Schlagworte: Jugendfürsorge

Ein Stück Bethel in Württemberg. Pfarrer Karl Haldenwang gründete 1838 in Wildberg die erste Internatsschule für geistig Behinderte in Deutschland

29. Januar 2025 | |

Mit seiner Ernennung zum Pfarrer des Städtchens Wildberg (1833) kam Karl Georg Haldenwang (1803-1862)  in eine bettelarme und hoch verschuldete Gegend, die zugleich mit Kleinkriminalität und sittlichen Vergehen zu kämpfen hatte. Die Bekämpfung der Armut und Not der Bevölkerung, v. a. aber auch eine Minderung des Elends der hilflosen, verspotteten und oft ausgestoßenen behinderten Kinder wurden zu Haldenwangs oberstem Ziel.

Aus diesem christlich motivierten Anspruch und seinem festen Willen heraus konnte er 1838 die Internatsschule „Rettungshaus für schwachsinnige Kinder“ für zunächst 15 geistig behinderte Kinder in einer angemieteten Wohnung eröffnen. Karl Haldenwang kaufte bereits ein Jahr später ein Haus, in dem nun 30 Kinder lebten und unterrichtet wurden und das seine Schwester leitete. Doch Haldenwangs schwacher Gesundheitszustand ließ einen weiteren Einsatz von ihm in Wildberg nicht zu, er wurde 1845 nach Giengen versetzt. Bereits zwei Jahre später 1847 musste die Wildberger Schule für geistig Behinderte schließen; zehn Kinder wurden von der neu eröffneten Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg bei Gammertingen übernommen.

In Erinnerung an diese Lebensleistung setzte sich 1970 der Rektor der Sonderschule für bildungsschwache Kinder und Jugendliche in Leonberg-Ramtel für die Benennung „seiner“ Schule als „Karl-Georg-Haldenwang-Schule“ ein. Bereits im September 1971 kam Rektor Eberhard Schmalzried mit der angestrebten Namensgebung zum Ziel.

Doch diesem Vorhaben ging eine jahrelange Beschäftigung mit den Anfängen der Behindertenarbeit und damit auch mit dem schwäbischen Pfarrer Karl Haldenwang durch Schmalzried voraus. Davon zeugen die zum „Nachlass Karl Haldenwang“ formierten Unterlagen, die nicht wenige Originalschriftstücke von Haldenwang enthalten. Sie übergab Eberhard Schmalzried 2005 dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart.

Die Nachlassunterlagen erhielten die Signatur D 194, umfassen 14 Akten mit einem Umfang von 0,1 lfm. und weisen die Laufzeit (1784) 1818, 1832-1861, 1929, 1970-2001 auf. Deren Erschließungsdaten sind online recherchier- und die Akten selbst in unserem Lesesaal einsehbar.

Karl Haldenwang mit Ehefrau, seinen beiden jüngsten Kindern sowie seinem Schwiegervater (um 1860) [LKAS, D 194, Nr. 14-2]

Abschluss Bestand L 9 Evangelische Jugendheime Heidenheim

13. Juli 2022 | |

Der Bestand L 9 Evangelische Jugendheime Heidenheim bereichert nun das Landeskirchliche Archiv mit insgesamt 48 Regalmetern, die sich in 9 m Sachakten und 39 m Klientenakten gliedern. Der Bestand eignet sich für Forschungen zur Fürsorgeerziehung von den 1960er Jahre bis in die 1990er Jahre. Hinter jeder Einzelfallakte steht das Schicksal eines jungen Menschen, dem in den Jugendheimen die Möglichkeit geboten wurde, einen Schul- oder Berufsabschluss zu machen, um sich damit eine solide Lebensperspektive aufzubauen und nicht erneut straffällig zu werden. Die Evangelischen Jugendheime wurden 1908 als „Fürsorgeheim Heidenheim e.V.“ gegründet. Nach dem Bau des Heims erfolgte 1910 die Aufnahme der ersten drei Jugendlichen. Ein Jahr später kamen über die Vermittlung der Landarmebehörde  weitere 42 Jugendliche hinzu. Das Besondere am  Fürsorgeheim Heidenheim war die Möglichkeit einer Ausbildung zum Schuhmacher, Schneider, Schlosser oder Schreiner. Dies war ein absolutes Novum in den damaligen evangelischen Jugendhilfe Einrichtungen, denn alle anderen Institutionen bildeten ihre Auszubildenden für die Mitarbeit in der Landwirtschaft aus. Die Ausbildung zum Schlosser und Mechaniker in den 1920er Jahren galt als zukunftsorientiert und verbesserte die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Werkstätten erweitert und die jungen Männer konnten sich auch zum Sattler, Polsterer oder Maler ausbilden lassen. In den 1970er Jahren erfolgte die Einrichtung der Ausbildungszweige zum Elektriker und Koch.

Die Überlieferung der im Landeskirchlichen Archiv vorhandenen Akten beginnt erst nach dem Zweiten Weltkrieg und endet Mitte der 1990er Jahre. Aus der Anfangszeit des Heimes sind leider keine Unterlagen überliefert, lediglich das Protokollbuch von 1908-1938 ist erhalten geblieben. Die Akten geben einen guten Überblick über die Fürsorgeerziehung der 1960er bis 1990er Jahre. Allerdings sind die Klientenakten mit einer Schutzfrist von 120 Jahren belegt, nur die Betroffenen selbst können Einsicht in ihre Akte erhalten. Manche Sachakten, sofern sie biographischer Datender Heimbewohner oder Mitarbeitenden enthalten, sind ebenfalls mit einer Schutzfrist belegt. Ansonsten können diese eingesehen werden.

Bestand L9 in der Beständeübersicht des Landeskirchlichen Archivs

Beitragsbild: Plakat bzw. Titelbild für die Festschrift,1960, L 9 Nr. 2521