Artikel in Genealogie

Großer Adels-Stammbaum im Bestand des Pfarrarchivs Hemmingen

21. Mai 2020 | | ,

Im Bestand des Pfarrarchivs Hemmingen, das erst seit kurzem im Landeskirchlichen Archiv verwahrt wird, befindet sich auch ein Stammbaum des Adelsgeschlechts der Freiherren Varnbüler von Hemmingen, der die Angehörigen von etwa 1400 bis 1900 aufführt. Die auf Leinen aufgezogene Zusammenstellung hat die Maße von 106 x 132 cm. Teilweise enthalten die etwa 250 Einträge auch Biogramme der Personen. Ebenfalls enthalten ist ein Übersichtsplan über die Gräber der Adeligen, sowie auch über die Anordnung der Familiengemälde in der Ahnengalerie. Die Stammtafel wurde von Pfarrer Ernst Hoffmann erstellt, der von 1883 bis 1907 in Hemmingen tätig war. Das Geschlecht derer von Varnbüler war ursprünglich ein Bürgergeschlecht. Ein wichtiger Vertreter war Johann Konrad Varnbüler (1595-1657), der württembergische Gesandte zu den Verhandlungen des Westfälischen Friedens. Er wurde in Anerkennung seiner Dienste im Jahr 1650 von Herzog Eberhard III. mit dem Ritterort Hemmingen belehnt und erhielt vom Kaiser die Adelsbestätigung. Die Familie war für die Pfarrei nicht unbedeutend, denn bis ins 20. Jahrhundert hinein kam ihr im Wechsel mit Württemberg die Ernennung des Ortspfarrers zu (halbes Patronatsrecht). Das Schloss (heute das Rathaus der Kommune), die Laurentiuskirche, das Pfarrhaus  und das evangelische Gemeindezentrum liegen nebeneinander.

Kranz- und „Gehörnte Hand“-Symbol in einem Kirchenbuch?

18. Mai 2020 | | ,

Im Eheregister der Pfarrei Michelfeld (Kirchenbezirk Schwäbisch Hall) sind in den Jahren 1609 bis 1612 neben neun Einträgen Symbole zu finden, die einen Kranz und eine „Gehörnte Hand” (mano cornuta) darstellen. Den meisten wird die „Gehörnte Hand” als Metal-Hand („Pommesgabel”) bekannt sein, jedoch hat sie in verschiedenen Zusammenhängen andere Bedeutung. Welche sie und der Kranz im Eheregister haben, wird erkennbar, wenn man im Taufregister nach dem jeweils ersten Kind der betroffenen Ehepaare schaut.

Für die Ehepaare, die am 19.11.1609 und 14.05.1611 geheiratet hatten, ist keine Taufe eines Kindes im Taufregister eingetragen. Hierfür kann es mehrere Gründe (z.B. Totgeburt, Wegzug) geben. Da im Michelfelder Taufregister eine Lücke zwischen dem 05.01.1612 und dem 20.06.1613 ist, erübrigt sich außerdem die Suche nach Taufeinträgen von Kindern der Ehepaare, deren Ehen am 01.03.1612, 02.03.1612 und 10.05.1612 geschlossen wurden. Fündig wird man aber für die Ehepaare, die am 22.05.1610, 05.08.1610, 26.08.1610 und 15.01.1611 getraut wurden. Deren jeweils erstes Kind wurde am 22.10.1610, 23.01.1611, 07.12.1610 bzw. 19.04.1611 getauft. Die Taufe fand üblicherweise entweder am Tag der Geburt oder ein oder zwei Tage danach statt. Die Kinder kamen also ungefähr fünf Monate, fünf Monate und 18 Tage, drei Monate und elf Tage sowie drei Monate und vier Tage nach der Hochzeit zur Welt.

Für andere Ehepaare, die in dem betrachteten Zeitraum geheiratet hatten und nicht durch Symbole markiert sind, können nur zwei Taufeinträge von Kindern gefunden werden.

Das eine Ehepaar hatte am 30.01.1610 geheiratet, das andere am 22.07.1610. Ihr erstes Kind wurden am 04.06.1611 bzw. 24.10.1611 getauft, also jeweils mehr als neun Monate nach der Hochzeit.

Auch wenn die Quellenlage recht schwach ist, kann es dennoch als wahrscheinlich angenommen werden, dass mit Kranz und „Gehörnter Hand” Ehepaare gekennzeichnet wurden, die aufgrund vorehelichen Geschlechtsverkehrs bereits bei der Hochzeit ein Kind erwarteten.

Hierbei steht der Kranz für einen Strohkranz, der den Verlust der Jungfräulichkeit symbolisierte. Bräute, die gegen die damaligen Moralvorstellungen verstießen, durften bei der Hochzeit – sofern sie einen Kranz trugen – nur einen Strohkranz tragen. In manchen Regionen mussten diese Frauen und ihre angehenden Männer mit einem Strohkranz markiert an drei Sonntagen nacheinander vor der Kirchentüre stehen und so Buße für ihr Vergehen ableisten.

Die „Gehörnte Hand” ist hier als ein Schutzzeichen zu betrachten, mit dem Unglück, das man durch sein Fehlverhalten heraufbeschworen hatte, abgewehrt werden sollte. Warum in zwei Fälle (26.08.1610 und 02.03.1612) die „Gehörnte Hand” zweimal vorkommt, bleibt ungeklärt.

Paare, die gegen die Moralvorstellung verstießen, mit derlei Symbolen zu markieren, ist eher selten. An anderen Orten findet man vielmehr eine Angabe wie z.B. „geboren drei Monate nach der Hochzeit” im Taufeintrag des Kindes oder die Angabe „frühe Beischläfer” bei den Eltern. Solche Angaben fehlen bei den betroffenen Kindern in Michelfeld.

Warum der damalige Pfarrer, Josef Bäuerlin (~ 04.11.1572 in Schwäbisch Hall, + 12.03.1613 ebenda), Pfarrer in Michelfeld von 1609 bis zu seinem Tod, diese Art der Markierung gewählt hatte, bleibt offen.

Auf dem Kirchenbuchportal Archion findet man die Einträge hier  (Bild 127), die anderen Seite sind auf den Bildern 128 bis 131.

Das Kirchenbuch ist KB Michelfeld, Mischbuch 1609-1649 (= Band 2), E 1609-1632.

 

Zerbombte Erinnerung

16. April 2020 | | ,

Heute vor 75 Jahren, am 16. April 1945, nur wenige Wochen vor Kriegsende, wurde Freudenstadt durch französische Bombenangriffe und Artilleriebeschuss großflächig zerstört. Feuer breitete sich ungehindert in der Innenstadt aus und erfasste auch die Stadtkirche mit den in der Pfarrei befindlichen historischen Tauf-, Ehe- und Sterberegistern. Durch Abschriften dieser Kirchenbücher sind die Daten weitgehend erhalten geblieben und können heute von Familienforschern beim Kirchenbuchportal Archion eingesehen werden.

Die originalen Kirchenbücher (siehe Bild) wurden damals geborgen. Später wurden die verkohlten Bücher ins Landeskirchliche Archiv verbracht, in der Hoffnung, dass es die Technik irgendwann möglich machen wird, sie zu lesen.

 

Ein mutiger und fortschrittlicher Pfarrer ergreift 1801 bei der Pockenimpfung die Initiative und gibt mit seiner Familie den anderen Dorfbewohnern ein Beispiel

6. April 2020 | | , ,

Gelegentlich finden sich in Kirchenbüchern sogenannte Memorabilien, also Notizen erinnerungswürdiger Ereignisse. Die hier vorgestellte wurde von Pfarrer Christian Friedrich Wolff (1761-1829), der die Pfarrstelle Belsenberg im Dekanat Künzelsau von 1800 bis 1823 innehatte, verfasst. Um eine drohende Pockenepidemie in seiner Pfarrgemeinde einzudämmen, ließ er das damals noch ganz neue Impfverfahren mit Kuhpocken zunächst in seiner eigenen Familie testen. Als dies gut gelang ließen sich weitere Bewohner Belsenbergs und seiner Filialen, sowie auch in Hermutshausen gegen die lebensgefährliche, ansteckende Krankheit impfen. Vermutlich hat er mit diesem Beispiel  einige Menschenleben gerettet. Ein mutiger und fortschrittlicher Mann.

Bei seinen Zwillingen handelt es sich um sein 5. und 6. Kind aus seiner Ehe mit der Pfarrerstochter Rosina Magdalena Sophia geb. Fürer. Die beiden Kinder Eleonora Dorothea Magdalena und Christian Karl waren am 21. Februar 1800 noch in Bächlingen, seiner vorherigen Pfarrstelle, geborenen und getauft worden.

An „Blattern“ (Pocken), dieser Jahrtausende alten Krankheit, starben bis zum Ende des 18. Jhdts. noch bis zu 10 % aller Kleinkinder. Ab dem 18. Jhdt. häuften sich die Pockenfälle und lösten die Pest als schlimmste Krankheit ab. Nach Schätzungen infizierten sich jedes Jahr bis zu 400.000 Menschen. Die letzte bekannte Pockenerkrankung in Deutschland ist für das Jahr 1972 belegt. Durch gezielte und konsequente Impfpolitik konnte die Welt im Jahr 1980 jedoch für pockenfrei erklärt werden.

Transkription des Eintrags:

Merkwürdigkeiten
Welche sich in der Pfarrei zugetragen.
Im Sommer 1801 fiengen die gewöhnlichen Blattern in der Pfarrei an,
um sich reisen zu wollen. Aber ihren Verheerungen wurde dadurch
bald Einhalt gethan, daß sich viele Eltern, nachdem ich ihnen bei
meinen Zwillingskindern mit meinem Beispiel vorangegangen
war, entschlosen, ihren Kindern die Kuhpocken einimpfen zu lassen.
Die Zahl der Vaccinirten [= Geimpften] war in Belsenberg, Siegel- und Rodachshof
zusammen 45 und in Hermuthausen 8. Auch bewährte sich die Heilsam-
keit dieser neuen Erfindung dadurch genug, daß kein einziges der
Vaccinirten von denen angesteckt wurde, welche die gewöhnlichen Blat-
tern hatten, ob sie gleich viel mit diesen umgiengen und sogar eines
darunter bei einem der Letzteren schlief.

Aus: Mischbuch 1788-1808 von Belsenberg (Dekanat Künzelsau). Direktlink zur Kirchenbuchseite bei Archion: hier klicken.

5 Jahre Archion

30. März 2020 | | ,

Die Entwicklung von Archion seit dem Start im März 2015 kann sich durchaus sehen lassen. Inzwischen sind 22 Landeskirchen mit dabei und etwa 100.000 Kirchenbücher online. Durch die Digitalisierung der Kirchenbücher und ihre Präsentation im Internet hat sich die Nutzung dieser relevanten und stark genutzten Quelle erheblich erleichtert. Die württembergische Landeskirche war ja auch von Anfang an am Start und hat an das Projekt geglaubt.  Archion nimmt den Jubel zur halben Dekade seiner Existenz auch zum Anlass für eine Rabattaktion, für alle, die die Möglichkeiten der Kirchenbuchdatenbank kennenlernen wollen. Näheres zur Rabattaktion erfahren Sie hier.

Das Kirchenbuchportal Archion auf dem Genealogentag in Gotha

20. September 2019 | |

Auf dem Genealogentag in Gotha wurde über die Zukunft der Genealogie diskutiert. Von dieser Entwicklung sind auch die Landeskirchlichen Archive betroffen, da diese mit den Kirchenbüchern über die wichtigste genealogische Quelle verfügen. Die evangelischen Landeskirchen haben sich, um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, zu dem Kirchenbuchportal Archion zusammengeschlossen, wo die Kirchenbücher digital im Internet einsehbar sind. Archion war mit seinem Geschäftsführer Harald Müller-Baur und seinen Mitarbeiterinnen Lena Kremp und Judith Sutter auf dem Genealogentag vertreten. Eine weitere, besonders in den USA beliebte neue Technik der Genealogie sind die DNA-Analysen, die auch auf dem Kongress vorgestellt wurden. Folgendes Zitat einer Teilnehmerin hat uns besonders gefallen: “Ahnenforschung ist wie Kartoffelchips essen. Man kann einfach irgendwann nicht mehr aufhören. Und je besser die Technik ist und je mehr unterschiedliche Werkzeuge wir haben, desto mehr Spaß macht es.”

Screenshot aus MDR Fernsehbeitrag

Ein bemerkenswertes Militärkirchenbuch aus Crailsheim

28. Mai 2019 | | ,

Taufeintrag vom 7. September 1800 mit umfangreichen Angaben zu den Eltern – der Vater ist aus der Garnison Erlangen (so schön geschrieben sind leider nur wenige der Einträge).

Unter den Archivalien des Dekanatamtes Crailsheim, die sich im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart befinden, befindet sich ein Militärkirchenbuch (Nr. 79), das einige Besonderheiten aufweist.

Das Kirchenbuch enthält einleitend eine Notiz zum Aufenthalt des 3. Bataillons eines königlich-preußischen Infanterieregiments in Crailsheim 1798-1805, gefolgt vom einem Taufregister für die Jahre 1797 bis 1806, einem Eheregister für 1797 bis 1804, einem Totenregister für 1797 bis 1806 und einem Kommunikantenregister für 1798 bis 1806.

Die Einträge sind umfangreich und enthalten mehr genealogisch interessante Informationen als üblich. So sind in den Taufeinträgen die Mütter mit vollem Namen und teilweise der Herkunftsort der Eltern genannt. Die Eheeinträge enthalten Angabe zur Herkunft und Alter sowie zu den Eltern der Brautleute. In den Todeseinträgen von Kindern sind die Mütter ebenfalls mit vollem Namen genannt.

Neben den erwartungsgemäß evangelischen Soldaten bzw. deren Angehörige sind auch viele Einträge zu katholischen Soldaten zu finden, darunter auch Eheeinträge zu rein katholischen Brautleuten. Die bemerkenswerteste Besonderheit aber ist, dass die Einträge nicht nur königlich-preußische Soldaten der Garnison Crailsheim betreffen, sondern auch Soldaten aus den einige Tagesmärsche entfernten Garnisonen Erlangen und Ansbach, die sich zeitweise, wahrscheinlich aus dienstlichen Gründen, in Crailsheim aufhielten.