Überwindung Toter Punkte mithilfe von Kirchenkonventsprotokollen
Bei der Ahnenforschung stößt man hin und wieder auf so genannte Tote Punkte, also Stellen in der Forschung, an denen keine weiteren Ahnen mehr gefunden werden können. Dies kann daran liegen, dass in der benutzen Quelle die für die weitere Forschung notwendige Information nicht vorhanden oder ungenau angeben ist.
Eine Möglichkeit, einen Toten Punkt zu überwinden, ist die Umgebungssuche, die wir bereits vor einiger Zeit anhand eines Beispiels vorgestellt hatten.[1]
In manchen Fällen können aber auch Kirchenkonventsprotokolle zur Überwindung Toter Punkte beitragen, wie hier anhand zweier Beispiele dargestellt werden soll.
Befragung einer unehelich schwangeren Frau
Im Taufregister von Tumlingen (heute Kirchengemeinde Waldachtal) ist unter dem 5. Oktober 1797 der Geburts- und Taufeintrag des im Filialort Hörschweiler unehelich geborenen Mädchens Agatha zu finden. Zu ihren Eltern ist folgendes vermerkt: „Christina, Joh. Riegers Bürgers und Bauren in Hörschweiler Tochter gibt zum Vater an Friederich Rohrer, Zimmergesellen aus dem neuen Dörfchen, gegenwärtig auf der Wanderschaft, welcher sich nach der kirchenconventl. Untersuchung auch würklich in so ferne dazu bekennt, als sie auf seine Zeit niederkommen, welches dann auch so erfolgt, aber alles schlechterdings wegläugnet“.[2] Genauere Informationen zu Friedrich Rohrer sind nicht zu finden.
Was ist mit „dem neuen Dörfchen“ gemeint? Ein Blick in die Kirchenkonventsprotokolle von Tumlingen bringt Klarheit. Christina Rieger wurde am 5. und 6. Januar 1797 vom Kirchenkonvent über ihre Schwangerschaft befragt. Als dritte Frage – nach „Ob wahr, daß sie schwanger sei?“ und „Wie lang?“ – wird sie gefragt „Von wem?“. Sie gibt zur Antwort „Jacob Friderich Rohren, Zimmergesell von Herzogsweiler“.[3]
Der heute zu Pfalzgrafenweiler gehörende Ort Herzogsweiler wurde erst 1723 auf rentkammerlichem Boden im Weilerwald durch Waldenser angelegt. Auch wenn seitdem mehr als 60 Jahre vergangen waren, hatte sich bis 1797 die Bezeichnung „neues Dörfchen“ gehalten. Vergleicht man diese 60 Jahre mit dem Alter von Tumlingen und Hörschweiler (Ersterwähnung 782 bzw. 1086), was den Menschen der damaligen Zeit in etwa auch bekannt gewesen sein dürfte, so war Herzogsweiler tatsächlich noch „neu“.
Es ist anzunehmen, dass der genannte Jacob Friderich Rohrer derjenige im Ortssippenbuch für Pfalzgrafenweiler unter Nr. 4747 aufgeführte ist.[4] Auch er wurde vom Kirchenkonvent befragt, leugnete aber, die Christina geschwängert bzw. überhaupt mit ihr Verkehr gehabt zu haben. Die Protokolle vom 5. und 6. Januar 1797 mit genaueren Angaben stehen online zur Verfügung.[5]
Bitte um einen Kirchenstuhl
Am 16. November 1735 wurde in Peterzell bei Alpirsbach das Mädchen Maria Catharina geboren und getauft. Ihre Eltern waren Matthias Engisch, Bürger und Schuhmacher in Peterzell, und Maria Barbara Krimmel.[6] Üblicherweise wird bei der Ahnenforschung als nächster Schritt nach dem Hochzeitseintrag der Eltern gesucht – jedoch, es gibt keinen im Eheregister von Peterzell. Auch über den hervorragenden Index zu den Kirchenbüchern („Sonstiges 1648 bis ca. 1875 Band 20“) wird man nicht fündig. Aus dem Index ist lediglich zu entnehmen, dass das erste Kind des Ehepaares am 24. Mai 1732 geboren wurde.[7]
Ein auf Verdacht in die Kirchenkonventsprotokolle von Peterzell geworfener Blick hilft auch an dieser Stelle weiter. Im Protokolleintrag vom 12. November 1731 ist zu lesen: „Maria Barbara, Matth. Enggischen Eheweib, von Aysteig gebürttig, bittet weil sie frembd hiehro gekommen, auch um einen Kirchen-Stuhl.“[8] – Man durfte sich früher nicht einfach in der Kirche dorthin stellen bzw. setzen, wo man wollte, sondern bekam seinen Platz zugewiesen. Diese Praxis erscheint aus heutiger Sicht ungewöhnlich, wenn nicht sogar komisch, hilft in diesem Fall aber bei der Überwindung des Toten Punktes.
Im Eheregister von Aistaig ist unter dem 10. September 1731 der Hochzeitseintrag des Ehepaares zu finden: „Aystaig den 10. 7bris ist Matthaeus Engisch, Schuhknecht, Matthaeus Engischen, seel. Bürgerß zu Peterzell hinderlaßener Sohn mit Maria Barbara, weyl. Christoph Heinrichs Krimmels seel. weyl. Schneiderß und Bürgerß zu Bahlingen ehel., anitzo aber Johann Jacob Riederß Bürgerß allhir Stieftochter an diesem Monntag nach gehaltener Bettstund ehelich copuliert und eingesegnet worden.“[9]
Die falsche Angabe des Geburtsorts der Maria Barbara im Kirchenkonventsprotokoll hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass sie zwar in Balingen (im heutigen Zollernalbkreis) geboren wurde, aber durch die zweite Ehe ihrer Mutter wohl schon sehr lange in Aistaig lebte.
Kirchenkonventsprotokolle sind in den meisten Dekanats- und Pfarrarchiven in Württemberg und auch in den Archiven alt-württembergischer, heute badischer bzw. bayerischer Pfarreien in unterschiedlichem Umfang überliefert. Ein großer Teil der Kirchenkonventsprotokolle aus Württemberg befindet sich im Archiv in Stuttgart-Möhringen, ein Teil aber auch noch vor Ort auf den Pfarrämtern.
Die Kirchenkonventsprotokolle werden nach und nach digitalisiert und auf https://suche.archiv.elk-wue.de/online gestellt werden. Eine Übersicht über die aktuell online zur Verfügung stehende Kirchenkonventsprotokolle ist hier zu finden.
Quellen
[1] Blog-Beitrag „Die Umgebungssuche zur Überwindung eines Toten Punktes“ (https://blog.wkgo.de/2021/02/17/die-umgebungssuche-zur-ueberwindung-eines-toten-punktes/).
[2] Kirchenbücher (KB) Tumlingen, Mischbuch (M) 1764-1804, Taufregister (Ta) 1764-1804, S. 177 (http://www.archion.de/p/b298920175/).
[3] Evangelisches Archiv Baden und Württemberg (EABW)*, G 244, Nr. 2, S. 339
[4] Oertel, Burkhart: Ortssippenbuch Pfalzgrafenweiler. Für die Teilorte Durrweiler, Edelweiler, Herzogsweiler, Kälberbronn, Neu-Nuifra sowie die in Pfalzgrafenweiler geführten Teile von Missihof, Mönchhof, Oberwaldach und Vesperweiler, Kreis Freudenstadt in Württemberg; 1645 bzw. Ortsgründung – 1925; ungekürztes Ortssippenbuch. Neubiberg 2013, S. 152, Nr. 4747.
[5] [5] EABW, G 244, Nr. 2, S. 339-342, S. 339 siehe [3]
[6] KB Peterzell, M 1696-1832, Ta 1733-1808, S. 19 (http://www.archion.de/p/1867181843/).
[7] http://www.archion.de/p/ee24663c5a/.
[8] EABW, G 561, Nr. 12-2, Actum 12.11.1731, 2. Seite
[9] KB Aistaig, M 1648-1741, E 1648-1740, 10.09.1731 (https://www.archion.de/p/4a750a1332/).
* bis 28. Februar 2025 Landeskirchliches Archiv Stuttgart