1634 – Quellen zu einem Schicksalsjahr des Dreißigjährigen Krieges im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart

27. Mai 2025 | | ,

Eines der entscheidendsten Jahre des Dreißigjährigen Krieges war das Jahr 1634. Bei Jahresbeginn dominierte im deutschen Südwesten die protestantische Großmacht Schweden, deren Heere die katholischen Gebiete südlich der Donau bis hinunter zum Bodensee besetzt hielten. Im Osten waren württembergische Truppen über die vorderösterreichische Grafschaft Hohenberg und die hohenzollerischen Herrschaften bis in das württembergische Amt Tuttlingen vorgerückt, hatten diese Gebiete besetzt und die Stadt Rottweil erobert. Von dort aus okkupierten sie die vorderösterreichische Landgrafschaft Nellenburg und die Stadt Radolfzell. Nur wenige Orte konnten diesen Besatzungsmächten widerstehen. So gelang es einem württembergischen Heer nicht, die vorderösterreichische Stadt Villingen zu erobern. Schwedische Heere hatten die Bodenseestädte Überlingen und Konstanz erfolglos belagert. Im Frühjahr 1634 unternahm der schwedische General Gustav Horn einen weiteren Versuch, die Stadt Überlingen in Besitz zu nehmen, scheiterte aber trotz mehrerer Versuche sowie einer starken Beschießung und musste die Belagerung nach wenigen Wochen aufgeben.

Trotzdem blieb die Macht der schwedisch-württembergischen Allianz insgesamt unangefochten. Das änderte sich schlagartig am 5. September 1634, als es bei Nördlingen zu einer großen Schlacht zwischen den kaiserlichen Verbündeten einerseits und den schwedisch-württembergischen Heeresverbänden auf der anderen Seite kam. Nach mehreren Stunden erbitterter Kämpfe konnte die kaiserliche Koalition der Gegenseite eine verheerende Niederlage zufügen. Tausende von Soldaten starben auf dem Schlachtfeld, mehrere schwedische Generäle und Offiziere gerieten in Gefangenschaft, und die Heere der unterlegenen Kriegspartei wurden zerstreut. Kaiser Ferdinand II. setzte seinen Sohn König Ferdinand von Ungarn – den späteren Kaiser Ferdinand III. – als Regent im Herzogtum Württemberg ein und beauftragte ihn, das Land zu besetzen. Als der noch junge Landesherr Herzog Eberhard III. von Württemberg von der Niederlage in Nördlingen erfuhr, ließ er in großer Eile im Schloss Stuttgart alles zusammenpacken und floh mit seiner Familie nach Straßburg. Die meisten Hofbeamten folgten ihm, und nur wenige Kirchenbeamte blieben in Stuttgart.

Die Einheiten des kaiserlichen Heeres besetzten nun das ganze Land und verübten an vielen Orten Gräueltaten. Außerdem schleppten sie Krankheiten ein, an denen im folgenden Jahr 1635 – dem schlimmsten Kriegsjahr – Tausende von Menschen starben, darunter über 200 evangelische Geistliche. Das ist auch der Grund, warum in vielen Gemeinden die Aufzeichnungen in den Kirchenbüchern abbrechen. Für das Jahr 1634 sind noch etwa für ein Drittel der württembergischen Kirchengemeinden Einträge in Tauf-, Ehe- und Totenbüchern vorhanden. Sie stellen wichtige Quellen für das Kriegsgeschehen dar, da die Pfarrer nicht selten die Todesumstände wenigstens in Stichworten notierten. Außerdem sind die Synodusprotokolle erhalten, also Protokolle über die Sitzungen der württembergischen Kirchenleitung. Auch dort musste man sich mit Problemen wie dem Pfarrermangel, zerstörten Pfarrhäusern und Kirchen und ungenügender Versorgung der im kirchlichen Dienst stehenden Personen befassen. So gibt es auch dort Notizen über Kriegsereignisse.

Diese Zeugnisse über die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges im Herzogtum Württemberg wurden nun für ein Buch ausgewertet, in dem über 2.000 Quellen aus dem Jahr 1634 für den südwestdeutschen Raum in chronologischer Folge inhaltlich zusammengefasst sind. Eberhard Fritz hat in seinem Band „Der Dreißigjährige Krieg in Südwestdeutschland. Quellen aus Oberschwaben, dem westlichen Allgäu, der Bodenseeregion mit dem Hegau und der nördlichen Schweiz, den fürstenbergischen Herrschaften und dem Herzogtum Württemberg, 1634 Dokumente aus über 20 Archiven in Südwestdeutschland und der nördlichen Schweiz ausgewertet, darunter auch die erwähnten noch erhaltenen Kirchenbücher und Synodusprotokolle. Aus den Totenbüchern wurden alle Einträge erfasst, in denen ein Sterbefall im Zusammenhang mit dem Krieg aufgeführt ist. Bereits zu Beginn des Jahres 1634, als Schweden und Württemberger das Land beherrschten, kam es vereinzelt zu Gewalttaten mit Todesfolge. Mit der Besetzung des Landes durch kaiserliche Truppen nach der Schlacht bei Nördlingen stieg die Zahl der Misshandlungen und Morde drastisch an. Die Menschen wurden systematisch verfolgt, gequält und ermordet. Durch die vollständige Auswertung der kirchlichen Quellen wird das Kriegsgeschehen eindrucksvoll greifbar. In Verbindung mit Dokumenten aus anderen Archiven verbindet sich die lokale und regionale Geschichte mit den großen Ereignissen des Krieges. Natürlich liest sich das Buch nicht wie ein Roman, sondern eher wie ein Tagebuch. Aber für viele Orte lassen sich besondere Ereignisse finden. Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

Totenbuch Waldenbuch, 9./19. Januar 1634: Am Sonntag, dem 9./19. Januar, wurden sechs kranke Soldaten nach Waldenbuch gebracht, von denen einer in der Nacht starb, der aus Marbach am Neckar stammen soll, dessen Namen man aber nicht weiß. [Die Datumsangabe erscheint doppelt, weil man in den protestantischen Territorien, so auch im Herzogtum Württemberg, nach dem Julianischen Kalender zählte, der zehn Tage vor dem heute gebräuchlichen Gregorianischen Kalender, welcher damals schon in den katholischen Herrschaften galt, liegt.].

Totenbuch Dagersheim, 11./21. und 12./22. September 1634: Paul Häger der Ältere wurde von kaiserlichen Soldaten erbärmlich umgebracht und ohne Leichenpredigt beerdigt. Ebenso erging es einen Tag später Konrad Widehopf.

Totenbuch Hohenhaslach, 13./23. und 14./24. September 1634: Am 3./23. September wurde Hans Rehm begraben, der von kaiserlichen Soldaten in den Weingärten erschossen worden war. Der alte Schultheiß Albrecht Steinlin wurde von Kroaten bei seinem Haus erschossen und am 14./24. September begraben.

In der Reihe „Der Dreißigjährige Krieg in Südwestdeutschland“ sind bislang fünf Bände erschienen, in denen die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges anhand von einigen tausend Quelleninhalten und Nachweisen über ihren Standort für die Jahre 1618 bis 1641 dokumentiert ist.

Wir weisen bei dieser Gelegenheit auf folgende früher erschienene Blogbeiträge zu Quellen zum Dreißigjährigen Krieg hin: