15. Mai 2024 | Anette Pelizaeus | Inventarisation, Kirchen, Kunstgeschichte
Im ehemaligen Dienstgebäude des Oberkirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Württemberg befanden sich mehrere Sitzungssäle, darunter der so genannte Brenzsaal, benannt nach dem Reformator Johannes Brenz (1499-1570) der Reichsstadt Schwäbisch Hall und des Herzogtums Württemberg. In der Stuttgarter Stiftskirche befinden sich Epitaph und Grabplatte des bedeutenden Theologen, der auch in zahlreichen Wandmalereien in Kirchen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gewürdigt wird. Im ehemaligen Brenzsaal befand sich ein Okulus (Rundfenster) mit einer Pfingstdarstellung, die 1988 von der Künstlerin Regine Schönthaler, einer Schülerin des Glasmalers Hans Gottfried von Stockhausen (1920-2010), geschaffen wurde. Das Glasfenster wird von einem lichtdurchfluteten Dreieck dominiert, dessen Spitze nach unten zeigt und im unteren Bilddrittel schließt. Seitlich davon sind rechteckig übereinander angeordnete graue und ockergraue Farbgläser zu sehen, die stufenförmig nach oben ansteigen und von schmalen, hoch aufragenden grünen und grünblauen Farbgläsern abgelöst werden. Das zentrale Dreieck kann als Symbol des Heiligen Geistes gedeutet werden, der die Erde mit seiner Schöpfung durchzieht und in ihr wirkt. Das eigentlich unbetitelte Glasfenster wurde so mit Pfingsten in Verbindung gebracht und das Wirken des Heiligen Geistes auf Pfingsten bezogen. Gerade in der heutigen Zeit, die von so viel Hass, Krieg, Leid und Tod geprägt ist, sind die Zeichen des einstigen Pfingstereignisses, gerade auch im Hinblick auf die Verständigung in der Welt, nicht nur tröstlich, sondern geben Hoffnung auf Aufbruch und Veränderung, auf eine neue Zeit, die von der Würde des Menschen geprägt ist.
2. Juni 2022 | Anette Pelizaeus | Kunstgeschichte
Die biblische Geschichte des Pfingstwunders aus dem Neuen Testament (Apg 2, 1-24) wird im südlichen Chorfenster der vmtl. ab dem 14. Jahrhundert errichteten Pfarrkirche St. Mauritius in Rommelshausen visualisiert, und zwar in den Glasmalereien eines spitzbogig schließenden Maßwerkfensters, das aus zwei genasten Lanzetten mit bekrönendem Couronnement besteht. Die Farbgläser wurden 1986 von der 1941 in Stuttgart geborenen Künstlerin und Glasmalerin Anne Dore Kunz-Saile, Tochter des Glasmalermeisters Adolf Valentin Saile und Bruder von Glasmalermeister Valentin Saile, im V. Saile Atelier für Glasgestaltung geschaffen und im Chorfenster der Mauritiuskirche eingesetzt. Das Bildwerk ist entsprechend der Wundergeschichte in verschiedenen Ebenen zu lesen. Im bekrönenden Couronnement des Maßwerkfensters erscheint die Trinität, das heißt der dreieinige Gott in Gestalt eines einem Dreieck einbeschriebenen Auges als Symbol für Gottvater, dem hinterfangenden Kreuz als Symbol für seinen Sohn und schließlich den zungenförmigen Flammen als Symbol für den Heiligen Geist. Der dreieinige Gott sendet seinen Geist in Gestalt eben dieser rot und gelb aufleuchtenden Flammen über die Köpfe der Jünger, die in den beiden Lanzetten des Maßwerkfensters dargestellt sind. Vom Heiligen Geist erfasst vermögen sie, so erzählt es die Bibel, in verschiedenen Sprachen zu sprechen, so dass jeder die Botschaft der Bibel verstehen kann. Alle Jünger spüren in unterschiedlicher Weise die göttliche und gleichsam enorme Wirkungskraft des Heiligen Geistes, wissen aber nicht, wie ihnen geschieht, sind fassungslos, erschrocken, verwundert oder überrascht und wenden sich großenteils in ihrer jeweils individuellen Mimik, Gebärde, Gestik oder auch Blickrichtung Gottvater zu. Sie sind versammelt in einer schlichten grüngefassten Rahmenarchitektur mit abschließendem Giebel als Zeichen für das Haus, in welchem sie zusammenkamen. Im oberen Abschluss der rechten Lanzette ist der Turmbau zu Babel aus dem Alten Testament (Gen. 11, 1-9) als Antonym für das Pfingstwunder zu sehen, ein Wunder der Verständigung trotz der vielen unterschiedlichen Menschen, die sich einst anschickten, den Turm zu bauen. Im oberen Abschluss der gegenüberliegenden Lanzette ist ein Schiff wiederum als Symbol für die Kirche zu sehen, das in allen Zeiten des menschlichen Lebens immer wieder neu und in anderen Wegen in und zu Gott unterwegs ist. In der Pfingstdarstellung von Rommelshausen ist also die Kirche im alt- und neutestamentlichen Kontext und in unterschiedlichen theologischen Auslegungen bis in unsere moderne Gesellschaft hinein präsent und somit gewinnt der schon immer in ihr wohnende Heilige Geist auch für uns heute noch umso mehr an Bedeutung.
Literatur:
Hepperle, Jürgen: Die Evangelische Mauritius-Kirche zu Kernen-Rommelshausen. Kleiner Kirchenführer zum 150jährigen Jubiläum. Kernen i.R. 1994, S.16-17.
Schahl, Adolf: Die Kunstdenkmäler des Rems-Murr-Kreises. Bd.1. München 1983, S. 424-428.
Philipps, Albrecht: Creator Spiritus. Das Wirken des Heiligen Geistes als theologisches Grundthema. Göttingen 12019.
Sachs, Hannelore/Badstübner, Ernst/Neumann, Helga: Christliche Ikonographie in Stichworten. Leipzig 31988, S. 283-284.