münsters den Altar schmücken und die Besucher zum Lesen anregen sollte. Allein drei Mal sollen laut Redakteur Spaßvögel im Jahr 1985 zugeschlagen und die Bibel aus Scherz, Übermut oder vielleicht dem Nervenkitzel einer Straftat entwendet haben. Eine dieser entwendeten Bibeln sei später wieder aufgetaucht und vom damaligen Münsterbaumeister Lorenz in mühsamer Handarbeit aufbereitet worden. Als das derzeitige Bibelexemplar aus der Bessererkapelle entwendet wurde, kam das aufgearbeitete Objekt wieder an seinen angestammten Platz – und wurde prompt erneut gestohlen. Eine neue Bibel musste her, und dieses Mal sollte die Bibel auch dort bleiben, wo sie hingehörte. Daher verschraubte man dieses Exemplar an seiner Unterlage, einem kleinen Lesepult auf dem Altar. Zusätzlich lies Gerhard Lorenz das hölzerne Pult mit Blei füllen.

Während man im Fall der Bibel von einer Lappalie sprechen kann, hatten andere im Archiv der Ulmer Münsterbauhütte dokumentierten Diebstähle im Münster größere Auswirkungen. Pfarrbildnisse schienen Verbrecher ebenso angezogen zu haben, wie die Bibel aus der Bessererkapelle. 1971 entwendeten Diebe ein Pfarrbildnis J.G. Sappers aus dem Jahr 1737. Das Bildnis war mittels Plastikdübel am Rahmen mit der Wand verschraubt worden. Das half aber nichts, das Bild samt Rahmen und Dübel waren verschwunden. Ein weiterer aus den Unterlagen hervorgegangener Fall betrifft das Bildnis Sebastian Besserers, Bürgermeister der Stadt Ulm im 16. Jahrhundert, und ereignete sich 1968. Tatort war erneut die Bessererkapelle. Besonders an diesem Fall ist, dass der Diebstahl wohl erst mehrere Wochen nach der Tat entdeckt worden war. Das Bildnis wurde aus seinem Rahmen herausgeschnitten. Dieser leere Rahmen wurde zwar bemerkt, sei aber über längere Zeit nicht hinterfragt worden, da es sich dabei auch um eine Restaurierungsmaßnahme der Bauhütte hätte gehandelt haben können, bis ein Zimmermann der Münsterbauhütte den leeren Rahmen meldete.