Das Kind in der Krippe

18. Dezember 2024 | |

Die 1911-1913 von Martin Elsaesser erbaute evangelische Kirche in Stuttgart-Gaisburg, malerisch auf einem Hügel gelegen, zeigt in der Chorapsis einen Bilderzyklus von Käte Schaller-Härlin (1877-1973), die mit dem Architekten Martin Elsaesser an mehreren Kirchen in Württemberg zusammengearbeitet hat. Die Wandmalereien mit Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament widmen sich der Weltgeschichte und dem Leben Jesu von der Erschaffung des Menschen bis zur Auferstehung Christi. Eine der giebelartigen Darstellungen, die die Fensterzone krönt, zeigt die Geburt Christi im Stall von Bethlehem, die aufgrund ihrer außergewöhnlichen Inszenierung eine nähere Betrachtung verdient. Die Krippe ist auf einen Balken im Vordergrund reduziert, über dem ein weißes Tuch hängt. Dahinter sitzt Maria, leicht im Profil dargestellt, und hält mit beiden Händen das auf ihrem Schoß liegende Jesuskind, das durch ein kleines Kissen im Nacken bequem gebettet ist. Rechts hinter Maria steht Josef, der mit zum Gebet gefalteten Händen und zusammengezogenen Augenbrauen um Mutter und Kind bangt, denn die junge heilige Familie, deren Mitglieder alle einen Heiligenschein tragen, hat in der kalten Nacht keinen wirklichen Schutz. In dieser scheinbar ausweglosen Situation versucht Maria, das Kind so gut es geht zu wärmen, indem sie ihre Arme unter das Kind legt, es leicht an ihre Brust drückt und ihm den Kopf so weit wie möglich zuwendet, um sofort zu spüren, wenn das Kind aufwacht. Von Zuversicht zeugt dagegen der Hirtenjunge am rechten Bildrand, der sich der Familie zuwendet und das Kind mit dem Spiel auf seiner Schalmei in den Schlaf begleitet. Trotz der Besorgnis, die man Joseph anmerkt, wirkt die Szene ruhig und friedlich, da Maria und der Hirtenjunge sich nur darauf konzentrieren, das schlafende Kind auf keinen Fall zu stören, sondern es weiter schlafen zu lassen. Der Reduktion im Bewegungsablauf der Figuren entspricht auch ihre Körperdarstellung, die nicht in natürlichen, plastisch ausformulierten Zügen, sondern in eher großen Flächen mit dicken schwarzen Umrisslinien wiedergegeben ist, wobei gerade die Gesten und Gebärden an Bedeutung gewinnen. In dieser Konzentration auf das Wesentliche kulminiert die sanfte Expressivität dieser zentrierten Malerei, die die Geburt Jesu in uns lebendig werden lässt. Gerade in diesem Sinne dürfen wir auch in Zeiten großer Umbrüche und Veränderungen immer wieder neu zuversichtlich sein.

Quellen und Literatur zur Baugeschichte der Gaisburger Kirche in Stuttgart:

LKA Stuttgart, A 29, Nr. 1403; LKA Stuttgart, A 129, Nr. 224; Spitzbart/Schilling, Elsaesser, S. 95-100; Schilling, Jörg: Vom Nüchternen und Numinosen. Sakral- und Profanbauten im Werk Martin Elsaessers, in: Martin Elsaesser und der moderne Kirchenbau heute. Hrsg.v. Thomas Erne. Marburg 2014 (EKD Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, 6), S. 48-76; Schrode, Beate: Stadtpfarrkirche Stuttgart-Gaisburg 1913, in: Martin Elsaesser. Fünf Bauten in Württemberg. Hrsg. v. Elke Sohn. Stuttgart 2014 (Hochschule für Technik, 136), S. 37-45; Pantle, Kleiner Kunstführer, S. 4-9.

Foto: LKAS

Neu im Archiv

11. Dezember 2024 | |

Wir begrüßen Dr. Gregor Hofmann, der am 1. Dezember seinen Dienst im Landeskirchlichen Archiv angetreten hat. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Archivische Grundlagen, Digitale Archivierung, Archivrecht sowie Öffentlichkeitsarbeit. Dr. Hofmann stammt aus dem bayerischen Franken. Er studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Freiburg und schloss mit einem Master in Neuerer Geschichte ab. Anschließend promovierte er am Institut für Zeitgeschichte in München über den FC Bayern München in der Zeit des Nationalsozialismus. Über den Fußball erreiche man viele Menschen, die man sonst mit einem sperrigen Thema nicht erreichen würde, sagt er. Schon während seiner Masterarbeit recherchierte er in Archiven wie dem Stadtarchiv Stuttgart und dem Staatsarchiv Ludwigsburg. Im Laufe der Zeit wurde ihm klar, dass er in diesem Arbeitsfeld beruflich tätig werden könnte, und so bewarb er sich nach seiner Promotion an der Bayerischen Archivschule, um sich für den höheren Archivdienst vorzubereiten. Nun freut er sich darauf, das dort erworbene Wissen im Landeskirchlichen Archiv anwenden zu können.

Dichterisch den Glauben leben und vermitteln. Der Nachlass des Schützinger Schulmeisters Christian Mann (1820-1891) erfuhr eine Nachbearbeitung

4. Dezember 2024 | |

Christian Gottlob Mann (1820-1891) war kein Pfarrer. Der gebürtige Horrheimer begab sich nach einer Glaserlehre auf eine dreijährige Wanderschaft (1839-1842), die ihn unter anderem durch den Nordschwarzwald und nach Pforzheim führte.

Anschließend besuchte Mann sechs Jahre lang die Evangelistenschule „Zur Hoffnung“ von Ernst Joseph Gustav de Valenti in Bern. Diese Zeit scheint ihn in seiner Frömmigkeit und Glaubenslehre geprägt zu haben. 1848 legte Mann schließlich die Dienstprüfung als Lehrergehilfe ab. Anschließend war er als Unterlehrer in seinem Heimatort Horrheim tätig. Danach wurde er Schulmeister in Hohenklingen (1854-1859) und schließlich für drei Jahrzehnte in Schützingen (1860-1890).

1855 heiratete er Wilhelmine Katharine Höschele aus Gerlingen. Am 3. Juli 1891 starb Christian Mann in Waiblingen.

Der kleine, aber feine Nachlass wurde im April 2012 von Anna Spiesberger (Nr. 1-5) und im September 2024 von Heinrich Löber (Nr. 6-8) nacherschlossen. Auslöser waren die vier gebundenen Autographenbände, die dem Archiv mit Schenkungserklärung vom 21. November 2021 von einem Urenkel Christian Manns übergeben wurden.

Die zu einem Nachlass formierten Dokumente enthalten vor allem Reden in Gedichtform, aber auch Korrespondenz und Liedtexte. Darüber hinaus sind die genannten vier Bände mit „Betrachtungen“ zu Büchern des Neuen Testaments sowie Predigten und ‚Morgenstunden‘ aus Manns Zeit an der Predigerschule Dr. de Valenti in Bern überliefert.

Ein Fragment eines Ermahnungsgedichtes (undatiert; LKAS, D 58, Nr. 1) lässt seine von der Evangelistenschule geprägte Frömmigkeit erkennen:

Gott sagt:

Glaube! Denn ich kann retten.

Rufe! Denn du sollst beten.

Hoffe! Denn darfst trauen.

Warte, denn du wirst sehen.

Lob …

Der Bestand umfasst acht Akten in 0,2 lfm mit einer Gesamtlaufzeit von 1841 bis zum Todesjahr. Die Erschließungsdaten sind online recherchierbar , die Akten selbst können in unserem Lesesaal eingesehen werden.

Das Pfarrarchiv Schützingen befindet sich ebenfalls im Landeskirchlichen Archiv.