29. November 2023 | Andreas Butz | Ausstellung
Die aktuelle große Sonderausstellung “American Dreams. Ein neues Leben in den USA” des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg widmet sich den Auswanderern aus Südwestdeutschland in die USA. Die sehenswerte Ausstellung erzählt exemplarisch die Geschichte von 34 Menschen und zeigt Exponate aus ihrem Leben. Dazu gehört zum Beispiel der Radikalpietist Johann Georg Rapp (1757-1847) aus Iptingen, aber auch Johann Conrad Weiser (1696-1760), ein Pietist, Indianerfreund und Dolmetscher. Nach ihm sind heute zum Beispiel eine Schule, ein Schulbezirk und ein Wald in Pennsylvania benannt. Seine Biografie ist interessant. Als Jugendlicher wanderte er mit seinem Vater im Jahr 1709 unter abenteuerlichen und ärmlichen Umständen in die USA aus. Im Alter von 16 Jahren lebte er acht Monate bei den Indianern und erwarb sich so umfassende Kenntnisse ihrer Sprache und Kultur, die ihn später zu einem wichtigen Unterhändler und Bevollmächtigten in Fragen der Indianerpolitik machten. Das im Haus der Geschichte ausgestellte Originalgemälde zeigt ihn als Dolmetscher für Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der auf seiner Missionsreise 1742 Verhandlungen mit den Indianern führte.
Weiser wurde nach eigenen Angaben am 2. November 1696 als Sohn von Johann Conrad Weiser und Anna Magdalena, geb. Übelen, in Affstätt bei Herrenberg geboren. Sein Vater sei zu dieser Zeit dort als Korporal im blauen Dragonerregiment stationiert gewesen. Ursprünglich stammte die Familie aus Großaspach. Weiter schreibt Weiser in seinem Tagebuch über sich selbst, er sei “in Kuppingen nahe dabei getauft worden”, wie ihm sein “Vater berichtet” hat. Spätestens 1699 lebte Familie Weiser wieder in Großaspach, wie sich anhand eines Taufeintrags eines Geschwisterkindes Johann Conrads im dortigen Taufregister feststellen lässt.
Taufregister Kuppingen 1696/1697. Ein Eintrag für die Taufe Weisers fehlt.
Spätestens 1699 lebte Familie Weiser wieder in Großaspach, wie sich an dem Taufeintrag für einen weiteren Sohn der Familie ablesen lässt.
Im Taufregister von Kuppingen ist jedoch keine Taufe für Johann Conrad Weiser verzeichnet. Ebenso wenig im Register von Affstätt, und auch nicht in Herrenberg oder in Großaspach. Der Fall ist nicht leicht zu klären. Entweder hat der Vater etwas verwechselt oder der Pfarrer von Kuppingen hat die vollzogene Taufe nicht im Kirchenbuch vermerkt. Bei der Ermittlung von Personendaten aus den Kirchenbüchern erweisen sich die Kinder stationierter Soldaten nicht selten als sehr problematisch. In Württemberg gibt es keine Regimentskirchenbücher. Soldaten waren zumindest zeitweise eine sehr mobile Gruppe, deren Daten in den Kirchenbüchern teilweise nicht mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln sind.
Unser Kollege Uwe Heizmann hat (privat) begonnen, die in den Kirchenbüchern verschiedener Kirchengemeinden dokumentierten Soldaten in einer Datenbank zu erfassen: https://www.uwe-heizmann.de/militaer.html
Beitragsbild:
Unter Verwendung von Bildpostkarten aus der Ausstellung “American Dreams” des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg von der Station Johann Conrad Weiser. Die “Selfies” historischer Auswandererpersonen wurden mit Hilfe von “Künstlicher Intelligenz” erzeugt.
Quellen:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band XIII, S. 636, Eintrag für Johann Conrad Weiser (Daniel Heinz)
Gerhard Böckle: Johann Conrad Weiser, in: Von Affinstätten zu Affstätt. 700 Jahre Geschichte eines Dorfes im Gäu. Herrenberg 1987, S. 415-427.
Taufregister Kuppingen 1696 in Archion
Taufregister Großaspach 1699 in Archion
22. November 2023 | Jakob Eisler | Ausstellung, Palästina
Vortrag im Staatsarchiv Ludwigsburg. Foto: Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Gestern, am 21. November 2023, nahmen im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung „Die neue Heimat im Heiligen Land“ ca. 50 Personen an der Führung unseres Mitarbeiters Dr. Jakob Eisler teil und über 80 Personen am anschließenden Vortrag „Die Hilfe der württembergischen Templer bei der jüdischen Besiedlung Palästinas 1870-1914“. Im Anschluss an den Vortrag im Staatsarchiv Ludwigsburg bestand die Möglichkeit, Fragen zum Thema zu stellen. Der Vortrag wurde aufgezeichnet und kann hier angehört werden.
Seit Beginn der württembergischen Besiedlung Palästinas im Jahre 1868 waren die Templer in allen Bereichen der christlichen Tätigkeit tätig: im Schulwesen, in der Medizin, in der Landwirtschaft, in der Forschung, in der Wirtschaft, in Handel und Gewerbe, in der Diplomatie, in der Kirche, in der Technik und im Tourismus. In den Templersiedlungen gab es die besten Hotels, Pferdekutschenverbindungen nach Jerusalem und ganz Palästina, in Jaffa ein archäologisches Museum, einen botanischen Garten, einen Zoo und vieles mehr. Einen besonderen Aufschwung nahm die Entwicklung in Palästina, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in Haifa und Jaffa deutsche Fabriken gebaut wurden. Die beteiligten Unternehmen spielten eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Modernisierung des Landes. Ihr Vorbild und ihr „Know-how“ trugen nicht unwesentlich dazu bei, die Hemmschwelle für die jüdische Besiedlung des noch weitgehend desolaten Landes im großen Stil abzubauen. So trugen die Templer mit ihren fortschrittlichen Ideen und Leistungen wesentlich zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung Palästinas von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bei. Durch ihr Wirken auch in den jüdischen Dörfern und Stadtvierteln haben sie die Modernisierung ganz Palästinas nicht unwesentlich beschleunigt.
Die Ausstellung ist im Staatsarchiv Ludwigsburg zu sehen. Im Begleitprogramm werden fast wöchentlich Führungen angeboten.
Wir wollen darauf hinweisen, dass die Ausstellung noch bis zum 19. Dezember 2023 zu sehen ist.
Die Öffnungszeiten sind:
Mo-Do: 9:00-16:30 Uhr
Fr.: 9:00-15:30 Uhr
Sonderöffnung auch am Sonntag, den 10. Dezember 2023 von 14:00-17:00 Uhr.
Der Eintritt ist frei.
Im Begleitprogramm ist am 19.12.2023 auch eine Finissage um 19:00 Uhr geplant mit dem Vortragstitel:
„Templerfamilien aus dem Kreis Ludwigsburg im Heiligen Land“.
9. November 2023 | Andreas Butz | Palästina, Veranstaltung, Veröffentlichung
Am Donnerstag, den 8. November wurde im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs und der Evangelischen Hochschul- und Zentralbibliothek das neu erschienene Buch von Jakob Eisler und Christoph Knoch “Über den Kuppeln von Jerusalem. Rundblick von den kaiserlichen Türmen der Erlöserkirche und der Dormitio-Abtei 1898 – 1910- 2012 – 2022” vorgestellt. Die Veranstaltung war gut besucht. Ursprünglich war auch eine Präsentation dieses Buches in Jerusalem geplant. Die Feierlichkeiten zum 125-jährigen Jubiläum der Erlöserkirche wurden jedoch aufgrund aktueller Entwicklungen verschoben und können hoffentlich im Frühjahr des kommenden Jahres stattfinden.
Grußworte sprachen für das Haus die Leiterin der Evangelischen Hochschul- und Zentralbibliothek Bettina Schmidt und für die Landeskirche Frau Prälatin Gabriele Wulz. Dr. Jakob Eisler, wissenschaftlicher Mitarbeiter unseres Archivs, führte in die historischen Hintergründe ein und sein Co-Autor, der Schweizer Pfarrer Christoph Knoch erläuterte die Bilderpanoramen. Die Autoren gingen auch auf die Entstehungsgeschichte des Buches ein. Glückliche Umstände hatten hier die richtigen Personen zusammengeführt.
Der Fotograf Bruno Hentschel hatte 1898 vom Gerüst der im Bau befindlichen evangelischen Erlöserkirche aus ein Panorama der damaligen Stadt Jerusalem aufgenommen. Und 1910 schuf ein anderer Fotograf ein solches Panorama vom Gerüst der katholischen Dormitio-Abtei. Und zwar handelt es sich beide Male um 360° Panoramen, also Vollpanoramen. Beide Kirchen sind Wahrzeichen evangelisch-lutherischer und römisch-katholischer Präsenz im Heiligen Land. Christoph Knoch ergänzt im Buch die historischen Aufnahmen durch aktuelle Fotografien. Die Gegenüberstellung der Fotografien ermöglicht faszinierende Einblicke in die Entwicklung des Stadtbildes von Jerusalem. Die Publikation der Panoramen der beiden Kirchtürme ist auch ein Zeichen ökumenischer Verbundenheit. Ergänzt wird das Ganze durch fundierte Texte der beiden Jerusalem-Kenner und weitere Fotos.
Unter www.jerusalempanorama.ch hat Christoph Knoch zwei Youtube-Filme eingestellt, die einen Vorgeschmack auf die Panoramen in ihren Gegenüberstellungen bieten.
Jakob Eisler/Christoph Knoch, Über den Kuppeln von Jerusalem. Rundblick von den kaiserlichen Türmen der Erlöserkirche und der Dormitio-Abtei 1898 – 1910 – 2012 – 2022 (Kleine Schriften des Vereins für württembergische Kirchengeschichte 29), Stuttgart 2023. 80 S. 25,00 EUR (geb.), 15,00 EUR (brosch.). ISBN 978-3-944051-66-6 (geb.), ISBN 978-3-944051-67-3 (brosch.).
Bestellungen beim Verein für Württembergische Kirchengeschichte (email: margarete.gruenwald@elk-wue.de).
Fotos von der Veranstaltung: Landeskirchliches Archiv Stuttgart
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Dr. Jakob Eisler
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Chriostoph Knoch beim Vortrag
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Pfarrer Knoch, Dr. Eisler
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Original des Rundblicks von der Erlöserkirche
Rundschau vom Turm der Dormitio, 1907, Ausschnitt Süd – Südwest
7. November 2023 | Noah-Joshua Veit | Kunstgeschichte
Am 27.09.2023 durfte ich zum ersten Mal bei einer Inventarisierung dabei sein. Anstatt wie bisher im Büro bestehende Akten zu sortieren oder zu digitalisieren, konnte ich hier hautnah bei der Aufnahme eines neuen Bestandes dabei sein. Bei der Inventarisierung im speziellen, wird nicht nur ein neuer Bestand aufgenommen, der Bestand muss erst geschaffen werden. Dies geschieht mithilfe von Fotoaufnahmen der entsprechenden Objekte und einer eingehenden Beschreibung derselben. Maße, Name, Datierung und Herkunft werden vor Ort bestimmt, während eine eingehende Werkbeschreibung u.a. anhand der Fotos im Archiv angefertigt wird. In diesem Fall handelte es sich bei dem „Bestand“ um die Jugendstilkirche Gaggstatt.
Die Inventarisierung beginnt morgens und nimmt einen ganzen Arbeitstag in Anspruch. In Gaggstatt angekommen, übergab uns die Mesnerin die Schlüssel und wir durften uns frei in der Kirche umsehen.
Die mit ihren Doppeltürmen für das sonst relativ kleine Dorf Gaggstatt doch schon sehr imposante Jugendstilkirche wurde 1904 nach dem Entwurf des bekannten Architekten Theodor Fischer gebaut. Die mangelnde Fantasie bei der Namensgebung machte er bei der Gestaltung der Gottesdienstraumes mehr als wett. Neben der auffallend farbenfrohen Ausstattung, wie den Kacheln entlang der Empore und den blauen Bänken, die immer gleichzeitig eine oder mehrere symbolische Bedeutungen haben, gibt es in der Kirche viele kleine versteckte Details zu entdecken. So zum Beispiel ein kleines Relief im Treppenaufgang, das mit den Tieren Katze, Ratte, Frosch und Fliege die Schöpfungsordnung Gottes darstellt.
Im Rahmen der Inventarisierung wurde zunächst das liturgische Gerät erfasst, das in diesem Fall, da es sich um eine evangelische Kirche handelt, nur die Abendmahlskelche, die „Vasa Sacra“, umfasste. Es gab 7 Stück davon, die meisten aus vergoldetem Kupfer, Silber oder Zinn. Eine Besonderheit war ein Kelch, der sowohl Stilmerkmale des 15. als auch des 19. Jahrhunderts aufwies und daher nicht eindeutig zuzuordnen war.
Nach der Verzeichnung des Liturgischen Geräts wendeten wir uns dem Kirchenschiff zu. Wichtig sind hier die Prinzipalstücke Taufstein, Altar und Kanzel sowie eventuell weitere architektonische Details. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen sind es hier nicht die Glasfenster, sondern die Brüstung der Empore, die mit sieben sich wiederholenden Motiven auf großen Kacheln verziert ist. Zwei der Kacheln sind abgeschnitten, als Symbol für die Unvollständigkeit der Schöpfung Gottes. Über dem Altarraum befand sich außerdem ein großes Relief, das die 3 wichtigsten Ereignisse des Christentums darstellte: Weihnachten (Geburt Christi), Ostern (Tod Christi) und Pfingsten (Empfang des Heiligen Geistes).
Eine Überraschung erwartete uns beim letzten Element:
Der Taufstein selbst war nicht mehr im Original vorhanden, sondern eine in eine Nische eingelassene Schale mit einem Holzdeckel im Jugendstil. Der ursprüngliche Taufstein befand sich, wie uns der Pfarrer später erklärte, in der Nachbargemeinde. So machten wir, bevor wir mit der Aufnahme des Kirchengebäudes fortfuhren, einen kurzen Abstecher in die Kirche des Nachbarortes.
Nachdem wir dort den, im Vergleich zum restlichen Kirchenmobiliar, relativ unspektakulären Taufstein verzeichnet hatten, kehrten wir wieder zurück zum ursprünglichen Einsatzort und fuhren anschließend mit der Empore fort. Dies umfasste die Orgel und zwei Prozessionskreuze.
Zuletzt schlossen wir die Kirche ab und machten noch einige Außenaufnahmen. Ich fand diese Abwechslung zum bisherigen FSJ-Alltag sehr spannend und würde mich freuen, bald wieder so etwas machen zu können.
Fotos: Inventarisation, Landeskirchliches Archiv Stuttgart
31. Oktober 2023 | Anette Pelizaeus | Kunstgeschichte
Stellen wir uns einmal vor, Martin Luther hätte 1517 in Wittenberg nicht seine 95 Thesen unter die Menschen gebracht, hätte sich nicht für die Bedeutung des Wortes in der Predigt, für die Feier des Abendmahls in beiderlei Gestalt, für die Kindertaufe und für die Musik im Gottesdienst eingesetzt? Was wäre geschehen, wenn er nicht davon gesprochen hätte, dass die aufwendige Glaubenspraxis der damaligen christlichen Kirche eben nicht dem wahren Glauben an Jesus Christus diente? Dann hätte es zumindest im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts keine kriegerischen Auseinandersetzungen um den rechten christlichen Glauben gegeben, dann wären keine Klosterkirchen aufgelöst und keine neuen Gottesdienstordnungen eingeführt worden. Kurz, es wäre zunächst alles beim Alten geblieben. Aus protestantischer Sicht wäre der Verlust gleichwohl hoch gewesen, profitieren wir doch auch noch heute von der Einrichtung neuer Schulen zur Unterweisung im neuen Glauben und zur Förderung der allgemeinen Bildung, von der Bibel in einer einheitlichen deutschen Sprache und von Gottesdiensträumen, in denen Altar, Kanzel, Taufbecken und Orgel gleichermaßen dem Wort Gottes dienen und damit gleichwertige Ausstattungsstücke sind. Es hätten sich keine Gottesdiensträume entwickelt, in denen z.B. der Altar in der Mitte der Kirche steht, es gäbe keine Kanzelaltäre, in denen Altar, Kanzel und Orgel übereinander angeordnet sind, es hätte aber auch keine so ausgeprägte Entwicklung des Kirchenliedes gegeben, denn wir kennen nicht nur „Ein feste Burg ist unser Gott“ oder „Vom Himmel hoch da komm ich her“, sondern viele andere Lieder mehr. Denn Martin Luther war nicht nur Augustinermönch, Theologe, Professor und Reformator, sondern auch Dichter und Musiker.
Wandbild in der Pfarrkirche St. Jodokus in Strümpfelbach. LKAS, Inventarisation, Bilder, DA Waiblingen, Strümpfelbach, Nr. 276
Lucas Cranach d.Ä. (Werkst.), Porträt des Martin Luther (Lutherhaus Wittenberg). Wikimedia Commons (Gemeinfrei)
Trotz seiner vielseitigen Persönlichkeit wurde Martin Luther immer wieder in Anlehnung an das von Lucas Cranach (1472-1553) gemalte Porträt von 1528 mit schwarzem Talar, Barett und strengem Gesichtsausdruck dargestellt, obwohl Luther selbst geäußert hatte, er wolle mit einem Schwan porträtiert werden, und zwar in Anlehnung an eine Prophezeiung, die der damals in Konstanz gefangene böhmische Reformator Jan Hus (um 1370-1415) Ende 1414 geäußert hatte. Man werde im Gefängnis eine Gans braten – denn Hus heißt auf Deutsch Gans -, aber nach hundert Jahren werde man einen Schwan singen hören. In einer Glosse von 1531 bezog Luther diese Aussage von Hus auf seine eigene Person. So entstand die Bildtradition von Luther und dem Schwan. Ein erstes Motiv dieser Art stammt aus dem Jahr 1603 von Jacob Jacobs und hängt in der Hamburger Hauptkirche St. Petri. Ein weiteres Beispiel aus der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ist das 1698 von Georg Friedrich List geschaffene Wandbild in der Pfarrkirche St. Jodokus in Strümpfelbach im Kirchenbezirk Waiblingen. Wie in Hamburg steht auch in Strümpfelbach Martin Luther im schwarzen Talar im Mittelpunkt des Bildes. In Strümpfelbach hält er die aufgeschlagene Bibel in den Händen, während über ihm ein Engel mit Buch und Ring schwebt. Der Engel symbolisiert den himmlischen Schutz der Bibel und der neuen Lehre, mit der Martin Luther durch den Ring eng verbunden ist. Links von Luther steht eine Säule auf einem Sockel mit dem Christusmonogramm als Symbol für den rechten Glauben an Jesus Christus und die Standhaftigkeit Martin Luthers. Rechts von Luther steht ein Schwan mit weit geöffnetem Schnabel, der sich der Person Luthers zuwendet, als Symbol für die Fortdauer der Reformation.
Gesteigert wird das auf Pfarrer Magister Georg Ludwig Schmidlin fußende Bildprogramm, dessen Anfangsbuchstaben auf dem Sockel unter der Säule zu finden sind, durch die Inschrift auf dem Postament der Säule, in der es folgendermaßen heißt: “Der Engel schwebt, Lutherus steht, was Er gelehret,// das bleibet ewiglich. Stoppeln und hew verzehret// das Feuer. Der Schwan singt. Ein Schaar, die mild, Fürbild// und Gegenbild heiligt, als Christi Ehrenschild”.
Das Wandbild Martin Luthers mit dem Schwan in der Pfarrkirche St. Jodokus in Strümpfelbach zeigt also in besonderer Weise die Aktualität Martin Luthers als Fürsprecher der Reformation, als jemanden, der für seinen Glauben einsteht und für diesen kämpft. Gerade in der heutigen Zeit, geprägt von kriegerischen Auseinandersetzungen in der ganzen Welt, ist ein deutliches Zeichen für das Eintreten für das Wort Gottes, für die Würde des Menschen und die Menschlichkeit wichtiger denn je.
Beitragsbild: Inschrift Lutherbild Strümpffelbach. LKAS, Inventarisation, Bilder, DA Waiblingen, Strümpfelbach, Nr. 281
25. Oktober 2023 | Andreas Butz | Lesesaal
Wir treffen Dr. Peter Poguntke. Der Historiker, Politologe und Journalist erarbeitet derzeit eine Broschüre zur Geschichte des Hospitalhofs in Stuttgart, die zum Jubiläum des neuen Hospitalhofs erscheinen soll. Das evangelische Bildungszentrum in der Stuttgarter Innenstadt wurde im Jahr 2014 eröffnet und wird kommendes Jahr zehn Jahre alt. Die Broschüre wird die bewegte Geschichte des Gebäudes nachzeichnen. Als Dominikanerkloster erbaut wurde es nach der Reformation zu einem Krankenhaus umgewidmet, dem namengebenden Hospital. Ende des 19. Jahrhunderts war es zunächst Standort des Polizeiamts, dann der Kriminalpolizei. Zudem wurde dort ein Polizeigefängnis eingerichtet.
Herr Dr. Poguntke recherchiert unter anderem im Stadtarchiv Stuttgart, im Staatsarchiv Ludwigsburg und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Die Überlieferungslage für die Nutzung des Hospitalhofs als Sitz der Kriminalpolizei ist ungünstig, da das Gebäude 1944 bei einem Luftangriff einen Volltreffer erhalten hat, so dass die Akten verlustig gegangen sind. Im Landeskirchlichen Archiv nimmt er vor allem Einsicht in die Personalakte von Pfarrer Helmut Goes, der als politischer Gefangener in diesem Polizeigefängnis inhaftiert war.
“Und zwar war Helmut Goes als politischer Gefangener nicht von der Kripo, sondern von der Gestapo festgenommen worden. Er wurde aufgrund eines Spottgedichts auf Hitler und die Nazis, das er 1931 verfasst hatte, verhört. Auf eine Anklage wurde damals jedoch verzichtet. Der Reichsminister entschied hingegen, dass Helmut Goes und die Beteiligten streng verwarnt werden sollten. Für eine Anklage war es eventuell zu früh. Als Goes inhaftiert wurde waren die Nationalsozialisten noch nicht lange an der Macht. Die Justiz war nicht ganz gleichgeschaltet. Außerdem hätte im Falle einer Anklage festgestellt werden müssen, dass Goes sein Spottgedicht noch zu einem Zeitpunkt verfasst hatte, als die Tat noch keinen entsprechenden Straftatbestand dargestellt hätte.”
18. Oktober 2023 | Eva Fritz | Veranstaltung
Am Freitag, 6.10.2023, fand mit circa 70 Gästen aus Nah und Fern ein Festakt zur Würdigung des Gelehrten Dr. Christoph Weismann im Lesesaal von Archiv und Bibliothek statt. Professor Dr. Hermann Ehmer, ehemaliger Referatsleiter von Archiv und Bibliothek, hielt den Festvortrag und konnte mit vielen Anekdoten aus dem Leben des Gelehrten Begeisterung hervorrufen. Dr. Weismann besaß eine private Bibliothek mit ca. 14 000 Büchern. Diese sowie andere handschriftliche Archivalien wurden inzwischen dem Archiv der Landeskirche und der Evangelischen Hochschul- und Zentralbibliothek überlassen. Eine kleine Ausstellung wurde im Foyer aufgebaut. Auch das Manuskript seiner Brenz-Bibliographie, die 2016 fertiggestellt und herausgegeben wurde, ist in einer der Vitrinen zu bestaunen.
Fotos: Landeskirchliches Archiv Stuttgart
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Musikalische Begleitung der Veranstaltung (Trio AVIVA)
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Begrüßung durch Professor Dr. Haag
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Vortrag von Professor Dr. Ehmer
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Beitrag der Tochter von Dr. Christoph Weismann
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Buffet
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Zeit für persönlichen Austausch
12. Oktober 2023 | Andreas Butz | Allgemein
Turmkugel auf der Spitze der Stadtkirche Winnenden. Foto: Evangelische Kirchengemeinde Winnenden
Bei der Renovierung der Stadtkirche St. Bernhard in Winnenden stellte sich die Frage nach dem Verbleib der Zeitkapsel in der Turmkugel. Die Turmkugel bzw. der Turmknauf ist eine runde, vergoldete Metallkapsel, die auf der Turmspitze unterhalb des Turmkreuzes angebracht ist. Aufgrund ihrer relativen Unzugänglichkeit galten Turmknäufe als sichere Aufbewahrungsorte für historische Zeugnisse aus der Bauzeit, wie zum Beispiel Zeitungen oder Münzen der damaligen Zeit, die man der Nachwelt überliefern wollte. Für die darin aufbewahrten Dokumente bürgerte sich die Bezeichnung „Kirchturmknopfakte“ oder „Turmakten“ ein. Zu den darin zu erwartenden Dokumenten gehören neben Aufzeichnungen der jeweiligen Kirchengemeinde auch Auszüge aus Geburts- und Sterberegistern sowie Berichte über besondere Ereignisse zur Bauzeit.
Die Zeitkapsel wurde anlässlich der Renovierung herausgenommen und geöffnet. Unsere Kollegin Birgitta Häberer wurde von der Kirchengemeinde kontaktiert und mit der Recherche zum Turmkugelarchiv beauftragt. Die Pfarrerin Heike Bosien besuchte unser Archiv und sichtete gemeinsam mit Frau Häberer verschiedene Akten aus dem Pfarrarchiv. Tatsächlich wurden die Dokumente bereits 1823 und dann 1977 transkribiert und im letztgenannten Jahr sogar im Gemeindebrief veröffentlicht. Auch die Umstände der Anfertigung der Turmkugel konnten durch die Korrespondenz geklärt werden. Inzwischen befindet sich die restaurierte Turmkugel wieder an ihrem Platz auf der Kirchturmspitze.
Die Turmkugel enthielt eine Kapsel mit Dokumenten aus den Jahren 1698, 1715, 1752, 1793, 1948 und 1977. Immer wieder musste die Turmkugel aufgrund von Materialermüdung, Blitzschlag oder Kriegseinwirkungen repariert oder ausgebessert werden, wie aus den Texten hervorgeht. Die Dokumente in der Zeitkapsel enthalten spannende Informationen über Naturereignisse, historische Ereignisse und technische Entwicklungen. Bei den diesjährigen Renovierungsarbeiten wurden der Zeitkapsel weitere Dokumente beigefügt.
Beitragsbild: Evangelische Kirchengemeinde Winnenden
Transkription der Dokumente in der Zeitkapsel (1977):
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Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Pfarrrarchiv Winnenden, Nr. 208.
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4. Oktober 2023 | Thomas Mann | Lokalgeschichte
„Nach dem heutigen Stand werden betragen die Gesamteinnahmen 1923 höchstens 1 Milliarde, die Ausgaben … zus. 46 Milliarden … “, stellt das KGR-Protokoll der Kirchengemeinde Stuttgart-Stammheim (damals noch Dekanat Ludwigsburg) am 6. Oktober 1923 lapidar fest und konstatiert damit ein Haushaltsdefizit von sage und schreibe 45 Milliarden Mark. Diese astronomischen Summen sind der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die bereits mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im August 1914 begann und sich Anfang des Jahres 1923 rapide beschleunigte. Dieses Phänomen nennen die Fachleute „Inflation“ bzw. „Hyperinflation“.
Als „Inflation“ (von lat. Inflare = aufblasen, aufblähen) bezeichnet man den Wertverlust einer Währung bzw. deren Kaufkraft aufgrund der stetig wachsenden Geldmenge ohne Gegenwert (wie etwa Gold) innerhalb eines Wirtschaftssystems. Mit dem Ende des Krieges 1918 hatte die Mark bereits offiziell mehr als die Hälfte ihres ursprünglichen Wertes verloren, das heißt, man bekam im In- und Ausland also nur noch halb so viel für sie wie noch 1914. Hauptursache der sich eigentlich schon ab 1919 anbahnenden Hyperinflation war die Tatsache, dass der Staat in den Anfangsjahren der Weimarer Republik massiv und unkontrolliert zur Vermehrung des eigenen Papiergeldes die Druckerpressen anwerfen ließ, um seine Schulden zu begleichen (vor allem die Reparationen an die Siegermächte aufgrund des verlorenen Krieges). Im Zuge der Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen Anfang 1923 begann die heiße Phase der Hyperinflation, die schließlich zum Zusammenbruch der Wirtschaft und des Bankensystems führte. Die Arbeitslosigkeit stieg, die Reallöhne fielen ins Bodenlose. Immer schneller vervielfachte sich die Abwertung der deutschen Währung. So betrug der Gegenwert eines US-Dollars nach dem amtlichen Wechselkurs vom 12. November 1923 630 Milliarden Mark.
Auch die Stammheimer Kirchengemeinde geriet in den Strudel dieser Ereignisse. Am 10. Januar 1922 wurden sämtliche Jahresgehälter der hauptamtlichen Mitarbeiter mit Wirkung vom 1. April des Jahres um durchschnittlich mindestens 50% erhöht (§4). In der Sitzung vom 28. Juni wurde festgestellt, dass offenbar immer weniger Mitglieder des Kirchenchors dazu bereit waren, bei Beerdigungen zu singen – und das, obwohl „die Verlegung der Leichen auf 1 Uhr“ vorgenommen wurde. „Von verschiedenen Seiten wird darauf hingewiesen, dass eben die Bezahlung von 5 M in keinem Verhältnis stehe zu der Zeitaufwendung. Deshalb beschließt der KGR eine Erhöhung auf 15 Mark pro Sänger. Die Mehrkosten von geschätzten zwei- bis dreitausend Mark im Jahr trägt die Kirchengemeinde, weil man verhindern will, dass finanziell schlechter gestellte Familien eine Umlegung dieser Gebühr nicht verkraften und daher auf einen „Leichengesang“ verzichten würden (§1). Zudem wurde wegen der Geldentwertung auch die Pfarramtskasse aufgestockt, aus deren Mitteln der Seelsorger Bedürftige in der Gemeinde unterstützen kann (§2). Bereits am 24. September mussten die Gehälter sowie die Gebühren für kirchliche Amtshandlungen von Pfarrer Emil Gayler erneut angepasst werden. So erhielt etwa der Kirchenpfleger rückwirkend zum 1. April statt bisher 600, künftig 1.200 Mark als jährliches Grundgehalt (§§ 1 und 2). Am 28. Dezember war der Kirchenpfleger nicht mehr zahlungsfähig, weil schlicht kein Geld in der Kasse war. Deshalb wurde er per Umlaufbeschluss ermächtigt, einen Bankkredit in Höhe von 12.000 Mark aufzunehmen, um die ab 1. Januar 1923 fälligen Verbindlichkeiten bedienen zu können. Weil die Kirchengemeinde sie nicht mehr finanzieren konnte, sollten Brautpaare künftig nur noch dann eine Traubibel überreicht bekommen, wenn sie diese selbst bezahlen (5. Januar, §6). Um Geld zu sparen, wurde auf die Mitwirkung von Organist Oberlehrer Bäuerle bei den insgesamt ca. 40 sonntäglichen Christenlehren im Jahr verzichtet (1. März, §3). Vom 1. April bis 30. Juni wurden dem Kirchenpfleger am 5. Juni monatlich je 10.000 Mark zugesprochen (§2).
Zu einem lokalen Politikum entwickelte sich in diesen bewegten Zeiten die Entlohnung des Mesners. Hier galt seit 1905 die Regelung, dass die bürgerliche Gemeinde einen jährlichen Personalkostenersatz für das im Interesse der Kommune erforderliche Läuten und den Unterhalt der Glocken der Johanneskirche in Höhe von 281 Mark leistete. In diesen Zeiten der Geldentwertung ein Witz! Deshalb wurde unter §3 beschlossen, an die bürgerliche Gemeinde heranzutreten, dass diese sich künftig zur Hälfte am tatsächlich anfallenden Grundgehalt beteiligt (vierteljährige Zahlung auf Nachweis!). Am 19. Juni teilte das „Schultheißenamt“ dem Kirchengemeinderat jedoch mit, dass dessen Antrag auf eine zeitgemäße Beteiligung der Kommune an den Personalkosten der Mesnerstelle in der Sitzung des Gemeinderats auf heftigen Widerstand gestoßen war. „Insbesondere wurde ins Feld geführt, dass die Kirche den Ausgetretenen das Grabgeläut verweigere. Darum sei kein Grund vorhanden, dieser Bitte des K.G. Rats entsprechend weitere Teile der Mesnerbesoldung … auf Gemeindesteuermittel zu übernehmen. Es wurde u.a. auch die Drohung ausgesprochen, dass die Kirchenaustrittsbewegung, im Falle die Mehrheit des G. Rats die Sache doch bewillige, hier sofort neu aufleben werde, außerdem drohe ‚die Linke‘ mit Ablehnung des Gemeindeetats. Herr Schultheiß hielt es darum für richtig, eine Abstimmung zu verschieben, und den K.G. Rat anzugehen zur Wahrung des Burgfriedens in der Gemeinde Stammheim, wo nun einmal besondere Verhältnisse vorliegen.“ Doch er konnte das Gremium nicht dazu bewegen, seinen Antrag zurückzuziehen. Dieses sah sich vielmehr in der Pflicht, sämtliche Finanzquellen zu erschließen, die sich der Kirchengemeinde boten. Die weiteren Ereignisse machten eine Entscheidung des Gemeinderats freilich überflüssig.
Die Situation wurde immer aberwitziger und auswegloser, die gefassten Beschlüsse konnten mit der rasenden Geldentwertung schließlich nicht mehr Schritt halten: Am 14. September wurde das Jahresgehalt (1. April 1923 bis 31. März 1924) des Kirchenpflegers schließlich auf 10 Millionen Mark erhöht (§2) und es wurde festgestellt, dass das voraussichtliche Haushaltsdefizit des Jahres 1923 mindestens 212 Millionen betragen würde (§4). Unter diesen Umständen sah sich das Gremium außer Stande, einen ordnungsgemäßen Etat zu beschließen. Am 6. Oktober wurde der bereits eingangs zitierte Abmangel für das laufende Jahr von mittlerweile 45 Milliarden Mark prognostiziert. Finanziell gesehen, war die Kirchengemeinde Stammheim somit faktisch abgesoffen …
Mit der Beendigung der Ruhrkrise durch Reichskanzler Gustav Stresemann Ende September 1923 konnten endlich auch konkrete Schritte zur Stabilisierung der Währung unternommen werden. Herzstück der Währungsreform war die Schaffung der Rentenbank durch Regierungsverordnung. Damit sich die Inflationsspirale nicht erneut zu drehen begann, wurde die Gesamtsumme des sich im Umlauf befindlichen neuen Geldes auf 1,2 Milliarden sogenannter „Rentenmark“ begrenzt. Die vorhandenen Geldscheine wurden umgetauscht, für 1.000 Milliarden Papiermark gab es eine Rentenmark. Diese Maßnahmen griffen schneller als erwartet, sowohl die wirtschaftlichen als auch die innenpolitischen Verhältnisse Deutschlands konnten sich im Verlauf des Jahres 1924 nachhaltig stabilisieren. Denn die Produzenten waren bereit, ihre Waren gegen das neue Geld abzugeben.
Und so begegnen uns auch in der Stammheimer Kirchengemeinde am 18. Dezember 1923 wieder humane Zahlen: Der Kirchenpfleger verdiente künftig jährlich 120 Rentenmark, der Mesner 200, was bedeutet, dass der nach wie vor vertraglich festgesetzte jährliche kommunale Personalkostenersatz von 281 RM wieder mehr als ausreichend war (§3). Das Restvermögen der Kirchengemeinde betrug umgerechnet insgesamt noch 135.000 RM (§4). Allein aus 1922 noch ausstehende Kirchgeld-Einnahmen von Gemeindegliedern in Höhe von ca. 20.000 RM mussten endgültig abgeschrieben werden (§5). Es ist schon ziemlich viel Geld „verreckt“, damals …
Dieser Beitrag erschien in einer umfangreicheren Version zunächst auf dem Internetauftritt des Stuttgarter Kirchenbezirks. Der Autor Thomas Mann hat den Beitrag für unseren Blog freundlicherweise leicht überarbeitet und gekürzt. Pfarrer Thomas Mann ist Seelsorger an der Stuttgarter Magdalenengemeinde und Referent des Stuttgarter Stadtdekans.
Beitragsbild: Geldscheine aus dem Jahr der Hyperinflation 1923. Fotograf: Thomas Mann
27. September 2023 | Andreas Butz | Allgemein
Heinrich Löber vor dem Archivgebäude. Foto: Andreas Butz
Seit dem 18. September bereichert Heinrich Löber als neuer Kollege unser Team. Er war zuvor 14 Jahre im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe tätig, zuletzt als stellvertretender Leiter der Abteilung Archiv, Bibliothek und Registratur. Die geplante Zusammenlegung der Landeskirchlichen Archive Stuttgart und Karlsruhe war für ihn der Anlass, sich über die beruflichen Möglichkeiten in unserem Haus zu informieren. Er wird bei uns als Sachgebietsleiter im Archiv für die Bereiche Archivbenutzung, Ausbildung, Projektmanagement und Bestandserhaltung zuständig sein.
Heinrich Löber studierte Evangelische Theologie und schloss das Studium mit dem Diplom ab. Nach seinem Studium war er zunächst am Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beschäftigt. Eine Anstellung im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg weckte in ihm das Feuer für den Beruf des Archivars. Nach weiteren Stationen in (kirchen-) historischen Projekten wurde Löber 2006 Angestellter im Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz. Im Jahr 2009 trat Löber schließlich seine Stelle beim Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe an. Während seiner Zeit im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe absolvierte er berufsbegleitend den Masterstudiengang Archivwissenschaft an der FH Potsdam.
Einige seiner neuen Kolleginnen und Kollegen in Stuttgart kannte Löber bereits aus früheren beruflichen Kontakten und hatte sie in guter Erinnerung. Er freut sich auf die Arbeit im Team und auf die neuen Herausforderungen. Heinrich Löber sieht das Archiv in der Verantwortung, die Überlieferung der Landeskirche zu sichern und die Nutzung der historischen Quellen zu gewährleisten. “Das ist der Auftrag, durch den unsere Aufgaben bestimmt werden. Wir sind aber aufgefordert, die Arbeitsabläufe zu optimieren, die Prozesse zu beschleunigen und die Digitalisierung voranzutreiben. Durch die angedachte Zusammenlegung des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart mit dem Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe (Landeskirchliches Archiv Baden und Württemberg) wird zudem die Effizienz unserer Arbeit gesteigert werden.” Damit wären wir, die wir uns um die Übernahme der alten Überlieferung kümmern, schon die ersten, die das Neue leben, so Heinrich Löber.
21. September 2023 | Jakob Eisler | Palästina, Veranstaltung
Hugo Wieland, 1853 in Bodelshausen geboren und 1922 in Tübingen gestorben, war ein Pionier der Zementherstellung und des Bauwesens im damaligen Palästina und heutigen Israel. An ihn erinnert nun ein Gedenkstein auf dem Tübinger Stadtfriedhof, der von Wielands Nachkommen finanziert und von dem aus Nehren stammenden Steinmetz Eberhard Schmid gestaltet wurde. Der Gedenkstein wurde während der Corona-Pandemie aufgestellt. Die Universitätsstadt Tübingen und das Landeskirchliche Archiv Stuttgart haben am Mittwoch, 19. Juli 2023, die offizielle Übergabe nachgeholt.
In der Friedhofskapelle des städtischen Friedhofs im Grabfeld T, Gmelinstraße 20, hatte Bernd Walter, Leiter der Abteilung Friedhöfe bei den Kommunalen Servicebetrieben Tübingen, die Geste aus dem Ausland begrüßt und die Angehörigen willkommen geheißen. Dagmar Waizenegger, Leiterin des städtischen Fachbereichs Kunst und Kultur, sprach ein Grußwort. Dr. Jakob Eisler vom Landeskirchlichen Archiv Stuttgart stellte in einem Vortrag Leben und Werk Hugo Wielands vor. Peter Weiss umrahmte die Veranstaltung auf dem Akkordeon. Anschließend gingen vier Urenkel, die aus Deutschland, Australien und der Schweiz angereist waren, zum Gedenkstein an der ehemaligen Grabstätte von Hugo Wieland. Anschließend enthüllten die Urenkel den Stein, in den eine von Dr. Eisler aus Israel mitgebrachte Originalfliese aus der Wieland-Fabrik in Jaffa eingelassen war.
Wieland gehörte der Tempelgesellschaft an, einer religiösen Gruppierung, die sich Palästina niederließ. Er gründete 1894 eine Fabrik für Zementfußbodenplatten in Jerusalem. Damit wurde er zum Pionier der Zementproduktion im Heiligen Land. Anfang des 20. Jahrhunderts verlegte Carl Hugo Wieland seine Fabrik von Jerusalem nach Jaffa/Walhalla. Dort fertigte er Bauteile aus Zement, Fußbodenbeläge in diversen Farben und Mustern, Stufen, Balustraden, Balkonträger und Fenstereinfassungen in verschiedenen Formen. Der Rohzement kam aus Heidelberg und wurde über Rhein und Nordsee via Gibraltar ins Mittelmeer nach Jaffa verschifft. Auch die Farben für die Bodenbeläge wurden größtenteils aus Deutschland importiert.
Der Bedarf an solchen Fertigteilen war in den Kolonien Wilhelma und Sarona enorm. Der Bau neuer jüdischer Wohnviertel durch die Zuwanderung von Juden aus Osteuropa erweiterte den Absatzmarkt von Wieland zusätzlich. Vor allem den italienischen Zementplattenfabriken nahm Wieland Marktanteile ab, als er eine hochmoderne hydraulische Presse zur Herstellung von Bauplatten in Betrieb nahm.
Ab 1903 produzierte Wieland auch Dachziegel, die bis dahin von Conrad Breisch importiert worden waren, so dass er zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seinen Produkten fast eine Monopolstellung einnahm. Dazu trug nicht zuletzt seine Innovationsfreude bei: Seine Firma entwickelte ein Verfahren, um Rohre aus Zement herzustellen, die wesentlich besser und billiger waren als die bisher verwendeten Eisenrohre. Sie wurden in großen Mengen für die Bewässerungsanlagen der Orangenplantagen benötigt. Diese Rohre wurden in ganz Palästina verwendet und der Umsatz der Firma stieg.
So konnte die Firma weiter expandieren und moderne Maschinen zur Zementherstellung, Dieselmotoren, Schleifmaschinen und Pressen anschaffen. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschäftigte die Firma Wieland über 40 Mitarbeiter.
Während des Ersten Weltkrieges wurden die Templer aus Jerusalem und Jaffa in Ägypten interniert. Nach Kriegsende kam er erkrankt nach Deutschland und wurde 1921 in die Tropenklinik Tübingen gebracht, wo er wenige Wochen später verstarb.
Carl Hugo Wieland und seine Söhne waren Pioniere der Zementherstellung und des Bauwesens in Palästina. Ihre Produkte ersetzten die teureren Importprodukte, ihre Zementröhren lieferten den Orangenplantagen in Jaffa und Umgebung eine effektive und rentable Technologie.
Fotos: Bernd Walter, Friedhofsverwaltung Tübingen
Beitragsbild: Vier Urenkel Hugo Wielands enthüllen den Gedenkstein
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Gedenkstein für Hugo Wieland auf dem Stadtfriedhof in Tübingen
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Enthüllung des Gedenksteins durch vier Urenkel Hugo Wielands
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21. September 2023 | Andreas Butz | Allgemein
Wir freuen uns, dass die Blogosphäre der kirchlichen Archive in Baden-Württemberg um einen weiteren Blog reicher geworden ist. Neben unserem und dem Blog des Landeskirchlichen Archivs Baden berichtet nun auch das Erzbischöfliche Archiv Freiburg regelmäßig über seine Arbeit.
13. September 2023 | Andreas Butz | Allgemein
Wir begrüßen Noah-Joshua Veit, der sich bei uns nun für ein Jahr im Rahmen eines FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) Denkmalpflege engagieren wird.
Sein geschichtliches Interesse, und der Wunsch sich nach dem Abitur beruflich zu orientieren, führten zu seinem Entschluss, ein FSJ in unserem Archiv zu machen. Er erschließt während seiner Zeit bei uns Bestände, begleitet uns auf Außentermine, hilft der Musealen Sammlung, der Öffentlichkeitsarbeit, und vieles andere mehr. Außerdem nimmt er an Seminaren der Jugendbauhütte Baden-Württemberg teil, die das FSJ Denkmalpflege in Baden-Württemberg organisiert. Wir freuen uns über die Unterstützung unseres Teams! Er wird auf unserem Blog auch regelmäßig über seine Arbeit bei uns berichten.
Das FSJ Denkmalpflege richtet sich an junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jahren. Wir sind eine der Einsatzstellen. Mehr Infos gibt es hier:
https://freiwilligesjahr-bw.ijgd.de/fsj-in-der-denkmalpflege
6. September 2023 | Andreas Butz | Jubiläum, Veranstaltung
Am 7. September feiert die Landeskirche den 200. Jahrestag der Eingliederung der Waldenser- und Hugenottenkirchen in die Landeskirche. Bis dahin bestand eine eigene Waldenserkirche in Württemberg mit französischen Gottesdiensten. Wer waren eigentlich die Waldenser und warum siedelten sie sich in Württemberg an? Am 4. September 1699 hatte der württembergische Herzog Eberhard Ludwig seine Bereitschaft erklärt, ungefähr 2.200 um ihres reformierten Glaubens willen aus dem Piemont Vertriebenen eine neue Heimat zu geben. Diesen Waldensern – wie auch aus Frankreich nach Württemberg geflohenen Hugenotten – gestand der Herzog in Privilegien zu, ihre religiösen Angelegenheiten „jetzt und künftig“ selbstständig, d. h. unabhängig vom lutherischen Konsistorium, zu regeln. An mehreren Orten in Württemberg entstanden 1699 Waldenser- und Hugenottensiedlungen, so in Großvillars, Kleinvillars, Pinache mit Filiale Serres, Perouse, Dürrmenz-Welschdorf mit den Filialen Schönenberg, Sengach und Corres, Lucerne und 1700 noch Neuhengstett und Nordhausen.
Wer in die Welt der württembergischen Waldenser ein wenig eintauchen und etwas über sie erfahren möchte, dem kann der Besuch des Museumsstübles im ehemaligen Waldenserort Pinache empfohlen werden. Das kleine Museum wurde im alten Rathaus des heutigen Teilorts von Wiernsheim eingerichtet. In drei Räumen werden dort Dokumente, Gegenstände und Bilder aus der Geschichte des Waldenserortes gezeigt. Besonders eindrucksvoll ist etwa ein Tondokument eines alten waldensischen Sprechers der okzitanischen Sprache, die sich hörbar stark vom Französischen unterscheidet. Tatsächlich sprachen die württembergischen Waldenser im Alltagsleben nicht französisch, was nur die kirchliche Amtssprache war, sondern ihre alpine Form des Okzitanisch. Eindrucksvoll ist eine ausgestellte Tracht einer Waldenserin, die ein Geschenk der Gemeinde Pinasca zur Feier der 40-jährigen Partnerschaft an die bürgerliche Gemeinde Wiernsheim war.
Das Museumsstüble ist von März bis November an jedem 1. Sonntag im Monat von 14 Uhr bis 17 Uhr geöffnet. Führungen sind nach Absprache jederzeit möglich. Kontaktdaten finden Sie hier. Der Eintritt ist frei, um eine kleine Spende wird gebeten.
In Neuhengstett findet am 14. Oktober eine Tagung zum Thema Waldenser statt.
Einen Beitrag zur Geschichte der Waldenser auf Württembergische Kirchengeschichte Online finden Sie hier.
Die Fotos wurden freundlicherweise von Frau Schuler vom Freundeskreis der Waldenser in Pinache und Serres zur Verfügung gestellt.
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Blick in einen Museumsraum mit Zeittafel der Waldensergeschichte
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Originaltracht aus den Waldensertälern. Jubiläumsgeschenk von Pinasca an Wiernsheim zur 40jährigen Partnerschaft
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Rathaus und Kirche in Pinache Im ehemaligen Rathaus befindet sich das Museumsstüble
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Küchenraum im Museum
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Ecke in Museumsküche
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Waldenserkirche in Pinache erbaut 1721
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Abendmahlskelch von 1755
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Fototafel mit Foto von 1899
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Erste Bibel nach Einführung der deutschen Sprache 1823
30. August 2023 | Andreas Butz | Genealogie, Lesesaal
Prof. Dr. Karl Hittler mit seinem Erstlingswerk “Familien in Mühlhausen an der Enz 1641 – 1920”
Wir treffen Professor Dr. Karl Hittler. Der frühere Leiter des Heilbronner Gymnasiallehrerseminars befindet sich bereits im Ruhestand und erstellt derzeit ein Ortsfamilienbuch für Großglattbach, einem Teilort von Mühlacker. Das ist jedoch nicht sein erstes Projekt dieser Art. Ein Ortsfamilienbuch eines anderen Teilorts von Mühlacker, nämlich von Mühlhausen an der Enz, liegt bereits seit 2013 gedruckt vor (1). Und auch ein entsprechender Band von Lomersheim ist bereits fertig erstellt und wird in absehbarer Zeit ebenfalls in derselben Publikationsreihe im Druck erscheinen. Mit der Genealogie beschäftigt sich Professor Hittler bereits seit vielen Jahren, zunächst im Rahmen der Recherchen zu seinen eigenen Vorfahren und nun mit dem Erstellen von Ortsfamilienbüchern, die ein wichtiges Hilfsmittel der Genealogie, aber auch für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sind. Unser Archiv hat solche Projekte immer sehr gerne unterstützt.
„Als ich Recherchen zu meinen eigenen Vorfahren durchführte, konnte ich unter anderem ein Ortsfamilienbuch von Niefern nutzen und merkte dabei, wie leicht es dank dieses Bandes war, meine eigenen Vorfahren bis zurück ins 16. Jahrhundert zu ermitteln. Bei der Genealogie kommt man mit der Zeit an einen Punkt, wo man nicht nur Quellen für die private Familienforschung nutzen will, sondern etwas selber beitragen möchte. Die Arbeit am Ortsfamilienbuch von Mühlhausen an der Enz betrachtete ich als einen besonderen Glücksfall, weil es ein Ort mit einer besonderen Geschichte ist. Ich empfand die Auswertung der Daten aus den Kirchenbüchern wie das Heben eines Schatzes. Wenn man so etwas gemacht hat, dann möchte man weitermachen.
Der Zugang zur Geschichte hat mich gereizt. Nach wie vor finde ich es interessant in den Kirchenbüchern auf Sachverhalte zu stoßen, die mit dem Gang der Weltgeschichte zu tun haben. Ich bin ja von Hause aus Naturwissenschaftler und habe bei der Anfertigung dieser Ortsfamilienbücher die Möglichkeit, gelernte Arbeitsweisen, wie etwa korrekt und systematisch zu arbeiten, oder immer wieder die Methoden zu hinterfragen, anzuwenden.“
- Familien in Mühlhausen an der Enz 1641 – 1920 : mit älteren Nachweisen ab 1596 / zusammengestellt von Karl Hittler. Hrsg. von Konstantin Huber und Marlis Lippik, Mühlacker 2013 (Mühlacker Geschichtshefte ; 4, Der Enzkreis ; 11, Württembergische Ortssippenbücher ; 104)
22. August 2023 | Andreas Butz | Digitalisierung, Genealogie
Vor einem Jahrzehnt begann ein bahnbrechendes Experiment, das zu einem Erfolg auf vielen Ebenen wurde: die Gründung des Kirchenbuchportals. 2013 mit der Vision, Kirchenbücher digital allen Interessierten zugänglich zu machen, haben zwölf evangelische Kirchen die Kirchenbuchportal GmbH ins Leben gerufen. Heute nach 10 Jahren, kann Archion stolz auf die gewaltige Entwicklung und die zahlreichen Partnerschaften zurückblicken, die uns zu einem essenziellen Teil der Forschungsgemeinschaft gemacht haben.
Archion ist inzwischen weit über die Grenzen evangelischer Archive hinausgewachsen ist. In enger Zusammenarbeit mit mittlerweile 25 Partnerarchiven hat das Portal nun über 150.000 Kirchenbücher online – ein wahres Füllhorn an Spuren gelebter Vergangenheit. Mehr als 80.000 registrierte Nutzer können nun von überall auf der Welt auf diese kostbaren Quellen zugreifen. Das Kirchenbuchportal wird Archion auch in den kommenden Jahren weiter auszubauen und noch mehr historische Schätze auf die digitale Reise zu schicken.
Unser Archiv war von Anfang an mit dabei. Die Bereitstellung der Kirchenbücher auf Archion hat auch unsere Arbeit verändert und für viele Forschende den Zugriff auf die württembergischen evangelischen Kirchenbücher sehr erleichtert. Die gute Zusammenarbeit mit dem Kirchenbuchportal Archion ist auch für uns ein Grund zur Freude. Ad multos Annos!
16. August 2023 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
Vor kurzem ergab sich zwischen den beiden Evangelischen Landeskirchlichen Archiven von Baden und Württemberg eine spontane Zusammenarbeit. Im Keller des Pfarrhauses der Kirchengemeinde Waldkirch (Baden) lagerte lange Zeit die reich verzierte Fahne des 1891 gegründeten örtlichen Evangelischen Arbeitervereins. 2017 hatte man das wertvolle Stück entdeckt, geborgen und sogar konservatorisch behandeln lassen. Zur sicheren Unterbringung wurde die Fahne 2022 schließlich dem Archiv der Evangelischen Landeskirche in Baden (EKIBA) übereignet. Das wertvolle textile Objekt muss aus konservatorischen Gründen liegend aufbewahrt werden, was bei einer Größe von 130×130 cm jedoch die Kapazitäten der in Karlsruhe vorhandenen Planschränke sprengt. Welch ein Glück, dass das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart unlängst zwei Planschränke in Übergröße angeschafft hat. Als das Archiv der EKIBA anfragte, ob eine Einlagerung bei uns in Württemberg möglich sei, konnten wir unmittelbar zusagen. Die Fahne befindet sich nun als Depositum aus Baden in unserem Magazin.
Die Geschichte der Fahne des Evangelischer Arbeitervereins Waldkirch-Kollnau:
Der Evangelische Arbeiterverein Waldkirch-Kollnau wurde am 3. Mai 1891 gegründet und bestand bis 1939/1941.
Erste evangelische Arbeitervereine gab es bereits im frühen 19. Jahrhundert im Ruhrgebiet. Als ab 1890 die politische Arbeit von Pfarrern erlaubt wurde, entstanden in ganz Deutschland vergleichbare Zusammenschlüsse. In Baden wurden die ersten Evangelischen Arbeitervereine in Freiburg und Zell im Jahre 1887 ins Leben gerufen. Mit seiner Gründung im Jahr 1891 war auch der Verein Waldkirch-Kollnau früh dabei. Der Zweck des Vereins bestand darin: Unter den Glaubensgenossen das evangelische Bewusstsein zu erhalten und zu stärken, die sittliche Hebung und allgemeine Bildung der Mitglieder zu mehren, den Mitgliedern ein christliches Verständnis der sozialen Fragen und Aufgaben der Gegenwart zu vermitteln und ihnen bei Bedarf Unterstützung zukommen zu lassen. Die Vereinsaktivitäten vor Ort geschahen in der Regel in enger Absprache mit der Kirchengemeinde.
Am 25. Juni 1904 wurde die Fahne des Ev. Arbeitervereins Waldkirch-Kollnau geweiht. Feierlich präsentiert wurde sie dann im Garten des Gasthauses Kreuz. Hier entstand höchstwahrscheinlich auch das Foto. Beim Gottesdienst und der anschließenden Enthüllung waren die katholischen Vereine aus Waldkirch und Kollnau zugegen, aber auch staatliche, städtische und kirchliche Behörden. Die auf dem Foto sichtbare Schleife war den „Frauen und Jungfrauen“ zu verdanken. Bei der Übergabe der Schleife sprach Frl. Mina Glos: „Also lasst mit dieser Schleife / eure Fahne heiter krönen / daß der Männer rechte Taten / sich durch Frauenhand verschönern.“ Auf der Vorderseite der Fahne sind der badische Greif und der deutsche Reichsadler dargestellt. Auf der Rückseite die vier Embleme aus der Welt der Handarbeit: ein Seidenraupenkokon (Sinnbild für die Seidenweberei, insbesondere der Fabrik Sonntag), ein Webschifflein (Sinnbild für die Kollnauer Spinnweberei), ein Hammer sowie ein Zahnrad und eine Zange (als Sinnbild für die mechanischen Handwerke).
Neben der Erwachsenenbildung unterstützte der Verein seine Mitglieder durch den gemeinsamen (und dadurch günstigeren) Bezug von Kohlen, Briketts, Kartoffeln, Kaffee und Kakao. Aus dem Verein heraus bildete sich ein Männerchor, ein gemischter Chor sowie eine Musikabteilung. 1893 sowie 1908 versuchte der Verein, gesunde Arbeiterwohnungen zu schaffen, letztlich ohne Erfolg. Die bittere Zeit des Ersten Weltkrieges führte zu einem Rückgang des Vereinslebens. Seine Aufgaben wandelten sich im Versenden von Gütern an die im Feld stehenden Mitglieder. Zum endgültigen Niedergang kam es dann in den 1930er Jahren. 1941 wurde der Verein aufgelöst.
Die Fahne ist sicher ursprünglich im Gemeindehaus aufbewahrt worden. Irgendwann gelangte sie in einem wenig geeigneten Behältnis in den (leider feuchten) Keller des Waldkircher Pfarrhauses, wo sie 2017 wieder entdeckt wurde. Nach einer fachmännischen Reinigung (Entfernen des Schimmels) durch eine Restauratorin wurde sie liegend und in Seidenpapier eingeschlagen in einem großen Karton auf dem Dachboden der Evangelischen Kirche gelagert. Als dieser Dachboden gedämmt wurde, musste sie wieder entfernt werden. Deshalb hat sich der Kirchengemeinderat 2022 dazu entschlossen, die Fahne schließlich an die Evangelische Kirche Baden abzugeben.
(Informationen von Andreas Haasis-Berner von der Ev. Kirchengemeinde Waldkirch.)
Beitragsbild: Fahne des Ev. Arbeitervereins Waldkirch-Kollnau, 1904. Depositum Nr. 23.030;01-04
Beschreibung und weitere Bilder der Fahne in unserer Online-Bestandsübersicht hier.
Bestandsgeschichte im Findbuch des Pfarrarchivs Waldkirch [Bestand: 044., Waldkirch; Bestände und Findmittel (archiv-ekiba.de)].
26. Juli 2023 | Felix Kraeutl | Allgemein, Museale Sammlung
Seit Beginn meines Freiwilligen Sozialen Jahres habe ich mich im Archiv der Evangelischen Landeskirche in Württemberg hauptsächlich in den Bereichen der Musealen Sammlung und der klassischen Aktenarbeit beweisen müssen. Vor allem im ersten halben Jahr habe ich einen Großteil meiner Zeit beim Inventarisieren von Bildern, Gegenständen und Möbeln in der Musealen Sammlung verbracht, sowie dem Vorbereiten von Ausstellungen und dem Durchführen einer Einholung von Missionsgut für die Sammlung. Es gab Massen von noch noch nicht inventarisierten Gegenständen, die einem ihre Geschichte erzählen wollen oder deren Geschichte gefunden werden will.
Ebenfalls haben mir die klassisch archivarischen Tätigkeiten sehr viel Spaß gemacht, beispielsweise das Digitalisieren und das Durchführen von Einholungen von Pfarrarchiven und Diakonieakten, das Bearbeiten von Aktenbeständen und die Arbeiten im Magazin. Er war schön, dass ich Sütterlin-Schrift lernen und gleich anwenden konnte. Fraktur-Schrift konnte ich bereits lesen. Über das Jahr habe ich an insgesamt fünf Einholungen teilgenommen, bin an der Verzeichnung meines zweiten Aktenbestandes und habe unsere Disketten vollständig und die Daten-CDs und Audio-Kassetten zu Teilen digitalisiert.
Für mich war es ein sehr gutes und richtungsweisendes Jahr und ich plane nach einem abgeschlossenen Studium zum gehobenen Archivdienst in das Landeskirchliche Archiv zurückzukehren.
21. Juli 2023 | Andreas Butz | Allgemein
Für das Dekanatsarchiv Ludwigsburg lag bereits seit 1962 ein Inventar vor, und der Bestand wurde seit den 1990er Jahren im Landeskirchlichen Archiv aufbewahrt. Allerdings gelangten Anfang der 2000er Jahre weitere Bestandteile des Dekanatsarchivs in das Landeskirchliche Archiv. Außerdem waren in dem älteren Archivinventar nicht alle Akten des Bestands berücksichtigt, so dass es notwendig war, die Erschließung zu ergänzen.
In dem neuen Archivinventar kann hier online recherchiert werden.
Das Dekanat Ludwigsburg gehört nicht zu den älteren Dekanaten der württembergischen Landeskirche. Schließlich wurde die barocke Residenzstadt erst im Jahr 1714 gegründet. Die neue Stadt wurde 1720 Sitz eines Oberamts und eines Dekanats. Dazu wurde das frühere Dekanat Markgröningen aufgelöst. Zusätzlich wurden noch Kirchengemeinden der Nachbarbezirke Cannstatt, Marbach und Waiblingen eingegliedert.
Die Dekanatsarchive beinhalten jeweils die Überlieferung des Stadtpfarramts. Da der Stadtpfarrer in Personalunion auch der Dekan des Kirchenbezirks ist, laufen bei ihm die Fäden zusammen. Auf dem Dekanatamt werden pfarramtliche Akten und dekanatsamtliche Akten gebildet. Ein wichtiger Bestandteil der dekanatsamtlichen Akten sind die Ortsakten zu den einzelnen Kirchengemeinden. Bei Ludwigsburg sind dies folgende Gemeinden: Aldingen, Asperg, Beihingen, Benningen, Bissingen (Enz), Eglosheim, Geisingen, Heutingsheim, Hochberg, Hochdorf, Hoheneck, Kornwestheim, Ludwigsburg, Markgröningen, Neckargröningen, Neckarrems, Neckarweihingen, Ossweil, Pflugfelden, Poppenweiler, Schwieberdingen und Tamm.
19. Juli 2023 | Jakob Eisler | Palästina
Letzte Woche fand in Jerusalem eine Tagung des „Yad Ben Zwi Instituts zur Erforschung der Geschichte des Landes Israel“ und der „Israeli Antiquities Authority“ vom 10. Juli bis zum 14. Juli statt.
Bei der großen und mit 400 Teilnehmern gut besuchten Tagung wurden über 70 Vorträge gehalten von Dozenten und Forschern aus der ganzen Welt zum Thema „Jerusalem – Nabel der Welt“. Vorträge wurden in englischer und hebräischer Sprache gehalten und dazu wurden auch Führungen in der Stadt am Montag und Freitag, die zur Thematik der Vorträge gehörten angeboten. Ich habe eine Führung durch die württembergische Templerkolonie angeboten und zwei Tage später einen Vortrag zur Geschichte des Deutschen Vereins zu Jerusalem 1873-1910 gehalten. Zur Führung kam die Maximale Zahl an erlaubten Teilnehmern – 30 Personen. Wir gingen vom Gemeindehaus über die Hauptstraße durch die Seitenstraßen bis zum Friedhof, wo weitere ausführliche Darstellungen der Entstehung der Kolonie und Persönlichkeiten dargestellt wurden. Bei dem Vortrag kamen an die hundert Personen die in Yad Ben Zwi an der Konferenz Teilnahmen.
Anbei einige Eindrücke aus der Führung durch die Kolonie und den Friedhof.
Dr. Jakob Eisler ist zuständig für die Forschungsstelle Palästina im Landeskirchlichen Archiv.
Mit freundlichem Dank an den Fotografen Larry Price, Jerusalem.
12. Juli 2023 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
In der Musealen Sammlung befindet sich ein interessantes Schnitzbild aus Kamerun, das den Titel “Das Reich Gottes in der Erdnuss” trägt. In vielen württembergischen Kirchengemeinden kennt man dieses Bild. Wie kam es dazu?
Im Vorfeld der Weltmissionskonferenz (1980) in Melbourne, Australien, schrieb der Ökumenische Rat der Kirchen 1979 seine Mitgliedskirchen an und bat um Beiträge und Reflexionen zum Konferenzmotto ‚Dein Reich komme’, einer Bitte aus dem Vaterunser. Die Presbyterianische Kirche in Kamerun bat darauf ihre Mitglieder – Theologen und Laien – um ihre Ideen dazu. Den ersten Preis bekam der Schnitzer Martin Loh Nyonka mit dem Tafelbild “Das Reich Gottes” in einer Erdnuss. Erklärung: Wie die Erdnuss zwei Kerne hat, besteht das Reich Gottes auch aus zwei Bereichen – der sozialen und der geistlichen Arbeit. Das Schnitzwerk wurde in Melbourne ausgestellt und ist jetzt im Besitz des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf. Lange hing es dort im Büro des Generalsekretärs. Da das Bild sehr großen Anklang fand, wurde es von Martin Loh Nyonka noch vier Mal nachgeschnitzt: zum einen für Papst Johannes Paul II, der sich am 12. August 1985 in Yaoundé mit Vertretern aller christlichen Kirchen in Kamerun traf, zum zweiten für Hans Knöpfli, den früheren Leiter des Kameruner Handwerkerzentrums in Bali-Nyonga, der die Arbeit von Martin Loh Nyonka begleitete, zum dritten für den späteren Landesbischof Eberhardt Renz anlässlich seines Ausscheidens als Afrikareferent der Basler Mission.
1987 lernte Pfarrer Jürgen Quack, den Schnitzer bei einem Besuch in Kamerun, kennen und bat ihn, eine weitere Kopie für seine Arbeit im Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE) in Württemberg zu fertigen. Quack zeigte das Bild in vielen Gemeinden und Schulen, um zum einen eine afrikanische Sicht auf das Kommen des Reiches Gottes kennenzulernen und zum anderen ein Gespräch über das Verständnis des Reiches Gottes in Deutschland anzuregen. Zur Vermittlung verwendete er Objekte aus der Kultur des Kameruner Graslandes, die im Bild dargestellt sind und ein Plakat mit erläuternden Texten.
Beitragsbild: Schnitzbild “Das Reich Gottes in der Erdnuss” (Inv. Nr. 22.130)
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Plakat für die Gemeindearbeit (Inv. Nr. 22.140)
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Pädagogisches Begleitmaterial: Kaurimuscheln.Erworben von Jürgen Quack während seiner Zeit als Mitarbeiter der Basler Mission in der „Kirche der Geschwister“ (Ekkklesiyar Yan’uwa a Nigeria, E.Y.N.) im Nord-Osten Nigerias 1978-1983.
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Pädagogisches Begleitmaterial:. Fetisch in Gelbguss.Erworben von Pfarrer Dr. Jürgen Quack während seines Dienstes für die Basler Mission in der „Kirche der Geschwister“ (Ekklesiyar Yan’uwa a Nigeria, E.Y.N.) im Nordosten Nigerias 1978-1983.
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Pädagogisches Begleitmaterial: Doppelgong. Erworben von Jürgen Quack während seiner Zeit als Mitarbeiter der Basler Mission in der „Kirche der Geschwister“ (Ekkklesiyar Yan’uwa a Nigeria, E.Y.N.) im Nord-Osten Nigerias 1978-1983.
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Pädagogisches Begleitmaterial: Hacke. Erworben von Jürgen Quack während seines Dienstes für die Basler Mission in der „Kirche der Geschwister“ (Ekklesiya Yan’uwa a Nigeria, E.Y.N.) im Nordosten Nigerias 1978-1983.
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Pädagogisches Begleitmaterial: Modell einer Sprechenden Trommel.Erworben von Pfarrer Jürgen Quack während seines Dienstes für die Basler Mission in der „Kirche der Geschwister“ (Ekklesiya Yan’uwa a Nigeria, E.Y.N.) 1978 – 1983 Verwendet als Anschauungsobjekt bei Vorträgen im Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung 1983 – 1993.
5. Juli 2023 | Andreas Butz | Aktenfund, Bestand, Kirchen, Kurioses
Historische Aufnahme der Friedenskirche (Garnisonskirche) in Ludwigsburg. LKAS, Bildersammlung, U 662
Derzeit wird der bislang noch unverzeichnete Teil des Dekanatsarchivs Ludwigsburg erschlossen. Naturgemäß stößt man beim Verzeichnen auf den ein oder anderen interessanten Vorgang. Dass ausgerechnet ein Aktenbund, der den Titel “Friedenskirche” (jetzt LKAS, DA Ludwigsburg, Nr. 709) trug, umfangreiches Material über einen konfessionellen Zwist enthielt, fanden wir bemerkenswert. Aus heutiger Sicht und aus der zeitlichen Distanz kann man freilich leicht mit einer gewissen Gelassenheit auf Probleme blicken, die damals die Gemüter erhitzten.
Friedenskirche Ludwigsburg. Von Ecelan – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3614898
Auf der B 27 von Stuttgart kommend erblickt man kurz vor der Abbiegung zur Ludwigsburger Innenstadt auf linker Seite eine imposante Kirche. Dieser Kirchenbau ist nicht nur schön, sondern hat auch eine besondere Geschichte. Die heutige Friedenskirche war ursprünglich die evangelische Garnisonskirche für den ehedem wichtigen württembergischen Militärstandort. Entworfen von dem Architekten Friedrich von Thiersch, wurde sie 1903 im Beisein des Königspaars eingeweiht. 1920 wurde die Garnisonsgemeinde aufgelöst. Das Gebäude wurde dennoch bis 1945 für Militärgottesdienste genutzt. Die Württembergische Kirchenleitung hatte sich 1924 beim Militärpfarramt V ein Mitbenutzungsrecht an der Garnisonskirche gesichert. Infolge des Zusammenbruchs der deutschen Wehrmacht haben die evangelischen Militärgemeinden aufgehört zu bestehen. 1945 wurde beschlossen, aus dem ehemaligen Südstadtbezirk der Stadtkirche eine neue Kirchengemeinde zu bilden. Im Mai 1947 wurde aus der Südstadtgemeinde eine eigene Teilkirchengemeinde mit neuen, erweiterten Grenzen gebildet. 1948 erfolgte die Umbenennung zur Friedenskirche. Aufgrund des großen Zustroms von katholischen Heimatvertriebenen wurde der katholischen Kirchengemeinde eingeräumt, die Kirche mitzubenützen, was ein Jahrzehnt lang auch ein funktionierendes Arrangement war. Man wechselte sich bei der Benutzung der Räumlichkeiten ab. Der Eigentümer war aber der Bund, und als dieser ab 1958 über den Verkauf der Kirche an die evangelische Kirchengemeinde verhandelte, kam eine gewisse Unruhe auf, da die katholische Kirchengemeinde sich nun hintangesetzt fühlte. Von dem her standen sich nun bis 1966 zwei Interessen entgegen: Auf der einen Seite, das Interesse an einem Weiterbestehen des Status Quo, auf der anderen Seite das Interesse am Zustandekommen des Kaufvertrages zwischen der evangelischen Friedenskirchengemeinde und dem Bund. Die Entwicklung führte zu einem umfangreichen Schriftverkehr, zu etlichen Stellungsnahmen, zu Kontaktaufnahmen bis in höchste politische Kreise (etwa zu Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, Minister Hans Wilhelmi, Minister Franz-Josef Strauß, verschiedene Bundestagsabgeordnete). Erst als der Kauf vollzogen wurde, ebbten die Wellen wieder ab. Das Problem war letztlich nicht so groß wie man dachte, da die katholische Kirchengemeinde noch bis in die 70er Jahre die Kirche mitbenutzten konnte. Auch wenn sich die Benennung der Friedenskirche auf einen Neuanfang nach ihrer militärischen Vergangenheit bezog, so erwies es sich auch hier, dass man, wenn ein Streit vorbei ist, wieder Frieden schließen und im Frieden gut zusammenleben kann.
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Zeitungsberichte zum Streitfall 1959/1960, in: LKAS, DA Ludwigsburg, Nr. 709
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30. Juni 2023 | Andreas Butz | Allgemein
Derzeit entsteht an der Rückseite unseres Gebäudes ein Erweiterungsbau. Aus diesem Grund befindet sich dort, wo bis Februar noch unser Parkplatz und unsere Anlieferung war eine große Baustelle. Zwar versuchen wir die Einholung von neuen Beständen stark einzuschränken, da eine normale Anlieferung nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig gehen unsere Erschließungs- und Verzeichnungsarbeiten aber weiter. Aus diesem Grund haben wir nach wie vor den üblichen Verbrauch an Archivschatullen für das Verpacken der Archivalien. Von dem her mussten wir wieder Nachschub an diesen Materialien bestellen, in diesem Fall 17 Paletten mit Archivschatullen. Wie bekommt man jedoch 17 Paletten mit Schatullen in ein Archiv unter Wegfall des normalen Anlieferungsbereiches? Glücklicherweise war das Bauunternehmen so freundlich, uns zu helfen. Die Paletten wurden mit Hilfe des Baukrans über die Baustelle hinweg direkt zu dem Anlieferungstor geführt. Das war für uns allerdings ein sehr ungewöhnliches Ereignis. Die Paletten wurden vor unserem Tor ebenerdig auf eine Platte gestellt und dann mit einen Hubwagen in den Anlieferungsbereich hineingezogen.
28. Juni 2023 | Andreas Butz | Fotografie, Interkultur, Palästina, Veranstaltung
Vergangenen Freitag fand in den Räumen des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart eine mit knapp hundert Interessenten sehr gut besuchte Tagung zu einer Neuerscheinung statt. Vorgestellt wurde das zweibändige Werk über die historischen Friedhöfe der Templer im Nahen Osten (1869-1948). Grußworte sprachen der Vorsitzende des Vereins für württembergische Kirchengeschichte, Professor Dr. Norbert Haag, sowie als Hausherr der Leiter des Landeskirchlichen Archivs, Dr. Claudius Kienzle. Ein Grußwort des Leiters des Erhaltungsrats für Welterbestätten in Israel, Dr. Omri Shalmon, wurde verlesen. Danach folgten Vorträge von Professor Haim Goren aus Israel über die ersten, noch misslungenen Ansiedlungsversuche der Templer in Palästina. Oberbaudirektor i.R. Ulrich Gräf gab interessante Aufschlüsse über die Gestaltung der Grabsteine in ihren zeitlichen Kontexten. Dr. Jakob Eisler vom Landeskirchlichen Archiv erläuterte Hintergründe, die die Bedeutung der Dokumentation herausstellten und gab einige Beispiele aus dem Buch, die deutlich machten, wie umfassend von den Autoren für den biografischen Teil der Bände geforscht wurde. Herr Klingbeil von der Tempelgesellschaft berichtete über die Geschichte und die Pflege dieser Friedhöfe, insbesondere auch was die Zeit nach beginn des Zweiten Weltkrieges betraf, nachdem die Mitglieder der Tempelgesellschaft Israel schon verlassen hatten. Die Vorträge waren alle lebhaft und kurzweilig. Der Verein für württembergische Kirchengeschichte hatte für die Bereitstellung von Getränken und Speisen im Foyer gesorgt, so dass nach im Anschluss der Veranstaltung noch reichlich Gelegenheit für Gespräche bestand. Am Büchertisch konnte das werk gleich erworben werden.
Eine weitere Buchvorstellung wird in Israel im Zentrum der Israelischen Denkmalpflegebehörde in „Mikwe Israel“ (vormals die erste Jüdische Landwirtschaftsschule von 1870 die vom Württemberger Theodor Sandel geplant wurde) stattfinden. Dr. Omri Shalmon, Frau Tamar Tuchler von der Denkmalbehörde Jaffa/Tel-Aviv und weitere Denkmal Persönlichkeiten werden dabei sein.
Der Doppelband kann hier bestellt werden: margarete.gruenwald@elk-wue.de
Jakob Eisler/Ulrich Gräf, Die historischen Friedhöfe der Templer im Nahen Osten (1869– 1948), Bd. 1: Templerfriedhöfe im Süden, Bd. 2: Templerfriedhöfe im Norden, Stuttgart 2023. 2 Bde. im Schuber, 780 S. 79,00 EUR. ISBN 978-3-944051-23-9 (Bd. 1), ISBN 978-3-944051-24-6 (Bd. 2).
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Würdigung von Unterstützern des Projekts, hier Frau Arnold
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Vortrag Professor Goren
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Fragerunde mit Ulrich Gräf, Professor Goren und Professor Haag
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V. l. Dr. Claudius Kienzle, Prof. Dr. Norbert Haag, Dr. Jakob Eisler, Baudirektor Ulrich Gräf
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Die Autoren Dr. Eisler und Baudirektor Gräf
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Fragerunde mit Dr. Eisler und Dr. Kienzle
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Vortrag Jörg Klingbeil (Tempelgesellschaft)
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Begleitausstellung I
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Begleitausstellung II
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22. Juni 2023 | Andreas Butz | Digitalisierung, Genealogie
Historische Kirchenbücher der evangelischen Kirchengemeinde Katharinenfeld können nun als Digitalisate eingesehen werden. Online einsehbar sind folgende Register: Taufregister (1827-1835), Konfirmandenregister (1828-1848), Eheregister (1827-1843), Totenregister (1827-1843), Totenregister (1864-1889) sowie das Personalbuch der evangelisch-lutherischen Gemeinde (1891-1914).
Konfirmandenregister von Katharinenfeld
Die Siedlung Katharinenfeld wurde im Jahr 1819 von württembergischen Auswanderern westlich von Tiflis gegründet und nach Katharina, der Gemahlin von König Wilhelm von Württemberg (eine Schwester von Zar Alexander) benannt. Der Hintergrund der Gründung von schwäbischen Ansiedlungen im Bereich des Kaukasusgebietes waren wirtschaftliche Notlagen in der Heimat und religiöse Vorstellungen. Besonders das Jahr 1816 mit seinen klimatisch bedingten Missernten sorgte für einen wirtschaftlich motivierten Auswanderungswunsch. Chiliastische Vorstellungen vom nahenden Weltende verbanden sich mit einem radikalen Pietismus (bzw. Separatismus) und dem Wunsch beim jüngsten Gericht möglichst nahe am Heiligen Land zu sein, in das eine Auswanderung damals aber noch nicht möglich war. Die Einwanderung in das südliche Kaukasusgebiet war jedoch möglich und wurde von Russland, das diese Gebiete kurz vorher erobert hatte auch durch Gewährung von Grund und Boden, Steuerfreiheit und anderen Vergünstigungen an die Siedler begünstigt. Nach anfänglichen großen Schwierigkeiten konsolidierten sich die Siedlungen ökonomisch und gesellschaftlich. In Sowjetzeiten wurde die Ortschaft in Luxemburg umbenannt (nach Rosa Luxemburg). Das kirchliche Leben wurde in Sowjetzeiten sehr eingeschränkt aber die Siedlungen bestanden noch bis zur im Jahr 1941 verordneten Deportation der Einwohner in andere Gegenden der UdSSR. 1944 erhielt Katharinenfeld seinen heutigen Namen Bolnisi. Die Nachfahren der früheren Bewohner wohnen mittlerweile zum großen Teil in Deutschland.
Die heutige evangelische Kirchengemeinde von Bolnisi gehört zur Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus.
Verwendete Literatur: Verlorene Spuren. Schwäbische Auswanderung in den Kaukasus. Dokumentation zur Ausstellung im Heimatmuseum Reutlingen (2017)
21. Juni 2023 | Bertram Fink | Bestand, Veranstaltung
Die Abgabe von Pfarrarchiven zur Verwahrung und Verwaltung an das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart löst in vielen Kirchengemeinden ein Unbehagen aus. Befürchtungen werden laut, ihre Archivalien wären damit den Gemeinden entzogen und künftige kirchengeschichtliche Forschungen durch die Aufbewahrung an einem entfernten Ort erheblich erschwert worden. Daher ist es wichtig, die Kirchengemeinden über den Verbleib ihrer Pfarrarchive und die Nutzungsmöglichkeiten ihrer historischen Überlieferung im Landeskirchlichen Archiv zu informieren und ihnen den Mehrwert einer dauerhaften sicheren Verwahrung verständlich zu machen.
Beitragende zum Züttlinger Gemeindeabend, v.l: Birgitta Häberer, Bertram Fink, Ute Schüßler, Stefan Martin, Gudrun Haas, Julia Schäfer.
2013 und 2021 hatten die Kirchengemeinderäte von Züttlingen und Roigheim (Dekanat Neuenstadt) aus konservatorischen Gründen beschlossen, die Pfarrarchive zur Verwahrung und Verwaltung an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart abzugeben. Die Kirchengemeinden konnten für die ehrenamtliche Erschließung der Archivalien im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart die Leiterin des heimatkundlichen Arbeitskreises Möckmühl, Frau Ute Schüßler gewinnen. Um die Durchführung von heimatkundlichen und kirchengeschichtlichen Forschungsvorhaben bereits vom heimischen PC aus vorbereiten zu können, sind die beiden von ihr erstellten ausführlichen Archivinventare auf der Website des Landeskirchlichen Archivs öffentlich zugänglich (Pfarrarchiv Roigheim hier und Pfarrarchiv Züttlingen hier ).
Am 13.06.2013 fanden im Roigheimer Gemeindesaal und im Züttlinger Gemeindehaus Veranstaltungen statt, die sich mit den pfarramtlichen historischen Quellen und ihrer Bedeutung für die Erinnerungskultur beider Kirchengemeinden beschäftigten. Nachdem Dr. Bertram Fink, der zuständige Sprengelarchivar im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, den Weg der Archivalien vom Pfarramt bis zu ihrer Bereitstellung unter fachkundiger Beratung im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs nachgezeichnet hatte, stellte Ute Schüssler das jeweilige Archivinventar und einzelne Archivalien vor, die das weite Spektrum der pfarramtlichen Überlieferung abdecken. Auf diese Weise vermittelte Frau Schüßler einen lebendigen Einblick in das kirchlich-kommunale Leben beider Gemeinden. Der abschließende dritte Vortrag von der Sprengelarchivarin Birgitta Häberer hatte diejenigen Archivalien zum Thema, mit denen sich erfahrungsgemäß die Gemeindemitglieder am stärksten identifizieren, nämlich die Kirchenbücher beider Pfarrämter. Birgitta Häberer stellte die verschieden Gattungen und ihren Informationswert sowie deren Bereitstellung im gemeinsamen Kirchenbuchportal der landeskirchlichen Archive „Archion“ vor. So konnten einer sehr interessierten Zuhörerschaft an diesem Beispiel die Vorteile einer digitalen Bereitstellung von Archivalien vor Augen geführt werden.
Es bleibt zu hoffen, dass Gemeindemitglieder in Zukunft den Weg in das Landeskirchliche Archiv Stuttgart finden und/oder die digitalen Angebote des Landeskirchlichen Archivs und seiner Kooperationspartner nutzen, um sich mit ihrer Kirchengeschichte zu beschäftigen. Wir haben guten Grund, optimistisch zu sein.
14. Juni 2023 | Andreas Butz | Interkultur, Lesesaal, Nachkriegszeit, Zeitgeschichte
Wir treffen Helmut Walser Smith. Er ist Professor für Geschichtswissenschaft an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Derzeit macht er Recherchen für sein nächstes Buch, welches die Aufarbeitung der Erinnerung an die bundesrepublikanischen jüdischen Gemeinden in der Zeit nach dem Holocaust zum Thema hat. Der Schwerpunkt liegt hier auf württembergischen Kleinstädten mit ehemals jüdischen Minderheiten, im Sinne einer Mikrogeschichte. Er arbeitet im Landeskirchlichen Archiv hauptsächlich mit dem Bestand K 13 Hilfsstelle für Rasseverfolgte bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart. Diese Hilfsstelle wurde im Jahr 1945 von der evangelischen Landeskirche eingerichtet und wurde von Fritz Majer-Leonhard geleitet.
“In den 50er Jahren fehlten weitgehend genauere Kenntnisse, was mit den jüdischen Gemeinden geschehen war, wer ermordet worden war, wer den Holocaust überlebte, beziehungsweise wo die Gemeindeglieder nun lebten. Fritz Majer-Leonhard war einer der ersten, die frühe Statistiken über die Gemeinden erstellte. Auf eine Initiative von ihm ging es auch zurück, dass Anfang der 1960er Jahre vom Land Baden-Württemberg beschlossen wurde, eine Dokumentationsstelle einzurichten, so dass zum ersten Mal in Deutschland von offizieller Seite Daten aus den einzelnen Gemeinden erhoben wurden.”
Der Historiker nutzt seinen Forschungsaufenthalt auch zu Recherchen in anderen Archiven. Zum Beispiel im Stadtarchiv Stuttgart, wo etwa die Unterlagen der Israelitischen Religionsgemeinschaft verwahrt werden. Im Stadtarchiv Ulm sieht er die Quellen ein, die mit der großangelegten Dokumentation im Zusammenhang stehen, welche die Stadt Ulm bereits Anfang der 60er Jahre in Auftrag gegeben hat. Außerdem nutzt er den Bestand der Dokumentationsstelle zur Erforschung der Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit, die das Hauptstaatsarchiv Stuttgart bereits digital zur Verfügung stellt.
Im November wird er noch einmal anreisen, um im Rahmen des vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg veranstalteten Stuttgarter Symposiums den Vortrag “Die Jews from Württemberg melden sich zurück: 1945 – 1988″ zu halten. Aus der Perspektive der New Yorker Organisation “The Jews from Württemberg” zeichnet er in dieser Veranstaltung die Erfahrungen und Begegnungen von Juden nach, die nach dem Holocaust die Orte ihrer ehemaligen Gemeinden besuchten.
7. Juni 2023 | Uwe Heizmann | Veröffentlichung
Die ab 1642 in Württemberg eingerichteten Kirchenkonvente sollten für ein gutes, christliches Zusammenleben aller Bewohner sorgen. Zu diesem Zweck konnten die Konventsrichter jeden Einwohner und jede Einwohnerin bei Verstoß gegen die kirchliche und sittliche Ordnung heranzitieren, verhören und bestrafen. Jeden? – Nein! Nicht jeden. Die in den Bergbauorten im württembergischen Schwarzwald – v. a. Alpirsbach, Christophstal, Gutach (Ortenaukreis), Hallwangen, Hornberg (Ortenaukreis), Neubulach, Reinerzau und Schiltach – arbeitenden und zur örtlichen Einwohnerschaft gehörenden Bergleute unterstanden nicht der Jurisdiktion des Kirchenkonvents, sondern der des württembergischen Bergamts in Alpirsbach.
Deshalb sind – mit einzelnen Ausnahmen – in den Kirchenkonventsprotokollen keine Einträge zu Bergleuten zu finden. Stattdessen ist – zumindest für die Zeit von 1724 bis 1817 – das Protokollbuch für Polizei- und Gerichtssachen 1724-1817 des Bergamts Alpirsbach heranzuziehen, das im Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Bestand A 58 a unter der Signatur Bü. 232 (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-1012076) überliefert ist.
In diesem Protokollbuch sind hauptsächlich Vergehen der Bergleute protokolliert, also in erster Linie Streit zwischen den Bergleuten, aber auch Auseinandersetzungen mit Nicht-Bergleuten. Daneben sind auch Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit und Vergehen gegen die geltenden Sitten (z.B. uneheliche Schwangerschaft) dokumentiert. Eine immer wiederkehrende Thematik und Streitursache ist der (übermäßige) Alkoholkonsum unter den Bergleuten. Daneben sind auch Befragungen einzelner Bergleute zu ihrer Herkunft, ehelicher Abstammung und vorherigen Tätigkeiten vor ihrer beabsichtigten Eheschließung mit örtlichen Bürgerstöchtern zu finden. In diesen Befragungen geben die betroffenen Bergleute nicht nur Auskunft zu ihrer Herkunft, sondern machen auch Angaben zu früheren Arbeitsorten und Kameraden, die mit ihnen denselben Weg gegangen sind. Ab 1790 sind hauptsächlich Vereinbarungen über Gedinge (Akkordarbeit) niedergeschrieben. Zu manchen Bergleuten lassen sich nur einzelne Einträge finden, einige Bergleute, v. a. Steiger, Schicht- oder Farbmeister, werden hingegen öfters erwähnt.
Dieses Buch stellt aufgrund seines Inhalts bei der Erforschung der Kontroll- und Regulierungsvorgänge hinsichtlich der Bergleute im Allgemeinen sowie bei Spezialuntersuchungen z. B. zu Konflikten oder Armut unter den Bergleuten oder zum Verhältnis zwischen denselben und der örtlichen Bevölkerung, aber auch bei biografischen Forschungen zu einzelnen württembergischen Bergleuten eine herausragende und für Württemberg einzigartige Quelle dar. Abhängig von der Häufigkeit der Erwähnung sind umfangreichere Studien zu einzelne Berufsgruppen und sogar tiefergehende Einblicke in das Leben bestimmter Bergleute möglich.
Wer in diesem Protokollbuch forschen möchte, muss sich nicht die Mühe machen, selbst im Hauptstaatsarchiv die alte Schrift zu lesen, da das Protokollbuch als Transkription vorliegt. Diese enthält erklärende Anmerkungen, ein Glossar, Personen-, Sach- und Ortsindizes sowie einen Index über die Gruben und Werke. Es wurde in der Reihe „Südwestdeutsche Quellen zur Familien- und Wappenkunde“ des Vereins für Familienkunde in Baden-Württemberg veröffentlicht und kann über die Webseite des Vereins bezogen werden.
Weitere Informationen zum Protokollbuch, einschließlich der Indizes sind auf https://www.uwe-heizmann.de/bergamtsprotokoll.html zu finden.
25. Mai 2023 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
In unserem Archiv befindet sich eine Schachtel, die gefüllt ist mit einer bunten Mischung von Siegeln. Beigefügt ist ein Heft, das weitere, nach Orten sortierte eingeklebte Exemplare enthält. Eine wahre Fundgrube für Wappenforscher und einschlägige Sammler!
Jemand hatte die Siegel von Briefumschlägen abgetrennt, der genaue Zeitraum ist nicht zu ermitteln. Das in alphabetischer Reihenfolge geführte beiliegende Heft lässt darauf schließen, dass auch die in der Kiste aufbewahrten Siegel irgendwann hätten sortiert werden sollen.
Die Siegelsammlung stammt aus der inzwischen aufgelösten “Sammelstelle für Landeskirchliches Schrifttum” und war wohl eine Schenkung. Auf dem Etikett der Kiste ist zu lesen: “Siegel. Geschenk von Frau Pfarrer Bengel, Korntal“. Ob die Pfarrfrau die Sammlerin war, oder ob sie nach dem Tod ihres Gatten die Relikte seines Hobbys in guten Händen wissen wollte, werden wir wohl nicht mehr rekonstruieren können. Die Siegel liegen indes unsortiert weiterhin in unserem Archiv – mittlerweile in der Musealen Sammlung unter der Inventarnummer 22.128.
Siegel waren nicht nur als Insignien zur Beglaubigung von Urkunden gebräuchlich, sondern auch zum sicheren Verschließen von Briefen, um bei wichtigen oder offiziellen Schreiben die Unversehrtheit zu garantieren und den Absender kenntlich zu machen. Hierzu wurde ein Siegelstempel in eine weiche, erhärtende Masse – den Siegellack – gedrückt. Durch den Stempel wurde das Familien- oder Ortswappen eingeprägt.
Die Siegelsammlung in unserer Online-Bestandsübersicht.
Abbildungen: Museale Sammlung, Inv. Nr. 22.128
22. Mai 2023 | Tamara Scheck | Digitalisierung, Museale Sammlung
Den Internationalen Museumstag am 22. Mai haben wir zum Anlass genommen, unsere Museale Sammlung online zu stellen. Unter AS 9 finden Sie auf unserer Internetseite Landeskirchliches Archiv Stuttgart – Suche (elk-wue.de) rund 15.000 Objekte. Neben Zeugnissen kirchlicher und privater Frömmigkeit sind christliche Skulpturen, Gemälde, Grafiken und liturgische Gegenstände aus der Arbeit evangelischer Verbände und Vereine, der Diakonie und der Mission enthalten. Unsere Sammlungsstücke stehen für Ausstellungen und Filmaufnahmen von Museen und Kirchengemeinden zur Verfügung. Viel Spaß beim Recherchieren und Entdecken unserer Museumsschätze!
Beispiel für eine Verzeichnungseinheit mit anklickbarem Digitalisat