14. August 2024 | Uwe Heizmann | Genealogie
Schriftliche Berichte von Zeitzeugen und Autobiografien aus der Zeit vor 1900 sind begehrte Quellen für die Forschung, da, je weiter die Zeit zurückliegt, die schriftliche Überlieferung immer mehr nur aus amtlicher Überlieferung besteht und die Quellen zur Alltagsgeschichte und dem Leben einzelner, nicht-prominenter Personen rar sind.
Doch wie zuverlässig sind diese Quellen? Kann man diesen Berichten, speziell den Autobiografien trauen? Liegt es nicht auf der Hand, dass in letzteren das ein oder andere vielleicht etwas beschönigend oder nicht ganz der Wahrheit entsprechend dargestellt wird?
Vieles wird man, da die gemachten Aussagen weder bestätigt noch widerlegt werden können, so übernehmen müssen. Anderes kann anhand anderer Quellen überprüft werden. Für Lebensdaten – Geburt, Hochzeit, Tod – sind die Kirchenbücher die primären Quellen.
Abb. 1: Taufeintrag 13. Juni 1769 in Ulm
Als Beispiel wird im Folgenden die Autobiografie des Oberforstmeisters der Reichsstadt Ulm und späteren Direktors des königlich-württembergischen Forstrates und Direktors der Finanzkammer des Neckarkreises Johann Georg Seutter von Lötzen behandelt, die er 1820 verfasst hatte und die in „Sylvan, ein Jahrbuch für Forstmänner, Jäger und Jagdfreunde für das Jahr 1822“ veröffentlicht wurde.[1]
Über seine Geburt und seine Hochzeit schreibt Seutter: „Ich wurde den 13ten Juni 1769 geboren und nebst meinen sechs jüngern Geschwistern, unter der fortwährenden Aufsicht meiner Eltern, auf dem Lande, wo mein Vater seines Amtes wegen wohnte, erzogen.“[2] „Im Jahr 1795 endlich wurde ich als Reichstadt Ulmischer Oberforstmeister bestellt […]“.[3] „Im Jahr 1795 mit einer anständigen Besoldung angestellt, verheirathete ich mich im Jahr 1796 mit einer Tochter des Raths-Aelter [!], Freiherrn v. Welser in meiner Vaterstadt […]“.[4]
Unter „Vaterstadt“ versteht man im Allgemeinen die Stadt, aus der jemand stammt, in der jemand geboren wurde und/oder aufgewachsen ist.[5] Seutters Aussagen können also dahingehend interpretiert werden, dass er am 13. Juni 1769 in Ulm geboren wurde und 1796 auch dort geheiratet hatte.
Was sagen nun die Quellen?
Im Taufregister von Ulm ist unter der Nummer 248/1769 die Taufe von Johann Georg Seutter von Lötzen am Dienstag, den 13. Juni 1769 eingetragen.[6] – Die Jahres- und Datumsangaben in Abbildung 1 erfordern hier eine kurze Erklärung: „17 JVNIVS 69“ steht für Juni 1769. Das auch als Symbol für „männlich“ verwendete Marssymbol steht hier für den Dienstag. „hujus“ = „huius“ ist Lateinisch für „dieser“ und meint „dieser Monat“, bezieht sich also auf den genannten Juni 1769.
Der Taufeintrag enthält keine Angaben zur Geburt, sondern dokumentiert allein die Taufe. Als Geburtsort kann Ulm angenommen werden, da der Vater Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen Mitglied des Rats war und als solcher zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich auch in Ulm wohnte. Außerdem wäre bei Ortsfremden sicherlich eine entsprechende Bemerkung zu finden.
Auf den Wohnort von Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen und damit den Geburtsort seiner Kinder kann auch anhand der Taufeinträge der Kinder geschlossen werden. Zwischen 1769 und 1778 gebar seine Ehefrau sieben Kinder, darunter ein Zwillingspaar. 1769 bis 1772 wird Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen als Mitglied des Rats in Ulm bezeichnet, 1773 zusätzlich als Oberforstmeister. Die entsprechenden Taufen fanden in Ulm statt. 1778 wird das letzte Kind des Ehepaars in Altheim (Alb) getauft, der Vater als „Oberforstmeister zu Altheim“ bezeichnet.[7] Er scheint also zwischen 1773 und 1778 zum Oberforstmeister ernannt worden zu sein und in diesem Zeitraum nach Altheim (Alb), wo sich seit 1700 der Amtssitz des Ulmer Oberforstmeisters befand, umgezogen zu sein.
Über das Geburtsdatum kann nur spekuliert werden. Meistens war die Taufe ein oder zwei Tage nach der Geburt, immerhin musste die Taufe organisiert und die Taufpaten eingeladen werden. Zwar ist es nicht auszuschließen, dass eine Taufe noch am Tag der Geburt stattfand, jedoch war dies nur – logischerweise – bei Nottaufen üblich oder bei Eltern, die zeitnah weiterziehen mussten, z. B. Soldaten, nicht ungewöhnlich.
Abb. 2: Familienregistereintrag Seutters in Ludwigsburg
Wie kommt nun Johann Georg Seutter von Lötzen auf den 13. Juni 1769 als Geburtsdatum?
Es ist anzunehmen, dass er einen Taufschein des Pfarramts Ulm über seine Taufe besaß. Evtl. wurde dort mangels anderen Datums das Geburtsdatum mit dem Taufdatum gleichgesetzt. Dieses weitverbreitete Phänomen unterläuft nicht nur Ahnenforschungsneulingen, sondern eben auch Pfarrern. Vielleicht stand auf dem Taufschein kein Geburtsdatum und Seutter selbst hat Geburts- und Taufdatum gleichgesetzt. Dieser Fehler scheint auch demjenigen unterlaufen zu sein, der das Ludwigsburger Familienregister geführt hat, wo Seutter später lebte. In Abbildung 2 ist ein Ausschnitt des Familienregistereintrags Seutters – ohne Vornamen – in Ludwigsburg zu sehen, worin zur Geburt „Ulm 13. Jun. 1769“ eingetragen ist.[8]
Abb. 3: Todeseintrag 24. Dezember 1833 in Ludwigsburg
In seinem Todeseintrag vom 24. Dezember 1833 in Ludwigsburg, siehe Abbildung 3, wird der 13. Juni 1769 ebenfalls als Geburtsdatum angegeben, als Geburtsort jedoch „Altheim bei Ulm“, also Altheim (Alb).[9] Hier sind dem Schreiber also gleich mehrere Fehler unterlaufen.
Das Taufdatum als nicht belegtes Geburtsdatum und der falsche Geburtsort Altheim (Alb) haben sich bis in aktuelle Datenbanken eingeschlichen, z. B. in der Deutschen Biografie[10] oder bei LEO BW, wo zudem das falsche Altheim – Altheim/Allmendingen statt Altheim (Alb) – verknüpft ist.[11]
Um es nochmals festzustellen: nur die Taufe in Ulm ist durch die authentische, pfarramtliche Quelle des Taufeintrags dokumentiert. Der Geburtsort Ulm ist nicht belegt, kann aber guten Gewissens angenommen werden. Über das Geburtsdatum kann nur spekuliert werden.
Abb. 4: Hochzeitseintrag 12. Mai 1795 in Ulm
Auch hinsichtlich seiner Hochzeit „im Jahr 1796 mit einer Tochter des Raths-Aelter [!], Freiherrn v. Welser“ (vgl. oben) irrte sich Seutter – abgesehen davon, dass es etwas merkwürdig ist, dass er seine Frau, die ihn überlebte (vgl. Familienregistereintrag), nicht beim Namen nennt. Dem Eheregister von Ulm ist zu entnehmen, dass er am 12. Mai 1795 in Ulm Helena Magdalena, Tochter des Ratsälteren Marcus Theodosius Freiherr von Welser, heiratete, siehe Abbildung 4.[12]
Während Johann Georg Seutter von Lötzen sich beim Hochzeitsjahr „nur“ um ein Jahr irrte, schreibt er bezüglich des Todes seines Vaters Dinge, die nicht nur so nicht in den Quellen dokumentiert sind, sondern dem Todeseintrag des Vaters sogar widersprechen.
Seutter schreibt: „Den 4ten Oktober 1789 nachdem mein Vater den ganzen Tag hindurch amtlich auf dem Zimmer beschäftigt war, wollte er sich Abends noch in Begleitung zweier meiner Brüder etwas Bewegung machen, und ritt aus. Schon gegen die Abend-Dämmerung hin und auf dem Rückwege begriffen, verwickelte sich ein an sich unbedeutender Schwarzdorn-Zweig in dem Schweife seines ohnehin nicht frommen, von ihm als sehr gutem Reiter aber stets gebändigten Pferdes, dasselbe wurde toll, band mit meinem Vater ein und dieser war nach wenigen Augenblicken meinen Brüdern aus dem Gesichte verschwunden. Sie verfolgten mit Anstrengung seine Spur und nach wenigen Minuten schon sahen sie – den Vater todt auf dem Felde liegen.“[13]
Abb. 5: Todeseintrag 4. Oktober 1790 in Altheim (Alb)
Dieser dramatische Todesfall ist mit keinem Wort im Totenregister von Altheim (Alb) erwähnt. Dort steht, siehe Abbildung 5, dass Albrecht Ludwig Seutter von Lötzen am „Montag, den 4. Octobr. [1790] abends zwischen 6 und 7 […] in seinem Erlöser entschlaffen“ ist. Er wurde erst am Freitag darauf nach einer „christl. privat-Trauerrede zu Haus vor der nächsten hohen Anverwendtschaft [!] in der Kirchen zur Erden bestattet“.[14] Ein Unfall oder Unglück wird mit keinem Wort erwähnt und würde auch zu „entschlafen“ nicht passen. Wäre ein Sturz vom Pferd die Todesursache gewesen, so hätte dieses Unglück sicherlich seine Erwähnung im Todeseintrag gefunden.
Einen Grund, einen Sturz vom Pferd als Todesursache nicht zu erwähnen bzw. zu „verschleiern“, ist nicht ersichtlich. Der Grund, warum Johann Georg Seutter von Lötzen die Umstände des Todes seines Vaters derart angibt, abgesehen davon, dass er sich wiederum um ein Jahr irrt, kann ebenfalls nicht nachvollzogen werden. Fakt ist jedoch, dass hier die zeitgenössische, pfarramtliche Quelle glaubhafter ist als eine „Lebenserinnerung“, die 30 Jahre nach dem angeblichen Unglück verfasst wurde.
Die Autobiografie von Johann Georg Seutter von Lötzen ist ein Beispiel dafür, dass solche Quellengattungen mit Vorsicht zu genießen sind und Angaben anhand zeitgenössischer Quellen überprüft werden sollten.
Quellen
[1] Sylvan, ein Jahrbuch für Forstmänner, Jäger und Jagdfreunde für das Jahr 1822 = https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11038165, S. 1 – 20 (Scan-Nr. 10 – 30).
[2] Sylvan, S. 3.
[3] Sylvan, S. 7.
[4] Sylvan, S. 19.
[5] https://www.duden.de/rechtschreibung/Vaterstadt.
[6] Kirchenbücher Ulm, Taufregister 1767-1775, Bl. 124v.
[7] Kirchenbücher Ulm, Taufregister 1767-1775, Bl. 124v, 175v, 223r, 271r und 319r sowie Kirchenbücher Altheim (Alb), Taufregister 1712-1802, Nr. 17/1778.
[8] Kirchenbücher Ludwigsburg, Familienregister VII, S. 4094.
[9] Kirchenbücher Ludwigsburg, Totenregister 1828-1836, S. 180.
[10] https://www.deutsche-biographie.de/pnd117471135.html#adbcontent, Stand: 24.07.2024.
[11] https://www.leo-bw.de/web/guest/detail/-/Detail/details/PERSON/wlbblb_personen/117471135/Seutter+Johann+Georg+von, Stand: 24.07.2024.
[12] Kirchenbücher Ulm, Eheregister 1767-1800, S. 763.
[13] Sylvan, S. 4 f.
[14] Kirchenbücher Altheim (Alb), Totenregister 1712-1821, Nr. 20/1790.
14. Juni 2021 | Anette Pelizaeus | Bestand
Kisten, Bücher, Akten – als das Archiv der Ulmer Münsterbauhütte 2016 in das Landeskirchliche Archiv Stuttgart überführt wurde, war klar, dass damit viel Arbeit auf die Archivmitarbeiterinnen des Landeskirchlichen Archivs zukommen würde. Zu diesem Zeitpunkt konnte man allerdings noch nicht ahnen, welche enormen Herausforderungen die Erschließung mit sich bringen würde.
Doch die Arbeit hat sich gelohnt. Beispiele wie die Wiederherstellung des Chorgewölbes nach dem Bombeneinschlag vom 1. März 1945 oder der Restaurierung des Schmerzensmannes vom Hauptportal des Ulmer Münsters 1974 nehmen jede/n Nutzer*in in Wort und Bild anschaulich mit in das Münster und seine Bauhütte. Näheres dazu können Sie auf unserem Onlineportal „Württembergische Kirchengeschichte Online“ nachlesen.
Nun ist das Projekt abgeschlossen und das Archiv kann von allen Forscher*innen und Interessierten genutzt werden. Zusammen mit den im Stadtarchiv Ulm verwahrten Überlieferungen und der Plansammlung, die sich noch in der Münsterbauhütte befindet, lässt sich nicht allein die Baugeschichte des Gotteshauses mit dem höchsten Kirchturm der Welt in großen Teilen rekonstruieren, sondern man bekommt darüber hinaus auch einen beeindruckenden Einblick in den Baubetrieb der Münsterbauhütte mit ihren vielfältigen Aufgaben und ihren gesellschaftlichen und sozialen Strukturen. Insgesamt bietet das Archiv mit seiner herausragenden Überlieferungsdichte insbesondere in Bezug auf die Fertigstellung des Ulmer Münsters ein hohes Potenzial für zukünftige Forschung und stellt auf diese Weise eine Besonderheit dar, die in dieser Gesamtheit nur selten zu finden ist.
Münsterbauhütte Ulm – Bestandsfindbuch
Autorinnen: Anette Pelizaeus und Sabine Tomas
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Ulm Münsterbauhütte, Bildarchiv.
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Blick auf das Münster während des Turmausbaus. Ulm Münsterbahütte, Bildarchiv.
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Arbeiter auf dem Dach. Ulm Münsterbauhütte, Bildarchiv
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Außenbau von Südwesten 1879. Ulm Münsterbauhütte, Bildarchiv.
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Aufriss vom Thrän`schen Orgelgehäuse. Ulm Münsterbauhütte, Bildarchiv.
29. Juli 2020 | Sabine Tomas | Aktenfund, Kunstgeschichte
Woran denken Sie, wenn Sie das Wort Bauarbeiter hören? Möglicherweise denken Sie an die berühmte Fotographie „Mittagspause auf einem Wolkenkratzer“ aus dem Jahr 1932, die elf Männer zeigt, die auf einem Stahlträger sitzend, ihre Mittagspause abhalten, unter ihnen die Straßen von New York. Vielleicht kommen Ihnen aber auch Bilder von einerseits muskulösen, oberkörperfreien jungen Männern in den Kopf, die in der Sonne ihre Muskeln spielen lassen – oder im Gegenteil beleibte ältere Herren, die nichts anderes tun, als Kaffeepause zu machen, Frauen hinterher zu pfeifen und hin und wieder ihr „Bauarbeiter-Dekolleté“ sehen zu lassen. Dies alles sind Bilder, die uns unsere kulturelle Erziehung mitgegeben hat – und die nichts weiter sind als bloße Klischees unserer Gesellschaft. Wer beispielsweise als SteinmetzIn an der Restaurierung und Erhaltung eines Bauwerks wie des Ulmer Münsters beteiligt ist, braucht viel mehr als bloße Muskelkraft – er/sie braucht Fingerspitzengefühl, ein gutes Auge für Details und künstlerische Begabung. Dass nicht nur der/die BaumeisterIn, sondern auch sein/e/ihr/e WerkmeisterIn, sein/e/ihr/e VorarbeiterInnen und PolierInnen und damit alle Mitglieder einer Bauhütte, die durch diese Berufsgruppen repräsentiert werden, diese Eigenschaften besitzen, zeigen die vielen überlieferten Bautagebücher, Notizhefte und Skizzenbücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert des Archivbestands der Ulmer Münsterbauhütte. Detaillierte Skizzen und Zeichnungen von Fialen, Spitzbögen und anderer architektonischer Objekte zeugen von Werktreue, Leidenschaft und hohem künstlerischen Anspruch. Diese Bücher vermitteln uns einen Eindruck von den Menschen, die ihr berufliches Leben der Erhaltung des Ulmer Münsters gewidmet haben und vermitteln ein ganz anderes Bild, als es die gängigen Klischees über im Bauwesen beschäftigte Arbeitnehmer heute tun.
8. Juni 2020 | Anette Pelizaeus | Bestand, Digitalisierung, Fotografie
In vielen Bereichen des persönlichen und beruflichen Lebens gibt es sogenannte „Aha-Momente“, so auch im Archiv! Ein Wunder ist geschehen, sämtliche Glasplatten und Dias einer Münsterbauhütte sind digitalisiert. Nun ist es möglich, sich in verschiedener Weise den Abbildungen, die man nun in groß und im Detail ansehen kann, zu nähern und dabei den Bildbestand überhaupt erst zu ermessen und zu erschließen. Das Bildarchiv nämlich enthält etliche Risse der mittelalterlichen Baumeister, angefangen von Heinrich II. Parler 1377 bis hin zu Burkhard Engelberg 1512, zahlreiche Ansichten vor und nach der Anfügung des Strebesystems am Langschiff von 1856-1870, vor und nach der Vollendung vom Hauptturm im Westen 1892 sowie vom Bau der Seitentürme am Chor 1871-1880. Unzählige Abbildungen des Kirchenbaues, der einzelnen Ausstattungsstücke im Innenraum sowie vom Bauschmuck am Außenbau des Ulmer Münsters zeugen von der baukünstlerischen Qualität der Münsterbaumeister, der Steinmetzen, der Bau- und Werkleute und Kunstschaffenden, die unermüdlich Pläne schmiedeten, Stein auf Stein setzten, Steine bearbeiteten und formten. Allein dieses Bildmaterial, einschließlich der zahlreichen Darstellungen der Meisterzeichen der Münsterbaumeister gibt reichlich Aufschluss nicht nur über die Baugeschichte des Ulmer Münsters sondern auch über kulturhistorische, kunsthistorische, technische und werkspezifische Fragen. Dazu gehört auch die einzigartige Dokumentation der Totentafeln, aus der wertvolle Erkenntnisse zur Stadtgeschichte und zu den Stifterpersönlichkeiten des Ulmer Münsters zu ziehen sind. Doch damit nicht genug, denn nicht nur der Bau und seine Kunstobjekte sind Bildmotive, sondern auch die Bauhütte selbst. Diese, von der man seit dem spätmittelalterlichen Baustopp am Turm von 1492 und der endgültigen Einstellung aller Bauarbeiten spätestens 1550 nichts mehr hörte, wurde 1844 von dem späteren Münsterbaumeister Ferdinand Thrän (1857- 1870) wiedergegründet und das Bildarchiv zeigt Bilder von Steinmetzen mit ihrem Handwerkszeug. Gruppenbilder diverser Mannschaften aus verschiedenen Zeiten geben Aufschluss über diejenigen, die seit dem 19. Jahrhundert am Münster gewirkt haben und welchen Wandel auch die Bauhütte seit ihrer Gründung erlebt hat. Gleichwohl gilt dabei zu konstatieren, dass die Bauhütte von Beginn an von Männern dominiert war und heute auch noch ist, ein ganz und gar typisches Phänomen dieses Berufsfeldes, ein Gesellschaftsphänomen, dessen Wandel noch bevorsteht.
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D 4515: Parlerstein
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D 5150: Münsterbaumeister Ferdinand Thrän (Münsterbaumeister 1857-1870)
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D 5046: Böblingerplan, unterer Teil des Turmes 1473-1493
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D 4347: Belegschaft der Münsterbauhütte 1926
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D 4030 : Original des Turmrisses von Matthäus Böblinger 1482
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D 3013: Pultwangenbüste von Jörg Syrlin d.Ä., entstanden zwischen 1469-1474
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D 5267: Turmriss von Ulrich Ensinger 1392-1417
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D 5264: sämtliche Meisterzeichen am Ulmer Münster
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D 5260: Ansicht des Ulmer Münsters von Südwesten vor 1844
3. Juni 2019 | Sabine Tomas | Kurioses, Ulm
„Denen ist wohl nichts heilig!“, mag sich der ein oder andere Leser der Südwestpresse am Freitag den 14. Juni 1985 gedacht haben, als er beim Durchstöbern der Zeitung auf folgenden Artikel stieß: „Mit Schrauben und Blei gegen die Bibel-Diebe“. Der Autor dieses Artikels empörte sich über die anhaltende Entwendung einer Bibel, die in der Bessererkapelle des Ulmer Münsters den Altar schmücken und die Besucher zum Lesen anregen sollte. Allein drei Mal sollen laut Redakteur Spaßvögel im Jahr 1985 zugeschlagen und die Bibel aus Scherz, Übermut oder vielleicht dem Nervenkitzel einer Straftat entwendet haben. Eine dieser entwendeten Bibeln sei später wieder aufgetaucht und vom damaligen Münsterbaumeister Lorenz in mühsamer Handarbeit aufbereitet worden. Als das derzeitige Bibelexemplar aus der Bessererkapelle entwendet wurde, kam das aufgearbeitete Objekt wieder an seinen angestammten Platz – und wurde prompt erneut gestohlen. Eine neue Bibel musste her, und dieses Mal sollte die Bibel auch dort bleiben, wo sie hingehörte. Daher verschraubte man dieses Exemplar an seiner Unterlage, einem kleinen Lesepult auf dem Altar. Zusätzlich lies Gerhard Lorenz das hölzerne Pult mit Blei füllen.
Während man im Fall der Bibel von einer Lappalie sprechen kann, hatten andere im Archiv der Ulmer Münsterbauhütte dokumentierten Diebstähle im Münster größere Auswirkungen. Pfarrbildnisse schienen Verbrecher ebenso angezogen zu haben, wie die Bibel aus der Bessererkapelle. 1971 entwendeten Diebe ein Pfarrbildnis J.G. Sappers aus dem Jahr 1737. Das Bildnis war mittels Plastikdübel am Rahmen mit der Wand verschraubt worden. Das half aber nichts, das Bild samt Rahmen und Dübel waren verschwunden. Ein weiterer aus den Unterlagen hervorgegangener Fall betrifft das Bildnis Sebastian Besserers, Bürgermeister der Stadt Ulm im 16. Jahrhundert, und ereignete sich 1968. Tatort war erneut die Bessererkapelle. Besonders an diesem Fall ist, dass der Diebstahl wohl erst mehrere Wochen nach der Tat entdeckt worden war. Das Bildnis wurde aus seinem Rahmen herausgeschnitten. Dieser leere Rahmen wurde zwar bemerkt, sei aber über längere Zeit nicht hinterfragt worden, da es sich dabei auch um eine Restaurierungsmaßnahme der Bauhütte hätte gehandelt haben können, bis ein Zimmermann der Münsterbauhütte den leeren Rahmen meldete.
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Archiv Münsterbauamt Ulm, Nr. 51, Mappe II, Südwestpresse 24.6.1985
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Archiv der Münsterbauhütte, Nr. 38, Mappe II
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Archiv der Münsterbauhütte, Nr. 38, Mappe II, Fotografie des Porträts J.G. Sapper
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Archiv der Münsterbauhütte, Nr. 36, Mappe II, Fotografie des Porträts Sebastian Besserer
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Archiv der Münstebauhütte, Nr. 36, Mappe II
18. März 2019 | Anette Pelizaeus | Bestand, Kirchen
Ulmer Münster, Gesamtansicht von Südosten. Aus: Zehn Deutsche Dome, Berlin 1939, S. 193.
Das Verzeichnungsprojekt der Ulmer Münsterbauhütte ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart und der kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert Haag und Prof. Dr. Eva-Maria Seng, ausgeführt von Dr. Anette Pelizaeus und Sabine Tomas.
Im September 2016 wurde das Archiv der Ulmer Münsterbauhütte zur Verzeichnung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart eingeholt.
Das Archiv enthält erstens eine umfassende Quellensammlung, bestehend aus Amtsbüchern, Bauakten, Akten zum Münsterbauverein, Korrespondenzen, Tagebüchern der Münsterbaumeister, Hüttenmeister und Turmwärter, Bautagebüchern, Baufortgangsberichten, Steinhauer- und Arbeiterlisten, Zahltaglisten und Stammlisten der Mitglieder der Münsterbauhütte. Zweitens beinhaltet das Archiv auch ein umfangreiches Bildarchiv mit Fotos, Dias und ca. 4.000 Glasplatten.
Zunächst musste ein Profil für die Datenbank mit allen notwendigen Informationen zur Verzeichnung des Bildmaterials mit Lokalisation, Titulatur, Objektbeschreibung, ikonografischen und personenbezogenen Angaben, Datierung und einer detaillierten Indizierung erstellt werden, und zwar angelehnt an die allgemeinen Erschließung von Quellen und Bildmaterial im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart.
Die Dokumentation des Bildbestandes ist bereits abgeschlossen. Es wurden ca. 2500 Glasplatten und 3612 Positive, jeweils ausschließlich der Duplikate, in der Datenbank erfasst. Die verzeichneten Glasplatten werden nun in einem zweiten Schritt digitalisiert.
Die Erfassung des Quellenmaterials wird voraussichtlich noch bis Mai 2020 andauern.
Am 24. Mai 2019, 17.00 Uhr, ist ein Vortrag von Frau Dr. Pelizaeus und Frau Tomas zum Thema Münsterbauhütte geplant. Ort ist der Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs.