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75 Jahre Wiedereinweihung Leonhardskirche. Gedenkgottesdienst und Ausstellung anlässlich zweier historischer Daten

28. Mai 2025 | | ,

Mit einem Gedenkgottesdienst am 1. Juni 2025 um 10 Uhr und der anschließenden Ausstellungseröffnung erinnert die Evangelische Leonhardsgemeinde Stuttgart an zwei wichtige historische Ereignisse nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Bereits am 3. Juni 1945, also kurz nach der Kapitulation am 8. Mai, wurde hier der erste Gottesdienst gefeiert. Nach weniger als fünf Jahren, am 19. März 1950, konnte die wiederhergestellte Leonhardskirche neu eingeweiht werden.

Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Stuttgarter Leonhardskirche (1945). AS 1 (Fotosammlung Landeskirchliches Archiv), Nr. 1593.

Die Stuttgarter Innenstadt war nämlich am 25. und 26. Juli 1944 so stark bombardiert worden, dass nicht nur nahezu 900 Menschen starben und fast 2.000 Menschen verletzt wurden, sondern auch viele Gebäude zerstört oder schwer beschädigt wurden.

Leonhardskirche Stuttgart. Außenansicht. Evangelisches Archiv Baden und Württemberg, Inventarisation.

Der Wiederaufbau der Leonhardskirche war von großer Bedeutung, denn die Kirche wurde einst von Zisterziensern gegründet. Im Jahr 1334 kamen zwei Zisterziensermönche aus dem bayerischen Kloster Fürstenfeld nach Stuttgart. Im Jahr 1337 stiftete die Stuttgarter Bürgerschaft eine kleine Kapelle zu St. Leonhard vor dem Esslinger Tor, die am 8. Juli 1339 eingeweiht wurde. Spätestens im Jahr 1408 wurde die Kapelle durch eine einschiffige Kirche mit Chor und Turm ersetzt. Von 1463 bis 1466 wurde die Kirche durch die beiden Baumeister Aberlin Jörg und vermutlich Conrad von Gundelsheim zu einer dreischiffigen Hallenkirche mit fünf Jochen und einem dreijochigen Langchor mit 3/8-Schluss erweitert. Vermutlich wurde nach 1482 auf der Chornordseite eine Sakristei (Alte Sakristei) angebaut. Von 1856 bis 1858 wurde der Kirchenraum im neugotischen Stil renoviert und mit einem neuen Altar und einer neuen Kanzel ausgestattet. 1898 wurde nach Plänen von Baurat Frey südlich des Chores eine zweite Sakristei erbaut, um Platz für die Unterbringung von Brautgesellschaften und die Abhaltung des Konfirmandenunterrichts zu schaffen (Neue Sakristei). Von 1883 bis 1884 erfolgte eine umfassende Renovierung des gesamten Kirchenbaus. Im Jahr 1884 wurde eine erste Empore eingebaut. Nach einem Brand, der durch einen Heizungsdefekt verursacht wurde, musste die Kirche 1902 an mehreren Stellen restauriert werden. Am 25. Juli 1944 wurde die St.-Leonhard-Kirche durch einen Bombeneinschlag zerstört; allein die Umfassungsmauern und die nördliche Pfeilerreihe blieben erhalten. Ab 1948 erfolgte der Wiederaufbau der Kirche nach Plänen der Architekten Rudolf Lempp und Gerhard Schneeweiß. Am 12. Dezember 1948 wurde Richtfest gefeiert und am 19. März 1950 fand die erneute Einweihung statt.

Epitaph für Johannes Reuchlin von 1501. Foto: EABW, Inventarisation.

Die Leonhardskirche zeichnet sich erstens durch den hochrechteckigen Gedenkstein für Johannes Reuchlin aus dem Jahr 1501 aus. Dieser wurde ursprünglich für das Stuttgarter Dominikanerkloster (Hospitalkirche) geschaffen, doch Reuchlin wünschte schließlich, dass er in der Leonhardskirche beigesetzt wird. Das Denkmal wurde im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, konnte nach seiner Restaurierung im Jahr 1955 jedoch wieder in der Leonhardskirche aufgestellt werden.

Der Kirchenchor mit den Glasmalereien von Wolf-Dieter Kohler. Foto: EABW, Inventarisation.

Erwähnenswert sind zweitens die Glasmalereien, die in den 1950er Jahren von Wolf-Dieter Kohler für den Chor geschaffen wurden. Drittens ist das historische Chorgestühl aus der Hospitalkirche erwähnenswert, das 1943 ausgebaut und zunächst in der Thomaskirche in Stuttgart-Kaltental eingelagert wurde, bevor es 1950 in der Leonhardskirche aufgestellt wurde. Viertens ist schließlich die Abendmahlsgarnitur zu nennen, die 1985 von Hermann Stadelmacher für die Leonhardskirche aus dem Silber gegossen wurde, das einst im Feuersturm in der Kirche geschmolzen war.

Verglichen mit dem heutigen Bestand der Vasa Sacra sei aus der Pfarrbeschreibung der Leonhardskirche von 1905 (LKA S, Nr. 4380) der damalige Bestand zitiert. Damals wurden aufgelistet: „1 silbernes Altarkruzifix, 8 silberne Abendmahlskannen, 6 silberne Kelche mit Patenen, 2 silberne und 2 ebenhölzerne Hostienkästchen, 2 silberne und 2 zinnerne Taufgeräte, 7 silberne Opferteller, 2 silberngoldene Löffel, 2 silberglattierte, 2 versilberte und 2 ganz silberne Altarleuchter.“

Detail aus einer Abendmahlskanne des 19. Jahrhundert. Foto: EABW, Inventarisation.

Die Kreuzigungsgruppe wurde ursprünglich im Jahr 1501 von Hans Seyffer geschaffen und vom Ehepaar Jakob Walther, genannt Kühorn, der damaligen Bürgermeister und Vogtamtverweser von Stuttgart, und Klara, geborene Mager, gestiftet. Ursprünglich befand sie sich auf dem ehemaligen Leonhardskirchhof hinter dem Chor der Leonhardskirche. Gemäß der Stiftung sollte sie als Friedhofskreuz am Chor der Leonhardskirche aufgestellt werden. Sie besaß ursprünglich einen sechseckigen architektonischen Sockel, auf dem ein künstlicher Felsenhügel ruhte. An diesem waren das Jahr der Fertigstellung (1501) und die Wappen des Stifterpaares angebracht. Auf dem Hügel befanden sich ein Totenkopf, Gebeine und Getier. Darüber erhob sich das Kruzifix. Zu seinen Füßen kniete Maria Magdalena als Rückenfigur. Rechts und links des Kreuzes waren Maria und Johannes dargestellt. Über dem Haupt Christi befand sich der dreisprachige Titulus.

Kreuzigungsgruppe. Foto: EABW, Inventarisation

 

1889 wurde die Figurengruppe zum Schutz vor Verwitterung von der Leonhardskirche in die Hospitalkirche verlegt. Dort sind die Figuren, wie auch heute noch, auf einzelnen Sockeln aufgestellt. Im Jahr 1905 wurde unter der Leitung von Adolf von Donndorf eine Kopie der Kreuzigungsgruppe angefertigt. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wiederhergestellt und im Jahr 1948 neu eingeweiht. Aufgrund erneuter Witterungsschäden wurde sie 1975 durch eine Kopie ersetzt, die von Günter Schönfeld geschaffen wurde.

Im Gottesdienst kommen zudem die historischen „Vasa Sacra“, also das Abendmahlsgeschirr aus Silber, das im Feuersturm in der Kirche geschmolzen war, zum Einsatz.

Quellen: EABW, K1, Nr. 220; EABW, A 29, Nr. 4380 (Pfarrbeschreibung).

Literatur: Chronik der Leonhardskirche, in: Evangelischen Leonhardskirche Stuttgart. Zerstörung und Wiederaufbau, S. 11-22; Möhring, Harald: Stuttgart Ev. St. Leonhardskirche. München Zürich. 1. Aufl. 1984, S. 2-6; Wais, Gustav: Die St. Leonhardskirche und die Hospitalkirche zu Stuttgart. Stuttgart 1956, S. 11-39: Halbauer, Karl; Binz, Maria: Das Stuttgarter Dominikaner-Chorgestühl. Das Chorgestühl der ehemaligen Stuttgarter Dominikanerkirche (Hospitalkirche) heute in der Leonhardskirche. Stuttgart 2014, S. 22-51, 49-51; Halbauer, Karl; Binz, Maria: Das Stuttgarter Dominikaner-Chorgestühl. Das Chorgestühl der ehemaligen Stuttgarter Dominikanerkirche (Hospitalkirche) heute in der Leonhardskirche. Stuttgart 2014, S. 7-79.

 

 

 

 

Neu im Archiv

17. Januar 2025 | |

Wir begrüßen Janine Riehl in unserem Archiv. Sie absolviert bei uns ihr dreimonatiges Pflichtpraktikum im Rahmen ihres Masterstudiums der Kunstgeschichte an der Universität Stuttgart. Sie wird unsere Inventarisatorin Dr. Anette Pelizaus bei der Inventarisierung der Kunstgegenstände der Evangelischen Landeskirche unterstützen. Dazu gehören Termine in den Kirchengemeinden, bei denen Kunstgegenstände wie Vasa Sacra, Gemälde, Skulpturen oder Glasmalereien systematisch erfasst und fotografisch dokumentiert werden. Wir heißen sie herzlich willkommen und wünschen ihr eine schöne und lehrreiche Zeit!

Foto: LKAS

Inventarisierung der Jugendstilkirche Gaggstatt. Ein Bericht aus dem Freiwilligen Sozialen Jahr

7. November 2023 | |

Am 27.09.2023 durfte ich zum ersten Mal bei einer Inventarisierung dabei sein. Anstatt wie bisher im Büro bestehende Akten zu sortieren oder zu digitalisieren, konnte ich hier hautnah bei der Aufnahme eines neuen Bestandes dabei sein. Bei der Inventarisierung im speziellen, wird nicht nur ein neuer Bestand aufgenommen, der Bestand muss erst geschaffen werden. Dies geschieht mithilfe von Fotoaufnahmen der entsprechenden Objekte und einer eingehenden Beschreibung derselben. Maße, Name, Datierung und Herkunft werden vor Ort bestimmt, während eine eingehende Werkbeschreibung u.a. anhand der Fotos im Archiv angefertigt wird. In diesem Fall handelte es sich bei dem „Bestand“ um die Jugendstilkirche Gaggstatt.

Die Inventarisierung beginnt morgens und nimmt einen ganzen Arbeitstag in Anspruch. In Gaggstatt angekommen, übergab uns die Mesnerin die Schlüssel und wir durften uns frei in der Kirche umsehen.

Die mit ihren Doppeltürmen für das sonst relativ kleine Dorf Gaggstatt doch schon sehr imposante Jugendstilkirche wurde 1904 nach dem Entwurf des bekannten Architekten Theodor Fischer gebaut. Die mangelnde Fantasie bei der Namensgebung machte er bei der Gestaltung der Gottesdienstraumes mehr als wett. Neben der auffallend farbenfrohen Ausstattung, wie den Kacheln entlang der Empore und den blauen Bänken, die immer gleichzeitig eine oder mehrere symbolische Bedeutungen haben, gibt es in der Kirche viele kleine versteckte Details zu entdecken. So zum Beispiel ein kleines Relief im Treppenaufgang, das mit den Tieren Katze, Ratte, Frosch und Fliege die Schöpfungsordnung Gottes darstellt.

Im Rahmen der Inventarisierung wurde zunächst das liturgische Gerät erfasst, das in diesem Fall, da es sich um eine evangelische Kirche handelt, nur die Abendmahlskelche, die „Vasa Sacra“, umfasste. Es gab 7 Stück davon, die meisten aus vergoldetem Kupfer, Silber oder Zinn. Eine Besonderheit war ein Kelch, der sowohl Stilmerkmale des 15. als auch des 19. Jahrhunderts aufwies und daher nicht eindeutig zuzuordnen war.

Nach der Verzeichnung des Liturgischen Geräts wendeten wir uns dem Kirchenschiff zu. Wichtig sind hier die Prinzipalstücke Taufstein, Altar und Kanzel sowie eventuell weitere architektonische Details. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen sind es hier nicht die Glasfenster, sondern die Brüstung der Empore, die mit sieben sich wiederholenden Motiven auf großen Kacheln verziert ist. Zwei der Kacheln sind abgeschnitten, als Symbol für die Unvollständigkeit der Schöpfung Gottes. Über dem Altarraum befand sich außerdem ein großes Relief, das die 3 wichtigsten Ereignisse des Christentums darstellte: Weihnachten (Geburt Christi), Ostern (Tod Christi) und Pfingsten (Empfang des Heiligen Geistes).

Eine Überraschung erwartete uns beim letzten Element:

Der Taufstein selbst war nicht mehr im Original vorhanden, sondern eine in eine Nische eingelassene Schale mit einem Holzdeckel im Jugendstil. Der ursprüngliche Taufstein befand sich, wie uns der Pfarrer später erklärte, in der Nachbargemeinde. So machten wir, bevor wir mit der Aufnahme des Kirchengebäudes fortfuhren, einen kurzen Abstecher in die Kirche des Nachbarortes.

Nachdem wir dort den, im Vergleich zum restlichen Kirchenmobiliar, relativ unspektakulären Taufstein verzeichnet hatten, kehrten wir wieder zurück zum ursprünglichen Einsatzort und fuhren anschließend mit der Empore fort. Dies umfasste die Orgel und zwei Prozessionskreuze.

Zuletzt schlossen wir die Kirche ab und machten noch einige Außenaufnahmen. Ich fand diese Abwechslung zum bisherigen FSJ-Alltag sehr spannend und würde mich freuen, bald wieder so etwas machen zu können.

Fotos: Inventarisation, Landeskirchliches Archiv Stuttgart

Die Inventarisierung der Kirchen der Württembergischen Landeskirche

15. Juni 2020 | | , ,

Das Landeskirchliche Archiv Stuttgart ist neben der Sammlung, Erhaltung, Verwahrung, Erschließung und Bereitstellung von Archivalien sowie den vielfältigen Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit auch für die Inventarisierung der einzelnen Kirchen der evangelischen Landeskirche in Württemberg zuständig.

Die Inventarisation der Kirchen in den Dekanaten der evangelischen Landeskirche in Württemberg beinhaltet die Dokumentation der einzelnen Bauwerke einschließlich der wissenschaftlichen Erfassung ihrer Baugeschichte, der Beschreibung des Innenraums und des Außenbaus, der einzelnen unbeweglichen und beweglichen Kunstgegenstände, der Vasa Sacra und schließlich der historischen Paramente. Zunächst werden die Kirchenbauten und die dazugehörigen Kunstobjekte vor Ort von allen Seiten fotografiert. Ebenfalls vor Ort wird für jedes einzelne Objekt eines Kirchenbaus mit der Hand ein Formblatt mit Titel, grober Beschreibung und Maßangaben erstellt. Anschließend wird im Landeskirchlichen Archiv in einer elektronischen Datenbank jede inventarisierte Kirche mit ihren einzelnen Kunstobjekten erfasst. In dieser Datenbank, in der jedes Objekt eine eigene Inventarnummer erhält, werden die Angaben zu Datierung, Baugeschichte, Material und Technik ergänzt, bei vorhandenen Inschriften die Transkriptionen erstellt, eine ausführliche Beschreibung des Objektes vorgenommen, Literaturnachweise hinzugefügt und die entsprechenden Fotos eingefügt.
Ziel der Inventarisation ist erstens die Kontrolle über Verluste und Neuzugänge von kirchlichen Kunstschätzen in den einzelnen Kirchen. Verlorenes Kunstgut kann dabei vielfach durch den Rückgriff auf die detaillierte Dokumentation identifiziert und auf diese Weise bisweilen auch wiedergefunden werden.
Zweitens, und das ist der weitaus wichtigere Part, versteht sich die Inventarisation als Dienstleistung für die einzelnen Kirchengemeinden und Dekanate der evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die wissenschaftliche Dokumentation der einzelnen Kirchen bietet die Möglichkeit der wissenschaftlichen Recherche für geplante Publikationen oder Ausstellungen, die dann auch vom Landeskirchlichen Archiv wissenschaftlich mitbetreut, gegebenenfalls auch mitorganisiert oder gar durchgeführt werden können. Auch Kirchenführungen durch die Inventarisatoren einzelner Kirchen sind immer wieder möglich und wurden, ebenso wie individuelle Ausstellungen, vielfach nachgefragt.
Die Ausstellung zur Dreihundertjahrfeier im Dekanat Besigheim oder der nun bald erscheinende Kirchenführer zur Stadtkirche St. Georg in Weikersheim sind herausragende Beispiele des offenen Dialogs zwischen Dekanaten, Kirchengemeinden und der Abteilung Inventarisation des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart.

Die Ansprechpartner für die Inventarisation sind Frau Dr. Anette Pelizaeus und Herr Claus Huber .

Beitragsbild: Unsere Inventarisatorin erklärt die Vasa Sacra der Herrenberger Stiftskirche. Foto: Landeskirchliches Archiv

Die Inventarisation auf der Homepage des Landeskirchlichen Archivs.