25. März 2022 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
In den Städten gehen aktuell viele Menschen auf die Straße, um gegen den Krieg in der Ukraine zu demonstrieren und ein Zeichen für den Frieden zu setzen.
In der Musealen Sammlung befinden sich einige Objekte, die einem 40 Jahre zurückliegenden Ost-West-Konflikt entstammen, aus der Zeit des Kalten Krieges. Auch wenn die Rahmenbedingung heute andere sind als damals, lohnt sich ein Blick in die Geschichte:
Die Angst vor einem Atomkrieg führte Anfang der 80er Jahre in vielen westlichen Staaten zur Entstehung einer breiten friedenspolitische Protestbewegung.
Als Antwort auf die Stationierung der neuen sowjetischen SS 20-Atomraketen, sah der NATO-Doppelbeschluss im Dezember 1979 die Stationierung von amerikanischen atomar bestückten Mittelstreckenraketen in Westeuropa vor. Viele sahen darin einen Rüstungswettlauf der Supermächte, der jedes vernünftige Maß überschritten habe.
Überall taten sich Menschen zusammen, um das Wettrüsten zu stoppen und für atomare Abrüstung einzutreten. Kirchliche Gruppen waren von Anfang an dabei: Eine der ersten großen Friedensdemonstrationen fand anlässlich des Deutschen Evangelischen Kirchentages im Juni 1981 in Hamburg statt. Auch bei den „Ostermärschen“ wurden in dieser Zeit hunderttausende Friedensbewegte in zahlreichen Städten und Regionen Westdeutschlands mobilisiert. Beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 1983 in Hannover waren es wieder Hunderttausende. Auf dem Höhepunkt der Friedensbewegung demonstrierten am 22. Oktober 1983 in Bonn, Berlin, Hamburg insgesamt 1,3 Millionen Menschen, einschließlich der zwischen Stuttgart und Ulm aufgestellten durchgehenden Menschenkette.
Die Mittel des Protestes waren gewaltfreie Aktionen, wie „Fasten für den Frieden“ oder Sitzblockaden vor Atomstandorten und Raketenabwehrstellungen. Bis heute legendär sind die Proteste und Blockaden des Pershing-II-Depots auf der Mutlanger Heide. In der kleinen Ortschaft auf der Schwäbischen Alb gab es jahrelang Friedensaktionen – eine Gruppe von Aktivisten wollte Mutlangen erst wieder verlassen, wenn die Atomwaffen entfernt seien.
Ungeachtet dieser Massenbewegung, billigte im November 1983 der Bundestag die Aufstellung von 108 Pershing II und 96 Cruise-Missiles.
Beitragsbild:
18.041
Friedenstransparent 1980er Jahre
Das Transparent wurde dem Ephorus des Evangelischen Stifts in Tübingen zu seinem Ruhestand von Theologiestudenten überreicht. In Erinnerung an die Proteste in den frühen 1980er Jahren, als „Stiftler gegen Atomwaffen“ ein ähnliches Transparent über dem Eingang des Stifts aufgehängt und das Haus damit zur Atomwaffenfreien Zone erklärt hatten. Obwohl Ephorus Hertel damals nicht begeistert war, er andere Protestformen besser gefunden hätte, und vom Evangelischen Oberkirchenrat massiv Kritik kam, ließ er das Transparent hängen. Zum Abschied 1987 bedankten sich die Studenten mit einer dem Original ähnlichen Nachfertigung des Transparents. Das Original von 1983 war nicht mehr vorhanden. Ein Foto davon befindet sich im Stiftsarchiv unter der Signatur: AEvST C1, Nr. 20.
Literatur: Johannes Grützmacher, Das Archiv des Evangelischen Stifts in Tübingen. Das Erschließungsprojekt „Stiftsarchiv“. In: BWKG 112. Jahrgang, 2012, S. 347-378, S. 375ff.
Friedensdemonstrationen und -aktionen
Folgende Objekte stammen von Friedensgruppen verschiedener evangelischer Kirchengemeinden.
-
-
13.025 Stoffband „Entrüstet euch“, 1983 Das Band wurde hergestellt aus Anlass der Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu-Ulm am 22. Oktober 1983. Es war eine Großdemonstration der süddeutschen Friedensbewegung im Rahmen einer bundesweiten Friedenswoche mit abschließenden „Volksversammlungen“. Die Menschenkette war 108 km lang und wurde nach Schätzungen der Veranstalter von 300.000 bis 400.000 Menschen gebildet. Ziel der Aktionen dieses Tages, an denen bundesweit 1,3 Million Menschen teilnahmen, war es, die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II und von neuartigen atomaren Marschflugkörpern (Cruise Missiles) in Deutschland und Mitteleuropa im Zuge des sogenannten NATO-Doppelbeschlusses zu verhindern.
-
-
15.114; 01-04 Buttons der Friedensbewegung, 1980er Jahre
-
-
15.115 Lehrmaterial Friedensarbeit, 1980er Jahre Die zwei Darstellungen zeigen die jeweilige Bewaffnung des westlichen und des östlichen Teils der Welt. Beim Zusammenfügen entsteht das Wort „Frieden“. Solches Didaktik-Material wurde in der Friedensarbeit eingesetzt, um das Wettrüsten von Ost und West zu kritisieren.
-
-
15.112 Demonstrations-Transparent aus einem Betttuch des „AK Frieden“ der Evangelischen Paulusgemeinde in Stuttgart-Zuffenhausen, 1980er Jahre.
-
-
15.113 Halstuch, Deutscher Evangelischer Kirchentag 1983 Auch mit Halstüchern setzten Friedensbewegte ein Statement: „Umkehr zum Leben. Die Zeit ist da: für ein Nein ohne jedes Ja zu Massenvernichtungswaffen“. Das Kirchentags-Motto „Umkehr zum Leben“ war dem Alten Testament entnommen (Ez 18,21-23).
24. März 2022 | Andreas Butz | Digitalisierung, Veranstaltung, Veröffentlichung
Das Landeskirchliche Archiv verfügt inzwischen über die Möglichkeit bewegte Bilder auf einem eigenen Youtube-Kanal zu veröffentlichen. Bislang sind noch nicht viele Inhalte hinterlegt, aber es soll mehr folgen. Wir haben bereits einige Ideen. Denkbar sind Einführungen in Bestände, virtuelle Führungen, Dokumentation von Vorträgen und anderen Veranstaltungen, Veröffentlichung von historischem Filmmaterial aus unseren archivischen Beständen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Weitere Informationen
16. März 2022 | Uwe Heizmann | Kurioses
Wer kennt das nicht? Man sitzt in einer Vorlesung, in einem Vortrag oder einer Besprechung und die Zeit will einfach nicht vergehen. Der Vortrag, dem man mehr oder weniger folgt, ist zäh wie Kaugummi und man fängt an, auf dem Notizblock mehr oder weniger kreative Zeichnungen hinzukritzeln.
Ob es dem Protokollanten in der Sitzung des Konsistoriums am 9. Februar 1813 auch so erging? Wir wissen es nicht, aber die Vermutung liegt nahe. Aufgrund der unleserlichen Schrift ist es leider schwierig, herauszufinden, was in besagter Sitzung besprochen wurde. Auf jeden Fall hat der Protokollant zwei Zeichnungen hinterlassen. Während in der ersten klar ein rückwärts blickender Reiter mit Hut und Peitsche auf einem Pferd zu erkennen ist, hat die zweite Zeichnungen wohl unter der Dauer der Sitzung gelitten: ein Reiter auf einem Pferd ist gerade noch zu erkennen.
Das Konsistorium war im Königreich Württemberg eine für die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten zuständige Abteilung innerhalb des Kultministeriums.
Quelle: Landeskirchliches Archiv Stuttgart, A 3, Nr. 77, S. 195-199, Zeichnungen auf S. 197 und 199.
-
-
S. 197
-
-
S. 199
-
-
S. 195
-
-
S. 196
-
-
S. 197
-
-
S. 198
-
-
S. 199
7. März 2022 | Andrea Kittel | Kunstgeschichte, Museale Sammlung
Rund 130 Kirchen hat der Stuttgarter Glasmaler Rudolf Yelin d. J. (1902-1991) in den 65 Jahren seines künstlerischen Wirkens ausgestattet. Seine eindrucksvollen leuchtend bunten Glasfenster sind in unzähligen Kirchen heute noch präsent. Zu seinem 120. Geburtstag wollen wir mit einem noch kaum beachteten Bestand an Originalskizzen für Kirchenfenster, Wandbehänge und Wandmalereien an ihn erinnern.
Rein zufällig, als verstaubter, leicht angegriffener Restbestand einer Auktion, kamen Ende der 1990er Jahre rund 160 großformatige Entwürfe von Rudolf Yelin d. J. in die Museale Sammlung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die Zeichnungen mit biblischen Szenen, Figuren und Symbolen sind Vorarbeiten für Kirchenfenster und Wandgestaltungen in Althütte, Beilstein, Birkenfeld, Ebhausen, Ebingen, Ernsbach, Gablenberg, Göppingen, Heilbronn, Mössingen, Honau, Ilsfeld, Oberndorf, Ohmenhausen, Rheinfelden, Schanbach, Sulzbach, Stuttgart, Trossingen, Ulm und Waiblingen im Zeitraum von 1927 und 1966. Da die Planzeichnungen fast ausschließlich im Maßstab 1:1 ausgeführt sind, gestaltete sich die Erfassung und Dokumentation recht schwierig. Die teilweise bis zu 7 m langen Papierbahnen werden im Landeskirchlichen Archiv nun aus Platzgründen in gerollten Zustand aufbewahrt.
Rudolf Yelin kam aus einer Pfarrer- und Künstlerfamilie. Er war der Sohn des Glasmalers Rudolf Yelin der Ältere (1864–1940) und der Bruder des Bildhauers Ernst Yelin (1900–1991). Nach seiner Ausbildung – zunächst an der Kunstgewerbeschule, dann bei der Glasmalerei Saile und schließlich an der Stuttgarter Kunstakademie – war er seit 1926 als selbständiger Kirchenmaler tätig. Nach dem Krieg lehrte er 24 Jahre lang, von 1946-1970, an der Stuttgarter Kunstakademie Glasmalerei. Zeit seines Lebens stand die sakrale Kunst im Mittelpunkt seines Schaffens.
Die ersten drei Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg markieren die wichtigste Epoche von Rudolf Yelins Werk. Der Wiederaufbau machte große umfassende Renovierungen und Kirchenneubauten notwendig. Bis Anfang der 1980er Jahre bestimmte Yelin, gemeinsam mit den künstlerischen Kollegen Adolf Valentin Saile und Wolf-Dieter Kohler maßgeblich die Fenstergestaltung für die evangelischen Kirchen in Württemberg und darüber hinaus.
Mit seinen theologisch ausgerichteten Bildprogrammen verstand sich Yelin in der Tradition der „christlichen Kunst“. Seine elementarisierten Figuren stehen in der Nachfolge des Expressionismus. Doch gerade dieser vornehmlich figurative künstlerische Ansatz lässt sein Werk heutzutage außerhalb des Mainstreams moderner Kunst erscheinen. Obwohl seine Glasfenster, Wandbilder und Altarwände heute noch die Räume von über hundert Kirchen zieren, ist Rudolf Yelin d. J. als Künstler im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit kaum mehr präsent.
Erfreulicherweise hat die Kunsthistorikerin Christa Birkenmaier im Jahr 2019 dem entgegengewirkt. In einer ansehnlichen, reich bebilderten Publikation hat sie das Leben und Werk dieses Künstlers nachgezeichnet, die großen künstlerischen und theologischen Entwicklungslinien herausgearbeitet und an ausgewählten Kirchen beschrieben. Ausführlich setzt sie sich mit seinen verschiedenen künstlerischen Lebensphasen auseinander, ordnet sein Schaffen innerhalb der christlichen Kunst ein, und spart auch nicht seine in der NS-Zeit entstandenen, vielfach sehr angepassten, Werke aus, von denen er sich in der Nachkriegszeit distanzierte. Weitere Autorinnen und Autoren komplettieren die Publikation mit begleitenden Texten und einem ergänzenden Bildteil, in dem alle verfügbaren baugebundenen sakralen Werke aufgeführt werden. Als großen Bonus enthält das Buch eine sehr hilfreiche „Yelin-Motiv-Quickfinder-Tabelle“, in der die einzelnen biblischen Motive, die mehrfach in Yelins Arbeiten auftauchen, einzelnen Kirchen und ihrem Entstehungsjahr zugeordnet werden – auch von Arbeiten, die, aufgrund von Zerstörung oder Renovierung inzwischen nicht mehr vorhanden sind. Durch diese Auflistung konnten mittlerweile auch manche der in der Musealen Sammlung aufbewahrten Planzeichnungen datiert oder auch nicht genau bezeichnete Motive einzelnen Kirchen zugeordnet werden.
LITERATUR:
Christa Birkenmaier (Hg.), Rudolf Yelin d. J. 1902-1991. Leben und Werk. Petersberg 2019
Landeskirchliche Zentralbibliothek: AQ 16 1050

-
-
Die klugen und die törichten Jungfrauen, Werkzeichnung für Glasfenster, Martin-Luther-Kirche Trossingen, 1927, Inv. Nr. 15.054-02
-
-
Farbvorlage für Glasfenster, Martinskirche Möhringen, 1962, Inv. NR. 15.035
-
-
Farbvorlage für Glasfenster, Martinskirche Möhringen, 1962, Inv. Nr. 15.036
-
-
Gethsemane, Werkzeichnung für Kirchenfenster, Sulzbach/Murr, Inv. Nr. 15.097-03
-
-
Bergpredigt, Werkzeichnung, ohne Datum, Titel und Ortsangabe, Inv. Nr. 15.096
-
-
Vorskizze, für Kirchenfenster (7,20 m lang!), ohne Bezeichnung, Inv. Nr. 15.088
-
-
Vier Evangelisten, Vorskizze für Kuppeldecke in der Matthäuskirche Stuttgart, Maßstab 1:20, 1950 Inv. Nr.: 15.XXX
-
-
Passion, Werkzeichnung für Kirchenfenster, Reuschkirche Göppingen, 1950, Inv. Nr. 15.052; 01-03
-
-
Farbvorlage für Kirchenfenster, Reutlingen-Ohmenhausen, 1959, Inv. Nr. 15.045
-
-
Farbvorlage für Glasfenster, Reutlingen-Ohmenhausen, 1959, Inv. Nr. 15.033
-
-
Der gute Hirte, Farbvorlage für Kirchenfenster, bezeichnet „Wyhlen, Baden“, Inv. Nr. 15.032
-
-
Farbvorlage für Mosaik, Christuskirche Rheinfelden, 1937, Inv. Nr. 15.070
-
-
Farbvorlage für Glasfenster in der Friedhofsapelle Feuerbach, 1966, Inv. Nr. 15.061-03
-
-
„1945 Abschied“, Farbvorlage für Wandgemälde (?), ohne Bezeichnung, Inv. Nr. 15.030
23. Februar 2022 | Anette Pelizaeus | Inventarisation, Kunstgeschichte
Die Creglinger Herrgottskirche beherbergt nicht nur den berühmten Marien-Altar von Tilman Riemenschneider im Kirchenschiff, sondern auch zwei Seitenaltäre, die auf der Nord- und Südseite desselben situiert sind. Der Seitenaltar der Nordseite ist ein Flügelaltar, welcher Johannes dem Täufer und dem Hl. Leonhard geweiht ist. Kunsthistorische Forschungen haben ergeben, dass der Altar vmtl. 1496 aus bereits vorhandenen Teilen eines älteren, 1460 entstandenen Altares und einer neu angefertigten Predella sowie eines neuen Gesprenges zusammengesetzt wurde. Die Signatur des Künstlers „Jacob // müllholszer // 1496 …“ ist also wohl nicht auf eine gesamte Neuschaffung des Altares in diesem Jahr zu beziehen, obschon offenbleiben muss, welchen Anteil Müllholzer am Altarretabel überhaupt hatte.
Die Darstellung der Anbetungsszene befindet sich auf der rechten Seite des Schreins, der zudem links die Hochzeit von Josef und Maria und in der Mitte die Geburt Jesu zeigt. Möglicherweise sind diese Figuren der flämischen Kunst um 1460 zuzuschreiben, während die Tafelmalereien der Flügel wohl um 1500 entstanden sein dürften. Bemerkenswert ist die Darstellung der Anbetung der Heiligen Drei Könige vor allem deshalb, weil die Anbetungsszene nicht wie normalerweise üblich drei, sondern hier nur zwei Könige zeigt. Ein König steht hinter Maria und ist frontal dargestellt. Der bartlose Jüngling ist aufgrund seiner dunklen Hautfarbe dem afrikanischen Kulturkreis zuzuordnen und hält ein Gefäß in Gestalt eines Salbgefäßes mit Myrrhe in seinen Händen, welches er gerade öffnet, um den herrlichen Duft entweichen zu lassen. In der christlichen Ikonographie handelt es sich hierbei um Caspar. Maria sitzt seitlich vor ihm, erscheint aber im Profil. Auf ihrem Schoß sitzt das Jesuskind, das sie in ihren beiden Armen hält. Das Kind streckt seine Arme nach einer mit Gold gefüllten Kiste aus, die ihm ein vor Maria und Jesus knieender König entgegenstreckt. Durch seine helle Erscheinung und seinen Brokatmantel, den er trägt, wirkt er europäisch. Bei dieser Figur handelt sich also um König Melchior. Sein langer Schopf und sein langer Bart zeigen an, dass er schon betagt ist, aber dennoch muskulös, wie anhand seines bloßen rechten gewinkelten Beines zu erkennen ist. Trotz seiner kräftigen Statur wirkt er durch seine knieende und somit unterwürfige Gebärde klein, zumal sein Kopf über dem des Jesuskindes, aber dennoch auf dessen Augenhöhe dargestellt ist. Die beiden Figuren sind durch ihren jeweils konzentrierten, aufeinander ausgerichteten Blick einander zugewandt und zudem beugen sich beide vor, um sich etwas näherkommen zu können. Die Zuwendung, ja innige Zuneigung zwischen den beiden Figuren wird zudem dadurch hervorgehoben, dass Maria lediglich ihren Kopf zur Seite des Königs neigt, weder aber ihn noch das Jesuskind anblickt. Durch ihre seitliche Kopfwendung rückt auch das Salbgefäß mit Myrrhe von Caspar über dem Kopf des Jesuskindes als Symbol für das Menschsein und das Martyrium Jesu Christi.in das Zentrum des Geschehens. Das Jesuskind ist also auf dreierlei Weise herausgehoben, nämlich erstens durch die Geste und Gebärde von König Melchior, zweitens die innige Verbindung zwischen dem Schenkenden und dem Beschenkten und drittens schließlich durch das Salbgefäß mit Myrrhe über seinem Kopf.
Weshalb nun aber König Balthasar nicht in die Darstellung einbezogen zu sein scheint, gibt Rätsel auf, obschon auch nicht vergessen werden darf, dass nicht zwingend immer drei Könige dargestellt werden mussten oder müssen.

16. Februar 2022 | Andreas Butz | Bestand, Quellenkunde
Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lassen sich in der württembergischen Landeskirche zwei wesentliche Entwicklungen erkennen. Obwohl der Pietismus in Württemberg noch am Ende des 17. Jahrhunderts Eingang gefunden hatte, entstanden in vielen Dörfern erst um 1750 die Privatversammlungen, welche bis heute als typisch für den württembergischen Pietismus gelten. Gegen das Jahrhundertende kam dann eine starke separatistische Richtung auf, mit der sich Staat und Kirche konfrontiert sahen. Viele Menschen wandten sich dieser Richtung zu, um ihren Glauben außerhalb der Kirche zu leben.
Einer der bedeutendsten Separatistenführer war der Leinenweber Johann Georg Rapp aus Iptingen. Er entwickelte eine so starke Anziehungskraft, dass die Zahl seiner Anhänger im Herzogtum Württemberg selbst von Außenstehenden auf 10.000 bis 12.000 Personen geschätzt wurde. Seit etwa 1785 bildete sich eine zunehmend größere Separatistengruppe um den Leinenweber, der dann 1803 nach den Vereinigten Staaten auswanderte, um dort seine religiösen Vorstellungen zu verwirklichen. Seine drei Siedlungen Harmony in Pennsylvania, New Harmony in Indiana und Economy, wiederum im Staat Pennsylvania, entwickelten sich zu vielbesuchten Musterwirtschaften.
Mit diesen Sätzen wird ein Beitrag von Dr. Eberhard Fritz eingeleitet, den Sie auf Württembergische Kirchengeschichte Online lesen können. Die Quellen zu der außergewöhnlichen Geschichte dieser religiösen Sonderbewegung finden sich in verschiedenen Archiven, unter anderem aber auch im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart. Eine kleine Auswahl wollen wirr hier vorstellen. Den Taufeintrag des Separatistenanführers Johann Georg Rapp findet man im zweiten Band der Kirchenbücher von Iptingen unter dem Datum 1. November 1757 (auf dem Kirchenbuchportal Archion hier). Naturgemäß hatte die Kirchenleitung ein großes Interesse an Informationen über die separatistischen Bewegungen, die die Amtskirche in Frage stellten, und ließ Berichte, Befragungen und Protokolle anfertigen. Bereits 1787 wurde der damals 29-jährige Johann Georg Rapp nach seinen Ansichten, religiösen Ideen und Verhältnissen befragt, was in einem umfangreichen, 62-seitigen Protokoll festgehalten wurde. Ebenfalls wurden über Jahre hinweg in allen relevanten Ortschaften Listen mit den Namen und Informationen zu Einwohnern gesammelt, die der separatistschen Bewegung angehörten. Letztendlich wurde in diversen Listen nach 1803 festgehalten, welche Separatisten nach Amerika ausgewandert waren und welche noch in der Heimat verblieben waren. Die Beschäftigung mit solchen Bewegungen durch staatliche und kirchliche Behörden bietet heutigen Historikern und Historikerinnen eine gute Quellengrundlage für Forschungen.
-
-
Eintrag im Taufregister von Iptingen für den 1.11.1757 für Johann Georg Rapp LKAS, Kirchenbucharchiv, Iptingen, Band 2, Mischbuch 1700-1788
-
-
Seite 1 eines 62-seitigen Befragungsprotokolls Rapps vom 18.5.1787 in Iptingen LKAS, A 26, Nr. 473,2 (Bericht über Johann Georg Rapp von Iptingen
-
-
Auszug der Iptinger Separatisten nach Amerika LKAS, A 26, Nr. 473,1. Beilage A zur Relation 1804 des Iptinger Pfarrers bezüglich der ausgezogenen Separatisten, Seite 1 von 4.
-
-
Noch von der Auswanderung übrige Separatisten in Iptingen. Beilage zur Pfarr-Relation vom 6.6.1805. LKAS, A 26, Nr. 477.
9. Februar 2022 | Andreas Butz | Lesesaal
Wir treffen im Lesesaal Dunja Kielmann. Sie arbeitet beim Landesamt für Denkmalpflege im Fachbereich Restaurierung in Esslingen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Denkmalpflege ziehen immer wieder Akten unserer Bestände heran, um Erkenntnisse über kirchliche Bauwerke zu gewinnen, beziehungsweise Rückschlüsse auf bestimmte Restaurierungsarbeiten ziehen zu können. Solche Archivrecherchen sind für die Mitarbeiter aufschlussreich, da daraus ersehen werden kann, was genau gemacht wurde, wer involviert war, was genau es kostete, welche Materialien eingesetzt wurden. Frau Kielmann recherchiert gerade zu den Nachkriegsverglasungen im Ulmer Münster.
„Es geht um die Fensterverglasungen der Nachkriegszeit, wie umgegangen wurde mit den Kriegsschäden. Also es ist sehr interessant. Zur Zeit arbeiten wir an einem Artikel in unserem Nachrichtenblatt, das vierteljährlich erscheint. Da geht es vor allem um die Nachkriegsverglasung von Yelin. Es ist sehr interessant, die Archivmaterialien dazu zu sichten, wie damals damit umgegangen wurde mit diesen Nachkriegsschäden und wie es zu dieser Neuverglasung kam. Zum Teil handelte es sich bei der Verglasung des Ulmer Münsters um mittelalterliche Verglasungen, die Chorverglasung, einige Portalfenster. Die wurden ausgebaut während des Krieges und haben den Krieg überstanden. Das neunzehnte Jahrhundert wurde leider nicht ausgebaut und ist verloren, beziehungsweise nur noch in Resten vorhanden und deshalb hat man sich entschlossen, die Nachkriegsverglasung einzusetzen und genau darum geht es bei jetzt im Speziellen.“
Für Recherchen der Landesdenkmalbehörde kommen prinzipiell viele Bestände im Landeskirchlichen Archiv in Frage. In diesem besonderen Fall ist der Bestand der Ulmer Münsterbauhütte von Interesse. Dieser Bestand befindet sich seit 2016 im Landeskirchlichen Archiv und wurde 2021 fertig erschlossen.
Münsterbauhütte Ulm – Bestandsfindbuch
Münsterbauhütte Ulm – Bestandsfindbuch mit Bildern_optimiert
2. Februar 2022 | Andrea Kittel | Veröffentlichung

Dr. Götz Homoki mit seiner Dissertation
Eingefahrene, überkommene Vorstellungen von Studierenden existieren schon seit vielen Jahrhunderten: Da gibt es angeblich den braven Streber, der sich nur um sein Fortkommen an der Universität bemüht, den trinkfesten Partygänger und notorischen Ruhestörer, selbstbewusste Frauenhelden oder technikbegeisterte Nerds, die ständig vor dem Computer sitzen. Im Laufe der Zeit bewegten sich diese Studentenklischees stets zwischen fleißig und angepasst, also normkonform, auf der einen Seite und draufgängerisch und ungehorsam auf der anderen Seite. Freilich lag es dabei stets im Auge der Betrachtenden, ob das damit verbundene Verhalten getadelt oder gelobt, skandalisiert oder idealisiert wurde.
Aber wie haben sich in diesem Zusammenhang eigentlich die Stipendiaten des Stifts in Tübingen, die „Stiftler“, selbst gesehen und wie wurden sie von anderen gesehen? Wie haben einzelne junge „Stiftler“ im 17. und 18. Jahrhundert ihre Umwelt wahrgenommen und in ihr gehandelt? Diese und weitere Fragen hat unser Mitarbeiter Dr. Götz Homoki in seiner Doktorarbeit untersucht, die jetzt bei der Evangelischen Verlagsanstalt erschienen ist. Das 457 Seiten starke Werk trägt den Titel „Identität – Habitus – Konformität. Eine kulturgeschichtliche Untersuchung zu württembergischen Herzoglichen Stipendiaten in der Frühen Neuzeit“.
Das Herzogliche Stipendium oder Stift in Tübingen war für Jahrhunderte eine über die Grenzen Württembergs hinaus bekannte und bedeutsame Ausbildungsstätte für protestantische Kirchenmänner. Die Einrichtung wurde 1536 von Herzog Ulrich gegründet, um nach der Reformation die Qualifizierung bekenntnistreuer Pfarrer sicherzustellen. Begabte männliche Landeskinder erhielten in der Folge freie Unterkunft und Verpflegung im ehemaligen Tübinger Augustinereremitenkloster. Die Lebensumstände der Stipendiaten, die an der Universität zunächst Philosophie und dann Theologie studierten, waren zugleich über Jahre hinweg von strengen Vorschriften geprägt. So wurde von den Stipendiaten unter anderem gefordert, sich im Stift alltäglich ausschließlich auf Latein zu unterhalten oder ständig bodenlange schwarze „Kutten“ zu tragen.
Götz Homoki untersucht in seiner Studie erstmals die ebenso weitreichenden wie langfristigen Auswirkungen der landesherrlichen Studienförderung auf das Selbstverständnis und die Verhaltensweisen Herzoglicher Stipendiaten in der Frühen Neuzeit. Anhand von Selbstzeugnissen, darunter auf Latein verfasste Briefe und Tagebuchaufzeichnungen, zeigt er, dass das Denken, Wahrnehmen und Handeln einzelner Stipendiaten ganz im Zeichen einer christlich-humanistischen Gelehrsamkeit stand. Es unterschied sich damit deutlich von den ausschweifenden Gewohnheiten zechender, spielender, tanzender oder raufender Studenten: „Für die von mir untersuchten Stipendiaten war die Nichtüberschreitung der Norm die Normalität”, so Homoki zusammenfassend über seine facettenreiche Studie zum frühneuzeitlichen Studentenleben abseits des Verbotenen und Devianten.
Dr. Götz Homoki studierte Geschichte, Politikwissenschaft und Latein in Tübingen und wurde an der Universität Stuttgart promoviert. Für seine Untersuchung zur Geschichte des Tübinger Stifts erhielt er ein dreijähriges Forschungsstipendium des Evangelischen Studienwerks Villigst. Bereits 2019 wurde ihm für die vorliegende Arbeit der Johannes-Brenz-Preis für herausragende Arbeiten zur württembergischen Kirchengeschichte verliehen, den der Verein für württembergische Kirchengeschichte alle zwei Jahre auslobt. Im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart ist er aktuell mit der Erschließung zentraler Aktenbestände der württembergischen Kirchenleitung beschäftigt, außerdem ist er der verantwortliche Redakteur der „Blätter für württembergische Kirchengeschichte“ und betreut das Rezensionswesen der wissenschaftlichen Zeitschrift.
-
-
-
„Das königliche Seminarium“ in Tübingen, Aquarell von L. Gottschick, 1808, (LKAS Museale Sammlung, 96.052)
26. Januar 2022 | Uwe Heizmann | Kurioses
Kirchenbücher dokumentieren nicht nur kirchliche Amtshandlungen und damit das, was man heutzutage als Personenstandsfälle bezeichnet, sondern mitunter auch nicht alltägliche Dinge wie Kriminalfälle. In manchen Fällen sind zu solchen Kriminalfällen auch noch weitere Dokumente in staatlichen und anderen Archiven überliefert, so dass eine tiefergehende Untersuchung eines Falles möglich ist. Das Ergebnis einer solchen Untersuchung ist nicht nur für die Genealogie interessant, sondern auch für die Sozial- und Rechtsgeschichtsforschung und in manchen Fällen auch für die Geschichte der Medizin.
Auf einen solchen Kriminalfall stößt man im Totenregister von Fluorn (heute Teil von Fluorn-Winzeln, Lkr. Rottweil). Unter dem 20. Dezember 1658 ist folgendes vermerkt:
„Den 20. Decembris montags früeh zu 3 Uhren starb zu Fluorn in des Scheerers Matthiae Schneiders Hauß, Bernhard Keckh, wohnhafft zu Heenweyler, 26 Jahr alt, der den 29. Novembris von Jacob Wesnern, Mezgern zu Heenweyler, wegen einer strittigen Wäßerung verwundt worden, welcher darnach zu Peterzell, wohin er verpfarrt war, den 24. Decembris, am Heiligen Christabend, christlich begraben worden. Resurgat ad gaudium aeternum[1].“
Am Rand ist vermerkt: „ist nach Peterzell gefüehrt worden“[2]
Der Hönweiler, eine Hofgruppe, gehörte zum Peterzeller Stab des Alpirsbacher Klosteramts und damit zum Kirchspiel des Pfarramts Peterzell (heute Teil von Alpirsbach, Lkr. Freudenstadt). Im Totenregister von Peterzell sind der Vorfall und die Folgen umfangreicher beschrieben:
„Den 29. Novembris anno 1658, am Abend Sankt Andreae,[3] uf die 1 ½. Stund nach Bettzeit, hatt sich folgender elende Casus und Fall in Heenweyler zugetragen, daß nemblichen umb einer strittigen Wäßerung wegen Jacob Wesner, Mezger, und Bernhard Keck, Ludwig Wörners Tochtermann[4] (alle Inwohner zu Heenweyler), so hart aneinander gerathen, daß gedachter[5] Jacob Wesner, den ermelten[6] Bernhard Kecken mit einer Hauen[7] oben an den Kopff geschlagen, daß er eine tödtliche Wunden bekommen, von derentwegen er den Scheerern[8] überantwortet werden müßen hatt, aber endlich leyder er Bernhard Keck umb angezeigter tödtlicher Wunden willen, zu Fluorn (daselbsten er in Matthiae Schneiders des Scheerers Behausung gelegen), als er zuvor den 17. Decembris das heilige Abendmahl empfangen, seinen Geist den 20. Decembris morgens zu 3 Uhren aufgegeben in dem 26. Jahr seines Alters. Und ist hernach erst den 24. Decembris, am heiligen Christabend (weilen ihn zuvor ein Medicus[9] Herr Samuel Hafenreffer, Phil. et. Med. D.[10] und Professor zu Tübingen, wie auch ein Barbierer[11] von Tübingen, Abraham Rieg, durch anatomische Eröffnung besichtiget) zu Peterzell alhir, dann er von Fluorn herüber geführt ward, christlich zur Erden bestattet worden. Deus largiatur huic laetam resurrectionem et tales a nobis avertat casus tragicos, per Dominum nostrum Jesum Christum in Spiritu Sancto.[12] Amen.“[13]
Dem Täter, Jacob Wesner, wurde der Prozess wegen Totschlags gemacht. Da die damaligen örtlichen Richter aber juristische Laien waren, wurde der Totschlag-Prozess im Verfahren der Aktenversendung durchgeführt. D.h. dass der Fall bzw. die diesbezügliche Akte an die Juristische Fakultät Tübingen versandt wurde, die ein Rechtsgutachten mit vorgefertigtem und auch für den Laien verständlichen Urteil erstellte.
Da die Stuttgarter Oberräte, über die das Rechtsgutachten an den württembergischen Herzog weitergeleitet wurde, dasselbe für zu milde empfanden, wurde auch noch von der Juristischen Fakultät Straßburg ein Rechtsgutachten erbeten.
Beide Rechtsgutachten sind im Hauptstaatsarchiv Stuttgart in der Akte mit dem Titel „Tübinger und Straßburger Konsilien auch Anbringen betreffend homicidii des Jakob Wössner aus Höhenweiler“ überliefert.[14] Die Konzepte des Rechtsgutachtens der Juristischen Fakultät Tübingen und des darin erwähnten Gutachtens der Medizinischen Fakultät Tübingen sind im Universitätsarchiv Tübingen archiviert.[15]
Weitere Einzelheiten zu diesem Fall sind zu finden in dem Beitrag „Eine strittige Wässerung mit Todesfolge in Hönweiler 1658. Ein Beispiel für einen Totschlag-Prozess im Verfahren der Aktenversendung“ in den Südwestdeutschen Blättern für Familien- und Wappenkunde 39 (2021), S. 159 – 180 und hier.
Anmerkungen:
[1] Resurgat … aeternum = Er erstehe auf zur ewigen Freude.
[2] Kirchenbücher Fluorn, Totenregister 1643-1808, S. 9.
[3] am … Andreae = am Abend vor dem Andreastag (30. November).
[4] Tochtermann = Schwiegersohn.
[5] gedachter = genannter, erwähnter.
[6] ermelten = genannten, erwähnten.
[7] Haue = Hacke.
[8] Scherer = Wundarzt, auch Bader genannt, Vorgänger des heutigen Chirurgen.
[9] Medicus = Arzt.
[10] Phil. et. Med. D. = Dr. phil. und Dr. med.
[11] Barbier = Bartscherer, der auch die niedere Chirurgie ausübt.
[12] Deus … Sancto = Gott schenke diesem eine glückliche Auferstehung und halte solch ein tragisches Unglück von uns fern, durch unseren Herrn Jesus Christus im Heiligen Geist.
[13] Kirchenbücher Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Totenregister 1649-1732, S. 5.
[14] Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 209, Bü 7.
[15] Universitätsarchiv Tübingen, 84/12, S. 405 – 416 bzw. Universitätsarchiv Tübingen, 14/11, Bl. 6v – 9v.
18. Januar 2022 | Michael Bing | Lesesaal
Wir treffen Harald Haury im Lesesaal. Er ist im Landeskirchlichen Archiv kein Unbekannter.
Über die Jahre hat Haury immer wieder dort recherchiert. Für seine Doktorarbeit versuchte er, an Hand der Personalakten deutschchristlicher Pfarrer mehr über die württembergischen Anhänger des völkischen Theologen Johannes Müller in Erfahrung zu bringen, dessen Gründung Schloss Elmau heute als mondänes Luxushotel bekannt ist. Es folgten Nachprüfungen im Rahmen der Ernst Troeltsch-Edition, Haurys Hauptarbeitsgebiet seit 2006, und für ein Projekt zur Kirchengeschichte Esslingens während des späten Kaiserreiches und in den Jahren des Ersten Weltkrieges.
Gegenwärtig ist Haury als Mitarbeiter eines Projektes der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm als Nutzer im Haus.
„Von der Landeskirche beauftragt, aber unabhängig arbeitend, versucht die Ulmer Projektgruppe eine Serie von Fällen sexualisierter Gewalt aus den 1950er und 1960er Jahren aufzuarbeiten, die sich laut den Aussagen von Betroffenen im Hymnus-Chor, vor allem aber im Vorbereitungsjahr auf das Landexamen ereigneten, das über die Aufnahme in den landeskirchlichen Seminaren in Bad Urach, Schöntal, Blaubeuren und Maulbronn entschied,“ erläutert Harald Haury sein aktuelles Forschungsprojekt.
„Als Haupttäter wurde von den Betroffenen durchweg ein im Evangelischen Jungmännerwerk
Württembergs stark engagierter Stuttgarter Industrieller genannt, der sich während der NS-Zeit um den Erhalt der Seminarausbildung verdient gemacht hatte, das Vorbereitungsjahr auf das Landexamen im Auftrag der Seminarstiftung bis Ende der 1960er-Jahre organisierte und den Hymnus-Chor von 1951 bis 1964 in seinem Haus proben ließ. Ein wichtiges Ziel der Recherche im Landeskirchlichen Archiv ist es, die Zusammenhänge besser zu verstehen, in denen sich die von den Betroffenen geschilderten Übergriffe ereignen und erst nach Jahrzehnten publik werden konnten. Dabei geht es um institutionelle Zusammenhänge und Mentalitäten besonders des konservativ-pietistischen Kirchenflügels ebenso wie um das umfangreiche Netzwerk, das sich der Hauptbeschuldigte vor allem dank seiner Position in den Leitungskreisen des Jungmännerwerks schaffen konnte. Erfreulicherweise lassen sich gerade diese weiterführenden Fragen an Hand der Aktenüberlieferung im Landeskirchlichen Archiv durchaus verfolgen. Neben einigen wenigen Akten, die den Namen des Hauptbeschuldigten explizit im Namen haben, gibt es recht umfangreiche Bestände zum Vorbereitungsjahr auf das Landexamen, zu den Seminaren, zum Hymnus-Chor und reichlich Leitungsprotokolle des württembergischen Jungmännerwerks. Aus der Arbeit mit diesem Material und mit Hilfe der Betroffenenaussagen dürften sich weitere Ansatzpunkte zur Fortführung der Recherche ergeben.“
Harald Haurys Recherchen im Landeskirchlichen Archiv sind demzufolge noch nicht abgeschlossen. Bislang hat er folgende Bestände des Archivs durchgesehen:
A 132 Evangelische Seminarstiftung, C 8 Evangelisch-Theologisches Seminar Maulbronn, C 9 Seminar Schöntal, C 10 Seminar Urach, K 24 Evangelisches Jugendwerk und K 45 Hymnus-Chor.
11. Januar 2022 | Andreas Butz | Bestand
In den Pfarrarchiven findet sich oft eine serielle Quelle, die den Zeitraum ab dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Laufzeit der pfarramtlichen Überlieferung abdeckt: die Amtskalender. Dort trugen die Pfarrer der Kirchengemeinden stichpunktartig und mehr oder weniger durchgehend bestimmte Termine ein, die sich aus ihrem Aufgabenbereich ergaben. Eine große inhaltliche Ausführlichkeit bietet die Quelle nicht. Sie bietet die Möglichkeit entweder punktuell auf bestimmte Tage oder Wochen zuzugreifen oder längere Zeiträume zu vergleichen.
Die Amtskalender haben sich im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte rein äußerlich verändert. Den Anfang machte man mit staatlichen württembergischen Kalendern in handlichem Oktav-Format, die in ihrem vorgedrucktem Inhalt im Wesentlichen mit Hinweisen zum agrarischen Jahreszyklus durch die jeweiligen Jahre führten. Dazu gab es noch Anekdoten und nützliche Information, wie etwa Termine der Märkte, die im jeweiligen Monat im Königreich Württemberg stattfanden. Ab 1871 druckte die Landeskirche selber Amtskalender. Damit war die Möglichkeit gegeben, die Pfarrer gezielt durch das Jahr zu führen. Dies geschah durch Hinweise auf den kirchlichen Jahreslauf mit Feiertagen und Gedenktagen. Auch war nun mehr Platz für die Eintragungen geboten, da das Format des Kalenders vergrößert wurde. Im großen und ganzen blieb man bei dieser Gestaltung bis heute, auch wenn der Einband heute nicht mehr schwarz sondern blau ist.
Die abgebildeten Kalender wurden dem Pfarrarchiv Schützingen entnommen, das derzeit verzeichnet wird.
-
-
Königlich württembergischer Kalender 1826
-
-
-
Amtskalender 1893
-
-
-
Amtskalender 1962
-
21. Dezember 2021 | Andrea Kittel | Kunstgeschichte, Museale Sammlung

Museale Sammlung, Nr. 93.1714

Museale Sammlung, Nr. 93.2477
Das Christkind, von Engeln behütet und geborgen. Mit wenigen Tusche-Strichen hat der Stuttgarter Künstler Robert Eberwein (1909-1972) im Jahr 1945 das Weihnachtsgeschehen skizziert – verbunden mit der Hoffnung auf Rettung und Schutz für sich und viele andere. Denn wie am unteren Bildrand zu lesen ist, befand er sich zu diesem Zeitpunkt in Kriegsgefangenschaft.
Später hat Eberwein viele Jahrzehnte lang biblische Geschichten illustriert und immer wieder weihnachtlichen Darstellungen von Bethlehems Stall geschaffen, so wie dieses in Schabekarton gekratzte Bild von 1970. Es zeigt, das Erschrecken der Hirten angesichts der Engelserscheinung, aber ebenso die traute Freude um das Neugeborene in der Krippe: Furcht und Verzweiflung – Vertrauen und Zuversicht. Erfahrungen, die Eberwein in seinem Leben selbst gemacht hat.
Auch die Engel sind wieder dabei. Dieses Mal, um die Botschaft der Christgeburt zu überbringen. Im Lukasevangelium spricht der Engel zu den Hirten: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.“ Und die Menge der himmlischen Heerscharen stimmen mit ein: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lukas 2, 10, 14)
In der Musealen Sammlung des Landeskirchlichen Archivs befinden sich rund 800 Original-Zeichnungen, Aquarelle, Schabeblätter und Siebdrucke aus dem Nachlass von Robert Eberwein, darunter auch ein Konvolut an Skizzen und Zeichnungen aus seiner Zeit im Kriegsgefangenenlager.
19. Dezember 2021 | Andreas Butz | Allgemein

Gottlieb Wilhelm Hoffmann (1771-1846). LKAS, Bildersammlung
Am 19. Dezember 1771 wurde Gottlieb Wilhelm Hoffmann in Ostelsheim bei Calw geboren. Er gehört zu den bedeutenden Pietisten Württembergs. Wilhelm Hoffmann, der Berliner Hofprediger und Begründer des Jerusalemsvereins, und Christoph Hoffmann, der Begründer der Tempelgesellschaft, welche Siedlungen in Palästina gründete, waren Söhne.
Laut Eintrag im Ostelsheimer Taufregister wurde er einen Tag nach seiner Geburt getauft („ren.“ = lat. renatus = deutsch: wiedergeboren = getauft). Eine spätere Hand hat unter seinem Namen noch eine Notiz zu seinem Tod hinzugefügt: „als kön[iglicher] Notar und Gemeindevorsteher zu Kornthal am 30. Januar 1846. alt 74 Jahr 1 Monat u. 11. Tage.“ Als Eltern werden der hiesige Pfarrer Christian Ludwig Hoffmann und seine aus Malmsheim stammende Frau Katharina Blandina Ludwig vermerkt. Der Schreiber des Eintrags dürfte der Vater selber gewesen sein, da ihm als Pfarrer des Kirchspiels die Führung des Kirchenregisters oblag.
Seine historische Leistung war die Gründung der pietistischen Siedlungen Korntal und Wilhelmsdorf. Um den Gegensatz zwischen landesherrlichem Kirchenregiment und den pietistischen Strömungen im Land abzumildern, wurde 1819 von staatlicher Seite die Erlaubnis zur Begründung von Korntal erteilt. Damit wollte man auch verhindern, dass weitere Pietisten, wie etwa 1816 sich für eine Auswanderung aus Württemberg entschließen würden. Hoffmann sammelte für diese Begründung Gelder und setzte auch sein eigenes Vermögen ein. Die Gemeinde Korntal trennte sich nicht von der Landeskirche, erhielt jedoch einige Privilegien wie etwa die eigenständige Wahl von Pfarrer und Gemeindevorsteher. 1825 wurde noch die Siedlung Wilhelmsdorf in Oberschwaben gegründet.
Der Taufeintrag kann auf Archion hier eingesehen werden.
16. Dezember 2021 | Andrea Kittel | Museale Sammlung, Palästina
Eine Krippe mit einer ganzen Kamelkarawane!
Diese Figuren waren das Abschiedsgeschenk vom Syrischen Waisenhaus für den Regierungsbaumeister Paul Ferdinand Groth (1859-1955), als er 1899 Jerusalem verließ. Groth, der hauptsächlich den Bau der Erlöserkirche in Jerusalem (1898) geleitet hatte, war auch an der Ausgestaltung der Kirche im Waisenhaus beteiligt gewesen.
Das Syrische Waisenhaus in Jerusalem war 1861 von dem Württemberger Johann Ludwig Schneller gegründet worden und hatte sich bald zur größten und wichtigsten Erziehungsanstalt des Vorderen Orients entwickelt. In den anstaltseigenen Werkstätten erhielten die „Zöglinge“ eine fundierte handwerkliche Ausbildung als Schuster, Schneider, Drechsler, Schlosser, Töpfer, Ziegler, Buchbinder, Buchdrucker oder Schreiner. In einer dieser Werkstätten entstanden die aus Olivenholz geschnitzten Krippenfiguren. Den jungen Schnitzern waren Kamele aus eigener Anschauung bestens bekannt. Vielleicht sind die Tiere deshalb so gut gelungen?
Der Bestand des Syrischen Waisenhauses befindet sich im Landeskirchlichen Archiv. Neben den Akten beinhaltet dieser auch eine umfangreiche Fotosammlung mit etwa 15.000 Bildern des Nahen Ostens.
Syrisches Waisenhaus : Württembergische Kirchengeschichte online – Blog (wkgo.de)
Zu Groth siehe auch hier einen Beitrag von Jakob Eisler im Blog.
-
-
Museale Sammlung, Nr. 07.999; 01-22
-
-
-
13. Dezember 2021 | Andrea Kittel | Jubiläum
Vor 75 Jahren erhielt das Evangelische Jugendwerk Württemberg (ejw) eine neue Ordnung. Nachdem die Verbände der evangelischen Jugendarbeit im Nationalsozialismus zerschlagen worden waren, musste nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Jugendwerk neu organisiert werden.
1934 waren alle Jugendlichen des Evang. Jugendwerkes unter 18 Jahren in die Hitlerjugend und den Bund Deutscher Mädel eingegliedert worden. Konfessionelle Jugendarbeit durfte nur noch „in kirchlichem Auftrag“ weitergeführt werden, sodass die Evangelische Landeskirche die Jugendarbeit der freien selbständigen Verbände und Bünde in ihren Schutz nehmen musste. Zu diesem Zweck wurde die Evangelische Landesjugendstelle und ein Landesjugendpfarramt eingerichtet. Pfarrer Dr. Manfred Müller übernahm in dieser Zeit die Führung der gesamten Jugendarbeit – also der Gemeindejugend in den Pfarreien und der über 18jährigen im Mädchen- und im Jungmännerwerk. Für die Arbeit mit der weiblichen Jugend unter 18 Jahren wurde ihm Agnes Lumpp zur Seite gestellt.
Nach dem Zusammenbruch des NS-Staates wollten die Jugendverbände und Bünde ihre Freiheit zurückgewinnen, gleichzeitig sollte die Verbindung mit der Kirche erhalten bleiben.
In einer von ihm selbst so genannten „Schwabenformel“ schuf der Landesjugendpfarrer Manfred Müller eine einzigartige Konstruktion, die bis heute in Kraft ist. Nach ihr arbeitet das ejw „selbständig im Auftrag der Landeskirche“. Das Evangelische Jugendwerk lädt demnach junge Menschen mit ihren Angeboten ein, ihr Leben auf ein christliches Fundament aufzubauen. Die Landeskirche verleiht dem Jugendwerk auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens die Freiheit, die Strukturen und Aufgaben der Jugendarbeit an die sich stets wandelnden Bedürfnisse der jungen Menschen anzupassen.
Bereits am 17. Oktober 1946 hatten sich das Evang. Mädchenwerk und das Jungmännerwerk unter einer gemeinsamen Ordnung zusammengeschlossen. Organisatorisch blieben beide Werke getrennt und wurden von zwei Landesarbeitskreisen geleitet. Auch CVJM und Pfadfinder wurden mit dem Evangelischen Jugendwerk verbunden.
LINKS
K 24 (Archivbestand ejw)
www.ejwue.de
-
-
Jungmännertag, 1950er Jahre (Bildarchiv Nr. U1002_3)
-
-
Mädchentag in Esslingen, 1950er Jahre (Bildarchiv Nr. U285_31)
-
-
Beschnitzter Wanderstock zur Erinnerung an das erste CVJM Bibel-Lager 1946 in Deggingen Nord-Alb. Anwesend waren Jugendgruppen aus: „Eislingen Göppingen Kirchheim Uhingen“; „Heiningen Geislingen Schlierbach Eschenbach“; „Fauerndau Ebersbach Nürtingen Tübingen“; „Türkheim Holzheim Reudern Wangen“; „Oberboihingen Wolfschlugen Strümpfelbach Unterensingen“. (Museale Sammlung Nr. 13.001-50)
10. Dezember 2021 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
Die von Paula Jordan (1896-1986) gestaltete „Lichterkrippe“ ist ein Meilenstein in der Geschichte weihnachtlicher Inszenierung. Die hinterleuchteten Transparente stehen formal und inhaltlich zwischen den alten evangelischen Weihnachtsillustrationen und den plastischen Krippen aus katholischer Tradition.
Jordan präsentiert Weihnachtsgeschichte als biblische Heilsgeschichte: Sie verbindet Christi Geburt mit biblischen Gestalten, wie etwa dem Propheten Jesaja, der im Alten Testament die Christgeburt verhieß; oder mit dem Seher Johannes, dem, nach seinem Zeugnis in der Offenbarung, die himmlische Stadt Jerusalem von einem Engel gezeigt wird.
Paula Jordan war gebürtige Straßburgerin und hatte an der Kunstakademie in Leipzig studiert. Schon in den 1920er Jahren war sie eine erfolgreiche Buchillustratorin. Nach ihrer Flucht aus der DDR fand sie 1952 in Stuttgart eine neue Heimat. In der christlichen Kunst ist sie vor allem durch ihre Bibelillustrationen und die Gestaltung von Religionsbüchern bekannt.
Die „Stuttgarter Lichterkrippe“ wurde in den 1950er Jahren vom Verlag „Junge Gemeinde“ herausgegeben – zur meditativen Betrachtung in der Familie oder in Gemeindekreisen.
Ein komplettes Exemplar mit 18 Teilen befindet sich in unserer Musealen Sammlung.
-
-
96.002-07
-
-
96.002-01
-
-
96.002-09
-
-
96.002-03
-
-
96.002-17
-
-
96.002-02
-
-
96.002-08. Kinder aus Europa und Afrika sind in die Krippenszenen aufgenommen. Die Darstellungen zeigen die jeweiligen Stereotypen der damaligen Zeit.
-
-
96.002-16
-
-
96.002-15
-
-
96.002-05
-
-
96.002-06
-
-
96.002-10
-
-
96.002-12
-
-
96.002-11
-
-
96.002-13
-
-
96.002-04
-
-
96.002-14
-
-
Paulus, 93.1390
7. Dezember 2021 | Michael Bing | Lesesaal
Wir treffen Alexander Staib im Lesesaal.
Staib hat an der Universität Stuttgart Geschichte, Politik und Wirtschaftswissenschaften auf Gymnasiallehramt studiert. Für seine Doktorarbeit in der Landesgeschichte bei Prof. Dr. Sabine Holtz forscht er zur oratorischen Performanz protestantischer Prediger im Herzogtum Württemberg 1650 bis 1750, also dem Zeitraum nach dem 30jährigen Krieg bis hin zur Neuordnung der Klosterschulen, des Stifts und auch der Universität Tübingen.
Sein Forschungsvorhaben beleuchtet Alexander Staib wie folgt. „Bei der oratorischen Performanz dreht es sich um den rednerischen Auftritt des Pfarrers oder des Predigers, wenn man das etwas allgemeiner fassen will, weil ja auch Dekane und Vikare gepredigt haben. Die Klosterschüler mussten in ihrer Ausbildung lernen öffentlich zu sprechen; sie absolvierten so etwas wie Predigtsimulationen, z.B. durch Vorbeten vor gemeinsamen Speisen oder einen Vorlesedienst. All das bereitete die künftigen Pfarrer des Landes auf ihre Predigttätigkeit vor. Die Fragen, die ich mir bei den Recherchen stelle, sind Folgende: Wie wurden sie darauf vorbereitet? Was für Normen wurden an die Pfarrer angelegt? Wie sollten sie also sprechen? Laut, klar, verständlich, deutlich – wie war es dann tatsächlich im Amt? Gab es dort irgendwelche Vorfälle, dass ein Pfarrer gerügt wurde, dass er undeutlich sprach, dass er zu schnell sprach, dass er einen seltsamen Dialekt hatte, wie z.B. Prediger aus Mömpelgard, die eben einen französischen Dialekt hatten und Weiteres.
Antworten auf diese Fragestellungen bieten vor allem die Visitationsberichte/-protokolle im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und eben im Landeskirchlichen Archiv (Bestand A 1). Jährlich wurden die Pfarrer auf ihrem Pfarrgang visitiert. Dabei wurde nicht nur die Lebensführung des Pfarrers beurteilt, sondern auch die Häufigkeit und Verständlichkeit seiner Predigt. Es finden sich dort Hinweise darauf, dass der Pfarrer beispielsweise undeutlich oder zu schnell gepredigt oder sich mangelhaft auf die Predigt vorbereitet hat, zu viele Fremdwörter in seiner Predigt verwendet hat und dergleichen.
Als weitere Quellengattung bieten sich die Protokollbände des Konsistoriums im Bestand A 3 an. Die Pfarrer wurden gelegentlich vor das Konsistorium geladen, um eine Probepredigt zu halten.

Die Konsistorialprotokolle eignen sich dahingehend hervorragend, da sie einen sehr langen Zeitraum sehr detailliert abdecken. Ebenfalls von Relevanz sind für mich die Spezialsynodalrezesse, etwa im Bestand der Allgemeinen Kirchenakten A 26. Der Synodus tagte in der Regel im Herbst und fasste auf Grund der Berichte über die Visitation seine Beschlüsse, etwa, dass ein Pfarrer zur Probepredigt in das Konsistorium nach Stuttgart einzuberufen sei.
Als weitere aufschlussreiche Quelle sind die die Testimonien- oder Zeugnisbücher (Bestand A 13) zu nennen.“
Alexander Staib musste sich für seine Arbeit paläographische Kenntnisse aneignen, um die Archivalien des 17. und 18. Jahrhunderts lesen zu können. Das Landeskirchliche Archiv unterstützte ihn dabei durch das Bereitstellen von Hilfsmitteln in Form von Schrifttafeln. Ebenfalls sehr hilfreich sind laut Alexander Staib die Digitalisate der Protokolle, die ihm durch das Archiv zur Verfügung gestellt worden sind.
Für sein weiteres Vorhaben wird Staib auch das Archiv des Evangelischen Stifts in Tübingen besuchen, wenn seine Recherchen im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart abgeschlossen sind.
1. Dezember 2021 | Andrea Kittel | Jubiläum
Nicht nur heutzutage, sondern auch Anfang der 1980er Jahre sorgte ein Virus in Fernsehen, Radio und Zeitungen für ein Dauerthema: Aids. Die durch HIV ausgelöste Immunkrankheit forderte zunächst vor allem in den USA massenhaft Todesopfer. 1981 wurden dort die ersten Fälle der Krankheit beschrieben, die sich daraufhin weltweit verbreitete – Aids wurde zur Pandemie: Über 30 Millionen Infizierte starben bisher an den Folgen einer HIV-Infektion. Eine Schutzimpfung steht nach wie vor nicht zur Verfügung. In Mitteleuropa ist AIDS durch die effektivere Behandlung von HIV-Infizierten mit neuen Medikamenten zwar seltener geworden, doch insbesondere im Globalen Süden ist dieses Virus nach fast 40 Jahren noch nicht besiegt. Auch wenn es sich bei HIV um ein völlig anderes Virus als SARS-CoV-2 handelt, ist die Entwicklung der sozialen Dimension also recht ähnlich.
Das Evangelische Missionswerk in Südwestdeutschland (EMS) engagiert sich in Ländern wie Südafrika, Ghana und Indien, deren Bevölkerung von dieser Krankheit besonders stark betroffen ist und beteiligt sich regelmäßig an den Kampagnen des Aktionsbündnisses gegen Aids. Die Rote Schleife steht weltweit für Solidarität mit HIV-positiven und aidskranken Menschen. Aus dem Bestand des EMS kamen die Werbeobjekte in die Museale Sammlung.
Links:
Evangelische Mission in Solidarität (EMS)
Welt-Aids-Tag
-
-
Anstecknadeln, geknüpfte Glasperlen, 2005, 19.077-01 und -02
-
-
-
Streichholzbriefchen, 2005, Inv. Nr. 19.078
-
-
29. November 2021 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
Dieses weihnachtliche Objekt zeigt, dass es schon in früheren Zeiten Ideen gab, wie Praktisches mit Schönem verbunden werden kann. Ein Christbaumständer mit Weihnachtskrippe und Musikbox – ein 3 in 1-Set aus dem Jahr 1905. Praktisch im Aufbau und praktisch in der Aufbewahrung. Hatte man die eingebaute Spieluhr einmal aufgezogen, lief sie 15 Minuten lang mit den Liedern „Stille Nacht“, „O Tannenbaum“, „O du fröhliche“ und „Am Weihnachtsbaum, die Lichter brennen“. Dabei drehte sich die Krippenszene im Kreis. Eine Attraktion für die Familienweihnacht!
Hergestellt wurde das Wunderding in Württemberg. Die Firma Gruoner & Bullinger aus Winterbach erwarben dafür im Jahr 1905 das Kaiserliche Patent. Der „Erfindungsgegenstand“, so heißt es in der Patentschrift, „zeichnet sich dadurch aus, dass neben dem Spielwerk ein Glockenspiel angeordnet ist, das durch ein Zahnradsegment abwechslungsweise mit der Achse für den Christbaumständer angetrieben wird, während gleichzeitig durch ein unterbrochenes Getriebedurch die auch die Notenwalze während eines Teils der Bewegung des Glockenspiels stillsteht.“ Drei Querschnittszeichnungen in der Beilage veranschaulichen die komplexe Mechanik.
Im Lauf der Zeit sind Teile der Apparatur gebrochen und angerostet, so dass Spielwerk und Drehmechanismus heute leider nicht mehr funktionieren. In die Museale Sammlung kam das kuriose Objekt durch den Enkel von Franz Xaver Bullinger, der Techniker und Teilhaber der produzierenden Firma war.
-
-
Kaiserliches Patent, 1905, Museale Sammlung, Nr. 95.703
-
-
-
25. November 2021 | Andrea Kittel | Lesesaal
Wir treffen Dr. Erich Viehöfer. Der Historiker ist Spezialist für Kriminalfälle. 35 Jahre lang leitete er das Strafvollzugsmuseum in Ludwigsburg. Für Ausstellungen und Vorträge erforschte er die Biografien und Lebensumstände inkriminierter Personen, befasste sich mit Betrug, Diebstahl, Mord und Prostitution vergangener Jahrhunderte. Auch Gerichtsurteile und ihre Vollstreckung sind sein Thema. Sein momentanes Interesse gilt u. a. den Scharfrichtern, ihren Techniken und Gerätschaften, aber auch ihren Familien. Heute im Ruhestand, ist er als Vortragsredner weiterhin gefragt und so setzt er seine einschlägigen Recherchen fort.
„Ins Landeskirchliche Archiv führte mich neben den Scharfrichtern auch der Fall eines Amokläufers, der 1913 in Degerloch seine Familie erschlug und anschließend in Mühlhausen an der Enz neun weitere Personen erschoss. Die Kirchenbücher konnten hier Hinweise zum familiären Umfeld – Herkunft, Paten, Wegbegleitern geben.
Aktuell beschäftigt mich der Fall der Witwe des ersten Ludwigsburger Totengräbers, die 1740 im dortigen Zucht- und Arbeitshaus wegen Kuppelei angeklagt worden war und nur knapp der Todesstrafe entging. Nachdem in der sehr umfangreichen Akte des Malefitzgerichtes weder ihr Mädchenname noch ihr Herkunftsort genannt war, fand ich in den Kirchenbüchern im Landeskirchlichen Archiv bei den Angaben zu ihrer Heirat die wesentlichen Bausteine, um weiter recherchieren zu können. Aus den Kirchenkonventsprotokollen ihres nunmehr gefundenen Herkunftsortes Dürrenzimmern erschloss sich die Vorgeschichte dieser Frau.
Die digitale Verfügbarkeit vieler Quellen, z.B. bei Archion, hat meine Arbeit enorm erleichtert. Die persönliche Recherche im Landeskirchlichen Archiv bleibt aber für mich unentbehrlich.“
17. November 2021 | Andreas Butz | Genealogie, Kurioses
Wer mit Kirchenbüchern als Quellen arbeitet – sei es aus Gründen historischer oder genealogischer Forschung – weiß, dass man dort auf ungewöhnliche Begrifflichkeiten stößt. Das können Bezeichnungen für Krankheiten, Berufe, Verwandtschaftsverhältnisse sein, die heute nicht mehr üblich sind. Nicht in jedem, aber in vielen Kirchenbüchern findet man bei den Einträgen auch eigentümliche Symbole. Da sich darunter zwei Symbole finden, die auch heute noch verwendet werden, nämlich ♀ und ♂ , so meint man vielleicht auf den ersten Blick, der Pfarrer habe das Geschlecht des Täuflings mit einem Symbol bezeichnet. Da dies aber in durchschnittlich jedem zweiten Fall nicht zutrifft, und da sich neben diesen Symbolen noch andere, nicht deutbare Symbole bei den Einträgen finden, wird schnell klar, dass diese Interpretation nicht die Richtige sein kann. Tatsächlich handelt es sich um die Symbole für die damals bekannten sieben Planeten, die manchmal auch eine römische Gottheit repräsentieren, im Falle der beiden noch heute gebräuchlichen Zeichen waren dies der Kriegsgott Mars, dessen Schild und Speer in der Form des Symbols angedeutet werden, einerseits, und die Göttin der Liebe, Venus, andererseits, deren Handspiegel abgebildet wird. Vier der römischen Götter (Mars, Merkur, Jupiter, Venus) sind nicht nur den Planeten, sondern auch einzelnen Wochentagen zugeordnet. Beim Montag, der dem Mond, beziehungsweise der Göttin Luna zugeordnet ist, oder beim Sonntag, der der Sonne zugeordnet ist, ist die Beziehung zum Planeten gleich gegeben, und auch sprachlich leicht erkennbar. Wer in der Schule französisch gelernt hat, kann sich dann auch die restlichen Planeten herleiten, da sie sich in den dortigen Bezeichnungen für die Wochentage erkennen lassen, wie Mardi für den Mars, Mercredi für den Merkur, Jeudi für den Jupiter (Donnerstag), Vendredi für die Venus. Im Englischen erkennt man bei der Bezeichnung Saturday leicht den Planeten Saturn. Nun wird auch klar, welche Bedeutung die Symbole in den Kirchenbüchern haben. Wir erfahren durch sie an welchem Wochentag die Taufe, beziehungsweise Eheschließung stattfand. Hier die vollständige Aufschlüsselung:

Beitragsbild: Seite aus dem Taufregister von Ulm 1721-1728
Literaturhinweis:
Michael Bing / Andreas Butz (Hg.), Evangelische Kirchenbücher in Württemberg. Eine Arbeitshilfe für die historische und familiengeschichtliche Forschung, Stuttgart 2016.
10. November 2021 | Andrea Kittel | Lesesaal
Wir treffen Gudrun Silberzahn-Jandt. Die promovierte Kulturwissenschaftlerin aus Esslingen ist neben einer Referentinnentätigkeit mit Studien forschend tätig. Sie kennt das Landeskirchliche Archiv schon aus früheren Arbeiten – etwa zum Alltag im Nationalsozialismus auf den Fildern, zum heutigen Hospiz in Esslingen oder zum Alltag in der ehemals „Anstalt Stetten“ genannten Einrichtung der Diakonie im Remstal.
„Gerade zur Alltagsgeschichte findet sich in manchen Aktenbeständen erstaunlich viel. Pfarrvisitationsberichte beispielsweise fragten zwar bestimmte Themen ab, die Antworten aber sind nicht standardisiert, und so erfährt man, dass der Pfarrer sich ärgerte, wenn Jugendliche statt in den Gottesdienst zu gehen, schon früh poussieren, oder dass das Pfarrhaus ‚allen Winden und Feuchtigkeiten ausgesetzt ist, sich aber nicht viel machen lasse‘ und daher manche Pfarrer sich eher ungern nach Oberesslingen versetzen ließen.
Aktuell recherchiere ich nach Aktenbeständen, die über die Praxis der Kinderverschickungen in den Nachkriegsjahrzehnten Auskunft geben können. Dabei bin ich schon fündig geworden. Ich konnte etwas über die Kurheime erfahren – wie diese sich in Prospekten nach außen darstellen, aber auch darüber, was intern in Arbeitsberichten oder von Eltern und Kindern oder Praktikantinnen und Praktikanten geäußert wurde. Auch finden sich Essenspläne und Beschreibungen des Tagesablaufes in einzelnen Heimen mit den für die meisten Kinder viel zu langen Ruhezeiten am Nachmittag. Immer wiederkehrendes Thema ist das Heimweh, das diese Kinder durchmachten. Veränderungen werden deutlich, wenn ab Ende der 1970er Jahre statt Kuren für Kinder hauptsächlich Mutter-Kind-Kuren angeboten wurden. Die Recherchen sind noch nicht abgeschlossen. Ich werde auf jeden Fall demnächst wieder nach Möhringen kommen.“
4. November 2021 | Andrea Kittel | Jubiläum
Was tun, wenn die Bäuerin krank ist, zur Entbindung in die Klinik muss oder ein Kuraufenthalt bevorsteht? Was ist mit ihrer Arbeit in Haus und Hof? Wer schaut nach den Kindern? Wie soll die Landwirtschaft weiterlaufen, wo doch jede Hand gebraucht wird?
Um den Bauersfamilien in solchen Belastungsfällen zu helfen, wurde vor 70 Jahren der neue Ausbildungsberuf „Dorfhelferin“ geschaffen. Die Initiative ging aus von der Evang. Frauenhilfe in Württemberg, – heute Evangelische Frauen in Württemberg (EFW). Seit ihrer Gründung 1919 hatten sie die Förderung und Unterstützung von Frauen zum Ziel und schufen viele diakonische, politische und spirituelle Projekte: Anlaufstellen für Hausmädchen, Erholungshäuser für erschöpfte Mütter…
1951 begann das neu gegründete Dorfhelferinnenwerk mit der Ausbildung staatlich anerkannter Fachkräfte im familienpädagogischen, hauswirtschaftlichen und pflegerischen Bereich. Die Dorfhelferinnen leisten im unmittelbaren Lebensumfeld der Familien praktische Hilfen und sorgen so – auch in vorübergehenden Krisenzeiten – für das Wohl der betroffenen Kinder. Sie sind darüber hinaus qualifiziert, in Vertretung der Bäuerin Aufgaben im landwirtschaftlichen Haushalt und Betrieb zu übernehmen. Dies sind vor allem Melk- und Erntearbeiten und die Direktvermarktung der Produkte auf Märkten und Hofläden.
LINKS:
LKAS Bestand K 34
Evangelisches Familienpflege- und Dorfhelferinnenwerk
-
-
Bericht, um 1960, K 34, Nr. 249
-
-
Wochenbetthilfe, um 1960, Nr. 13.028-11
-
-
T-Shirt mit Werbeaufdruck, 1980, Nr. 13.028-02
-
-
Hilfe in der Landwirtschaft, um 1960, Nr. 13.028-10
-
-
Dorfhelferin in ihrer Tracht, um 1960, Nr. 13.028-13
-
-
Bis in die 1970er Jahre trugen die Dorfhelferinnen eine spezielle Tracht mit Brosche, Nr. 09.005; 01-03
-
-
Brosche „Durch die Liebe diene einer dem andern“, Nr. 09.005-03
-
-
Schautafel mit Informationen zu Ausbildung und Beruf, 1980, Nr. 13.028-22
29. Oktober 2021 | Andrea Kittel | Jubiläum, Kunstgeschichte, Museale Sammlung
Im Jahr 2015 vermachte der Pfarrer und frühere Kunstsachverständige der württembergischen Landeskirche Kurt Schaal (1928-2015) unserem Archiv rund 200 Münzen und Medaillen mit Motiven zur Reformation. Mittlerweile sind sie umfassend digitalisiert und über unsere Datenbank abrufbar.
Münzen waren ein ideales Medium für die Verbreitung von Botschaften und Propaganda, denn als Zahlungsmittel gingen sie durch Jedermanns Hände. Kein Wunder also, dass auch die evangelischen Fürsten das Geld nutzten, um ihre protestantische Gesinnung werbewirksam bekannt zu machen. Auf diese Weise geehrt, rückte der Reformator Martin Luther auf eine Ebene mit Berühmtheiten wie Kaiser, Fürsten oder Papst. Neben Porträts von Luther und seinen Mitstreitern wurden reformatorische Ereignisse abgebildet, aber auch Allegorien, die die reformatorische Glaubensauffassung ins Bild rückten. Wichtige identitätsstiftende Elemente wurden die sogenannten „Jubelmünzen“ anlässlich der Reformationsjubiläen. Zu den 200-Jahrfeiern der Reformation 1717 und der Übergabe der Augsburger Konfession 1730 prägte man erstmals in größerer Anzahl Gedenkmünzen und -medaillen. Eine Tradition, die sich bis heute fortsetzt.
-
-
Jubiläumsmedaille, 1717, 200 Jahre Reformation, (Nr. 15.111-02) V: „Das zweyte Jubel Jahr nach der reinen Wider Herstellung des Evangely 1717“;
-
-
Jubiläumsmedaille, 1717, 200 Jahre Reformation, (Nr. 15.111-02) R: „Wieviel nach dieser Regul einhergehn über die seye Fried und Barmherzigkeit. GAL.VI.XVI.“
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Luther und der Kurfürst von Sachsen, (Nr. 15.111-06) V: „Das sich des Wortes Licht durch Luthers treue Hand nach langer Finsternis zur Christenheit gewandt, preist Gott die Christen Schaar nun zweymal hundert Jahr. Marinus Lutherus Theologiae Doctor.“
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Luther und der Kurfürst von Sachsen, (Nr. 15.111-06) R: „Verbum Domini Manet in Aeternum.“
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Thesenanschlag, (Nr. 15.111-06) V: „Aperite Portas. Esa 9,6. Initium Reformationis 1517. 31. oct.“
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Thesenanschlag, (Nr. 15.111-06) R: „Ingrediatur Gens Justa. Esai 9,6. Eccl. Aug. Jubilans. 1717“.
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Schwäbisch Hall, (Nr. 15.111-54) Silberabschlag vom Doppeldukaten; V: Luther
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Schwäbisch Hall, (Nr. 15.111-54) Silberabschlag vom Doppeldukaten; R: Arche.
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Esslingen (Nr. 15.111-56) V: Luther, „Martinus Lutherus Theologiae Doct. P. T. Coss: Paul de Bürgermeistero. Jerem. Spindlero. Jerem. Godelmanno“; R: Esslingen, „Conservei Dominus Lumen in Urbe Sua. Memor Jubilaei II. Celebrati in S. R.
-
-
Jubiläumsmedaille 1717, Esslingen (Nr. 15.111-56) R: Esslingen, „Conservei Dominus Lumen in Urbe Sua. Memor Jubilaei II. Celebrati in S. R. I. Ciutate Esslinga“.
-
-
Jubiläumsmedaille 1817, 300 Jahre Reformation, Reutlingen, (Nr. 15.111-07) V: „Da wards früh Licht. Reutlingen. J. L.Wagner“;
-
-
Jubiläumsmedaille 1817, 300 Jahre Reformation, Reutlingen, (Nr. 15.111-07) R: „D. M. Luther und D. M. Aulber zur 3. Ev. Jubel Feyer den 31. October 1817.“
-
-
Jubiläumsmedaille 1817, 300 Jahre Reformation, (Nr. 15.111-09) V: „D. Martin Luther“
-
-
Jubiläumsmedaille 1817, 300 Jahre Reformation, (Nr. 15.111-09) R: „Eine feste Burg ist unser Gott. Drittes Jubelfest der Reformation. Heilbronn 1817“.
-
-
Jubiläumsmedaille 1925, 400 Jahre Reformation in Schwäbisch Hall, (Nr. 15.111-40) V: „Zum Gedächtnis a. d. Einführung der Reformation i. Schwäb. Hall 1525-1925. Dr. Johannes Brenz“
-
-
Jubiläumsmedaille 1925, 400 Jahre Reformation in Schwäbisch Hall, (Nr. 15.111-40) R: „St. Michaeliskirche“.
-
-
Jubiläumsmedaille 1930, 400 Jahre Übergabe der Augsburger Konfession, (Nr. 15.111-20) V: „Philipp Melanchthon. Martin Luther“
-
-
Jubiläumsmedaille 1930, 400 Jahre Übergabe der Augsburger Konfession, (Nr. 15.111-20) R: „Confessio Augustana 1530. 1930“.
-
-
Jubiläumsmedaille 1983, zum 500. Geburtstag von Martin Luther, (Nr. 15.111-38) V: „1483-1546 Martin Luther. 1983“;
-
-
Jubiläumsmedaille 1983, zum 500. Geburtstag von Martin Luther, (Nr. 15.111-38) Münzenrand: „Evangelische Kirche in Deutschland“.
26. Oktober 2021 | Andreas Butz | Bestand, Kirchen, Kunstgeschichte
Das Dekanatsarchiv Reutlingen ist eines der 49 Archive von württembergischen Kirchenbezirksverwaltungen, die im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart verwahrt werden. Jeder dieser Bestände wurde mindestens oberflächlich durch ein gedrucktes Inventar erschlossen, ein Teil davon auch durch Datenbanken, bei denen die einzelnen Verzeichnungseinheiten etwa durch Enthält- und Darin-Vermerke eine bessere Recherchierbarkeit ermöglichen. Neun Inventare von Dekanatsarchiven sind online recherchierbar. Neu dazu gekommen ist das nun vollständig verzeichnete Dekanatsarchiv Reutlingen, auf dessen Inventar nun bequem von Zuhause aus zugegriffen werden kann. Die Recherche erfolgt entweder systematisch durch die Bestandstektonik oder über eine Volltextrecherche.
Das Dekanatsarchiv Reutlingen umfasst insgesamt 65 laufende Regalmeter an Protokollbänden und Akten. Die Reichsstadt Reutlingen wurde zwar durch Matthäus Alber bereits früh reformiert, und zwar noch vor Württemberg, wie in Württembergische Kirchengeschichte Online nachgelesen werden kann, aber die Stadt gelangte erst im Gefolge des Zusammenbruchs des Alten Reichs im Rahmen der Mediatisierung 1802 an Württemberg. Aus diesem Grund beginnt die Überlieferung des Dekanatsarchivs, – abgesehen von wenigen Ausnahmen -, erst Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Bestand beinhaltet auch die Pfarrarchive der Stadt Reutlingen, so wie sich etwa bis zum Ende des zweiten Weltkrieges entwickelt hatten.
Welche Akten des Bestands der einzelne am interessantesten findet, wird jeweils vom eigenen Forschungsinteresse abhängig sein. Eine besondere Perle der Überlieferung scheinen uns jedoch die Unterlagen des Baubüros der umfassenden Bauarbeiten an der Marienkirche, – der Hauptkirche der Stadt -, zu sein, die den Zeitraum von 1893 bis 1902 abdecken. Es finden sich dort allerlei Rechnungs- und Planungsunterlagen, mit denen sich der damalige Umbau akribisch verfolgen lässt. Ein besonders leichter Zugang zu den damaligen Baufortschritten lässt sich an den Zeitungsausschnittssammlungen ablesen, die man chronologisch geordnet in den Bestellnummern 3395 bis 3398 finden. Dort wurden auch verschiedene Programme, Gedichte, Rückblicke abgelegt, die anlässlich der Wiedereinweihung der Marienkirche im Jahr 1901 entstanden. Wen es interessiert, wie die Feierlichkeiten unter Anwesenheit der königlichen Hoheiten abliefen, welche Gedichte vorgetragen wurden, was man zum Festmahl aß (im ersten Gang z.B. eine „falsche Schildkrötensuppe“), und von welchen musikalischen Klängen das üppige Mahl begleitet wurde, wird hier fündig. Außerdem finden sich im Bestand zahlreiche, oft großformatige, und künstlerisch wertvolle Pläne und Detailzeichnungen, die während der Bauphase angefertigt wurden. Eine wahre Fundgrube für Kunsthistoriker. Einen kleinen, – aber wirklich nur sehr kleinen -, Einblick in das, was der Bestand an interessanten Dokumenten enthält, wollen wir mit unserer Auswahl an Digitalisaten bieten.
Link: Online Findbuch des Dekanatsarchivs Reutlingen
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3395, Zeitungsausschnitt Amtsblatt Reutlingen vom 18.11.1894, Aufruf Kirchenbauverein
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Bestt.-Nrr. 3395, Zeittungsausschnitt Amtsblatt Reutlingen, 9.9.18933, Vergabe von Eisenkonstruktionsarbeiten
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3395, Zeitungsausschnitt Generalanzeiger Reutlingen, 17.3.1895, Zur Marienkirche
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3396, Zeitungsausschnitte, geklebt im Band, Mai-Dez. 1893
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. Zeitungsausschnitte, im Band aufgeklebt, mit eingelegter Zeichnung einerr Frauen, bzw. Engelsskulptur
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3398, Ausschnitte und Programm Einweihung der Kirche 1901
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3398, Programm der Einweihungsfeierlichkeiten
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3398, Einweihungsgedicht, errste Seitte von insgesamt sieben Seiten
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best..-Nr. 3398, Programm des Festmahls im Gasthof zum Kronprinz. Seite 1: Speisefolge
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Eintrittskarrte zu den Einweihungsfeierlichkeiten
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3404, Skizze Strebepfeiler an der West-Seite
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3405, Skizze eines Bauornaments (Krabbe, bzw. Kriechblume)
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Best.-Nr. 3406, Skizze der Emporenbrüstung (nur Ausschnitt)
-
-
LKAS, DA Reutlingen, Bestt.-Nr. 3406, Skizze von Steinmetz-Zeichen in der Marienkirche
11. Oktober 2021 | Anette Pelizaeus | Inventarisation
Der seit 1994 bestehenden Arbeitsgemeinschaft Inventarisation in der EKD gehören die hauptamtlichen Inventarisatoren/innen bzw. Kunstreferenten/innen der einzelnen Gliedkirchen der EKD an, die sich bei einer jährlich stattfindenden Tagung über ihre Erfahrungen und den jeweiligen Stand der Inventarisation austauschen. Zudem nimmt jeweils eine Rechtsperson der EKD zur Klärung juristischer Fragen an den Jahrestagungen teil. Mit den katholischen Bistümern besteht der Kontakt über die jeweiligen Sprecher der AG, die ebenfalls jährlich anwesend sind.
Höhepunkt der diesjährigen Tagung am 23./24. September im hessischen Hanau war der Besuch der Staatlichen Zeichenakademie Hanau. Die Akademie wurde bereits 1772 durch den damals in Hanau residierenden Grafen von Hanau-Münzenberg, Landgraf und Erbprinz Wilhelm iX. von Hessen-Kassel als Zeichenschule gegründet. Das Ziel der Ausbildungsstätte bestand zunächst in der Steigerung der Entwurfsqualität der Hanauer Gold- und Silberschmiede für Schmuck und Silbergerät. Bereits 1837 wurde das Fächerangebot erheblich erweitert und 1866 durch Julius Carl Raschdorff ein Neubau geschaffen. Durch die beiden Erweiterungsbauten von 1973 und 2005 stellt dieses nach dem Zweiten Weltkrieg wiederhergestellte Gebäude heute den Altbau dar. Heutzutage werden in der Stattlichen Zeichenakademie Goldschmiede, Silberschmiede, Metallbildner, Graveure, und Schmucksteinfasser mit handwerklicher Grundausbildung und Berufsfachschule mit Berufsfachschulabschluss ausgebildet. Es besteht auch die Möglichkeit, eine Meisterprüfung abzulegen.
Für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der AG war der Besuch äußerst spannend und aufschlussreich. Die Führung durch die Werkstätten der Gold- und Silberschmiede visualisierte die große Anzahl an Werkzeugen und die gewaltige Vielfalt an Formvorlagen für die Bearbeitung der Metalle, ermöglichte den Austausch mit den Lernenden bei ihren Entwürfen und zeigte ihre großartigen Ergebnisse und die Preise, die sie bei stattgefundenen Wettbewerben erworben haben. Nicht zuletzt verblüffte der Blick in die Bibliothek mit einem enorm großen Bestand an Werken zur Gold- und Silberschmiedekunst, zur Metallverarbeitung, zur Kunstgeschichte und zum Design.
Eine weitere Führung fand in der wallonisch-niederländischen Kirche Hanau statt, die 1597 von Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg für niederländisch und französisch sprechende Glaubensflüchtlinge als reformierte Kirche gegründet und als Doppelkirche erbaut worden war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde lediglich die kleinere niederländische Hälfte wiederaufgebaut, während der größere wallonische Teil Ruine geblieben ist und heute in das Gemeindezentrum integriert ist. Das Rauminnere der mehrseitigen Kirche besticht durch zentrierte Verbundenheit zwischen den Gläubigen und der Kanzel an der Schnittstelle der beiden einstigen Kirchen.
-
-
In der Werkstätte der Silberschmiede in der Staatlichen Zeichenakademie Hanau
-
-
In der niederländisch-wallonischen Kirche in Hanau
-
-
Niederländisch-wallonische Kirche
11. Oktober 2021 | Jakob Eisler | Ausstellung
Vom 14. Oktober bis 31. Dezember 2021 wird in Ludwigsburg eine Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs und des Stadtarchivs Ludwigsburg gezeigt.
Gründer der Tempelgesellschaft, die im weitesten Sinne den pietistischen Strömungen Württembergs zuzurechnen ist, war der 1815 in Leonberg geborene Christoph G. J. Hoffmann, Sohn des Gründers der württembergischen Brüdergemeinde Korntal. Hoffmanns religiöse Erziehung in der Brüdergemeinde in Korntal und sein Theologiestudium an der Tübinger Universität prägten nachhaltig seine Vorstellungen von Glauben, Gesellschaft und Kirche. Zusammen mit dem ehemaligen Kaufmann Georg David Hardegg (1812–1879) aus Ludwigsburg, einem ausgewiesenen Demokraten, griff er die als Babel diskreditierte Amtskirche scharf an und warb für den Gedanken, neben der bestehenden Kirche ein neues Volk Gottes zu formen. Bald formierte sich um Hoffmann und Hardegg eine Gruppe namens Jerusalemsfreunde. 1856 gründeten sie eine Knaben- und Mädchenschule im Kirschenhardthof (einem Gehöft bei Marbach). Hier sollte die Jugend im Geiste des Tempels erzogen und aus ihrem Kreis sollten die künftigen Sendlinge für das Heilige Land rekrutiert werden.
1861 wurde der Deutsche Tempel zu einer selbständigen religiösen Gemeinschaft mit Hoffmann als Bischof und Hardegg als Vorsitzendem. Die evangelische Kirche versuchte in den folgenden Jahren mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die Anhänger der Templer zu bekämpfen. Der entscheidende Erfolg blieb ihr aber versagt. 1868 beschlossen die Templer, nach Palästina auszuwandern. 1869 wurde die Kolonie Haifa gegründet. Bis 1906 entstanden fünf weitere Siedlungen der württembergischen Templer: Jaffa (1869), Sarona (1871), Jerusalem (1873), Wilhelma (1902) und Bethlehem-Galiläa (1906). Die Blütezeit all dieser Kolonien lag im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam auch das Ende der Kolonien: Alle noch im Land verbliebenen Palästinadeutsche, Siedler wie Missionare, wurden von den britischen Mandatsbehörden interniert, ein Teil nach Australien verbracht, ein Teil gegen Juden aus dem deutschen Machtbereich ausgetauscht.
Bild: Der Salon bei Ludwigsburg circa 1850. Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung.
8. Oktober 2021 | Dorothea Besch | Jubiläum
Das Feld der Politik sollten auch Frauen bestellen und aktiv mitgestalten können. Dieser Meinung war die Vorstandsfrau der Evangelischen Frauenarbeit in Württemberg, Maria Raiser, Landtagsabgeordnete der CDU und Vorsitzende des CDU-Frauenausschusses Nordwürttemberg. Die Evangelische Frauenarbeit in Württemberg – heute ist sie als Evangelische Frauen in Württemberg bekannt – wollten sechs Jahre nach Kriegsende die Frauen in den evangelischen Gemeinden und Mitgliedsverbänden für die Mitarbeit in der Demokratie gewinnen und die Möglichkeiten der politischen Partizipation ausschöpfen. Die Erfahrungen im Nationalsozialismus als bekennende Evangelische Frauen ihre Arbeit in den Gemeinden nur äußerst eingeschränkt fortführen zu können, war noch in zu guter Erinnerung. Die Demokratie wurde nun als Chance gesehen, sich aktiv einzubringen und die Rechte von Frauen einzufordern und zu vertreten. Ein Schritt in diese Richtung waren die Staatsbürgerliche Tagungen, deren erste vom 9. bis 11. Oktober 1951 im Gustav-Fischer-Haus der Evangelischen Diakonieschwesternschaft in Herrenberg stattfand. Ziel war es, Frauen über politische Zusammenhänge zu informieren, das Interesse dafür zu wecken und als Christinnen Gesellschaft und Politik mitzugestalten. Daher stand die Tagung unter dem Motto „Die Evangelische Frau und ihre Verantwortung für das öffentliche Leben.“ Neben den Referaten „Der Aufbau des deutschen Staates“ wurde u.a. darüber gesprochen, welche Aufgaben Frauen im Gemeinderat, Land- und Bundestag haben. Die Juristin Dr. Antonie Kraut, ehemalige Geschäftsführerin der Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche, referierte über die Gleichberechtigung der Frau. Die Tagung wurde ein Erfolg, wie aus dem Bericht einer Teilnehmerin zu entnehmen ist: „Die Zeiten sind gewesen, wo Christentum und Politik unvereinbar schienen. So ungern sich die Kirche auf die politische Kampfbahn begab: als die Thesen von Blut und Boden, von der Vernichtung unwerten Lebens und ähnliche Grundsätze aufgestellt wurden, musste sich die Kirche zum Worte melden. Heute im demokratischen Staate, wo es nicht mehr gilt: hie Regierung hie Volk, sondern jeder, auch die Frau, die Stimme laut werden lassen kann, wird die Gelegenheit meist nur zu kleinlicher Kritik wahrgenommen. Besonders die Frauen, von denen Sachkenntnis und tieferer Einblick oft nicht einmal angestrebt werden, haben viel versäumt. Es wird Zeit, dass sie aktiv ihren Einfluss geltend machen auf Gebieten, die das ganze Volk angehen, wie der Kampf gegen Schmutz und Schund, die Sozialgesetzgebung, Schule, Ehegesetz und Ähnliches. Eine Christenheit, die am politischen Leben nicht Anteil nimmt, verrät ihren Charakter als Salz der Erde“ (LKAS, K 6, 60, Bericht einer Teilnehmerin von der ersten Staatsbürgerlichen Tagungen 09.-11.10.1951.).
Die Staatsbürgerlichen Tagungen wurden bis 1989 von der Evangelischen Frauenarbeit veranstaltet. Von 1990 bis 1997 wurden die Tagungen als „Frau und Politik Tagung“ weitergeführt.
Das Inventar des Bestands K6 – Evangelische Frauenarbeit in Württemberg finden Sie hier.
-
-
LKAS, K6, Nr. 771, links Ida Rall, Leiterin der Evangelischen Hausschwesternschaft, rechts, Maria Raiser, Vorsitzende der Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche
-
-
LKAS, K6, Nr. 775. Links, Oberin Gertrud Traub, Eva Scheel, unbekannte Schwester
-
-
LKAS, K6, Nr. 776.
-
-
LKAS, K6, Nr. 774.
-
-
LKAS, K6, Nr.772, Von links nach rechts: Miss Prof. Dr. DuBois, Frau Reiner, Frau Pecher, Baronin v. Tschaska, Frl. Dreiss, Schwester Lina Fegert
-
-
LKAS, K6, Nr. 773. Pfarrer Rieß bei der Bibelarbeit, links von ihm Antonie Kraut, rechts Oberin Traub
-
-
LKA, K6, Nr. 771. Von links nach rechts: Antonie Kraut, Hilde Wiedenhöfer, Alwine Ostermeyer
-
-
LKAS, K6, Nr. 59, S. 1
-
-
LKAS, K6, Nr. 59, S. 2
-
-
LKAS, K6, Nr. 59, S. 3
-
-
LKAS, K6, Nr. 59, S. 4
-
-
LKAS, K6, Nr. 60
27. September 2021 | Konstanze Grutschnig | Bibliothek
Am 13. und 14. September 2021 fand in der Augustinerkirche in Gotha die Tagung „Evangelische Kirchenbibliotheken. Desiderate und Perspektiven ihrer Erforschung“ statt. Die Veranstaltung wurde geleitet von Prof. Dr. Thomas Fuchs (Universitätsbibliothek Leipzig), Dr. Kathrin Paasch (Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt) und Prof. Dr. Christopher Spehr (Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena)Kooperation mit dem Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Eisenach und Magdeburg, sowie dem Freundeskreis der Forschungsbibliothek Gotha e.V.
„Es liegen viele Aufgaben vor uns – packen wir es an“ forderte Christopher Spehr (Universität Jena) auf der Tagung „Evangelische Kirchenbibliotheken. Desiderate und Perspektiven ihrer Erforschung“ in Gotha seine Zuhörer auf. Zuvor hatte er den Erschließungstand historischer Pfarrbibliotheken skizziert. Neben zwei Projekten in Mecklenburg-Vorpommern (2016-2017) und in Nordthüringen (seit 2017) sind bisher nur einzelne Kirchenbibliotheken in Verbundkatalogen katalogisiert und damit ihre Bestände für die Forschung benutzbar gemacht worden. Eine Mammutaufgabe wie Thomas Fuchs (Universitätsbibliothek Leipzig) erklärte, da die genaue Zahl der evangelischen Kirchenbibliotheken nicht bekannt ist, die Bestände für den Arbeitsalltag der Pfarrerschaft keine Rolle mehr spielen und sie deshalb wenig beachtet werden. Oft sind sie in einem schlechten Erhaltungszustand und stehen an zu feuchten oder zu warmen Orten in Kirchen, Pfarr- oder Gemeindehäusern. Dennoch ist es lohnend, sie zu erschließen, denn in den historischen Beständen lassen sich häufig unikale und für die besitzende Gemeinde bedeutende Bücher entdecken. Besonders spannend ist es, wenn die Vorbesitzer ihre Ansichten in den Büchern vermerkt haben. So zeigte Helmut Liersch (Goslar) anhand der Halberstädter Büchersammlung in Goslar, wie sich der Sinneswandel des „altgläubigen“ Notars Andreas Gronewalt zum Anhänger Luthers nachvollziehen lässt.
Am Beispiel der Kirchenbibliothek von St. Annen in Annaberg erläuterte Thomas Thibault Döring (Universitätsbibliothek Leipzig), wie Kirchenbibliotheken im Laufe der Geschichte ihre Funktionen änderten, zusätzlich zu Rats-, Schul- oder Stadtbibliothek wurden und von Pfarrern, Lehrern, Ratsherren und Bürgern der Stadt genutzt wurden. Untergebracht waren die Büchersammlungen häufig in der Kirche, oft wurden auch eigene Anbauten für sie errichtet wie in Goslar oder in Wittenberg. In weiteren Vorträgen wurde auf die kulturhistorische Bedeutung von Büchern und Bibliotheken eingegangen und so stellten Insa Christina Hennen (Stiftung Leucorea Wittenberg) und Daniel Bohnert (Universität Duisburg-Essen) die Bedeutung der Ordiniertenbücher für die lutherische Gedächtniskultur dar oder erläuterte Michael Ludscheidt (Bibliothek d. Evangelischen Ministeriums Erfurt) die Memorialfunktion bürgerlicher Buchgeschenke. Nicht immer waren die Anschaffungen theologisch motiviert wie Christoph Nonnast (Universität Jena) anhand der Buchkäufe in Nordthüringen belegt. Hier priesen Autoren und Verlage ihre Werke – oft noch vor der Drucklegung – beim Fürsten an, der dann deren Ankauf in den Kirchengemeinden befahl.
Der Schwerpunkt der Vorträge lag auf dem mitteldeutschen Raum, doch mit dem Beitrag über die Geschichte der Konsistorialbibliothek in Stuttgart stellte Carsten Kottmann (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart) auch ein Bespiel einer württembergischen Kirchenbibliothek vor. Welche Chancen die weitere Erfassung der Kirchenbibliotheken bieten, zeigten Christoph Nonnast, der die Ergebnisse des Erschließungsprojekts in Nordthüringen vorstellte, und Dietrich Hakelberg (Forschungsbibliothek Gotha), der die Möglichkeiten zur Visualisierung der Bestände mittels Geobrowser und Wortwolke präsentierte. Insgesamt war es eine gelungene und spannende Tagung, die gleichzeitig den Auftakt zum Projekt der EKM zur Erfassung historischer Kirchenbibliotheken ab 2022 bildet. Wer nun neugierig geworden ist, kann die Vorträge im nächsten Band des Leipziger Jahrbuch für Buchgeschichte nachlesen.
Foto: Sergej Tan, Forschungsbibliothek Gotha
21. September 2021 | Jakob Eisler | Bestand

Jakob Eisler bei der Einholung der letzten Papierakten des Difäm in Tübingen
In den Sommermonaten 2021 konnten die letzten Papierakten des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (Difäm) aus den Jahren 1995 bis 2020 in Tübingen abgeholt werden, um diese zu bearbeiten und um das Papierarchiv vollständig in Stuttgart aufzubewahren. Somit wird sich das gesamte Difämarchiv für Benutzer in unserem Archiv befinden.
Das Landeskirchliche Archiv hatte schon im Jahre 2011 den Altbestand des Difäm übernommen und ließ es durch Dr. Jakob Eisler und Dr. Siglind Ehinger für die Jahre 1836 bis 1995 verzeichnen. Diese Akten beinhalteten auch die Altakten des medizinischen Missionsinstitutes Tübingen von 1841-1849, den Verein für Ärztliche Mission Stuttgart 1898-1972, und des Difäm bis 1995. Das Archiv ist erschlossen und das Inventar ist hier recherchierbar.
Im Jahr 1906 gründete der Unternehmer Paul Lechler das „Deutsche Institut für ärztliche Mission (DIFÄM) mit dem Ziel. Ausreisende Ärzte und Pflegekräfte sowie Theologen der verschiedenen Missionsgesellschaften in Deutschland auf ihren Auslandsaufenthalt vorzubereiten und in Tropenmedizin auszubilden bzw. ihnen medizinisches Basiswissen zu vermitteln. 1916 wurde in Tübingen die Tropenklinik Paul-Lechler-Krankenhaus errichtet.
Zum hundertjährigen Jubiläum der Tropenklinik erarbeitete das Landeskirchliche Archiv gemeinsam mit dem Difäm eine Ausstellung, die die bewegende Geschichte des Institutes und seiner Zweige darstellte.
In der aktuellen Corona-Pandemie setzt sich das Difäm für die gerechte Verteilung von Covid-19-Impfstoffen ein und fordert, diese zu einem globalen zugänglichen Gut zu machen.
Maßstab und Motivation für das Engagement des Difäm ist bis heute die christliche Ethik mit ihrer Herausforderung, für die Benachteiligten da zu sein.