Der handschriftliche Nachlass und die Materialsammlung von Rudolf Pfisterer wurden bereits 2013- 2016 von Pfarrer Dr. theol. Friedrich Löblein gesichtet, erfasst, geordnet und archiviert. Um den Zugang zum Bestand zu erleichtern, wird er derzeit von Dr. Löblein in unsere archivische Verzeichnungssoftware ActaPro überführt. Außerdem ist inzwischen eine Nachlieferung zum Nachlass eingetroffen, die im Anschluss erstmals verzeichnet wird.
Herr Dr. Löblein hat sich dankenswerterweise ehrenamtlich bereit erklärt, den Nachlass zu erschließen. Er stammt aus dem bayerischen Franken und war dort zuletzt als Dekan in Aschaffenburg tätig. Eine leitende Tätigkeit im Diakonischen Werk der EKD, das früher seinen Sitz in Stuttgart hatte, führte ihn dann nach Württemberg. Für uns war er kein Unbekannter, da er im Ruhestand über ein kirchengeschichtliches Thema der Reformationszeit in Südwestdeutschland promovierte und aus diesem Grund unser Archiv und die Evangelische Zentralbibliothek besuchte. In Erlangen hatte er bereits Archivbestände diakonischer Einrichtungen erschlossen, so dass er bei der Verzeichnung der Bestände bereits auf Erfahrungen zurückgreifen konnte. Durch seine berufliche Tätigkeit in Stuttgart hatte Dr. Löblein Kontakt zur Familie Pfisterer und kannte Rudolf Pfisterer persönlich.
Rudolf Pfisterer war zunächst Gemeindepfarrer und später in der Gefängnisseelsorge tätig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam er in Kontakt mit französischen und jüdischen Professoren. Er engagierte sich für die deutsch-französische Freundschaft und noch mehr für den christlich-jüdischen Dialog. Pfisterer übersetzte das achtbändige Werk von Léon Poliakov zur Geschichte des Antisemitismus ins Deutsche. Er hat zahlreiche Vorträge zum christlich-jüdischen Dialog gehalten, viele Texte für Zeitschriften verfasst und mehrere Bücher veröffentlicht. Dafür erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Otto-Hirsch-Medaille, die Ehrendoktorwürde und den Professorentitel. Dieses bemerkenswerte Engagement spiegelt sich in seinem Nachlass wider. Er hat auch eine Bibliothek zu diesem Thema aufgebaut, die seine Nachkommen der EHZ-Bibliothek übergeben haben.
Vergangenen Freitag fand in den Räumen des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart eine mit knapp hundert Interessenten sehr gut besuchte Tagung zu einer Neuerscheinung statt. Vorgestellt wurde das zweibändige Werk über die historischen Friedhöfe der Templer im Nahen Osten (1869-1948). Grußworte sprachen der Vorsitzende des Vereins für württembergische Kirchengeschichte, Professor Dr. Norbert Haag, sowie als Hausherr der Leiter des Landeskirchlichen Archivs, Dr. Claudius Kienzle. Ein Grußwort des Leiters des Erhaltungsrats für Welterbestätten in Israel, Dr. Omri Shalmon, wurde verlesen. Danach folgten Vorträge von Professor Haim Goren aus Israel über die ersten, noch misslungenen Ansiedlungsversuche der Templer in Palästina. Oberbaudirektor i.R. Ulrich Gräf gab interessante Aufschlüsse über die Gestaltung der Grabsteine in ihren zeitlichen Kontexten. Dr. Jakob Eisler vom Landeskirchlichen Archiv erläuterte Hintergründe, die die Bedeutung der Dokumentation herausstellten und gab einige Beispiele aus dem Buch, die deutlich machten, wie umfassend von den Autoren für den biografischen Teil der Bände geforscht wurde. Herr Klingbeil von der Tempelgesellschaft berichtete über die Geschichte und die Pflege dieser Friedhöfe, insbesondere auch was die Zeit nach beginn des Zweiten Weltkrieges betraf, nachdem die Mitglieder der Tempelgesellschaft Israel schon verlassen hatten. Die Vorträge waren alle lebhaft und kurzweilig. Der Verein für württembergische Kirchengeschichte hatte für die Bereitstellung von Getränken und Speisen im Foyer gesorgt, so dass nach im Anschluss der Veranstaltung noch reichlich Gelegenheit für Gespräche bestand. Am Büchertisch konnte das werk gleich erworben werden.
Eine weitere Buchvorstellung wird in Israel im Zentrum der Israelischen Denkmalpflegebehörde in „Mikwe Israel“ (vormals die erste Jüdische Landwirtschaftsschule von 1870 die vom Württemberger Theodor Sandel geplant wurde) stattfinden. Dr. Omri Shalmon, Frau Tamar Tuchler von der Denkmalbehörde Jaffa/Tel-Aviv und weitere Denkmal Persönlichkeiten werden dabei sein.
Der Doppelband kann hier bestellt werden: margarete.gruenwald@elk-wue.de
Jakob Eisler/Ulrich Gräf, Die historischen Friedhöfe der Templer im Nahen Osten (1869– 1948), Bd. 1: Templerfriedhöfe im Süden, Bd. 2: Templerfriedhöfe im Norden, Stuttgart 2023. 2 Bde. im Schuber, 780 S. 79,00 EUR. ISBN 978-3-944051-23-9 (Bd. 1), ISBN 978-3-944051-24-6 (Bd. 2).
Würdigung von Unterstützern des Projekts, hier Frau Arnold
Vortrag Professor Goren
Fragerunde mit Ulrich Gräf, Professor Goren und Professor Haag
V. l. Dr. Claudius Kienzle, Prof. Dr. Norbert Haag, Dr. Jakob Eisler, Baudirektor Ulrich Gräf
Wir treffen Helmut Walser Smith. Er ist Professor für Geschichtswissenschaft an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Derzeit macht er Recherchen für sein nächstes Buch, welches die Aufarbeitung der Erinnerung an die bundesrepublikanischen jüdischen Gemeinden in der Zeit nach dem Holocaust zum Thema hat. Der Schwerpunkt liegt hier auf württembergischen Kleinstädten mit ehemals jüdischen Minderheiten, im Sinne einer Mikrogeschichte. Er arbeitet im Landeskirchlichen Archiv hauptsächlich mit dem Bestand K 13 Hilfsstelle für Rasseverfolgte bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart. Diese Hilfsstelle wurde im Jahr 1945 von der evangelischen Landeskirche eingerichtet und wurde von Fritz Majer-Leonhard geleitet.
“In den 50er Jahren fehlten weitgehend genauere Kenntnisse, was mit den jüdischen Gemeinden geschehen war, wer ermordet worden war, wer den Holocaust überlebte, beziehungsweise wo die Gemeindeglieder nun lebten. Fritz Majer-Leonhard war einer der ersten, die frühe Statistiken über die Gemeinden erstellte. Auf eine Initiative von ihm ging es auch zurück, dass Anfang der 1960er Jahre vom Land Baden-Württemberg beschlossen wurde, eine Dokumentationsstelle einzurichten, so dass zum ersten Mal in Deutschland von offizieller Seite Daten aus den einzelnen Gemeinden erhoben wurden.”
Der Historiker nutzt seinen Forschungsaufenthalt auch zu Recherchen in anderen Archiven. Zum Beispiel im Stadtarchiv Stuttgart, wo etwa die Unterlagen der Israelitischen Religionsgemeinschaft verwahrt werden. Im Stadtarchiv Ulm sieht er die Quellen ein, die mit der großangelegten Dokumentation im Zusammenhang stehen, welche die Stadt Ulm bereits Anfang der 60er Jahre in Auftrag gegeben hat. Außerdem nutzt er den Bestand der Dokumentationsstelle zur Erforschung der Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit, die das Hauptstaatsarchiv Stuttgart bereits digital zur Verfügung stellt.
Im November wird er noch einmal anreisen, um im Rahmen des vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg veranstalteten Stuttgarter Symposiums den Vortrag “Die Jews from Württemberg melden sich zurück: 1945 – 1988″ zu halten. Aus der Perspektive der New Yorker Organisation “The Jews from Württemberg” zeichnet er in dieser Veranstaltung die Erfahrungen und Begegnungen von Juden nach, die nach dem Holocaust die Orte ihrer ehemaligen Gemeinden besuchten.
In dem neu erschienenen Buch wird erstmals die Geschichte der Zweigstellen des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem, das im Jahr 1860 von dem Württemberger Johann Ludwig Schneller gegründet worden war, umfassend dargestellt. Außerdem erfährt der Leser auch einiges über das Syrische Waisenhaus selbst, sowie dessen ideellen Hintergrund, seine Vorgeschichte und Entwicklung. Andreas Butz zeigt in seiner Arbeit, dass Johann Ludwig Schneller seine Tätigkeit nicht nur auf die Jerusalemer Schule beschränkte, sondern auch auf die Idee eine moderne arabische Gesellschaft zu gründen, die von Ackerbau leben würde und da eine Landwirtschaftsschule in Bir Salem zu gründen versuchte. Das große Gut Bir Salem sollte unter die Leitung von Matthäus Spohn in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht zum Vorbild in Palästina werden. Nach mancherlei Versuchen (Getreide, Viehhaltung, Weinanbau) kristallisierte sich der Orangenanbau als die geeignete Nutzung heraus. In seinem Buch skizziert der Autor die genaue Entwicklung dieser Anstalt unter Berücksichtigung und Nutzung aller möglich zu findenden Archivalien und Materialien. Mit der selben Gründlichkeit untersuchte er auch die Station in Nazareth (Galiläisches Waisenhaus) und die Station Chemet Allah. Auch in Nazareth wurde der Hübel, auf dem die Einrichtung gebaut wurde, umfassend kultiviert. Chemet Allah, das wie Bir Salem im Bereich der Küstenebene lag, wurde mit modernen Methoden Weizen angebaut.
Hier werden Pionierarbeit in der Landwirtschaftlichen Erziehung sowie Schnellers Ideen zur Entwicklung der Niederlassungen genau skizziert. Danach werden die zwei weiteren Anstalten, die erst richtig in der Mandatszeit wuchsen, dargestellt. Daran schließt sich eine ausführliche Beschäftigung mit der Beschreibung der Niederlassungen in der Reiseliteratur und diversen Reiseerfahrungen an. Des Weiteren werden Publikationen einzelner Reisenden und deren Veröffentlichungen analysiert.
Andreas Butz beschäftigt sich in diesem Buch nicht nur mit der historischen Bedeutung der Zweigniederlassungen. Es gelingt ihm Überlieferungslücken z.B. durch Recherchen in bislang ungenutzten Privatarchiven und Institutionsarchiven wie der Karlshöhe oder des Bethel-Archives Lücken zu schließen und damit bislang unbekannte Informationen und Details zu ermitteln. Dies trägt dazu bei, dass auch einzelnen Persönlichkeiten und Mitgliedern und Mitarbeitern des Waisenhauses und ihrer Bedeutung für das Unternehmen und der Entwicklung der Zweigniederlassungen zum ersten Mal dargestellt werden. Mit dem vorliegenden Werk werden die Grundlagen für die Anerkennung dieser Zweigniederlassungen, die früher kaum in der Forschung Beachtung fanden.
Die Arbeit wurde im Jahr 2020 von der Universität Stuttgart als Dissertation angenommen. Dr. Andreas Butz wurde in Stuttgart geboren, studierte in Tübingen und Stuttgart Geschichte und Anglistik und an der FH Potsdam Archivwesen (Diplom-Archivar). Er arbeitet als Archivar beim Landeskirchlichen Archiv. Das Buch ist als Band 52 in die Reihe der Abhandlungen des Deutschen Palästina Vereins (Deutscher Verein zur Erforschung Palästinas) aufgenommen worden. Es kann überall im Buchhandel bestellt werden. Rezensionsexemplare können beim Harrassowitz-Verlag erfragt werden.
Beitragsbild: Andreas Butz mit seiner Dissertationsschrift vor dem Regal mit der historischen Bibliothek des Syrischen Waisenhauses. Die historische Bibliothek wird heute in der Evangelischen Hochschul- und Zentralbibliothek in Stuttgart-Möhringen aufbewahrt. Es finden sich dort unter anderem die Bücher, die die Lehrkräfte des Waisenhauses zur Vorbereitung ihres Schulunterrichts verwendeten.
Renato de Lucca von der Brazilian Association of History and Genealogy Researchers recherchierte vor einiger Zeit in unserem Archiv und entdeckte dort auch die bei uns verwahrten Kirchenregister ehemaliger evangelischer Kirchengemeinden im ehemaligen Jugoslawien, unter anderem im Staatsgebiets von Kroatien. Er hat darüber einen lesenswerten Beitrag verfasst, der zunächst in einer Zeitschrift in Brasilien, dann aber auch in Periodika in Paraguay und in Kroatien veröffentlicht wurde. Man vergisst leicht, dass die Nachfahren der 1945 vertriebenen Donauschwaben heute nicht nur in Deutschland leben, sondern teilweise auch in ganz andere Weltregionen, wie etwa nach Südamerika migriert sind. Auch der kroatische Fernsehsender Nova TV wurde auf Herr de Luccas Beitrag aufmerksam und hat ihn für einen TV-Bericht interviewt. Wir freuen uns immer, wenn über Quellen unseres Archivs medial berichtet wird. Herr de Lucca hat seinen Beitrag unter anderem auch in die deutsche Sprache übersetzen lassen und uns die Erlaubnis erteilt, ihn in unserem Blog zu veröffentlichen. Die Übersetzung hat Herr Garo Hairabetian erstellt.
Es folgt der Text von Herr de Lucca:
Es ist nicht lange her, da erhielt ich eine Anfrage von einem Mann mit kroatischen Wurzeln, der erzählte, dass er den Geburtsnachweis seines Großvaters, geboren in Velimirovac (Welimirowatz), Kroatien, nicht ausfindig machen konnte. Ich erfuhr, dass die Institutionen dieses Landes ihn über die Nichtexistenz dieser Aufzeichnungen und die damit verbundene Unmöglichkeit die kroatische Staatsangehörigkeit zu beantragen informierten, obwohl der kroatisch-stämmige Mann im Besitz einer gut erhaltenen, lesbaren und originalen Geburtsurkunde seines Großvaters aus den 1920er Jahren war.
Nach vergeblichen Recherchen in nationalen und regionalen Archiven, Kirchen, Notariaten und Museen in verschiedenen Regionen Kroatiens, deren Mitarbeiter ich für ihre Hilfe sehr dankbar bin, erhielt ich die Information, dass die Bücher mit den entsprechenden Aufzeichnungen sich möglicherweise in Deutschland befinden. Wie kann man etwas ausfindig machen, dass sich nicht mehr in den Händen der zuständigen Institution befindet? Es ist kein Zufall, dass sich die Antwort darauf regelmäßig in der Familiengeschichte findet.
An jenem Tag, nach Gesprächen mit Rafael Fix, dessen Großvater der kroatische Auswanderer mit deutschen Wurzeln war, der in Banovci, Kroatien, geboren wurde und Lutheraner war, fand ich das fehlende Teil zur Lösung des Rätsels. Sein Großvater, der in diesen verschollenen Büchern registriert ist, kehrte Jahre später nach Deutschland zurück, nachdem er aus Kroatien nach Brasilien ausgewandert war. Er beantragte seine Geburtsurkunde, die vom Kirchlichen Landesarchiv in Stuttgart ausgestellt wurde, wo heute diverse Kirchenbücher – nicht nur aus Kroatien, auch aus Serbien, Rumänien und der Slowakei – archiviert sind.
Auslandsgemeinden im Save – Donau – Drau – Gebiet Kroatiens
Nur um beispielhaft darzustellen, warum die Bücher sich außerhalb ihrer Ursprungsländer befinden, erläutere ich kurz, was sich in Velimirovac, Kroatien vor nicht allzu langer Zeit ereignet hat und dessen Aufarbeitung bis in die Gegenwart reicht.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs1, war Velimirovac mehrheitlich von Deutschen bewohnt. Laut Volkszählung2 von 1910, hatte das Dorf 797 Einwohner, von denen 764 Deutsche und zum Großteil Protestanten waren. Die Mehrheit der Deutschen kam in den 1880er Jahren von Backa in Vojvodina, gegenwärtig serbisches Gebiet, auf Einladung eines Grafen, um die Wälder abzuholzen und sie in Ackerflächen umzuwandeln.
Zwischen den beiden Weltkriegen verließen zahllose Bewohner, unter Verfolgung und Anfeindungen leidend, das Dorf vor Ankunft der Soldaten. Konfrontiert mit der harten Realität, siedelten einige der Familien auch nach Brasilien über.
Nach der Schließung der evangelischen Gemeinde von Velimirovac im Jahre 1944, nahmen ihre Vertreter die Kirchenbücher mit zu den Archiven der Kirche in Stuttgart, wo sie sich heute befinden und eingesehen werden können.
Die Bewohner, die im Dorf geblieben sind, wurden 1945 in ein Arbeitslager bei Valpovo gebracht, als die Behörden kollektiv allen Deutschen die Schuld für die Verbrechen der Nazis zusprachen. Nach dem Krieg wurden viele Bewohner auch ihrer Besitztümer beraubt und nach Österreich und Deutschland geschickt.
Die Kirchenbücher der Gemeinden sind ursprüngliche, kostenlose Quellen für genealogische Nachforschungen und im Falle ihrer Verfügbarkeit erleichtern sie den Menschen die Rekonstruktion der Familiengeschichte und dienen Wissenschaftlern zudem als Grundlage für Forschungen verschiedener Wissensgebiete.
Obwohl im Verhältnis zu Praktizierenden anderer Religionen ihre Zahl relativ gering ist, ist anzumerken, dass die Bekanntmachung dieser evangelischen Quellen für die Nachkommen einen bemerkenswerten Unterschied gemacht hat, sowohl beim Zugang zu Informationen zur Rekonstruktion der Familiengeschichte als auch bei der Wahrnehmung ihrer Bürgerrechte in Brasilien, Kroatien oder anderen Teilen der Welt.
In einem der im Kirchenarchiv von Stuttgart aufbewahrten und bereitgestellten Bücher1 finden sich Dutzende Einträge von Familien, die derzeit in Österreich, Deutschland, Frankreich, Vereinigte Staaten von Amerika, Kanada, Mexiko, Australien und Kroatien leben.
Das Buch nennt viele Nachnahmen, darunter Becker, Buchler, Benz, Kolb, Medel, Neumann, Hoffmann, Krebs, Stock, Werner, Schenkenberger, Toth, Hassmann, Heil und Szabo.
Im Folgenden eine Auflistung des Katalogs, der sich nur auf Kroatien bezieht und online verfügbar ist. Er kann über die Seite Archion (Württemberg /Auslandsgemeinde) oder direkt über das Landeskirchliche Archiv eingesehen werden kann.
Ein Taufregister aus Szeliste
Reformierte Evangelische Kirche von Szeliste-Velimirovac
Gemischtes Buch 1886-1905 (Band 1)
Taufregister 1899-1924 (Band 2)
Taufregister 1924-1936 (Band 3)
Taufregister 1936-1954 (Band 4)
Heiratsregister 1887-1905 (Band 5)
Heiratsregister 1906-1938 (Band 6)
Heiratsregister 1939-1954 (Band 7)
Sterberegister 1887-1905 (Band 8)
Sterberegister 1906-1924 (Band 9)
Sterberegister 1924-1933 (Band 10)
Sterberegister 1934-1948 (Band 11)
Lutherische Evangelische Kirche von Szeliste-Velimirovac (Szeliste oder Selište war der Name von Velimirovac bis 1914)
Gemischtes Buch 1886-1907 (Band 1)
Gemischtes Buch 1904-1926 (Band 2)
Gemischtes Buch 1927-1944 (Band 3)
Gemischtes Buch 1940-1943 (Band 4)
Gemischtes Buch 1902-1926 (Band 5)
Sterberegister 1939-1944 (Band 6)
Reformierte Evangelische Kirche von Vinkvacko Novo Selo , Kroatien
Neudorf (Vinkovačko Novo Selo), Kroatien
Gemischtes Buch 1831-1860 (Band 1)
Gemischtes Buch 1860-1897 (Band 2)
Taufregister 1881-1903 (Band 3)
Einige evangelische Kirchenbücher von Novo Selo (Neudorf) in Kroatien
Taufregister 1904-1926 (Band 4)
Taufregister 1926-1944 (Band 5)
Taufregister 1897-1922 (Band 6)
Heiratsregister 1923-1944 (Band 7)
Sterberegister 1881-1910 (Band 8)
Sterberegister 1911-1944 (Band 9)
Sterberegister 1914-1918 (Band 10)
Konfirmationsregister 1927-1944 (Band 11)
Verschiedenes 1902-1942 (Band 12)
Reformierte Evangelische Kirche von Banovci (alter Name war Šidski Banovci), Kroatien
Sidske Banovce (Banovci, Novi Banovci, Sidski Banovci, Schider Banovci, Sidske Banovce, Banowce, Banowzi), Serbien, Reformierte Gemeinde
Gemischtes Buch 1862-1905 (Band 1)
Taufregister 1899-1935 (Band 2)
Taufregister 1936-1944 (Band 3)
Heiratsregister 1904-1943 (Band 4)
Sterberegister 1905-1944 (Band 5)
Quellen
Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Archion (Internetkatalog und digitalisiertes Kirchenregister), verfügbar über www.archion.de
Nationalarchiv in Osijek, Zagreb und verschiedene Notariate (Osijek, Slatina, Zagreb, usw.)
Bibliothek der Stadt Osijek (Gradska i Sveučilišna knjižnica u Osijeku).
Genealogia Croata (Kroatische Genealogie in Brasilien), auf Facebook verfügbar.
Literatur
BARWICH, Leopold Karl. Heimatbuch Welimirowatz: Menschen zwischen Welten, zur Erinnerung an unser deutsches Dorf in Slawonien. Reutlingen, Deutschland: Heimatausschuss Welimirowatz, 1985. Verfügbar in digitalem Format nach Antrag an Landeskirchenarchiv Stuttgart.
Kirchenbücher aus Jugoslawien für die Gemeinden, Katalog der Bücher der Jugoslawischen Kirche für die Gemeinden von Becmen, Nemci, Szeliste- Velimirovac, Sidske Banovce, 1987, Landeskirchenarchiv Stuttgart. Verfügbar in digitaler Form auf Antrag.
BEER, Josef. Leidensweg der Deutschen im kommunistischen Jugoslawien Band I Ortsberichte. München: Donauschwäbische Kulturstiftung – Stiftung des privaten Rechts, 1997.
SCHERER, Anton. Kratka povijest podunavskih Nijemaca. Osijek, Zagreb, Split: Pan Liber, 1999.
Denkmal Ferdinand Kittel in Bangalore/Indien Foto: Bernhard Dinkelaker
Groß steht sein Denkmal an der „Mahatma Gandhi Road“ in Bangalore in Indien: Ferdinand Kittel, geboren am 7.4.1832 in Ostfriesland. Mit 18 Jahren ging er zur Ausbildung nach Basel – und lernte dort auch Griechisch, Lateinisch, Hebräisch, Englisch und Französisch. 1853 wurde er mit 21 Jahren von der Basler Mission nach Indien ausgesandt, wo er – unterbrochen durch zwei lange Heimataufenthalte – bis 1892 wirkte.
Warum wurde ihm dort ein Denkmal errichtet? Auf welchem Buch ruht seine Hand? Und warum trägt die Statue eine Fahne in der Hand?
Ferdinand Kittel tauchte wie kaum ein anderer Missionar in die Kultur Indiens ein. Wie Paulus „den Griechen ein Grieche“ (1. Kor. 9,20), so wollte er „den Indern ein Inder“ werden. Besonders widmete er sich der Kannada-Sprache, damals „Kanaresisch“ genannt. Das war nicht einfach, denn es gab mehrere Dialekte, dazu viele Fremdworte und Einflüsse aus anderen indischen Sprachen – und auch die kanaresische Schrift wurde in vielen Varianten geschrieben. Er gab eine Anthologie der kanaresischen Literatur heraus und veröffentlichte eine Sammlung indischer Fabeln für die Schule. Das Leben Jesu schilderte er im Versepos „Kathamale“ in traditionellen indischen Versen und schrieb eigene Gedichte in Kannada.
Ihn begeisterten die bunten indischen Feste. Er schrieb der Missionsleitung: „Wir Evangelischen bieten den Sinnen der Heiden sehr wenig. Wir haben keine Processionen, keine eigentlichen religiösen Volksfeste, kein Gepränge in den Kirchen. Es dürften sich doch noch Ceremonien finden, die wir benutzen könnten – unschuldige volksthümliche Weisen“. Er schlug vor, christliche Lieder nach lokalen Melodien zu singen und mit traditionellen Instrumenten zu begleiten – aber die Missionsleitung war dagegen.
Sie befahl ihm auch, aus dem Dorf, wohin er gezogen war, wieder in die sichere Missionsstation umzuziehen, wo Hygiene und Gesundheit besser geschützt waren.
Foto von Georg Ferdinand Kittel vor der Aussendung 1853 (mit 21 Jahren). QS-30.001.0262.01
Nach zwanzigjähriger Arbeit veröffentlichte er 1894 ein Kannada-Englisch Wörterbuch mit 30.000 Einträgen auf 1758 Seiten – finanziell unterstützt vom Maharadscha von Mysore. Es ist nicht nur eine Übersetzungshilfe, sondern enthält viele Belege aus der einheimischen Literatur. 1903 folgte eine Grammatik. Damit schuf er den Standard dieser Sprache, die heute von ca. 44 Millionen Menschen gesprochen wird und in einer eigenen Schrift geschrieben wird. Es ist die wichtigste Sprache des indischen Bundesstaates Karnataka.
Ferdinand Kittels Wörterbuch Kannada-English von 1894. Quelle: ZVAB
Durch sein „Beffchen“ ist er in der Statue als Pfarrer erkennbar – aber das Buch, auf das er seine Hand legt, ist nicht die Bibel, sondern eben dieses für die Inder so wichtige Wörterbuch. Und es ist die rot-gelbe Fahne dieses Landes, die seine Statue in der Hand hält. So ehrt ihn dieses Land. Auch eine Stadt und ein College sind nach ihm benannt.
Als er 1860 die Basler Mission bat, wie es das damals üblich war, ihm eine Frau schicken, wurde ihm Pauline Eyth aus Tübingen vermittelt. Sie starb schon nach vier Jahren Aufenthalt in Indien. Darauf heiratete er in einem Heimaturlaub 1867 deren jüngere Schwester Wilhelmine Julie Eyth. Aus erster Ehe hatte er zwei Söhne, in zweiter Ehe wurden zwei Töchter und zwei Söhne geboren; ein Sohn wurde auch Missionar und setzte Ferdinand Kittels Arbeit in Indien fort.
1892 kehrte er endgültig nach Deutschland zurück und zog nach Tübingen. Die dortige Universität verlieh ihm für seine sprachwissenschaftliche Arbeit 1896 die Ehrendoktorwürde. Dort starb er am 18.12.1903. In Indien ist er noch sehr bekannt; immer wieder besuchen Inder – Christen wie Hindus – sein Grab auf dem Tübinger Friedhof.
Kittels Grab auf dem Tübinger Friedhof. Foto Goesseln, wikimedia commons. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ferdinand_Kittel_Stadtfriedhof_T%C3%BCbingen.jpg
Dr. Jakob Eisler, Mitarbeiter des Landeskirchlichen Archivs, und Ulrich Gräf, Kirchenoberbaudirektor der evangelischen Landeskirche in Württemberg i.R., arbeiten derzeit an einer aufwändigen Dokumentation der Friedhöfe mit ihren Grabsteinen in Haifa und Jerusalem, sowie der aufgelösten Friedhöfe in Bethlehem/Galiläa, Waldheim im Norden; Jaffa (Mount Hope), Sarona und Wilhelma im Süden.
Zum ersten Mal werden in einer großangelegten Dokumentation alle Grabsteine und, soweit erfassbar, auch alle beerdigten Personen der schwäbischen Templer in Israel vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen die Darstellung der Grabsteine und die Stellung und Bedeutung der beerdigten Personen in den Templergemeinden. In Kurzbiographien werden die familiären Hintergründe beschrieben und auch auf verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen Personen, die auf den Friedhöfen beerdigt sind, verwiesen. Die Hinweise auf die wirtschaftlichen und kulturellen Aktivitäten der Templer zeigen einmal mehr auf, welch große Bedeutung die Templer mit ihren Siedlungen auf die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung in Palästina und Israel im 19. und 20. Jahrhundert gehabt haben.
In Registern zu den Koordinaten der Grabsteine, einem Namens-Register aller beerdigten Personen können leicht die einzelnen fast 2.000 dokumentierten Personen gefunden werden. Durch eine Herkunftsliste können die Orte, aus denen die schwäbischen Templer in das damalige Palästina ausgewandert sind, nachvollzogen werden. Die Vielzahl der Orte vor allem aus dem damaligen Königreich Württemberg und darüber hinaus aus dem deutschen Kaiserreich, nicht zu vergessen aus den USA und Osteuropa, ist erstaunlich.
Einen weiteren Schwerpunkt der Dokumentation der Grabsteine bilden die vielen Inschriften, Bibelzitate, Trauersprüche und Gedichte, die ein Licht auf die Bibeltreue der Templer werfen und ihren festen Glauben bezeugen. Die Liste der Bibelstellen ist wie ein Gang durch das Alte und Neue Testament, die Vielzahl der Bibelstellen beweist die Bibelkenntnis der Templerfamilien.
80 Jahre Grabsteinkunst, von 1870 bis zum 2. Weltkrieg, belegen, dass die Templer die Entwicklungen in der Grabsteingestaltung im Deutschen Reich kannten und an ihre Verhältnisse und Materialmöglichkeiten im damaligen Palästina anpassten. Daraus ergibt sich ein interessanter Querschnitt der Grabsteinformen und dem Grabsteindekor vom Historismus bis in die 1930er Jahre.
Abgerundet wird die Dokumentation aller Grabsteine der schwäbischen Templer in Israel mit einem geschichtlichen Überblick der Friedhöfe und einem Einblick in die Begräbnis- und Trauerriten der Templer. Die verwendete Literatur und Quellen ergeben im Literaturverzeichnis eine nahezu komplette Übersicht über die Literatur und die Quellen zu den Templern. In zwei Bänden umfasst die Dokumentation der Friedhöfe rd. 700 Seiten und wird im Frühjahr 2022 im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart erscheinen.
Die Auswanderung nach Südrussland in den Jahren 1816 und 1817 war die erste Massenemigration des 19. Jahrhunderts. Sie ist insofern aktuell geblieben, als um das Jahr 2000 sehr viele Russlanddeutsche aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland kamen. Dabei handelt es sich um Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs aus Südrussland nach Kasachstan umgesiedelt worden waren. Die älteren Leute hatten ihre deutsche Kultur bewahrt, aber die jüngeren Menschen kamen vorwiegend aus wirtschaftlichen Motiven nach Deutschland. Fast 200 Jahre nach der Auswanderung wurde also die Einwanderung wieder aktuell. In der Bundesrepublik sah man sich mit Immigranten konfrontiert, von denen nur noch ein Teil einen Bezug zur deutschen Kultur hatte. Da sich die deutschsprachige ältere Generation eine enge Bindung zur Kirche bewahrt hatte, sahen sich auch die evangelischen Kirchengemeinden vor die Aufgabe gestellt, diese Migranten aufzunehmen und so weit wie möglich zu integrieren.
Wie war es im frühen 19. Jahrhundert zu dieser Migrationswelle gekommen? Nach anderthalb Jahrzehnten der Kriege, der Missernten und des Mangels fiel 1816 die Ernte vollkommen aus. Im Vorjahr war der Vulkan Tambora in Indonesien ausgebrochen und hatte Unmengen von Asche in die Atmosphäre geschleudert. Im folgenden Jahr vernichteten Kältewellen und Starkregen die Früchte auf den Feldern. Ein in Württemberg geltendes Auswanderungsverbot musste aufgehoben werden. Nach der Aufhebung brachen Tausende von Menschen nach Südrussland auf. Zar Alexander I., ein Bruder der württembergischen Königin Katharina, lockte die württembergischen Siedler mit der Vergabe von fruchtbarem Land, dem Versprechen, die Söhne vom Militärdienst zu verschonen, und mit Steuervergünstigungen. Er gestand den Gemeinden eine weitgehende Selbstverwaltung zu, wie man sie in Württemberg kannte. Viele Menschen sahen darin auch einen göttlichen Fingerzeig. In Ulm schifften sich die Auswanderer auf der Donau ein und fuhren hinab bis nach Ismail, kurz vor der Mündung des Flusses in das Schwarze Meer. Auf der langen, gefährlichen Reise starb fast die Hälfte der Emigranten. Auf manchen Schiffen brachen Krankheiten aus. Die Überlebenden mussten bei Ismail längere Zeit auf einem ehemaligen Schlachtfeld in Quarantäne verweilen. Sie waren unzulänglich untergebracht, und es brachen wiederum Seuchen aus, welche viele Opfer forderten.
Dort zogen die Siedlergruppen auf dem Landweg weiter. Einige ließen sich in Bessarabien nieder, andere reisten in die Gegend von Odessa auf der Krim, und eine dritte Gruppe zog noch weiter in die Gegend von Tiflis in Georgien. Dort entstanden deutsche Siedlungen. Freilich bewahrheitete sich auch hier die alte Redensart über Auswanderer: „Den Eltern der Tod, den Kindern die Not, den Enkeln das Brot.“. Trotz allen Fleißes der Siedler waren die Aufbaujahre äußerst hart.
Lange nahm man in der Forschung an, es seien fast ausschließlich Pietisten gewesen, die an eine baldige Wiederkunft Christi geglaubt hätten. Deshalb seien sie näher an Palästina herangezogen, welches damals nicht zugänglich war. Inzwischen setzt sich aber die Erkenntnis durch, dass die Mehrzahl der Emigranten aus wirtschaftlichen Gründen das Königreich Württemberg verließen. Freilich spielte die protestantische Religion eine wichtige Rolle: einerseits als verbindendes Element der Gemeinschaft, andererseits als ideelle Stütze in der Not. Organisiert waren die Auswanderergruppen in zehn sogenannten „Harmonien“, geleitet wurden diese Verbände von Anführern, die aus einem pietistisch-separatistischen Umfeld stammten. Es waren Männer darunter, die sich aus religiöser Überzeugung von der Kirche getrennt hatten. Aber in Russland wurden in den meisten Gemeinden evangelische Kirchen gebaut, so dass sich im Lauf der Zeit eine kirchliche Organisation mit Pfarrern und Schulmeistern entwickelte.
Das Leben in den deutschen Gemeinden gestaltete sich nicht einfach. In Kaukasien kam es zu Überfällen einheimischer Stämme auf einzelne Siedlungen, bei denen Einwohner ermordet oder verschleppt wurden. Die einheimische Bevölkerung blickte zum Teil neidisch auf die wirtschaftlich erfolgreichen und vorbildlich organisierten deutschen Kolonisten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wirtschafteten die deutschen Dörfer sehr erfolgreich. Fabriken und landwirtschaftliche Kooperativen produzierten und vertrieben ihre Erzeugnisse. Beispielsweise gab es in Georgien einen florierenden Weinbau. Es entstanden auch höhere Schulen, Lehrerbildungsanstalten und Pfarrseminare sowie kulturelle Einrichtungen.
Nach einigen Jahrzehnten waren die russischen Zaren nicht mehr gewillt, die Privilegien der deutschen Gemeinden aufrechtzuerhalten. Einerseits begegneten sie damit den Neidgefühlen der Einheimischen, andererseits wollten sie eine einheitliche russische Kultur durchsetzen. Das „Angleichungsgesetz“ aus dem Jahre 1871 sorgte dafür, dass der Sonderstatus der Kolonisten allmählich aufgehoben werden sollte. So wurden die Selbstverwaltungseinrichtungen aufgelöst, Russisch wurde Amts- und Schulsprache, der Militärdienst für die Söhne der deutschen Siedler wurde 1874 verpflichtend.
Während des Ersten Weltkriegs gerieten die Russlanddeutschen als Vertreter einer feindlichen Kultur unter Druck. Zar Nikolaus II. verbot den Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Dörfer aufgelöst und die Russlanddeutschen zwangsweise ins innere Russland umgesiedelt. Von dort aus kamen sie nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs in die Bundesrepublik Deutschland. Sie können also als repräsentativ für eine Minderheit angesehen werden, die ihr Land aus wirtschaftlichen Gründen verließ. Nach fast 200 Jahren kehrte ein Teil von ihnen wieder in das Land ihrer Ahnen zurück, nachdem die ältere Generation noch im Geist der deutschen Kultur lebte.
Mohr ist ein veralteter, präkolonialer Begriff für Menschen mit dunkler Hautfarbe, in erster Linie aus Afrika, der im Grunde, anders als spätere Termini nicht abwertend gemeint war, aber sicher mit Stereotypen assoziiert wird, wie etwa dem Firmensignet des Sarottimohren, also eines afrikanischen Jungen in orientalischer Kleidung, der als Diener eine Kaffeetasse serviert. Dass einer solchen Darstellung historische Vorbilder zugrunde lagen, beweisen auch Quellen des Landeskirchlichen Archivs.
Folgendes Zitat stammt aus einem Dekret zur Taufe eines “Mohren” aus dem Jahr 1713, welches sich unter den Akten der allgemeinen Akten des Evangelischen Konsistoriums findet.
„[…] denjenigen mohren, Welcher bißhero alß cammerjung dienste gethan, durch die heylige tauf dem christenthumb einverleibet und mit dem offentlichen gewöhnlichen taufs actu fürgegangen, auch ihme den namen Ludwig Wilhelm Weiß in gnaden beygelegt wissen wollen: Alß lassen allerhöchstermellt dieselbe solches dero consistorial directori und übrigen räthen zu ihrem verhallt und behörigen veranstalltung benachrichtlich in gnaden hiermit anfügen.“
Die “Kammer” meint hier unmittelbare Umgebung der Regentenfamilie am fürstlichen Hof in Ludwigsburg, beziehungsweise in Stuttgart. „Kleine Kammermohren“ wurden gegen Kostenerstattung in Familien der sonstigen Dienerschaft untergebracht. Ihnen wurde ein Unterricht gewährt und sie wurden getauft. Später erfolgte zumeist eine Ausbildung zum Pauker oder Trompeter. In fortgeschrittenem Alter oft wieder als „Kammermohr“ tätig. Sie gehörten aufgrund ihres in Württemberg ungewohnten Aussehens zu einer höfischen Inszenierung, offenbar genoss die höfische Welt ihre exotische Erscheinung. Ihre Anwesenheit erbrachte auch den scheinbaren Nachweis für eine Weltläufigkeit des jeweiligen Hofes.
Der hier beschriebene afrikanische Junge war zum Zeitpunkt seiner Taufe zwölf Jahre alt. Die Taufe erfolgte in der Stuttgarter Stiftskirche am 30. Juli 1713. Als Taufpaten stellten sich 33 Personen aus der allerbesten Hofgesellschaft zur Verfügung. Im Taufeintrag wird Näheres zu seiner geographischen und religiösen Herkunft deutlich gemacht: „ein Heydnischer Mohren=knab der Vermuthung nach Von 12 Jahren auß Madagascar“. Vermutlich war er ein „Geschenk“ Prinz Heinrich Friedrichs von Württemberg-Winnental, der damals in niederländischen Diensten stand und mit Herzog Eberhard Ludwig die Patenliste anführte. Er erhielt den Namen Ludwig Wilhelm Weiss. Die Vornamen waren damals typische Vornamen des württembergischen Adels. Der Name des damaligen Herzogs war Eberhard Ludwig, der seines Vorgängers war Wilhelm Ludwig. Der ihm zugedachte Nachname erscheint eigentümlich, fast wie zur heimlichen Verspottung seines Trägers einladend. Der Name „Weiss“ sollte aber die durch die Taufe gewonnene Reinheit symbolisieren. Der “Kammermohr” wurde beim Hilfspauker Jeremias Reisinger aufgezogen, dessen Beruf er später erlernte. 1724 heiratete er eine Seidenstickerin. Zwei Jahre später nahm er seinen Abschied vom Hof.
Neben Weiss gab es am Stuttgarter Hof noch weitere Schwarze. Zwischen 1650 und 1750 sogar mehrere gleichzeitig. Sie übernahmen gegenseitig Patenschaften für ihre Kinder.
Der pietistische Theologe Samuel Urlsperger hielt 1716 bei der Taufe eines anderen „Mohren“ aus Westafrika in der Stuttgarter Schlosskapelle eine Predigt, in der er den christlichen Verkündigungsauftrag an alle Völker hervorhob und „die beiden aus der Bibel bekannten afrikanischen Höflinge – den ‚Kämmerer‘ und Ebedmelech – der korrupten Hofgesellschaft als Vorbilder für Umkehr, Bekehrung und Einsatz für Wahrheit und Gerechtigkeit“ gegenüberstellte.
„Mohren“ waren in höherem Maße von der Gunst des regierenden Fürsten abhängig waren als andere Mitglieder der ständischen Gesellschaft, die meist über dichtere soziale Beziehungsnetze verfügten. Entgegen einer oberflächlichen Einschätzung waren solche “Kammermohren” keine Sklaven. Das Heilige Römischen Reich deutscher Nation kannte keine Sklaverei.
Bild: Landeskirchliches Archiv Stuttgart, A 26, Nr. 155, Qu. 101 (Dekret zur Taufe eines Kammermohren)
Literatur:
Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Hrsg.): Exotisch – höfisch – bürgerlich. Afrikaner in Württemberg vom 15. bis 19. Jahrhundert. Katalog zur Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart. Stuttgart 2001.
Firla, Monika / Forkl, Hermann: Afrikaner und Africana am württembergischen Herzogshof im 17. Jahrhundert. In: Tribus 44, 1995, S. 149-193.
Firla, Monika: Afrikanischer Pauker und Trompeter am württembergischen Herzogshof im 17. und 18. Jahrhundert. In: Musik in Baden-Württemberg 3, 1996, S. 11-41.
Firla, Monika: Samuel Urlsperger und zwei »Mohren« (Anonymus und Wilhelm Samson) am württembergischen Herzogshof. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 97, 1997, S. 83-97.
Firla, Monika: Quellen des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart zur Erforschung der Afrikanischen Diaspora des 18. Jahrhunderts in Württemberg. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte 99, 1999, S. 90-112.
Die Einträge in den Toten- bzw. Begräbnisregistern sind meist knapp gehalten. Sie enthalten den Namen der verstorbenen Person, bei Kindern den Namen ihres Vaters (und manchmal auch der Mutter), bei verheirateten Frauen den Namen des Ehemannes und das Datum und Ort der Beerdigung, später auch das Datum und Ort des Todes sowie ggf. Angaben zum Beruf und häufig auch zum Alter. Besondere Todesumstände, wie z.B. ein Unfall, werden meist ausführlicher beschrieben.
In einem Totenregister von Neuenstadt am Kocher findet man zwei eher ungewöhnliche Einträge, die neben den üblichen Angaben eine persönliche Trauerlyrik enthalten. Im ersten Fall musste der Neuenstädter Diakon Johann Ludwig Hochstetter seinen eigenen Sohn betrauern und zu Grabe tragen. Im zweiten Fall starb der Sohn des Special-Superintendenten (Dekan) von Neuenstadt Wilhelm Christoph Stein. In beiden Fällen hatte Hochstetter den Todeseintrag um eine Trauerlyrik in Deutsch und Latein ergänzt, im zweiten Fall hatte außerdem Stein ein Gedicht auf Hebräisch angefügt. Hochstetter scheint ein gebildeter und in der Dichtkunst bewanderter Mensch gewesen zu. Selbiges gilt auch für Stein, der auch das Hebräische gut beherrschte. Beide verfügten deshalb wohl über einen hohen Bildungsgrad.
Die hebräischen Zeilen sind in Reimen geschrieben und sind im Takt. Die Vokalisierung ist (außer in einem Fall) korrekt. Durch die Verwendung biblischer Vokabeln und Vokabeln aus der späteren talmudischen Zeit ist die Sprache relativ modern. Unser Kollege Dr. Jakob Eisler hat diese Zeilen übersetzt und eingesprochen, die entsprechende MP3-Datei (28 Sekunden) kann hier geöffnet bzw. heruntergeladen werden.
Aufgrund dieser doch emotionalen Einträge ist anzunehmen, dass zwischen den Familien Hochstetter und Stein eine engere Beziehung bestand.
Der Todeseintrag von Albrecht Martin Hochstetter (1684-1685)
Albrecht Martin wurde am 9. November 1684 in Neuenstadt am Kocher getauft. Die Eltern waren der Diakon Johann Ludwig Hochstetter und dessen Ehefrau Johanna Barbara Lusterer. Er verstarb bereits am 15. April 1685, sein Todeseintrag lautet wie folgt:
„Den 15. dises [= April 1685] stirbt mir, dem Diacono M[agister] Hochstetter eines gar schnellen und plötzlichen Todes, ein Söhnlein von 6 Monaten nahmens Albrecht Martin, und wurde den folgenden Tag in einer wortreichen Procession in den eußeren Kirchhoff, zum Helmbund [= Helmbundkirche], beisetzet und zur Ruhe gebracht.
So gesstu liebstes Kind die finstre Todesstraßen!
Und wilt uns Eltern hier in großem Leide laßen!
Die wir an deiner Gestalt und Rosen Lippen roth,
so offtmals uns ergözt; nun aber bisstu tod.
Doch lebt dein Seelelein in Gottes Vatter Händen,
da werden wir dereinst gewiß dich wider finden.
Ade du liebes Hertz, nun seliges Gotteskind,
wir denken jammers voll stehts an dein so schmerzlichs schnelles End.
Sic properas, Fili, pallentas ire sub umbras,
Cui quondam nobis gaudia mille dabas!
Gaudia quid dico, in luctum tam versa repente,
dum cadis ante diem, morte perempte fera.
Non tamen omne cadis, Pars nobilis incola facta
Iam Coeli, tristes suadet abesse voces.
Dextra Dei, nostros quae iam divulsit amores,
Haec olim celsa iunget in arce Poli.”
Übersetzung:
So gehst du, Sohn, eilends unter die bleichen Schattenbilder,
einstmals machtest du uns ungezählte Freude!
Was sage ich Freude? Mit einem Schlag ist die Freude in Trauer verwandelt,
indem du vor der Zeit ins Grab sinkst, durch einen grausamen Tod umgekommen.
Trotzdem sinkst du nicht ganz tot hin, dein edler Teil ist schon Bewohner des Himmels,
rät an, sich von betrübten Reden fernzuhalten.
Die rechte Hand Gottes, die unsere Liebe gewaltsam trennte,
wird sie dereinst in der stolzen Himmelsburg zusammenfügen.
Der Todeseintrag von Johann Martin Stein (1681-1687)
Johann Martin wurde am 21. September 1681 in Brettach (Langenbrettach) geboren und am 23.09.1681 in der dortigen Pfarrei getauft. Die Eltern waren Wilhelm Christoph Stein, damals Pfarrer in Brettach, und dessen Ehefrau Maria Catharina Friesenegger. Einer der Paten war Johann Ludwig Hochstetter, Diakon in Neuenstadt.
Johann Martin starb am 7. Mai 1687, sein umfangreicher Todeseintrag lautet:
„Den 7. dises Monats [Mai 1687], stirbt Herrn M[agister] Wilhelm Christophoro Steinen, Special Superintendenten und Stattpfarrer alhir, sein so jüngstes Söhnlein nahmens Hans Martin, seines Alters 5 Jahr und 6 Monat und wurde den 9. darauff christlich zur Erden bestattet, auch zu besten Angedenck ihme ein Sermon vor dem Altar gehalten.
Mensis erat Majus, quo Tellus flore superbit
Multiplici et Oculis gaudia mille parat.
Torva cum facie Mors invida viderat hortum,
Cum gaudio qualem hic nostra Juventus habet.“
Übersetzung:
Es war der Monat Mai, wenn die Landschaft voll von Blüten ist
und dies den Augen ungezählte Freude macht,
als der missgünstige Tod mit finsterem Antlitz den Garten sah,
den unsere Jugend hier mit Freude besitzt.
„Ilicet attingens falcem, prae millibus unus
Esto meus, dixit, cui Coler gratus erit;
Unde tuum petiit Patus, lethale venenum
Admiscens falci, te feriendo secat.
Te puto Martinum, quem Fonte lavare sacrato
Inq(ue) dei foedus ducere sors voluit.“
(Auf eine Übersetzung wurde an dieser Stelle wegen Unklarheiten bewusst verzichtet – Übersetzungsvorschläge sind willkommen.)
„Inde Tuam morte doleo sed gaudeo sortem
Coelicolam quando pensito iamq(ue) tuam;
Vivis enim superis admixtur, liber ab omni
Moestitia, et coeli gaudia mille capis.“
Übersetzung:
Daher bedauere ich deinen Tod, aber wenn ich es überdenke,
dann freue ich mich darüber, dass du im Himmel wohnst.
Denn du befindest dich bei Gott, frei von aller Traurigkeit,
und empfängst die unzähligen Freuden des Himmels.
„In dem der bunte Mai das Feld thut stattlich ziren,
Mit Blumen mancher Art, so wo wir nun hinführen
Die Augen alles lacht, tritt unversehens ein
Mit seiner Sensen scharff der blaße Schenken Bein;
Bald nam er sie zur Hand und thut damit abhauen
Aus unserm Garten hier ein schöne Blum zuschauen;
Dich mein‘ ich junger Stein du schöner Vasen roth,
Da du vorher gewest erblaßest du im Tod;
Nun soll dein schnelles End gantz billich mir Laid bringen,
Weil du von mir getaufft in guten Künsten Dingen
Schon gebest Hoffnung dar, allein weil Gottes hand
Dich zu sich abgeholt, ist glücklich jetzt dein Stand;
So leb nun wolvergnügt die liebe Seel im Himmel
Wir ächzen underdeß noch in dem Welt Getümmel,
des Herrn Tag wird uns zusamen bringen bald,
wann Himmel und die Erd in einen Hauffen falt.
memoria sua ponebat [= Aus seiner Erinnerung setzte dies mit hin]
HL. H. Diac. [= Magister Hans Ludwig Hochstetter, Diakon]“
Übersetzung des Hebräischen:
Mein Sohn, Dein Todestag ist ein dunkler Tag
Du hast mir viel bedeutet.
Wir liebten dich wie die Anderen.
Meine Seele war mit Deiner verbunden.
Du bist ins Grab (Hölle) gekommen,
und ich und deine Mutter trauern,
wie auch deine Brüder und Schwestern.00
Dein Körper ist nicht mehr da.
Deine Knochen ruhen im ewigen Leben
bei Gott.
„solatii ergo Parens appon(ebat) [= Der Vater fügte dies als Trostspender hinzu]“
Vokalisierung der hebräischen Zeilen (bitte Anklicken):
Am 24. Februar 1691, am Gedenktag für den Apostel Matthias, war in Alpirsbach ein „Türken Mägdlen getauft worden, welches der durchleuchtigste Prinz von Veldenz bei der Eroberung Belgrad bekommen und hernachmahls zu beßerer Versorgung und christlicher Anfertigung dem wohledlenvösten und hochgeachten Herrn Johann Wolffgang Diezen, damaligen Vogten zu Dornhan, jetztund aber Amptmann und Closters Verwalter hier zu Allpirspach gnädigst recommendiert und anemfohlen [und da der] hochermeldter Prinz durch eine unglückliche Begebenheit anno 1689 in der Belägerung Mainz sein Leben laßen müßen, sich als ein Vater dieses Kindes angenommen.“
Während der Türkenkriege im 17. und 18. Jahrhundert deportierten höheren Offiziere der christlichen Armeen häufig so genannte „Beutetürken“ als Kriegsgefangene ins Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Hierbei ist zu erwähnen, dass diese „Beutetürken“ oftmals keine ethnischen Türken waren, sondern Angehörige anderer Ethnien, die in der Osmanischen („türkischen“) Armee oder Verwaltung dienten bzw. Angehörige solcher Bediensteter waren. Während die „Beutetürken“ anfänglich als Prestigeobjekt oder Geschenk für eine höhergestellte Personen dienten, so wurden sie in späterer Zeit getauft, in die Gesellschaft integriert und heirateten einheimische Partner. Einige erlangten sogar wichtige Funktionen in der Verwaltung und einen hohen gesellschaftlichen Stand, vereinzelt wurden sie auch in den erblichen Adelsstand erhoben.
Das getaufte Mädchen, dem der Name Christiana Maria Elisabetha gegeben wurde, war ungefähr zehn Jahre alt. Der kurbayerische Oberst Prinz August Leopold von Pfalz-Veldenz (1663-1689), der an der Belagerung und Eroberung von Belgrad durch kaiserliche, kurbayerische und andere deutsche Armeen vom 7. August bis 6. September 1688 während des Großen Türkenkrieges (1683-1699) teilnahm, brachte es mit ins Reich. Das Mädchen kam in die Obhut von Johann Wolfgang Diez und dessen „Eheliebste“ Anna Maria, die nach dem Tod des Prinzen am 9. September 1689 in Zusammenhang mit der Belagerung und Befreiung des von französischen Truppen besetzten Mainz durch kaiserliche, kurbayerische, hessische und andere deutsche Truppen vom 1. Juni bis 8. September 1689 während des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688-1697) das Mädchen an Kindes statt annahmen.
Johann Wolfgang Diez (~ 15.12.1657 in Stuttgart, + 08.01.1734 ebenda), war vom 22. September 1682 bis 24. September 1689 Vogt und Alpirsbacher Pfleger in Dornhan, vom 10. Oktober 1689 bis 25. Juli 1706 Amtmann und Klosterverwalter in Alpirsbach und schließlich vom 18. Juli 1706 bis Februar 1709 und von Februar 1711 bis zu seinem Tod Rentkammer-Expeditionsrat. Er schloss am 27. November 1683 in Stuttgart die Ehe mit Anna Maria Belling (~ 10.09.1657 in Cannstatt, + 24.04.1724 in Stuttgart).
Auffällig im Taufeintrag der Christiana Maria Elisabetha ist die große Zahl der Paten. Diese waren der Obrist-Lieutenant Carl vom Cronsfeldischen Regiment mit seiner Ehefrau, die durch den Leutnant Valentin Dikmann und seiner Ehefrau vertreten wurden, Johann Dieterich Widerholt, Obristwachtmeister und Oberamtmann zu Hornberg, mit seiner Gemahlin, Johann Krafft, der Abt von Alpirsbach und seine Ehefrau, die beiden Bürgermeister Friderich Heß und Martin Birk „als Deputierte von Dornhan“, Cunrad Birk, Vogt zu Dornstetten, Johann Christoph Hegel, Pfarrer in Alpirsbach, mit seiner Gemahlin, Wilhelm Heinrich Bardili, Amtschreiber in Alpirsbach, mit seiner Ehefrau, Johann Armbruster, Bürgermeister in Alpirsbach, mit seiner Ehefrau, Hanß Jerg Stählein, Bürgermeister in Alpirsbach, Hanß Bihler, Vogt zu Alpirsbach, Hanß Jacob Schneider, Stabsvogt zu Rötenbach, Jacob Scherer, Vogt zu Reutin, Hanß Adrion, Vogt zu Ehlenbogen und Marx Mik, Amtspfleger in Alpirsbach, „lauter von dem Ampt deputierte“. Insgesamt sind 21 Paten (und zwei Stellvertreter) genannt, deutlich mehr als bei der Taufe eines leiblichen Kindes von Johann Wolfgang Diez am 2. April 1691. Dort sind es nur vier Paten (und zwei Stellvertreter). Warum genau einige Paten vom Amt abgeordnet worden sind, bleibt offen.
Der Apostel Matthias wurde laut biblischer Überlieferung nach dem Tod des Judas Iskariot zu den verbliebenen ersten elf Jünger Jesu hinzugefügt. Möglicherweise wurde deshalb Christiana Maria Elisabetha an seinem Gedenktag getauft, da sie genauso wie Matthias nicht von Anfang an eine Anhängerin Jesu war.
Über den weiteren Lebensweg von Christiana Maria Elisabetha ist nichts bekannt.
Zusammen mit dem Pastor Klaus-Dieter Gress, ursprünglich Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, und dem Kirchenpräsidenten Frederick Hansen nahm Michael Bing die Kirchenbücher, die Protokolle des Gemeinderates, der Sonntagsschule und etliche unerschlossene Unterlagen des Pfarrarchivs in Augenschein.
Die Zions-Gemeinde wurde 1855 von einem Württemberger gegründet. Pastor Friedrich Wilhelm Tobias Steimle, 1827 in Alzenberg bei Calw geboren, ursprünglich auf dem Lehrerseminar in Wildberg für das Lehrfach und später im Baseler Missionshaus als Missionar ausgebildet, war 1851 nach New York ausgewandert und baute dort die Deutsche Evangelisch-Lutherische Gemeinde auf. Zunächst in einem kleinen angemieteten Saal in der Washington Street untergebracht, konnte die Gemeinde 1856 die ehemalige holländisch-reformierte Kirche in der Henry Street erwerben, in der auch heute noch Gottesdienst gefeiert wird, in deutscher und in englischer Sprache.
Besonderes Augenmerk lag bei diesem außergewöhnlichen Archivpflegebesuch natürlich auf den historischen Kirchenbüchern der Zions-Gemeinde zu New York. Die Tauf-, Ehe- und Sterberegister setzen 1856 ein und wurden vor etlichen Jahren sicherungsverfilmt. Der Besuch in New York konnte genutzt werden, um mit dem Pfarrer und dem Kirchenpräsidenten erfolgreiche Gespräche über die Digitalisierung und Bereitstellung der Kirchenbücher auf dem Kirchenbuchportal Archion zu führen.
Archion erhält somit demnächst einen Datenschatz aus Übersee.
Pastor Friedrich Wilhelm Tobias Steimle
Zionskirche in Brooklyn (New York)
Protokoll der Sonntagsschule, Pfarrarchiv der Zionsgemeinde New York
Kirchenordnung der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Zionsgemeinde, Pfarrarchiv der Zionsgemeinde New York
Namensregister zum Taufbuch. Pfarrarchiv der Zionsgemeinde New York
Eine Besonderheit der württembergischen Kirchengeschichte ist die Integration der waldensischen und hugenottischen Flüchtlinge aus dem südwestlichen Alpenraum, die aufgrund einer Glaubensverfolgung 1699/1700 verschiedene Ansiedlungen in Württemberg gründen durften, wie Großvillars, Sengach, Pinache, Perouse, Schönenberg, Serres, Kleinvillars, Wurmberg-Lucerne. Von 1699 bis zum Jahr ihrer Eingliederung in die Landeskirche 1823 bestanden sie als französischsprachige reformierte Minderheit in Württemberg. Eine ganze Reihe von französischsprachigen Kirchenbüchern im Landeskirchlichen Archiv gibt davon Zeugnis (vgl. als Beispiel das Beitragsbild mit einer Seite aus dem Taufregister von Großvillars von 1700). Die deutsche Waldenservereinigung lädt zu einem Begegnungsfest in Schönenberg, wo das Museum an diesem Tag ganztägig geöffnet sein wird.