Schlagworte: Mission

Aus der Musealen Sammlung

12. Juli 2023 | |

In der Musealen Sammlung befindet sich ein interessantes Schnitzbild aus Kamerun, das den Titel “Das Reich Gottes in der Erdnuss” trägt. In vielen württembergischen Kirchengemeinden kennt man dieses Bild. Wie kam es dazu?

Im Vorfeld der Weltmissionskonferenz (1980) in Melbourne, Australien, schrieb der Ökumenische Rat der Kirchen 1979 seine Mitgliedskirchen an und bat um Beiträge und Reflexionen zum Konferenzmotto ‚Dein Reich komme’, einer Bitte aus dem Vaterunser. Die Presbyterianische Kirche in Kamerun bat darauf ihre Mitglieder – Theologen und Laien – um ihre Ideen dazu. Den ersten Preis bekam der Schnitzer Martin Loh Nyonka mit dem Tafelbild “Das Reich Gottes” in einer Erdnuss. Erklärung: Wie die Erdnuss zwei Kerne hat, besteht das Reich Gottes auch aus zwei Bereichen – der sozialen und der geistlichen Arbeit. Das Schnitzwerk wurde in Melbourne ausgestellt und ist jetzt im Besitz des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf. Lange hing es dort im Büro des Generalsekretärs. Da das Bild sehr großen Anklang fand, wurde es von Martin Loh Nyonka noch vier Mal nachgeschnitzt: zum einen für Papst Johannes Paul II, der sich am 12. August 1985 in Yaoundé mit Vertretern aller christlichen Kirchen in Kamerun traf, zum zweiten für Hans Knöpfli, den früheren Leiter des Kameruner Handwerkerzentrums in Bali-Nyonga, der die Arbeit von Martin Loh Nyonka begleitete, zum dritten für den späteren Landesbischof Eberhardt Renz anlässlich seines Ausscheidens als Afrikareferent der Basler Mission.

1987 lernte Pfarrer Jürgen Quack, den Schnitzer bei einem Besuch in Kamerun, kennen und bat ihn, eine weitere Kopie für seine Arbeit im Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE) in Württemberg zu fertigen. Quack zeigte das Bild in vielen Gemeinden und Schulen, um zum einen eine afrikanische Sicht auf das Kommen des Reiches Gottes kennenzulernen und zum anderen ein Gespräch über das Verständnis des Reiches Gottes in Deutschland anzuregen. Zur Vermittlung verwendete er Objekte aus der Kultur des Kameruner Graslandes, die im Bild dargestellt sind und ein Plakat mit erläuternden Texten.

Beitragsbild: Schnitzbild “Das Reich Gottes in der Erdnuss” (Inv. Nr. 22.130)

Begegnung im Archiv. Wer sind unsere Nutzerinnen und Nutzer, Teil 7

27. Juli 2022 | | ,

Wir treffen Dr. Katharina Krause. Sie ist Wissenschaftliche Angestellte am Lehrstuhl für Praktische Theologie III an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Eines ihrer derzeitigen Forschungsprojekte befasst sich mit den Verschränkungen von ‚frommem‘ und ‚kolonialem‘ Blick im Rahmen der Mission. Welche Bilder haben Missionare und Missionarinnen in ihren Berichten in Missionszeitschriften oder in Vorträgen transportiert? Welche Bilder haben sie konstruiert und aufrechterhalten, um beim Publikum in der Heimat ‚Missionssinn‘ zu wecken und sich der finanziellen und geistlichen Unterstützung ihrer Arbeit zu versichern?

Im Landeskirchlichen Archiv ist sie auf der Suche nach Objekten aus der China-Mission und wurde in der Musealen Sammlung fündig:

„Neben dem Kinderbuch ‚Agim erzählt aus China‘ von der württembergischen Missionarin und Schriftstellerin Anna Oehler, hat mich auch die Sammlung an chinesischen Kindermützchen berührt, die aus dem Nachlass einer schwäbischen Missionarsfamilie (Basler Mission) stammen. Kleine aufgenähte Spiegel und Troddeln sollen böse Geister von den Kindern fernhalten. Auch im Bilderbuch von Anna Oehler wird dieser Brauch thematisiert: Unter der Abbildung eines etwa zwölfjährigen Mädchens, das einen kleinen Jungen im Tragetuch auf dem Rücken trägt, findet sich folgender Reim:

‚Auf dem Köpfchen glattgeschoren,

deckend zu auch Hals und Ohren,

sitzt ein Mützchen wunderfein,

vorn ein kleines Spiegelein,

daß die bösen Geister gehen,

wenn sie sich darinnen sehn.

Auch zwei gelbe Glöcklein seht,

wenn er nun sein Köpfchen dreht,

fangen leise an zu klingen;

sie auch sollen Gutes bringen,

böse Geister von ihm jagen,

wenn sie sich ans Büblein wagen.‘

 

Was mit chinesischem ‚Dämonenglaube‘ gemeint sein konnte, wird hier in besonderer Weise sinnenfällig als eine Form des praktischen Umgangs und der Bewältigung der Sorgen und Nöte, die mit der hohen Kindersterblichkeit in dieser Zeit einhergingen.

Objekte wie diese dienten als Anschauungsmaterial für die heimatlichen Unterstützerkreise und prägten ein recht stereotypes Bild der „fremden Kultur“. Bisweilen fragt man sich auch, ob nicht ein Missverständnis das andere erzeugt. „Götzendienst“ und „Dämonenglaube“ werden neben dem scheinbar unausrottbaren „Materialismus der Chinesen“ als die größten Missionshindernisse beschrieben, denen wiederum mit der „Jesuslehre“ begegnet wird, die die chinesischen Mitarbeiter – sog. Evangelisten und Bibelfrauen – auch mittels einer „Bilderrolle“ illustrieren, auf der der ‚Breite und der Schmale Weg‘ abgebildet ist und im Landeskirchlichen Archiv als Reproduktion vorliegt:  In dieser Variante werden die die kritikwürdigen ‚chinesischen‘ Laster (Opiumsucht, Götzendienst, Dämonenglaube) der frommen Glaubenspraxis der Missionsgemeinden gegenüberstellt.

Als Forscherin, die zu Bekehrungsfrömmigkeit gearbeitet hat, kann ich diese Wahrnehmung vor dem Hintergrund der für diese Spiritualität maßgeblichen Diskurse einordnen – als Praktische Theologin frage ich mich aber doch auch, warum die bekehrungsfrommen Sinnformen zur Deutung und Bewertung immer gleich so unmittelbar zur Hand waren. Hatte es damit zu tun, dass die religiöse Praxis, die sich in einem solchen Mützchen realisiert, eben als nur aufs Materielle, Sichtbare gerichtet wahrgenommen wurde? Weil die schwäbischen Missionarsfamilien und ihr frommes heimisches Umfeld ihren ebenfalls kulturell stereotypen protestantischen Widerwillen an Dinge des Glaubens herantrugen? Im Lichte meiner empirischen Studien mit werdenden Eltern und Tauffamilien scheint mir das Anliegen, das sich im Gewebe eines solchen Kindermützchens materialisiert, wiederum sehr plausibel. Artefakte – man denke dabei auch an das Taufkleid – spielen auch im protestantischen Kontext eine zentrale Rolle, verbinden sich mit diesen letztlich doch jene Gewissheiten, die allein die Evidenz des Faktischen zu schaffen vermag. Und als Religionsethnografin schließlich, die gewohnt ist, scheinbare Selbstverständlichkeiten des eigenen religionskulturellen Kontextes zu befremden und kritisch zu hinterfragen, bereitet mir das Mützchen eine geradezu lustvolle Freude zur Provokation jener Asymmetrien, in die der fromme Blick seine ‚Anderen‘ zu zwingen versucht: Was sind denn eigentlich unsere ‚Dämonen‘? Und kennen wir sie so gut, dass wir genau wissen, womit wir ihnen auf die Nerven gehen?

Die dingliche Überlieferung ist neben der schriftlichen eine wichtige und aufschlussreiche Quelle für meine Forschungen. In der Musealen Sammlung habe ich noch einiges entdeckt, das ich mir beim nächsten Besuch genauer ansehen möchte.“

Aus den Anfängen der Tropenmedizin. Chinin gegen Malaria

23. April 2021 | |

In der Musealen Sammlung des Landeskirchlichen Archivs befinden sich mehrere historische Schaugläser mit Chinarinde aus verschiedenen Regionen der Welt. Die Rinde ist der Rohstoff für „Chinin“, das seit dem 17. Jahrhundert zur Therapie der Malaria verwendet wird. Malaria tritt vorwiegend in tropischen und subtropischen Klimazonen auf, wo sie durch den Stich einer weiblichen Stechmücke der Gattung Anopheles übertragen wird.
Um Tropenkrankheiten wie diese zu erforschen und zu bekämpfen, wurde im Jahr 1906 das Deutsche Institut für Ärztliche Mission (DIFÄM) gegründet. In Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen bereitete man Ärzte, Schwestern und Missionare auf ihren Auslandsaufenthalt vor und vermittelte neben medizinischem Basiswissen speziell auch Kenntnisse in Tropenmedizin. Für den Anschauungsunterricht baute das DIFÄM eine Lehrsammlung auf, aus der die Schaugläser stammen. In den Räumen der 1916 erbauten Tropenklinik (damals „Tropengenesungsheim“) informierte zusätzlich eine Ausstellung über die Erkenntnisse und Maßnahmen der Tropenmedizin in verschiedenen Regionen der Welt.
Das DIFÄM ist heute Träger der „Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus“ in Tübingen und der „Akademie für Gesundheit in der Einen Welt“. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Prävention und Behandlung von HIV und Aids, Malaria, Tuberkulose und anderen Infektionskrankheiten. Das DIFÄM leistet Beratung und finanzielle Unterstützung für Projekte von Partnerorganisationen und ist engagiert im Verband entwicklungspolitischer Nichtregierungsorganisationen sowie in kirchlichen Netzwerken.
Noch immer sterben knapp eine halbe Million Menschen weltweit jährlich an Malaria. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist sie mit etwa 200 Millionen Erkrankten pro Jahr die häufigste Infektionskrankheit der Welt. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich die Therapiemöglichkeiten vervielfacht. Dennoch sind chininhaltige Präparate bis heute von Bedeutung.
Ein Impfstoff gegen Malaria schien lange Zeit nicht in Sicht. Mittlerweile scheint ein Durchbruch gelungen und ein Produkt befindet sich im Zulassungsverfahren.

Das Inventar des Bestands im Landeskirchlichen Archiv finden Sie hier.

Aus den Anfängen der Tropenmedizin Die Schausammlung des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (Difäm)

19. April 2021 | | ,

Welch große Folgen ein kleines Virus haben kann, ist uns allen in den letzten Monaten deutlich geworden. Auch die hier in Schaugläsern gesammelten winzigen Tsetsefliegen haben es in sich: Sie übertragen die gefürchtete Schlafkrankheit, die in Afrika ganze Landstriche außer Gefecht setzt.

Um Tropenkrankheiten wie diese zu erforschen und zu bekämpfen, wurde im Jahr 1906 das Deutsche Institut für Ärztliche Mission (Difäm) gegründet. Die Initiative ging auf den christlich geprägten, sozial engagierten Stuttgarter Unternehmer Paul Lechler (1849 – 1925) zurück, der durch einen Missionsarzt der Basler Mission auf das Elend in Indien und anderen tropischen und subtropischen Ländern aufmerksam geworden war. Bereits 1909 konnte in Tübingen das Institutsgebäude des Difäm eingeweiht werden. In Kooperation mit der Universität wurden dort Ärzte und Pflegekräfte sowie Theologen der verschiedenen Missionsgesellschaften auf ihren Auslandsaufenthalt vorbereitet und in Tropenmedizin und medizinischem Basiswissen unterrichtet. 1916 wurde ein großes Genesungsheim für Tropenheimkehrer errichtet – das heutige Paul-Lechler-Krankenhaus, das als Spezialklinik für Tropenkrankheiten noch heute einen weit über Missionskreise hinausgehenden internationalen Ruf genießt.

Für den tropenmedizinischen Unterricht baute das Difäm früh schon eine Schausammlung auf. Neben dem Wissen über Krankheitserreger und Überträger beschäftigte man sich auch mit tropischen Heilpflanzen und medizinischen Rohstoffen sowie mit und Bräuchen und Heilpraktiken der jeweiligen Kulturen. Ein Teil dieser Anschauungsmittel aus der Epoche zwischen 1910 und 1930 kamen mit dem Archivbestand des Difäm im Jahr 2013 in die Museale Sammlung des Landeskirchliche Archiv Stuttgart.

Beachten Sie auch den ausführlichen Beitrag von Jakob Eisler zum Difäm auf WKGO.