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Namensgeschichten 1: Eine Namensänderung in Kuppingen und ihre verzögerte Akzeptanz

17. August 2022 | |

In der Reihe „Namensgeschichten“ werden Fälle vorgestellt, in denen der Umgang mit Namen eine bemerkenswerte Rolle spielt.

Taufeintrag 24.9.1716

Am 24. September 1716 wurde in Kuppingen ein Kind namens Georg Heinrich geboren.[1] Sein Vater soll ein Johann Paulus Wurmser gewesen sein, der zum besagten Zeitpunkt Soldat in der Kompanie unter dem Obristen von Vorstner war, die sich – vermutlich im Zusammenhang mit dem Venezianisch-Österreichischer Türkenkrieg (1714-1718) – im Königreich Ungarn aufhielt. Die Kompanie hatte vermutlich ihr Winterquartier 1715/16 in Kuppingen. Die Mutter des Kindes war eine Margaretha Schmid (1684-1757), Tochter des Michael Schmid. Der Pfarrer hatte nicht wie bei unverheirateten Frauen üblich den Namen ihres Vaters angegeben, sondern nur „schon 2 mahlige s.v. Hure“ ergänzt. Sie kann aber anhand dieses Hinweises, für den sich der Pfarrer sogleich auch entschuldigt (s.v. = salva venia = mit Verlaub), unter Abgleich der Angaben im Ortssippenbuch von Kuppingen und der Paten dieses und ihres ersten, am 14. Oktober 1710 geborenen Kindes identifiziert werden.[2]

Spätere Pfarrer haben den Taufeintrag von Georg Heinrich ergänzt. Die eine Ergänzung, sein Todestag am 6. Januar 1790, hilft bei der Zuordnung seines Todeseintrages. Die andere Ergänzung ist die interessantere: „Ist zu Entringen seßhaft und verheurathet; hat aber einen andern Nahmen angenommen. Vid. Ehe-Buch den 8. Nov. 1763“.

Georg Heinrich hatte am 8. November 1763 in Entringen eine Maria Barbara, Tochter des verstorbenen Bauern Hanß/Johann Adam Schuhmacher, geheiratet. Der Pfarrer in Kuppingen hatte nicht nur die örtlichen Eheschließungen, sondern auch die Proklamationen

Eheregistereintrag 8.11.1763

(öffentliche Bekanntmachungen beabsichtigter Eheschließungen) auswärts zu schließender Ehen ins Kuppinger Eheregister eingetragen. Im Eintrag für die besagte Eheschließung ist zum Bräutigam angegeben: „Johann Cunrad Weiß, Baurenknecht, N.B. [= nota bene = merke wohl] welcher seinen Vor- und Zunahmen geändert, und eigentlich Georg Heinrich Wurmser heißt“.[3]

In Entringen hingegen hatte sich der neue Name noch nicht durchgesetzt. Im Eheeintrag im Entringer Eheregister ist sein Name als Georg Heinrich Wurmser angegeben.[4] Auch in den Taufeinträgen seiner ersten beiden Kinder, dem 8. Dezember 1764 und dem 19. Februar 1768, lautet sein Name noch Georg Heinrich Wurmser.[5] Erst im Taufeintrag des dritten Kindes, dem 31. Oktober 1772, wird sein Name mit Cunrad Weiß angegeben.[6] Im 1758 angelegten Seelenregister von Entringen ist er folgerichtig auch unter seinem ursprünglichen Namen zu finden, der nachträglich gestrichen und durch Cunrad Weiß ersetzt wurde. Dem Eintrag ist noch eine Information zu seinem Vater zu entnehmen, die in keinem anderen Eintrag erwähnt wird. Dieser war „miles bavarus“, also bayrischer Soldat.[7] In seinem Todeseintrag in Entringen vom 6. Januar 1790 ist sein Name ebenfalls mit Cunrad Weiß angegeben.[8]

Warum Georg Heinrich Wurmser seinen Namen in Johann Cunrad Weiß änderte, bleibt unbekannt. Möglicherweise finden sich dazu Informationen in den Kirchenkonventsprotokollen von Kuppingen, die sich noch auf dem Pfarramt befinden.

 

Quellen

 

[1] Kirchenbücher Kuppingen, Mischbuch 1558-1719, Taufregister 1560-1718, S. 351

[2] KB Kuppingen, M 1558-1719, Ta 1560-1718, S. 325a sowie Ortssippenbuch Kuppingen, S. 611, #S374 und S. 733, #W502

[3] KB Kuppingen, M 1719-1799, E 1719-1791, S. 87

[4] KB Entringen, M 1627-1765, Eheregister 1634-1765, ohne Seitenzählung (08.11.1763)

[5] KB Entringen, M 1747-1822, Ta 1747-1809, S. 57  und KB Entringen, M 1747-1822, Ta 1747-1809, S. 72

[6] KB Entringen, M 1747-1822, Ta 1747-1809, S. 96

[7] KB Entringen, Seelenregister 1758, S. 326

[8] KB Entringen, M 1747-1822, Totenregister 1747-1822, S. 170

Nachkriegszeit Teil 15: Fremdenfeindlichkeit abbauen – Eine Ausstellung im Jahr 1948

21. Dezember 2020 | |

Als infolge des Zweiten Weltkriegs unzählige Flüchtlinge und Vertriebene aus dem Osten nach Deutschland strömten, wurden sie von der Bevölkerung keineswegs mit offenen Armen empfangen. Sie wurden als „Rucksackdeutsche“ beschimpft und mit Argwohn betrachtet. Kleidung, Bräuche, Kochgewohnheiten, Dialekte, Konfessionen – alles erschien fremd.

Woher kamen die Menschen, die eine neue Heimat im zerstörten Deutschland suchten? Wie hatten sie gelebt, gearbeitet, gewohnt? In welchen Berufen waren sie ausgebildet worden, welches Handwerk hatten sie erlernt?

Um die einstigen Lebenswelten der Flüchtlinge näherzubringen und dabei Vorurteile abzubauen, finanzierte das Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Württemberg 1948 eine Ausstellung mit dem Titel „Wer wir sind“. Die sogenannten Neubürger hatten die Möglichkeit, sich und ihre Heimat durch Schnitzereien, Fotos, Trachten und Handarbeiten darzustellen. „Wer diese Ausstellung gesehen hat, der musste ein anderes Bild von den Heimatvertriebenen bekommen“, resümierte der Monatsbrief des Hilfswerks nach Abschluss der Ausstellung. Ziel der Schau war die Einsicht, „dass diese Bauern und Handwerker für uns keine Fremdlinge sein können.“ Die in Hilfskomitees organisierten Donauschwaben, Siebenbürger Sachsen, Banater Schwaben, Bessarabier und Dobruschdadeutsche beteiligten sich an der Ausstellungskonzeption. In 18 württembergischen Städten wurde die Ausstellung gezeigt und in Feierstunden und Gottesdiensten eröffnet. Eine Brücke des gegenseitigen Verstehens und der christlichen Nächstenliebe sollte gebaut werden. Die Alteingesessenen konnten mit dem Besuch der Ausstellung deutlich machen, „daß man hierzulande nicht ohne Herz ist und immer mehr zu tun gewillt ist, das materielle und das seelische Leiden der Brüder und Schwestern zu lindern und ihnen eine wirkliche Heimat in unserem armen und gequälten Land zu bereiten.“

Der Verlust der Heimat und die Traumatisierung der rund 600 000 Vertriebenen (in Württemberg, bis 1948), vor allem aus Rumänien und Jugoslawien, erfuhren durch die Schau ein gewisses Maß an Anerkennung. Um Verständigung werbend, versäumte man im Bericht im Monatsbrief des Hilfswerks nicht, das Leid und die schwierigen Lebensumstände der Altbürger in die Waagschale zu werfen.

Die Ausstellung als Experiment für den kulturellen Austausch und als Brückenschlag zwischen Alt- und Neubürger*innen wurde mit rund 50 000 Besucher*innen als „gesegneter Erfolg“ verbucht.

 

Quellen:

Unser Monatsbrief. Hilfswerk der Evang. Landeskirche in Württemberg, 2. Jahrgang, November 1948.

L1, Nr. 3455 (U 954)

L1, Nr. 305

Matthias Beer, Die ‚Flüchtlingsforschung‘ zum deutschen Südwesten. Anmerkungen und Thesen, in: Rainer Bendel/Abraham Kustermann (HG.), Die kirchliche Integration der Vertriebenen im Südwesten nach 1945, Berlin 2010, S. 197-211.

Beitragsbild: Handarbeiten der Siebenbürger Sachsen aus Rumänien