Artikel in Bestand
12. März 2025 | Heinrich Löber | Bestand
Die als ‚Nachlass Johannes Josenhans (1893-1981) (Familiennachlass Josenhans)‘ formierten Unterlagen geben Auskunft über die Herkunft des Pfarrers und Dekans, der zuletzt in Heidenheim seinen Dienst tat: Dieser stammt aus der pietistischen Familie Josenhans in Stuttgart. Sein Urgroßvater war Emanuel Josenhans (1780-1847), Weißgerbermeister in Stuttgart. Dessen Sohn war sein Großonkel und Namensvetter Johannes Josenhans (1822-1897), Kaufmann und daneben Stadt- und Pfarrgemeinderat.
Nicht wenige Akten geben Zeugnis von diesen beiden Josenhans‘, die herausragende Persönlichkeiten des evangelischen Lebens in Stuttgart im 19. Jahrhundert waren. Diese Unterlagen sind 2004 über ein Antiquariat in Münster in unser Archiv gelangt – vielleicht haben sie über den Buchnachlass ihres Nachkommens, Pfarrer Johannes Josenhans (+ 1981), diesen Schlenker gemacht? Aufgrund seiner Geschichte und seines Inhalt ist der Bestandsname ‚Nachlass Johannes Josenhans (1893-1981) (Familiennachlass Josenhans)‘ entstanden.
Neben genealogischen Unterlagen ist eine bemerkenswerte Korrespondenz überliefert. Diese beinhaltet Namen wie Aloys Henhöfer, Albert Knapp, Ludwig und Wilhelm Hofacker (bei Emanuel Josenhans), Johann Christoph und Christoph Blumhardt, Friedrich Bodelschwingh, Johann Hinrich Wichern und Ludwig Hofacker (bei Johannes Josenhans) und lässt den Umgang der Josenhans‘ mit erwecklich-pietistischen Persönlichkeiten jener Jahrzehnte erkennen. Auch eine Predigt des vom Katholizismus konvertierten, badischen erwecklichen Pfarrers Aloys Henhöfer ist überliefert (Nr. 17).
Neben diesen frömmigkeitshistorischen Zeugnissen sind zahlreiche Quellen Stuttgarter Ortskirchengeschichte überliefert, die erkennen lassen, dass Vater und Sohn einen überdurchschnittlich hohen Beitrag am evangelischen Leben der Stadt hatten. So war der Kaufmann Johannes Josenhans nicht nur Stadtrat, sondern auch Mitglied des Gesamtpfarrgemeinderats. Als solcher ist er bei der Reform des Deutschen Evangelischen Kirchentags beteiligt gewesen (1864), war Ausschussmitglied der Südwestdeutschen Konferenz für Innere Mission und bei der Gebetswoche des Evangelischen Bundes in Berlin zugegen (1870), hat die Neufassung der Perikopenordnung und die Gesangbuchfrage (1877) verhandelt und nahm bei der Lutherfeier 1883 in Wittenberg teil.
Johannes Josenhans‘ Verdienst ist auch im Kirchenbau zu verorten. Als Stifter hat er den Aufbau der Johanneskirche maßgeblich gefördert (1869-1876), ein bis heute bedeutendes Kirchenbauwerk der Stadt. Zudem war Johannes Josenhans Mitglied des „Comitees für die eiserne Kirche“ (‚Wanderkirche‘), deren Entstehung wirklich zustande kam und die Kirchennot der Stadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelindert hat.
Aber auch theologische Literatur und Ausarbeitungen zeugen von der kirchlichen Verbundenheit der Josenhans‘.
Die Nachlassunterlagen haben die Signatur D 140, umfassen 31 Akten mit einem Umfang von 0,2 lfm. und weisen eine Laufzeit von (1762) 1783 bis 1919 auf. Deren Erschließungsdaten sind online recherchierbar und die Akten selbst in unserem Lesesaal einsehbar.
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Urkunde des Kirchenbauvereins für Johannes Josenhans über 1.000 fl. für den Bau der Johanneskirche in Stuttgart (27.12.1869) [LKAS, D 140, Nr. 30], Vorderseite
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Dasselbe: Rückseite
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Johanneskirche nach ihrer Entstehung (1876) [Quelle www.stuttgart-west-evangelisch.de]
17. Februar 2025 | Dorothea Besch | Bestand
Die jetzt erschlossenen Unterlagen des „Evangelischen Landesverbandes für Kinderpflege“ zeigen, dass der Mangel an pädagogischen Fachkräften kein aktuelles Phänomen ist, sondern bereits vor 80 Jahren auftrat. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verlangte die alliierte Militärregierung die Auflösung der von der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) betriebenen Kindergärten und trug damit zu einem unerwarteten Aufschwung der evangelischen Kindergartenarbeit bei. Die wiedereröffneten evangelischen Kindergärten wurden zumeist von Kinderschwestern des Diakonissenmutterhauses Großheppach geleitet, doch fehlte es an Personal für die neu gegründeten Kindergärten. Es fehlte nicht nur an ausgebildeten Kindergärtnerinnen, sondern auch an Räumlichkeiten, Spielmaterial und Kohle zum Heizen der Kindergärten. Deshalb konnte die Kindergartenbetreuung auf dem Land meist nur in den Sommermonaten angeboten werden. Viele Kindergärten hatten während der Heuernte von 8 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 19 Uhr geöffnet. Der Kindergarten orientierte sich in dieser Zeit eher an den Bedürfnissen der in der Landwirtschaft tätigen Eltern als am Wohl der Kinder. Bei einer Gruppengröße von bis zu 80 Kindern mit einer Kindergärtnerin und einer Kinderpflegerin hatte der Kindergarten vor allem die Funktion einer Bewahranstalt. Dennoch schien er manchmal eine bessere Alternative zu sein, als die Kinder allein und unbeaufsichtigt zu Hause zu lassen.
Man möchte sich nicht vorstellen, wie eine in einer autoritären Gesellschaft sozialisierte Kindergärtnerin in der Nachkriegszeit 80 Kinder zur Ruhe brachte, um Geschichten erzählen zu können oder mit ihnen Kreisspiele zu machen. Gelegentlich ist in den Visitationsberichten des Landesverbandes zu lesen, dass die eine oder andere Kindergärtnerin mit „zu harter Hand“ ihren Kindergartenalltag bewältigte.
In der Korrespondenz des Landesverbands mit den Trägern der Kindergärten wird das Frauenbild der 1950er Jahre besonders im Hinblick auf die Berufstätigkeit von verheirateten Kindergärtnerinnen deutlich: „Es ist doch unmöglich, dass die Zeit und die Gedanken, die das Führen eines Kindergartens erfordern von jemand aufgebracht werden kann, dessen Zeit, Kraft und Gedanken doch in erster Linie der Familie und dem Haushalt gelten müssen.“[1] Darüber hinaus wurden die moralischen Anforderungen klar definiert: „Es ist unmöglich, dass eine Mitarbeiterin in einem evangelischen Kindergarten weiter in der Arbeit steht, von der im Ort bekannt ist, dass sie in einem ehebrecherischen Verhältnis gelebt hat oder noch lebt. Eine Kindergärtnerin muss Vorbild nicht nur für die Kinder, sondern vor allem auch für die Mütter dieser Kinder sein.“[2] Die Kindergärtnerin als öffentliche Person hatte sich nicht nur moralisch einwandfrei zu verhalten, sondern sollte sich selbstverständlich auch ehrenamtlich in die Gemeindearbeit einbringen. Die Leitung von Kinderkirche, Jungschar- und Mädchenkreisen wurde erwartet, die Teilnahme an Bibelstunde, Gottesdienst und Kirchenchor vorausgesetzt. Dass dies eine Überforderung darstellen konnte, brachte eine Kindergärtnerin zum Ausdruck: „Außerdem stoße ich auf großes Unverständnis, wenn ich feststellen muss, dass die kirchliche Nebenarbeit beinahe mehr Zeit in Anspruch nimmt als der Kindergarten.“[3]
Die Korrespondenz der beim Landesverband angestellten Jugendleiterinnen – ab den 1970er Jahren Sozialpädagoginnen genannt – ermöglicht zusätzlich einen Einblick in die Kindergartenarbeit in der DDR. Unter dem Stichwort „Osthilfe“ wurden von der EKD „Patenkindergärten“ in der „sowjetisch besetzten Zone“ vermittelt. Die Dankschreiben zeigen die Freude über erhaltene Pakete mit Spiel- und Bastelmaterialien und geben Aufschluss über die nicht ganz einfache evangelische Kindergartenarbeit in Ostdeutschland.
Insgesamt zeigt dieser spannende Bestand eine Entwicklung der evangelischen Kindergartenarbeit, die gesamtgesellschaftlichen Strömungen unterworfen ist. Die in den Nachkriegsjahren in manchen Kindergärten teilweise autoritär anmutende Erziehung wandelt sich mit zunehmender gesellschaftlicher Liberalisierung im Blick auf das Kind. Die Bedürfnisse des Kindes rücken vor allem in den 1970er Jahren in den Mittelpunkt der Kindergartenarbeit, die Förderung und Bildung des Kindes in seiner Ganzheit steht im Vordergrund der Fortbildungsveranstaltungen für Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen. Das Besondere an der Korrespondenz zwischen den Mitarbeiterinnen des Landesverbandes und den Kindergärtnerinnen ist die Präsenz von Frauen, die mit viel Herzblut und Engagement für das Wohl der Kinder arbeiteten.
Der Bestand des „Evangelischen Landesverbands für Kinderpflege“, steht allen Interessierten zur Einsicht unter der Signatur K 60 nun im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs zur Verfügung. Hier finden Sie das Inventar des Bestandes.
Anmerkungen
[1] LKAS, K 60, Nr. 5.
[2] LKAS, K 60, Nr. 14.
[3] LKAS, K 60, Nr. 19.
Beitragsbild: K 60 Nr. 87 1953
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K 60 Nr. 28 1948
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K 60 Nr. 19/II, Einladung zum Sommerfest des Kindergartens Hessental ca. 1950
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K 60 Nr. 217, Fortbildung für Kindergärtnerinnen 1951.
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K 60 Nr. 217, Fortbildung für Kindergärtnerinnen 1951.
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K 60 Nr. 224/I
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K 60 Nr. 35, Beilage zum Dankschreiben aus dem Kindergarten Waldenburg 1951
12. Februar 2025 | Andreas Butz | Bestand
Johannes Berger wurde am 22. Juni 1906 in Leipzig-Schönefeld als Pfarrerssohn geboren. Nach dem Studium in Leipzig und Marburg und dem Vikariat wurde er 1931 Pastor an der Landesheil- und Pflegeanstalt Hochweitzschen, 1932 Pfarrer in Beicha und 1938 dann in Oberfrohna. Zur Zeit des Nationalsozialismus schloss sich Berger den Deutschen Christen an. 1943 wurde er an die Front eingezogen. Nach Ende des Kriegs wurde er in Sachsen wegen seiner DC-Mitgliedschaft seines Dienstes enthoben. Er war von August 1945 bis März 1946 Lagerpfarrer im Kriegsgefangenenlager Babenhausen. 1946 wurde er in Württemberg in den pfarramtlichen Vertretungsdienst übernommen und arbeitete dort zunächst als Pfarrer im Internierungslager Ludwigbsurg. 1949 wurde er Pfarrer für Religionsunterricht in Ludwigsburg, 1962 dann Pfarrer in der Paul-Gerhard-Gemeinde in Ludwigsburg. Wegen gesundheitlicher Beschwerden trat er 1970 vorzeitig in den Ruhestand. Er starb am 11. August 1985 in Ludwigsburg.
Der kleine Bestand kam im Jahr 2000 an das Landeskirchliche Museum und gelangte darüber in das Landeskirchliche Archiv. Der Bestand besteht aus 21 Akten mit einer Laufzeit von 1940 bis 1948. Er wurde im September 2023 von Dr. Johannes Grützmacher erschlossen und nun von Daniel Miller Martínez im Rahmen seines FSJs endgültig bearbeitet.
Besonders interessant scheinen die Akten, die sich auf seine Tätigkeit als Pfarrer des Lagers 74 beziehen. Nach dem Ende der NS-Herrschaft existierten in den beiden Besatzungszonen in Württemberg mehrere Internierungslager, in denen Personen untergebracht waren, die in irgendeiner Hinsicht Funktionen innerhalb des Nationalsozialismus innegehabt hatten. In der französischen Besatzungszone bestand ein solches Lager in Balingen, in der amerikanischen Zone waren es folgende Lager: Nr. 72 in Ludwigsburg Rotbäumlesfeld, Nr. 74 in Ludwigsburg-Oßweil, Nr. 75 in Kornwestheim, Nr. 76 auf dem Hohenasperg, Nr. 77 in der Fromannkaserne in Ludwigsburg (Frauenlager) und dann noch ein Lazarettlager in der Königsallee in Ludwigsburg. Diese Einrichtungen konzentrierten sich somit in und um Ludwigsburg. Die Insassen dieser Lager wurden durch Geistliche betreut. Eventuell war die Rückkehr zum Glauben für manche der Insassen auch ein Weg die Vergangenheit zu bearbeiten und wieder in das gesellschaftliche Leben zurückzukehren. Wer zu diesen Fragen forschen möchte könnte den Nachlass von Johannes Berger heranziehen. Das Inventar des Bestandes ist hier online einsehbar.
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LKAS, D148, Nr. 2. Wochenplan.
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LKAS, D148, Nr. 2. Programm Kulturwoche Lager 72.
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LKAS, D148, Nr. 2. Programm Kulturwoche Lager 72. Rückseite.
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LKAS, D148, Nr. 9. Einladung
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LKAS, D148, Nr. 9. Einladung mit Programm.
5. Februar 2025 | Andreas Butz | Bestand

Pfarrarchiv Schmalfelden, Nr. 232. Plan des Schulhauses.
Das Pfarrarchiv Schmalfelden ist nun von unserer Kollegin Birgitta Häberer erschlossen und das Inventar online einsehbar. Seit 1806 gehört der hohenlohische Ort zu Württemberg. Der Bestand umfasst ca. sechs laufende Regalmeter Akten. Darunter befinden sich Amtsbücher wie Kirchenkonvents- oder Kirchengemeinderatsprotokolle, aber beispielsweise auch ein Band mit dem Titel „Acta in allerhand Klag- und Streitsachen von ältern und jüngern Zeiten bey der Pfarr und Caplaney“, der um 1602 einsetzt, sowie verschiedene Einnahmebücher aus dem 16. Jahrhundert. In dieser Zeit setzen auch die gut überlieferten und zahlreich vorhandenen Rechnungsbücher (Heiligenpflegrechnungen) ein. An ungebundenen Akten enthält das Pfarrarchiv erwartungsgemäß die im Pfarramt entstandenen Registraturakten bis etwa 1970.
Darüber hinaus enthält das Pfarrarchiv auch allerlei Akten und Protokolle, die die Dorfschule betreffen. Denn in den württembergischen Dörfern war der Ortspfarrer stets auch Schulpfleger. Wer sich mit der lokalen Schulgeschichte beschäftigt, tut gut daran, die Überlieferung der Pfarrämter für seine Forschungen zu nutzen. In den Pfarrarchiven sind insgesamt acht Schulakten sowie ein Protokollband des Ortsschulrats vorhanden. Die Akten enthalten auch Unterlagen zum Bau des Schulhauses.
Beitragsbild: Pfarrarchiv Schmalfelden, Nr. 232. Lageplan in der Schulhausakte.
29. Januar 2025 | Heinrich Löber | Bestand
Mit seiner Ernennung zum Pfarrer des Städtchens Wildberg (1833) kam Karl Georg Haldenwang (1803-1862) in eine bettelarme und hoch verschuldete Gegend, die zugleich mit Kleinkriminalität und sittlichen Vergehen zu kämpfen hatte. Die Bekämpfung der Armut und Not der Bevölkerung, v. a. aber auch eine Minderung des Elends der hilflosen, verspotteten und oft ausgestoßenen behinderten Kinder wurden zu Haldenwangs oberstem Ziel.
Aus diesem christlich motivierten Anspruch und seinem festen Willen heraus konnte er 1838 die Internatsschule „Rettungshaus für schwachsinnige Kinder“ für zunächst 15 geistig behinderte Kinder in einer angemieteten Wohnung eröffnen. Karl Haldenwang kaufte bereits ein Jahr später ein Haus, in dem nun 30 Kinder lebten und unterrichtet wurden und das seine Schwester leitete. Doch Haldenwangs schwacher Gesundheitszustand ließ einen weiteren Einsatz von ihm in Wildberg nicht zu, er wurde 1845 nach Giengen versetzt. Bereits zwei Jahre später 1847 musste die Wildberger Schule für geistig Behinderte schließen; zehn Kinder wurden von der neu eröffneten Heil- und Pflegeanstalt Mariaberg bei Gammertingen übernommen.
In Erinnerung an diese Lebensleistung setzte sich 1970 der Rektor der Sonderschule für bildungsschwache Kinder und Jugendliche in Leonberg-Ramtel für die Benennung „seiner“ Schule als „Karl-Georg-Haldenwang-Schule“ ein. Bereits im September 1971 kam Rektor Eberhard Schmalzried mit der angestrebten Namensgebung zum Ziel.
Doch diesem Vorhaben ging eine jahrelange Beschäftigung mit den Anfängen der Behindertenarbeit und damit auch mit dem schwäbischen Pfarrer Karl Haldenwang durch Schmalzried voraus. Davon zeugen die zum „Nachlass Karl Haldenwang“ formierten Unterlagen, die nicht wenige Originalschriftstücke von Haldenwang enthalten. Sie übergab Eberhard Schmalzried 2005 dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart.
Die Nachlassunterlagen erhielten die Signatur D 194, umfassen 14 Akten mit einem Umfang von 0,1 lfm. und weisen die Laufzeit (1784) 1818, 1832-1861, 1929, 1970-2001 auf. Deren Erschließungsdaten sind online recherchier- und die Akten selbst in unserem Lesesaal einsehbar.

Karl Haldenwang mit Ehefrau, seinen beiden jüngsten Kindern sowie seinem Schwiegervater (um 1860) [LKAS, D 194, Nr. 14-2]
22. Januar 2025 | Heinrich Löber | Bestand
Es ist nicht viel, was als „Nachlass Walter Kittelberger (1902-1980)“ in unserem Archiv überliefert ist. Aber es sind außergewöhnliche Schriftstücke, die durch die Bearbeitung ans Licht gebracht wurden und nun recherchierbar sind.
Nach Stationen als Vikar in Hochdorf, Pfullingen, Machtolsheim, wieder in Pfullingen und dann an der Lutherkirche Cannstatt (1925-1928) wurde Kittelberger 1928 Pfarrer in Conweiler, 1933 in Wolfenhausen und schließlich 1949 in Dürrwangen. Am 1. Juni 1967 trat er in den Ruhestand, den er in Geislingen (Balingen) verlebte.

Die Verlobte Ruth Reiber (hinten rechts) zusammen unter anderem mit einer Gemeindeschwester (um 1930), LKAS, D 139, Nr. 23b.
Die Verlobung (1930) und Ehe (26. Mai 1931) mit Ruth geb. Reiber (1904-1986), einer Tochter des Trikotfabrikanten Johann Gottfried Reibel aus Balingen, ist in diesen Nachlassunterlagen allgegenwärtig. Denn sowohl seine – teilweise in Gedichtform verfassten – Tagebücher als auch die Brautbriefe zeugen von einer großen Erwartung an die bevorstehende gemeinsame Hoch-Zeit.
Dabei geben die zahllosen Brautbriefe seiner Verlobten Ruth aus der Zeit von Mai 1930 bis zu ihrem Einzug in das Pfarrhaus Conweiler im Mai 1931 ein beredtes Zeugnis ihrer Liebe zu ihrem „inniggeliebten Walterle“ und „allerliebsten Walterlein“. Kittelberger wiederum fasst seine Liebe in Gedichte und Tagebuchaufzeichnungen. Daneben ist es interessant zu wissen, dass seine Mutter Marie ebenso eine geborene Reiber war, die Ruth zunächst mit „Tante Marie“, dann mit „liebe Mutter“ anschreibt. Offenbar bestand zwischen ihr und der Schwiegermutter in spe eine verwandtschaftliche Beziehung. Nach dem Tod von Vater Gottlieb Kittelberger wohnte die Mutter mit im Pfarrhaus in Conweiler.
Ein Tagebucheintrag – verfasst im November 1934 – vermittelt einen Geschmack für Kittelbergers Lyrik (Nr. 13):
Suche keinen sichern Ort,
wo du kannst geruhig wohnen.
Grabe nicht nach einem Hort,
der die Mühen möge lohnen.
Folge mutig dem Gefühl,
das dem Herzen froh entsprießet.
Immer bist du an dem Ziel,
wenn sich’s frei aus dir ergießet.
Neben diesen sehr privaten Zeugnissen lässt nur eine Akte (Nr. 14) Walter Kittelberger in seinem Funktion als Pfarrer herausscheinen. Diese enthält vertrauliche Briefe an ihn als Seelsorger der Evangelischen Gemeinde Conweiler: Es geht in ihnen um das Anzeigen eines Ehebruchs, die Sorge um den Zustand einer Patin, die Bitte um Verzeihung und um einen Conweiler Maurer. Offenbar traute man Kittelberger vertrauliche und vermittelnde und Fähigkeiten zu.
Einen weiteren, nicht geringen Teil bilden Kalender und Tagebücher des Vaters. In einem dieser Tagebücher diente ein Genueser-Tortenrezept als Lesezeichen (Nr. 6).
Der Nachlass erhielt die Signatur D 139, umfasst 23 Akten mit einem Umfang von 0,2 lfm. und weist eine Laufzeit von (1907) 1911 bis 1939 und 1979/80 auf. Dessen Erschließungsdaten sind online recherchier– und die Akten selbst in unserem Lesesaal einsehbar.
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Lesezeichen mit Rezept fürr Genueser Torte im Tagebuch des Vaters, 1912, recto. LKAS, D 139, Nr. 62.
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Dasselbe, verso.
4. Dezember 2024 | Heinrich Löber | Bestand
Christian Gottlob Mann (1820-1891) war kein Pfarrer. Der gebürtige Horrheimer begab sich nach einer Glaserlehre auf eine dreijährige Wanderschaft (1839-1842), die ihn unter anderem durch den Nordschwarzwald und nach Pforzheim führte.
Anschließend besuchte Mann sechs Jahre lang die Evangelistenschule „Zur Hoffnung“ von Ernst Joseph Gustav de Valenti in Bern. Diese Zeit scheint ihn in seiner Frömmigkeit und Glaubenslehre geprägt zu haben. 1848 legte Mann schließlich die Dienstprüfung als Lehrergehilfe ab. Anschließend war er als Unterlehrer in seinem Heimatort Horrheim tätig. Danach wurde er Schulmeister in Hohenklingen (1854-1859) und schließlich für drei Jahrzehnte in Schützingen (1860-1890).
1855 heiratete er Wilhelmine Katharine Höschele aus Gerlingen. Am 3. Juli 1891 starb Christian Mann in Waiblingen.
Der kleine, aber feine Nachlass wurde im April 2012 von Anna Spiesberger (Nr. 1-5) und im September 2024 von Heinrich Löber (Nr. 6-8) nacherschlossen. Auslöser waren die vier gebundenen Autographenbände, die dem Archiv mit Schenkungserklärung vom 21. November 2021 von einem Urenkel Christian Manns übergeben wurden.
Die zu einem Nachlass formierten Dokumente enthalten vor allem Reden in Gedichtform, aber auch Korrespondenz und Liedtexte. Darüber hinaus sind die genannten vier Bände mit „Betrachtungen“ zu Büchern des Neuen Testaments sowie Predigten und ‚Morgenstunden‘ aus Manns Zeit an der Predigerschule Dr. de Valenti in Bern überliefert.
Ein Fragment eines Ermahnungsgedichtes (undatiert; LKAS, D 58, Nr. 1) lässt seine von der Evangelistenschule geprägte Frömmigkeit erkennen:
Gott sagt:
Glaube! Denn ich kann retten.
Rufe! Denn du sollst beten.
Hoffe! Denn darfst trauen.
Warte, denn du wirst sehen.
Lob …
Der Bestand umfasst acht Akten in 0,2 lfm mit einer Gesamtlaufzeit von 1841 bis zum Todesjahr. Die Erschließungsdaten sind online recherchierbar , die Akten selbst können in unserem Lesesaal eingesehen werden.
Das Pfarrarchiv Schützingen befindet sich ebenfalls im Landeskirchlichen Archiv.
27. November 2024 | Uwe Heizmann | Bestand, Digitalisierung
Auf der Rechercheseite des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart kann über die Tektonik oder über die Suchfunktion nach vorhandenen Informationen zu Dekanats- und Pfarrarchiven recherchiert bzw. geschaut werden, von welchen Dekanats- und Pfarrorten Kirchenkonventsprotokolle online zur Verfügung stehen.
Das Archiv bietet nun zusätzlich einen „geografischen Zugang“ an, wodurch eine „geografische“ Suche nach vorhandenen Informationen möglich ist. Hierzu können über den DARIAH-DE Geo-Browser zwei Karten angezeigt werden, auf denen die Orte, zu denen Informationen vorliegen, als orange Punkte zu sehen sind.

Geo-Browser Dekanats- und Pfarrarchive

Anzeige der Metadaten 2
Auf der ersten Karte können über die orangen Punkte die Informationen zu den Archiven der Dekanats- bzw. Pfarrämter angezeigt werden, wohin der jeweilige Ort eingepfarrt ist bzw. war. Aufgrund teils wechselnder Filialverhältnisse können bei einigen Orten auch mehrere Archivbestände angezeigt werden. Durch einen Klick auf den Namen des Dekanats- bzw. Pfarramtes kann direkt zum entsprechenden Bestand auf der Rechercheseite des Archivs gesprungen werden. Die Struktur des Bestandes kann dort über das weiße Kreuz auf schwarzem Grund aufgeklappt werden. Weitere Informationen zur Benutzung der Rechercheseite sind auf suche.archiv.elk-wue.de zu finden.
Die Art der zu den Dekanats- bzw. Pfarrarchiven vorhandenen Informationen ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von eingescannten Fragebögen aus den 1930er bis 1950er Jahren, über eingescannte Archivinventare aus den 1960ern bis 1990ern, bis hin zu vollständigen Datenbanken. Außerdem kann ein Archivbestand auch nur für die Onlinestellung der Kirchenkonventsprotokolle angelegt worden sein, so dass keine weitere Information vorliegt.

Geo-Browser Kirchenkonventsprotokolle online

Anzeige der Metadaten 1
Auf der zweiten Karte sind die Dekanats- bzw. Pfarrorte zu finden, von denen gescannte Kirchenkonventsprotokolle online zur Verfügung stehen. Auch hier kann durch einen Klick auf den Namen des Dekanats- bzw. Pfarramtes direkt zum entsprechenden Bestand auf der Rechercheseite des Archivs gesprungen werden.
Die Karten können durch einen Klick auf den schrägen Doppelpfeil rechts oben im Vollbild angezeigt werden.
Dekanats- und Pfarrarchive:
DARIAH-DE Geo-Browser Ehttp://geobrowser.de.dariah.eu/embed/?kml=https://www.archiv.elk-wue.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/E_landeskirchlichesarchivneu/KML/EABW_Kirchenkonventsprotokolle_online.kmlmbedded Mode
Online zur Verfügung stehende Kirchenkonventsprotokolle:
http://geobrowser.de.dariah.eu/embed/?kml=https://www.archiv.elk-wue.de/fileadmin/mediapool/gemeinden/E_landeskirchlichesarchivneu/KML/EABW_Dekanats_und_Pfarrarchive_W.kml
20. November 2024 | Daniel Miller Martínez | Bestand
Friedrich Wilhelm Wittmann, auch bekannt als Benno oder Fritz, wurde am 2. Februar 1917 in Bürg bei Neuenstadt am Kocher geboren. Er begann seine akademische Laufbahn in Schöntal und setzte sein Studium in Tübingen und Rostock fort. 1939 bestand er seine erste Dienstprüfung und war auf dem Weg, eine Karriere im Predigtamt zu beginnen.
Der Zweite Weltkrieg unterbrach jedoch seine Pläne. Friedrich Wittmann wurde 1945 bei Lübben an der Spree vermisst und konnte seinen Berufswunsch nicht mehr verwirklichen. Während des Krieges war er nicht an der Front, sondern arbeitete an der Reparatur von Eisenbahnschienen und Brücken. Von 1940 bis Anfang 1942 war er in Frankreich tätig, danach im Osten bis zu seinem Tod.
Er pflegte enge Beziehungen zu seiner Familie und seinem Freund Karl Merz, mit dem er oft korrespondierte. Die beiden diskutierten über verschiedene Themen und hielten ihre Freundschaft durch die Jahre aufrecht. Richard Zeller, ein weiterer Freund, schickte regelmäßig Rundbriefe an die ehemaligen Promovenden von Schöntal.
Seine Zeit im Krieg dokumentierte er durch zahlreiche Bilder. Diese zeigen ihn bei der Arbeit, auf Soldatenfriedhöfen und in Gruppen mit seinen Kollegen. Einer dieser Gruppen nannte er „Wagen 3“. Diese Gruppe von Männern, die zusammenarbeiteten, reisten und lebten, wurde im Laufe der Zeit zu einer engen Gemeinschaft.
Friedrich Wilhelm Wittmanns Leben war geprägt von seinen engen Freundschaften und den Herausforderungen des Krieges. Seine Geschichte bleibt ein Zeugnis seiner Zeit und seiner unerschütterlichen Beziehungen.
Sein Nachlass befindet sich im Landeskirchlichen Archiv als Bestand D 146. Das Bestandsinventar kann hier online eingesehen werden.
6. November 2024 | Lorenz Walch | Bestand
Nach mehreren Wochen Bearbeitungszeit ist das Pfarrarchiv Birkenfeld (Württ.) nun erschlossen. Der Bestand ist online hier zu finden und kann im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart eingesehen werden.
Das Pfarrarchiv der im Kirchenbezirk Neuenbürg gelegenen Kirchengemeinde Birkenfeld enthält über 400 Signaturen, darunter auch alte Dokumente aus dem 16. Jahrhundert und Akten der bürgerlichen Gemeinde (v.a. Bürgermeisterrechnungen, Inventarien und Gerichtsprotokolle).

Gemeindechronik (Auswahlseite). LKAS, Pfarrarchiv Birkenfeld, Nr. 130.
Neben vielen Rechnungen sind auch einige dezidiert ortsgeschichtlichen Unterlagen vorhanden. Zum Beispiel eine Ortschronik, die vermutlich in den 1920er Jahren von Pfr. Wilhelm Kunz begonnen wurde und in den 50er und 60er Jahren weitergeführt wurde. Sie enthält Fotografien aus dem Gemeindeleben der Nachkriegszeit, z.B. von der Einweihung der Kirchenglocken, vom Bau des Martin-Luther-Gemeindehauses oder vom Besuch des Kirchentages in Stuttgart 1952. Diese Ortschronik wurde digitalisiert und ist hier einsehbar.
Des Weiteren könnten auf Interesse stoßen: die Chronik des Mädchenkreises 1899-1959 (Nr. 186) mit vielen Fotographien, Dokumente aus der Zeit des Nationalsozialismus (z.B. Fahrnisverzeichnis 1934, Nr. 69 und Pfarrberichte 1933-1961, Nr. 410) oder die vielen Bausachen (z.B. Kirchbau 1876, Nr. 317).
Das Lied „Mein Birkenfeld, wie bist du schön“, stammt von Pfarrer Wilhelm Göhner und wurde in Handschrift von Pfarrer Kunz im Pfarrarchiv (Nr. 192) gefunden.

Die Birkenfelder „Nationalhymne“ „Mein Birkenfeld, wie bist du schön“ von Wilhelm Göhner, aufgeschrieben in Kurrentschrift vermutlich von Pfarrer Wilhelm Kunz (Nr. 192).
Mein Birkenfeld, wie bist du schön,
Du bist mein Paradies auf Erden!
Umkränzt von lieblicher Natur,
hier kann ich froh und glücklich werden.
Die sanften Höhen, das stille Tal,
der blasse Himmel überall –
Mein Birkenfeld, wie bist du schön
du bist mein Paradies auf Erden!
Mein Birkenfeld, wie bist du schön,
du bist mein Paradies auf Erden!
Begrüßt von Flüssen und von Au‘n,
kann ich getrost zur Arbeit treten.
Die Lerche jauchzt, der Buchfink singt,
das Häslein mir entgegenspringt.
Mein Birkenfeld, wie bist du schön,
du bist mein Paradies auf Erden!
Mein Birkenfeld, wie bist du schön,
du bist mein Paradies auf Erden!
Hier labt mich deine Himmelsluft,
die mutig macht in Kampf und Nöten.
Ich bau das Feld, ich form das Gold,
bis mich mein Gott von dannen holt.
Mein Birkenfeld, wie bist du schön,
du bist mein Paradies auf Erden!
23. Oktober 2024 | Lorenz Walch | Bestand
Nach mehreren Wochen Bearbeitungszeit ist nun der Bestand der Evangelischen Sammlung (K42) erschlossen und kann im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs eingesehen werden (unter Berücksichtigung der Sperrfristen). Auch eine Online-Recherche ist möglich.
Die Gründung der Evangelischen Sammlung in Württemberg war bedingt durch die theologischen und kirchlichen Veränderungen im Zuge der 68er-Bewegung. Zentrale Gründungsgestalt war der Esslinger Dekan Kurt Hennig. Man nahm Anstoß an der Politisierung der Kirche, dem Herauslösen der Verkündigung aus der Diakonie und der Infragestellung der Zuverlässigkeit und Autorität der Bibel. Deshalb wurde noch im Gründungsjahr 1969 eine Erklärung verabschiedet, die „in der Verworrenheit der gegenwärtigen Lage“ der Kirche „einige unabdingbare Grundlinien“ markieren wollte. Diese Erklärung wurde noch im selben Jahr von hunderten Personen unterschrieben, darunter über 400 Theologen der Württembergischen Landeskirche, u.a. auch Altbischof Martin Haug und Schriftsteller Albrecht Goes. Die Evangelische Sammlung wurde in den folgenden Jahren zu einem prägenden Faktor der württembergischen Kirchenpolitik. So waren die beiden Landesbischöfe Hans von Keler (1979-1988) und Theo Sorg (1988-1994) vor ihrem Bischofsamt zeitweise Vorstandsmitglieder der Evangelischen Sammlung.
Interessant dürften v.a. die Korrespondenzen (K42 Nr. 1-14) sowie die Vorstandsprotokolle (Nr. 19-20) sein. Besonders hervorzuheben ist die Auseinandersetzung um „Brot für die Welt“ (Nr. 14), in deren Zusammenhang Hansfrieder Hellenschmidt vom Amt des Schriftleiters und Dekan Werner Zeeb vom Amt des Vorsitzenden zurücktraten. Die Verhältnisbestimmung der Evangelischen Sammlung zur Ludwig-Hofacker-Vereinigung, zur Bekennntisbewegung „Kein anderes Evangelium“ und zur Konferenz Bekennender Gemeinschaften, die immer wieder in den Korrespondenzen und Protokollen begegnet, gibt Einblick in die komplexe Entwicklung und Geschichte der „evangelikalen“ Bewegung in Deutschland. Die Betätigung der Sammlung in Bezug auf die EKD (Ablehnung der Grundordnung 1976) und den ÖRK (z.B. Kritik an der Unterstützung von gewalttätigen afrikanischen Befreiungsbewegungen 1977-78) könnte ebenfalls auf Interesse stoßen.
Die Bestandsgeschichte und ein kurzer Überblick über die Geschichte der Evangelischen Sammlung in Württemberg können hier gefunden werden.
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Brief von Albrecht Goes an Dekan Hennig. LKAS, K48, Nr. 1
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Brief von Dekan Kurt Hennig an Goes. LKAS, K48, Nr. 1
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24. September 2024 | Uwe Heizmann | Bestand, Digitalisierung
Nachdem bereits die Pfarrberichte bis ca. 1923 im Bestand A 29 seit Juni 2022 online stehen und die Benutzung derselben im Dezember 2023 verbessert wurde, stehen nun die Pfarrberichte (Pfarrberichte, Visitationsberichte und Inspektionsberichte) aus dem Zeitraum 1924 bis 1966 (vereinzelt auch früher oder später) im Bestand A 129 online zur Verfügung.
Die vom Ortspfarrer verfassten Pfarrberichte enthalten Informationen zur Kirchengemeinde, ihrem immobilen und mobilen Eigentum, zum Pfarrer und zum Kirchengemeinderat, aber auch zum Verhältnis zur katholischen Kirche, zu Sekten und zu den politischen Parteien sowie zu Schule und Religionsunterricht und zu den örtlichen sozialen Verhältnissen und etliche weitere Informationen. Die Pfarrberichte aus den 1930er und 1940er Jahren berichten zudem über die Verhältnisse zum Nationalsozialismus, Krieg, Kriegsende und Verhältnisse zu den als so genannte „Neubürger“ aufgenommen Flüchtlingen aus den Ostgebieten.
Zwei Anleitungen für die Erstellung eines Pfarrberichts sind im Abschnitt „Muster für Pfarrberichte“ zu finden, anhand denen genauer ersichtlich ist, was genau ein Pfarrbericht enthalten kann.
Die vom Dekan bzw. Prälaten, teils auch vom Schuldekan verfassten Visitationsberichte bzw. Randbemerkungen zu den Pfarrberichten und die Inspektionsberichte geben die Sicht des Visitators wieder und können in manchen Fällen auch der Sicht des Ortspfarrers widersprechen.
Weiter unten sind Beispiele zu den verschiedenen Thematiken aufgelistet.
Die Pfarr–, Visitations- und Inspektionsberichte sind keineswegs nur Quellen für Forschungen im engeren Gebiet der Kirchen- und Schulgeschichte, sondern auch für Fragestellungen aus dem Gebiet der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der politischen Geschichte – v.a. aus den 1930er und 1940er Jahren – oder der neueren Kulturgeschichte. Diese Quellengattung kann also für die ganze Bandbreite an Forschungsmöglichkeiten herangezogen werden, von der Bachelor- und Masterarbeit über die Doktorarbeit bis hin zur Habilitationsschrift und anderen akademischen Forschungen, aber auch für die Orts- und die Personengeschichtsschreibung.
Die Akten mit den Pfarrberichten sind pro Ort jahrgangsweise verzeichnet. Die Titelinformationen enthalten ferner Angaben zu den Filialen. Aufgrund der teils komplexen Parochialverhältnisse oder wegen der teilweise großen Anzahl an Filialen und Nebenorten sind diese jedoch nicht bei jeder Akte (vollständig) angegeben.
In einigen Fällen, in denen die Akten sehr umfangreich sind, ist im Enthält-Feld ein Inhaltsverzeichnis und im METS-/DFG-Viewer ein Inhaltsverzeichnis mit Sprungmarken zu finden. Aufgrund des Aufwandes konnte dies nur für einen kleinen Teil der Akten gemacht werden.
Die Pfarrberichte können abhängig davon, was der Pfarrer alles berichten wollte, sehr umfangreich sein und teils 50 Seiten und mehr umfassen. Beispielsweise schreibt der Dekan zum Pfarrbericht 1955 von Neckarhausen (49 Seiten): „Nachdem der Pfarrbericht schon fast ein Buch geworden ist, möchte ich auf einen ausführlichen Beibericht verzichten.“ (Nr. 3566-7, Beibericht des Dekans).
Insgesamt umfassen die Pfarrberichte im Bestand A 129 7.154 Verzeichnungseinheiten mit 143.934 Digitalisaten. Informationen zur Benutzung der Digitalisate bzw. zur Bedienung der Rechercheseite sind auf suche.archiv.elk-wue.de zu finden.
Beispiele zu den verschiedenen, in den Pfarrberichten behandelten Thematiken
Im Folgenden ist der Wortlaut aus der jeweiligen Quelle unverändert wiedergegeben, auch wenn die ein oder andere Formulierung unangemessen erscheint oder anstößig ist. Lediglich vorhandene Personennamen wurden abgekürzt.
Beurteilung der Pfarrer und Kirchenpfleger
Beurteilung der Bevölkerung
Verhältnis zu den Katholiken
Freikirchen und Verhältnis zur Religion
Verhältnis zum Nationalsozialismus
Sexualmoral und Abtreibung
Hexerei und Zauberei
Zustand des Pfarrhauses
Predigt im Radio
Maulbronn und sein Kloster
Beurteilung der Pfarrer und Kirchenpfleger
„Das Protokollbuch weist Lücken auf, die Verhandlungsniederschriften sind teilweise ganz dürftig, Unterschriften fehlen, seelsorgerliche und allgemeinkirchliche Fragen sind nicht besprochen worden. Ein trübes Bild der Amtsführung eines gewissenlosen Pfarrers.“
Aus dem Visitationsbericht Grabenstetten 1937 (LKAS, A 129, Nr. 3282-5).
„Pfarrer L. gehört zu den originellen Geistern unter den Ostpfarrern. Seiner Individualität nach ist er eine eigentümliche Mischung aus Gemüt (Humor,Beobachtungs -und Erlebnisgabe,Gedächtnis) und Sorglosigkeit (in puncto Handschrift,Orthographie,Formen des amtlichen Verkehrs,Verwaltung);“
Urteil des Dekans von Weikersheim über den Pfarrer von Vorbachzimmern 1951 (Nr. 3890-3, Visitationsbericht, S. 1). Bemerkenswert ist, dass der Dekan dies genauso, mit den fehlenden Leerzeichen nach dem Komma, geschrieben hat.
„Das Pfarrhaus ist kein schwäbisches Pfarrhaus. Weil das kinderlose Ehepaar stark seinen bürgerlichen hobbies [!] lebt (Autos, Hund u.a.). Die Pfarrfrau gibt sich redlich Mühe, aber schon die sprachliche Verständigung mit den Dorfbewohnern ist schwer.“
Visitationsbericht Möhringen 1965 (Nr. 3538-3, Visitationsbericht, S. 3).
„Es ist ihm nicht gelungen, sich in diesem ersten Amtsjahr mit den wesentlichen Dingen seines Amtes zu beschäftigen, sondern er verplempert seine Zeit und Kraft mit vielen Nebensächlichkeiten. […] Er schreibt dann unzählige Briefe und Denkschriften überallhin und wird der Schreck aller Ämter. […] Zu all dem Genannten tritt ein unernstes, unreifes Gehabe, z.B. schlechte Tischsitten, Herumvespern in der Gemeinde, gelegentlich auch dumme Sprüche und törichte Ausreden. […]
Bedauerlich ist endlich, daß das Ansehen des Pfarrers auch durch die Pfarrfrau untergraben wird. Diese versteht vom Haushalt, insbesondere vom Kochen, gar nichts. Ihre Kinder sind die schmutzigsten im Dorf. Sie selbst ist in der Kleidung eine Schlampe, daß man sich in der Gemeinde und im Pfarrkranz gleichermaßen entsetzt.“
Urteil des Dekans über den Pfarrer von Wiesenbach und dessen Ehefrau 1966 (Nr. 3945-11, Visitationsbericht, S. 1f).
„Kirchenpfleger G. verwaltet die Kirchenpflege nicht gewissenhaft genug, er ist schlampig und oberflächlich. Die Kasse ist auch nie in Ordnung. […] Am Liebsten würde ich ja beantragen, daß die Kirchengemeinde Benzenzimmern sich nach einem andern Kirchenpfleger umsieht, aber bei den besonderen Verhältnissen in Benzenzimmern, wo die halbe Gemeinde mit Kirchenpfleger G. verwandt ist und auch in anderen Angelegenheiten der Kirchengemeinde ein verschworenes Lager bildet, möchte ich von diesem Antrag aber zunächst mit Rücksicht auf den Frieden in der Kirchengemeinde Benzenzimmern, dann aber auch mit Rücksicht auf Pfarrer O., der wohl sehr darunter zu leiden hätte, absehen.“
Visitation Kirchheim/Ries-Benzenzimmern 1958 (Nr. 3426-7, Bemerkungen des Dekans, S. 2f).
Beurteilung der Bevölkerung
„Wirtshausbesuch der Burschen beginnt mit 17 Jahren, wenn der Vater zur Feier des Sonntags ein paar Pfennige herausrückt oder irgendwo ein Trinkgeld abgefallen ist. Man sitzt dann mehr oder weniger trübselig aber im Vollgefühl seiner männlichen Würde stundenlang hinter einem Glas Bier.“
Pfarrbericht Kocherstetten 1935 (Nr. 3436-4, Pfarrbericht, S. 10f).
„Schönaich hat in der Tat einen recht eigenen Charakter, welcher wohl auf viel fremdes Blut zurückzuführen ist, das nach dem 30jährigen Krieg hereinkam. Die Leute dort sich recht aufgeweckt, geistig regsame, und doch auch wieder zäh.“
Bemerkung des Dekans zum Pfarrbericht Schönaich 1933 (Nr. 3759-3, Bemerkung des Dekans, S. 1).
Die „Auswirkung“ des „fremden Bluts“ durch Zuzug nach dem 30jährigen Krieg beurteilt ein anderer Autor anders:
„Die Gründe für diese gewohnheitsmässige Unchristlich- und Unkirchlichkeit sind auch dieselben geblieben, ja es ist durch neuere Entwicklung ein weiterer dazugekommen.
a.) Ein Hauptgrund dürfte in der Struktur der Gemeinde zu finden sein. Die Gegend hat keinen eigenen völkischen Charakter, sie ist nicht schwäbisch, nicht fränkisch, nicht pfälzisch – und doch alles zugleich; dazu kommt dann noch ein kräftiger Tropfen Waldenserblut. Sodann ist das Gebiet wiederholt, bes. im 30jährigen Krieg arg mitgenommen und entvölkert worden, und wurde dann Auffüllgebiet. Die Zugezogenen werden auch nicht die edelsten ihres Stammes gewesen sein.
b.) Weiter wird ein Grund die Berufs- u. Standesschichtung sein. Die Steinhauer sind rauhe [!] Menschen, die jederzeit eine Vorliebe für Alkohol haben. reine [!] Bauern gibt es im Ort wenigstens nicht, oder nichtmehr, so ist man beides zugleich, Bauer und Arbeiter und keines ganz und teilt die Unzufriedenheit beider. Daneben stehen zahlreiche Beamte, von deren Standesdünkel man sich aus der Vergangenheit tragikomische Geschichten erzählt, und der auch heute noch nicht verschwunden ist, wenn er auch einen kräftigen Stoss erlitten hat.“
Pfarrbericht Maulbronn 1937/38 (Nr. 3514-4, Pfarrbericht, S. 1).
„Die Gemeinde Loffenau nimmt unter den Gemeinden des Bezirks eine Sonderstellung ein. Ihre Abgelegenheit und die dadurch bedingte jahrhunderte [!] lange Inzucht hat eine Bevölkerung geschaffen, in der geistig minderbegabte und psychisch labile Menschen einen hohen Prozentsatz bilden. Die einst oft lieblose Behandlung durch die Landeskirche – Strafstelle – und der wohlgemeinte Eifer früherer Pfarrer, jeden Pietismus fernzuhalten, hat dazu geführt, dass der ‘Separatismus‘ heute in Form von Freikirchen und Sekten in einer Mächtigkeit vertreten ist, wie in keiner 2. Gemeinde des Bezirks.“
Visitation in Loffenau 1954 (Nr. 3482-4, Visitationsbericht des Dekans, S. 1).
Verhältnis zu den Katholiken
„In letzter Zeit waren verschiedenen Mischehen zu trauen, bei denen jedoch stets evang. Kindererziehung gesichert werden konnte. Aber von Seiten des kath. Pfarramts wurde alles versucht, um dies zu verhindern. Der kath. Geistliche in Empfingen wollte den Bräutigam veranlassen, seine Braut wegen des vorhandenen Kindes auszubezahlen und nicht zu heiraten. Bei einem andern Fall schloß der kath. Geistliche von Nordstetten den kath. Bräutigam von der Kanzel aus feierlich von der Kirche aus und warnte vor dem Verkehr mit seinem Elternhause. Abends stand er persönlich Posten vor dem Gasthaus, in dem die Hochzeit stattfand, um alle Mädchen heimzuschicken, die zum Tanz wollten.“
Pfarrbericht Mühlheim am Bach 1928 (Nr. 3546-2, Pfarrbericht, S. 10f).
„Die Katholiken nehmen leicht zu durch Zuzug von Angestellten der Strickerei G.m.b.H. und der Ob. Elektr.-werke; die Gefahr der Mischehen ist vermehrt. Aber noch immer werden die Katholiken vielfach geistig aufgesaugt von ihrer evangelischen Umgebung, ausgenommen natürlich die Unkirchlichen. Bei der erdrückenden evangelischen Mehrzahl ist kein Boden für konfessionelle Reibereien.“
Pfarrbericht Mägerkingen 1931 (Nr. 3500-2, Pfarrbericht, S. 5).
„Direkte Eingriffe haben nicht stattgefunden. Ein ev. Mädchen von hier hat sich im Herbst 1929 katholisch trauen lassen, weil sie angeblich später in die Heimat des kath. Mannes ziehen wollen und sie es dort sonst nicht aushalten könne. Das Paar lebt aber noch hier und hat jetzt zwei kath. getaufte Kinder. Ein hier wohnhafter kath. Kaufmann hat sich seine evang. Frau von Baiersbronn geholt. Auf den Druck seiner Eltern hin liessen sie sich ebenfalls katholisch trauen. Es ist aber auch erfreulich, wie andere junge Leute fest hinstehen und ev. Trauung durchsetzten [!], auch wenn sie in vorwiegend kath. Gegenden kommen.“
Pfarrbericht Mühlhausen am Neckar 1932 (Nr. 3533-3, Pfarrbericht, S. 19).
„Seit kurzem […] ist mit dem katholischen Stadtpfarramt Bietigheim ein Vertrag bezüglich Benützung der Kirche zu kath. Gottesdiensten abgeschlossen worden, der damit begründet wurde, daß für alte und kränkliche Katholiken der Weg zur kath. Kirche in Bietigheim zu weit sei. Der wahre Grund dürfte der sein, daß etliche Katholiken sich in Metternzimmern zur evang. Kirche halten, besonders etliche Kinder.“
Visitationsbemerkungen des Dekans zum Pfarrbericht Metternzimmern 1948 (Nr. 3525-6, Visitationsbemerkungen, S. 1).
„Das Verhältnis zur Katholischen Kirche, die in Hofen eine sehr bewußte Vertretung hat, ist gut, wie schon an der Überlassung des katholischen Kinderschülchens zu evangelischen Gottesdiensten zu erkennen ist. Eine kurze Auslassung des Unterzeichneten über die Auswirkungen des neuen Mariendogmas im Ortsteil des Ev. Gemeindeblattes vom November 1950 veranlaßte den katholischen Pfarrer von Hofen zu einer vierseitigen Entgegnung in seinem Gemeindeblatt, die sichtlich der Sorge um seine Seelsorgekinder entsprungen war. Diese Kontroverse hat jedoch das freundlich korrekte Verhältnis zwischen beiden Gemeinden nicht gestört.“
Pfarrbericht Mitteltal 1951 (Nr. 3545-4, Pfarrbericht, S. 9f).
„Das evang. Element gewinnt stetig an Vorrang. Selbst kath. Kinder kommen zu unserem Kindergottesdienst. Die Katholiken hier haben wenig Kinder. Soweit sie nicht abziehen, werden sie wohl im Laufe der Jahre aufgesogen werden.“
Visitation in Botenheim 1956 (Nr. 3101-6, Pfarrbericht, S. 6f).
„Das Verhältnis zur katholischen Gemeinde ist mit dem Bau einer katholischen Kirche, deren Weihe am 24. Juni erfolgte, in ein neues Stadium getreten. Es gilt, wachsam zu bleiben und die klare evangelische Linie festzuhalten. Besondre Gefahrenpunkte sind die katholische Beichtpraxis und die Mischehenpraxis. Vor der Eingehung einer Mischehe kann nicht eindringlich genug gewarnt werden. Auf die Auswirkungen der katholischen Volksmission ist besonders zu achten.“
Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll Neckartenzlingen 1956 (Nr. 3571-10, Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll, S. 2).
„Die katholische Kirche ist in den letzten Jahren durch den Zuzug der Heimatvertriebenen stark gewachsen. Sie hat eine neue große Kirche gebaut. Das Verhältnis zu ihr und ihrem Leiter, Stadtpfarrer Schmitt, ist freundlich, zu besonderen Veranstaltungen (Einführung des neuen evang. Pfarrers, Grundsteinlegung der katholischen Kirche) wird der Pfarrer der anderen Konfession eingeladen und zum Sprechen aufgefordert.“
Pfarrbericht Metzingen 1957 (Nr. 3524-9, Pfarrbericht, S. 15).
„Die katholische Gemeinde […] hat in Maulbronn seit 1956 eine eigene Kirche und seit 1958 einen eigenen Kindergarten. Das Verhältnis zu dem katholischen Pfarrer hätte ich mir vom Oberland aus, wo ich 25 Jahre war, schöner vorgestellt, wenn es auch nicht zu irgendwelchen Konflikten kam. Aber die Art der Werbung für den katholischen Kindergarten und die Gerüchte über Ausfälle gegen die evangelische Seite von der Kanzel erhöhen auch bei anderen nicht das Ansehen des katholischen Stadtpfarrers. Bei der Einweihung der katholischen Kirche 1956 erinnerte er an die Trauer bei der Tempeleinweihung nach der Gefangenschaft in der Erinnerung an die Herrlichkeit des ersten Tempels. ‘Ähnlich mag es manchen unter uns heute gehen‘.“
Pfarrbericht Maulbronn 1961 (Nr. 3514-7, Pfarrbericht, S. 13f).
Freikirchen und Verhältnis zur Religion
„Münster ist bestimmt durch die große Neuapostolische Gemeindebildung, die den zur Zeit größten ‘kirchlichen‘ Raum am Ort hat, und durch die böse Pfingstbewegungsgemeinde von H. L. (z. Z. Krähwinkel bei Schorndorf). Ich fürchte, daß [Pfarrer] K. ihre Tätigkeit etwas zu optimistisch beurteilt. Das stärkste Kennzeichen Münsters aber ist der totale Unglaube, die Gottlosigkeit als Normalzustand, das Ergebnis des Freidenkertums während und nach dem ersten Weltkrieg.“
Bemerkungen des Prälaten zur Visitation Münster am Neckar 1952 (Nr. 3553-3, Bemerkungen des Prälaten).
Verhältnis zum Nationalsozialismus
„Wir dürfen mit Dank anerkennen, dass unser Volk durch die nationale Revolution vor dem Bolschewismus bewahrt geblieben ist und stellen und vertrauensvoll auf den Boden des nationalen Staats. […] Wenn die SA und HJ in letzter Zeit ihre Leute am Sonntag morgen [!] auch während der Zeit des Gottesdienstes zu Übungen in Anspruch genommen hat, so ist das als eine Übergangserscheinung zu betrachten, die wieder verschwinden wird, wenn man die hereindrängenden Massen etwas in die Hand genommen hat.“
Merklingen (Weil der Stadt), Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll 25.06.1933 (Nr. 3523-3, Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll, S. 1).
„Die Sonntagsheiligung befindet sich stark in Auflösung. Seitdem am Sonntag Vormittag [!] S.A., H.J. pol. Leiter usw. ihren Dienst ansetzen und durchführen, fällt in weiten Kreisen beim Versäumen des Gottesdienstes am Sonntag Morgen [!] auch das schlechte Gewissen weg.“
Pfarrbericht Merklingen (Weil der Stadt) 1937 (Nr. 3523-4, Pfarrbericht, S. 2).
Sexualmoral und Abtreibung
„Einer Aeuserung der hiesigen Hebamme nach scheint die Abtreibung in manchen Familien überhaupt noch nicht bekannt zu sein. Doch wird wohl auch einmal im Blick auf kinderreiche Häuser gesagt: wie kann man auch so viel Kinder haben, wenn es Mittel dagegen gibt!“
Pfarrbericht Mitteltal 1932 (Nr. 3533-3, Pfarrbericht, S. 4).
„Im Dorf herrscht ein Kommen und Gehen. Auch sonst herrscht viel Unruhe im Dorf, eben weil man auf der Jagd nach dem Glück ist.. Uneheliche Geburten sind selten. Man weiß sie zu vermeiden.. […]
Voreheliche Geschlechtsgemeinschaft …bis das Kind kommt…. werden unumwunden zugegeben.“
Pfarrbericht Mönsheim 1961 (Nr. 3536-7, Pfarrbericht, S. 3). Die mehrfachen Punkte stammen vom Autor des Pfarrberichts.
Hexerei und Zauberei
„Erwähnt muss noch werden der Bauer F. M. auf dem Oedenhof. Er gilt als der Zauberei verdächtig. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, da er anscheinend mit mehr als 5 Büchern Mose rechnet, und da er seinen Bergspiegel um die Zeit der 12 heiligen Nächte an einem Kreuzweg vergraben soll. Ich glaube aber, dass bei ihm auch gewisse natürliche Gaben auf dem Gebiet des Hellsehens und der Naturheilkunde vorliegen, vielleicht auch suggestive und magnetische Kräfte.“
Pfarrbericht Mitteltal 1932 (Nr. 3533-3, Pfarrbericht, S. 16).
„Seit mehreren Jahren wird in unserer Gemeinde eine Familie in ungerechter Weise der Hexerei bezichtigt. Doch schlummerte die Sache bis zum Frühjahr 1958 mehr oder weniger ‘unter der Decke‘. Im April dieses Jahres entpuppte sich plötzlich der Vater einer Flüchtlingsfamilie mit 8 Kindern als Hexenbanner. Bei verschiedenen von der Hexerei angeblich ‘betroffenen‘ Familien sprach er vor und bot seine Künste an. Offensichtlich war diese Kunst sowohl weisse als auch schwarze Magie. Als eine der Familien nicht sofort zu seinen Diensten stand, weil sie bisher in gutem Einvernehmen mit der Hexenfamilie lebte und diese von diesem Treiben unterrichtete, da flammte die ganze Sache auf und brannte, zum Ergötzen einiger Mißmacher [!], aber auch zum Verdruß nicht weniger Gemeindeglieder, lichterloh. Besonders aufgebracht und bis aufs äusserste erregt zeigte sich die der Hexerei bezichtigt Familie. Zum Glück blieb der Brand bis heute auf die Muttergemeinde Beimbach beschränkt. Während der Pfarrer und mit ihm einige Gemeindeglieder versuchten, die einen von dem Irrtum solchen Treibens zu überzeugen, die andern zur gegenseitigen Versöhnung zu ermahnten und vor allem die verleumdete Familie herzlich und dringend zu bitten, sich von solchem Geschwätz nicht beunruhigen zu lassen, hatte eine aussenstehende Person die Sache bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Darauf kam es – unter grosser Beleiligung [!] der Gemeinde – am 30. Okt. 1958 zur Gerichtsverhandlung in Langenburg. Dabei wurde der angebliche Hexenbanner wegen Verleumdung zu drei Wochen Gefängnis verurteilt. Noch kaum von Langenburg zurück, wurde dieser von seinen Anhängern dazu bewogen, Berufung einzulegen. Dies geschah. Nun warten beide Seiten, teils mit Zittern, teils mit Freude, ob es nocheinmal zur Verhandlung kommt.“
Pfarrbericht Beimbach 1959 (Nr. 3046-7, Pfarrbericht, S. 14f).
Zustand des Pfarrhauses
„Besondere Not macht in Schömberg die Frage der Pfarrwohnung für die Familien K. und B.. Familie K. ist bei ihrer Grösse durch das Mitwohnen der Familie des Kurpfarrers im Pfarrhaus ziemlich beengt. Eines der Kinder muss in der Registratur schlafen, ein Mädchenzimmer, das den Namen verdient, ist nicht mehr vorhanden. Jugendkreise müssen im Wohnzimmer der Pfarrfamilie stattfinden, da das Jugendzimmer als Amtszimmer für Pfarrer B. dient.
Dabei ist Familie B. völlig ungenügend untergebracht. Das Amtszimmer, ein früherer Pferdestall, ist feucht und kalt. Im Schlafzimmer der Familie B. sind im Winter die Aussenwände vereist. Sowohl das Wohn- als auch das Schlafzimmer sind viel zu klein. Das Kinderschlafzimmer ist ausser Hörweite des Elternschlafzimmers. Die Haushilfe muss auswärts schlafen.“
Inspektionsbericht Schömberg (Lkr. Calw) 1954 (Nr. 3758-5, S. 2).
„Wenn dazu noch eine solche Bruchbude von Pfarrhaus kommt, dann kann man, ohne Prophet zu sein, mit Sicherheit voraussagen, wieviele Bewerber sich, wenn Pfarrer K. einmal geht, für Schömberg finden werden, nämlich, wenn Gott nicht ein Wunder tut, kein einziger.“
Visitationsbericht Schömberg (Lkr. Calw) 1960 (Nr. 3758-8, Visitationsbericht, S. 3).
„P[farrer] P. wohnt in dem Pfarrhaus in solch einer Primitivität, daß seine Behausung eher an einen Gefechtsstand an der alten Rußlandfront erinnert wie an ein gastliches Pfarrhaus; er ‘zeltet‘ und ist jederzeit bereit, die Zeltpflöcke anderwärts einzuschlagen. Seine Frau ist nur sporadisch hier und hat die Wohnung im alten Großvillars, während er zwischen lauter zu Behelfsbücherständern verarbeiteten Holzkisten residiert. Dazu kommt, daß die Bauarbeiten an dem wegen des verfaulten Fachwerks zur Hälfte eingerissenen Kirchturm in vollem Gang sind und die Bauarbeiter im Pfarrhaus ein halbes Depot eingerichtet haben. So kann man verstehen, daß das Äußere seiner Umgebung sich gelegentlich in seinem Wesen spiegelt.“
Inspektionsbericht Unterheinriet 1963 (Nr. 3867-8, Inspektionsbericht, S. 1).
Predigt im Radio
„Manche Gemeindeglieder hören am Sonntag durch das Radio eine Predigt. Dabei werde aber von dem Gemeindeglied kein Bekenntnis in der Offentlichkeit [!] abgelegt, wie es durch den Kirchgang ein Bekenntnis zu seiner Kirche ablege.“
Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll Neckargartach 1932 (Nr. 3565-3, Auszug aus dem Kirchengemeinderatsprotokoll, S. 3).
Maulbronn und sein Kloster
„Wenn man von einer festgefügten, schwäbischen Gemeinde herkommt, erscheint einem Maulbronn wie ein Sandhaufen, in dem ein schwerer Stein, das Kloster liegt. Der Stein bleibt ein Fremdkörper in diesem Sandhaufen, auch wenn der Sandhaufen immer grösser wird.“
Pfarrbericht Maulbronn 1954 (Nr. 3514-5, Pfarrbericht, S. 1).
„Die Kirche steht noch im Dorf. Der Maulbronner ist stolz, auf ‘sein Kloster‘, auch wenn er es von innen noch gar nicht gesehen hat.“
Pfarrbericht Maulbronn 1954 (Nr. 3514-5, Pfarrbericht, S. 3). Diese Aussage trifft heutzutage wahrscheinlich auch noch auf manche Maulbronner zu.
18. September 2024 | Heinrich Löber | Bestand

Pfarrer Manfred Mehring mit seiner Verlobten Adelheid geb. Palm um 1863, LKAS, D-186, Nr. 64
Die zum „Nachlaß Manfred Mehring (1832-1888)“ formierte Überlieferung wurde in den letzten Monaten bearbeitet. Deren Erschließungsdaten können nun zielgerichtet recherchiert und die Nachlassakten in unserem Lesesaal eingesehen werden. Eine Online-Recherche kann hier durchgeführt werden.
Der Vorbachzimmerner, späterer Herrentierbacher Pfarrer Manfred Mehring war selbst nicht nur Sohn des Prälaten Gebhard von Mehring, Pfarrersenkel, Pfarrersvater und Pfarrersgroßvater, sondern auch Pfarrersurenkel. Allerdings handelt es sich bei seinem Urgroßvater um den fränkischen – und damit nicht württembergischen – Pfarrer Jakob Gebhard Mehring (um 1716-1784). Wir haben es also genau genommen mit mindestens sechs Pfarrergenerationen zu tun und damit können hier auf einen fortlaufenden geistlichen Dienst von 1746 bis 1970, als Enkel Rudolf Mehring (1907-1991), zuletzt Pfarrer in Baiereck, emeritiert wurde, verweisen.
Die Nachlassunterlagen dokumentieren diese württembergisch-presbyterologische Tradition sehr gut. So bestehen sie vornehmlich aus familienhistorischen Unterlagen und Privatkorrespondenz, aber auch aus Predigten, amtlichen Unterlagen und einigen Druckschriften. Dabei bilden Akten zu Manfred Mehring nur einen Teil, denn Unterlagen seines Vaters und Großvaters, seines Sohnes Hermann und seiner Schwiegerfamilien sowie zur württembergischen Pfarrerdynastie Mehring überhaupt sind wesentliche Bestandteile dieses Nachlasses. Zahllose Bilder und Fotos (ca. 1860-1940) sind im Bestand geblieben und dort grob sortiert (Nr. 64).
Ein Notabene sei gesagt: der ältere Sohn von Manfred Mehring, Gebhard (1864-1931), war Archivrat im Staatsarchiv Stuttgart.
Das Bestandsinventar finden Sie hier.
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Zur Erinnerung an Manfred Mehring. Gerabronn 1888 gedruckte Leichenpredigt u. a. Gedächtnisse, Exempl. der EHZ-Bibliothek Stuttgart Stuttgart, Sign. FS 945
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Evangelische Pfarrkirche Vorbachzimmern. Foto: Schorle https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pfarrkirche_Vorbachzimmern_02.jpg
17. Juli 2024 | Felix Kraeutl | Bestand
Fast ein Jahr nach dem Ende meines Freiwilligen Sozialen Jahres hatte ich nun die Möglichkeit, für ein zweiwöchiges Praktikum ins Landeskirchliche Archiv Stuttgart zurückzukehren. Es ist schön, wieder im Archiv zu sein, alte Kolleginnen und Kollegen wiederzusehen und neue Gesichter kennenzulernen. Es war interessant zu sehen, was sich in der kurzen Zeit alles verändert hat oder wie hoch der Erweiterungsbau inzwischen ist.
Diesmal galt es zunächst, den Nachlass von Pfarrer Erich Roller (1902-1975) zu erfassen. Dieser Nachlass mit der Bestandssignatur D 189 besteht hauptsächlich aus Predigten aus seiner Studien- und Vikarszeit sowie aus seiner ersten Station als frischgebackener Pfarrer in Tumlingen (1928-1936). So besteht der kleine Bestand hauptsächlich aus Predigten, wie z.B. die Predigt zur Einweihung der neuen Kirche in Tumlingen-Hörschweiler vom August 1929 (D 189, Nr. 1).
Außerdem ist ein Lebenslauf seines Urgroßvaters mütterlicherseits, Pfarrer Mag. Ludwig Friedrich Schmid (1798-1860; zuletzt Pfarrer in Neuffen), enthalten (D 189, Nr. 10) sowie ein Dokument über die Ausbildung künftiger Wehrmachtspfarrer (D 189, Nr. 11).
Der Bestand umfasst 19 Signaturen, eine Laufzeit von 1923 bis 1942 und einen Umfang von 0,2 lfd. m. Die Erschließungsdaten ist mittlerweile in unserer Online-Suche recherchierbar, die Akten selbst können in unserem Lesesaal eingesehen werden.
10. Juli 2024 | Felix Kraeutl | Bestand

Adolf Schreiber, LKAS
Was macht den 1894 in Urach (heute Bad Urach) geborenen und späteren Pfarrer Adolf Schreiber zu einer hochinteressanten Person? Ist es der Fakt, dass er 1933 in die NSDAP eintrat, der dass er 1943 bei der Bombardierung Mühlhausens der dortige Stadtpfarrer war oder doch der, dass er im Dezember desselben Jahres das jüdische Paar Krakauer bei sich im Pfarrhaus von Mühlhausen für einige Zeit aufnahm und versteckte?

Klasse des niederen theologischen Seminars Maulbronn, LKAS
Gustav Adolf Schreiber wurde als Sohn des Pfarrers Paul Schreiber geboren und schlug bereits vor dem Ersten Weltkrieg dieselbe Laufbahn ein, unterbrach sein Studium der Theologie aber, um seinen Dienst im ersten Weltkrieg zu leisten. Er wurde vier Mal verwundet und ausgezeichnet. Schreiber setzte nach dem Krieg sein Studium fort und wurde nach mehreren kleineren Stationen im Jahre 1931 Pfarrer in Onolzheim. Bereits hier in seiner ersten Stelle zeigte sich seine Gespaltenheit gegenüber der Hitlerbewegung, da er einerseits als pflichtbewusster Ex-Soldat Deutschland an die erste Stelle stellte und das neue Nationalbewusstsein begrüßte, andererseits aber bereits 1933 die Bewegung der Deutschen Christen als suspekt ansah. Er trat aus ihr aus, nicht zuletzt, weil für ihn die Ideen der „Glaubensbewegung“, wie z.B. die Entfernung des Alten Testaments aus der Bibel, unerträglich waren. Schreiber engagierte sich zunächst in der Partei und in der NSV (NS-Volkswohlfahrt), legte diese Ämter aber 1936 nieder. In seinem Brief an Rudolf Heß (1934) lassen sich Brüche mit der Partei erkennen, da ihm beispielsweise die bereits im Vorjahr beantragte NSDAP-Mitgliedskarte auf Gauebene verweigert wurde; Grund für diese Benachteiligung war seiner Meinung nach sein oben erwähnter Austritt aus den „Deutschen Christen“.

Max und Karoline Krakauer
Schreibers nun beginnende Auseinandersetzung mit der Partei wurde vor allem auf dem Rücken seiner Kinder ausgetragen, denn seine lokalen Gegner waren zwei Lehrer und ein SA-Mann, die z.B. seine Briefe an diese Lehrer ungeöffnet zurückgaben, was auch zu einer Anzeige gegen Schreiber wegen eines ungelesenen Schulbefreiungsgesuchs führte. 1939 wurde er von Onolzheim nach S-Mühlhausen versetzt, wo er bis zu seinem Tod blieb.
Der endgültige Bruch erfolgte 1941 mit der Beschlagnahme des Theologischen Seminars Maulbronn, an dem sein Sohn studierte, und der damit verbundenen kritischen Beobachtung und Kommentierung des Kriegsgeschehens und des Zeitgeschehens. Die endgültige Grenze der Legalität wurde, wenn nicht schon vorher, dann durch die Beteiligung der Pfarrhauskette erreicht, als sie in der Vorweihnachtszeit 1943 das jüdische Ehepaar Max und Karoline Krakauer für eine Woche bei sich aufnahmen und damit Leib und Leben riskierten. Bis zu seinem Tod 1945 blieb er kritisch und mutig.
Der Nachlass Adolf Schreibers ist heute unter der Signatur D9 verzeichnet und umfasst 70 Verzeichnungseinheiten auf 0,3 lfm. und hat eine Gesamtlaufzeit von 1936 bis 1945.
Das Inventar kann hier eingesehen werden: http://suche.archiv.elk-wue.de/actaproweb/document/Best_338b7a1f-a833-4a00-bcf6-b6a012a55de7
12. Juni 2024 | Uwe Heizmann | Bestand
Manuskripte von Predigten und Ansprachen sind nicht nur Quellen für die Forschung zu Predigten und Ansprachen an sich, sondern können auch die Haltung des Sprechers zu gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen widerspiegeln und sind damit auch hervorragende Quellen für die Forschung zur jeweiligen Person und deren gesellschaftliche und politische Entwicklung.
Private Nachlässe sind eine sinnvolle Ergänzung zur amtlichen Überlieferung in Form von Personal- und Ortsakten. Die amtliche Überlieferung gibt die Sicht des Dienstherrn auf eine Person wieder, die Nachlässe ermöglichen eine andere, eine private Sicht auf diese Person.
Erwin Raaf, Jahrgang 1909, begann 1936 seine Pfarrertätigkeit als Stadtvikar in Großbottwar, danach war er Pfarrverweser in Isingen, 1937 bis 1940 in Creglingen. 1940 wurde er auf die Pfarrstelle in Rosenfeld ernannt. Zum 12. September 1940, kurz nach seinem Stellenantritt, wurde er jedoch in die Wehrmacht eingezogen. Er diente zuerst in Frankreich, dann im „Ostraum“. Am 29. Juni 1941 wurde er in Russland schwer verwundet und ins Lazarett Greiffenberg in Schlesien verlegt. Später diente er zeitweise als Unteroffizier im Innendienst in Frankreich. Wegen Dienstunfähigkeit wurde er am 23. September 1942 aus dem Heeresdienst entlassen und konnte die Pfarrstelle in Rosenfeld antreten, die er bis 1957 innehatte. Danach war er bis 1967 Pfarrer in Klosterreichenbach, danach in Obertal (Baiersbronn). Zum 1. Mai 1975 wurde er offiziell in den Ruhestand versetzt, führte die Pfarrstelle aber noch einige Monate weiter. 1975 und 1976 übernahm er in Vakaturvertretung die Pfarrstelle in Dornstetten, 1980 und 1981 die in Fürnsal. Im Ruhestand lebte er in Unteriflingen, einem Ortsteil von Schopfloch (Lkr. Freudenstadt), wo er 2006 verstarb.
Raafs Nachlass (D 179,) enthält umfangreiche Predigtmanuskripte aus den Jahren 1934 bis 1987 (Umfang ca. 15 cm) sowie private bzw. persönliche Unterlagen, darunter auch Wehrmachts- und SA-Dokumente.
Von den Manuskripten sind zwei besonders hervorzuheben. Zum einen ist es die Predigt vom 14. Dezember 1941 in der Friedenskirche in Niederwiese bei Greiffenberg in Schlesien, wo Erwin Raaf nach seiner Verwundung im Juni 1941 einige Monate im Lazarett war. Zum anderen ist es die Ansprache bei der gemeinsamen Beerdigung eines deutschen und eines französischen Soldaten am 21. April 1945 in Brittheim, die leider durch Wasserschäden stellenweise unleserlich ist.
Neben den Predigten ist auch die Raafs Vortrag „60 Jahre Pfarrersleben“ von 1994 zu nennen, der auf Audiokassette und in Form von Audiodateien vorliegt.
Auch wenn der Bestand gerade einmal einen Umfang von 30 cm aufweist, so ermöglicht er dennoch eine Forschung zu Predigten aber auch zur Person Raafs über einen langen Zeitraum hinweg.
Im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart ist außerdem die Personalakte von Erwin Raaf überliefert (A 324, Nr. 2113).
Quellen:
– Ansprache 21.04.1945 aus: LKAS, D 179, Nr. 7
– Predigt 14.12.1941 aus: LKAS, D 179, Nr. 7
– Wehrpass aus: LKAS, D 179, Nr. 8
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Ansprache_1945-04-21_S-1
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30. April 2024 | Heinrich Löber | Bestand

Prälat Gottlob Müller (1816-1897) [LKAS, AS 1, Nr. 354]
Viele Primärquellen zu Prälat Gottlob Müller waren bisher im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart nicht vorhanden: Neben einigen Fotos sind seine Personalakte (A 27, Nr. 2262) sowie ein von ihm 1863 für die „Schwäbische Chronik“ des „Merkur“ verfasstes Manuskript über das Deutsche Hospital in Paris recherchierbar, das im Bestand „Evangelische Feldpropstei“ (AP 3, Nr. 267) überliefert ist. Dies hat sich nun durch einen Fund in einer vor etwa zehn Jahren an die Landeskirchliche Bibliothek gelangten, nicht mehr identifizierbaren Buchlieferung mit 17 Predigten und einem von Müller verfassten Sammelband „Allerley aus dem Klosterleben“ geändert.
Gottlob Müller war ein bedeutender kirchenleitender Theologe des 19. Jahrhunderts in unserer Landeskirche. Dies wird dadurch unterstrichen, dass mehr als 30 Jahre nach seinem Tod (noch) ein Artikel in der RGG2 (1930) erschien. Dort beschreibt Richard Brecht Gottlob Müller als „einflußreichen und beliebten Prediger und Seelsorger sowie verdient als Mitarbeiter am Werk des Gustav-Adolf-Vereins […] und auf dem Gebiet des höheren Mädchenschulwesens.“
In der Tat weist Ferdinand Gottlob Jakob Müller eine bemerkenswerte Berufsbiographie auf: 1846 übernahm er im Alter von 29 Jahren die Pfarrstelle in Langenburg, wo er zugleich Dekanatsverweser und ab 1852 Dekan war, bevor er 1853 als Garnisonsprediger und ab 1861 zugleich als Oberkonsistorialrat nach Stuttgart berufen wurde. 1868 übernahm Müller schließlich das Amt des Oberkonsistorialrats in Stuttgart. 1868 wurde Müller schließlich württembergischer Feldpropst und Prälat und im selben Jahr promovierte ihn die Tübinger Theologische Fakultät zum Dr. theol. 1895 trat er schließlich nach 50 Dienstjahren und im Alter von fast 80 Jahren in den Ruhestand. Müller starb am 2. Februar 1897 in Stuttgart.
Darüber hinaus war Müller mit zahlreichen weiteren Aufgaben betraut: 1854 Mitglied der Bibelanstaltskommission; 1860-1866 Vorstand des württembergischen Hauptvereins der Gustav-Adolf-Stiftung; 1867 Mitglied des Zentralvorstands der deutschen Gustav-Adolf-Stiftung; 1877 Vorstand der Kommission für höhere Mädchenschulen; 1891 Ehrenmitglied des Evangelischen Kirchengesangvereins und 1895 des Evangelischen Konsistoriums.
Merkwürdigerweise sind sieben der 17 überlieferten Predigten Weihnachtspredigten. Zufall oder bewusste Auswahl?
In der Personalakte ist ein Brief der Schwestern des Verstorbenen Gottlob Müller, Sofie Müller, an den Stadtdekan erhalten, der vier Wochen nach seinem Tod (3.03.1897) verfasst wurde. Sie teilt darin mit, dass die Hinterbliebenen das Prälatenkreuz dem Kultusministerium (zurück)gegeben haben. Zugleich äußert sie die Befürchtung, „wenn wir etwa damit nicht den richtigen Weg eingeschlagen haben u. Ihnen, verehrter Herr Stadtdekan[,] dadurch Mühe verursachen“. Ob das auch ein Grund ist, warum in unseren Sammlungsbeständen kein Prälatenkreuz überliefert ist?
Hier geht es zum Inventar des Bestands auf unserer Online-Suche.
Der Eintrag zu seiner Person im Pfarrerbuch auf Württembergische Kirchengeschichte Online befindet sich hier.
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Schreiben der Schwester des verstorbenen Prälaten Gottlob Müller an den Stadtdekan (3.03.1897) [LKAS, A 27, Nr. 2262] Die zu einem „Nachlaß Gottlob Müller“ formierten Zeugnisse bestehen aus drei Akten, weisen eine Gesamtlaufzeit von 1852 bis 1889 und einen Umfang von 0,5 Laufmeter auf. Sie haben die Bestandssignatur ‚D 185‘ erhalten und die Erschließungsdaten sind in der Online-Recherche [Link] zu erkunden.
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Rückseite
24. April 2024 | Andreas Butz | Bestand
Pünktlich vor Beginn der Europameisterschaft in Deutschland kann im Archivbestand des Landeskirchlichen Sportbeauftragten geforscht werden.
Dieses Sonderpfarramt ging aus dem Arbeitskreis Kirche und Sport hervor, welcher seinen Sitz an der Evangelischen Akademie in Bad Boll hatte. Die Schwerpunkte der Arbeit des Sportbeauftragten waren die Kontaktpflege zu den Vereinen und die Organisation, die Moderation und die inhaltliche Mitwirkung bei Tagungen und Veranstaltungen zum Thema. Wer sich historisch mit dem Thema Kirche und Sport im Bereich der Württembergischen Landeskirche beschäftigen möchte wird Unterlagen aus diesem Bestand gerne auswerten wollen. Die damaligen Landessportbeauftragten waren Klaus Strittmatter (1978-2001) und Volker Steinbrecher (2001-2011). Der Bestand deckt inhaltlich diesen Zeitraum ab.
Hier geht es zur Online-Recherche im Bestandsinventar.
13. März 2024 | Heinrich Löber | Bestand

Nachlass von Karl Gerok. Foto: Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Die Gerokstraße in Stuttgart ist im Evangelischen Oberkirchenrat wohlbekannt. Nicht nur, weil sie nach dem württembergischen Prälaten, Oberkirchenrat und Kirchenlieddichter und Stuttgarter Ehrenbürger Karl von Gerok (1815-1890) benannt ist, sondern auch, weil sich in der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dienstgebäude befindlichen Straße zahlreiche landeskirchlichen Dienststellen befinden.
Doch Vorsicht ist geboten. Neben dem genannten Karl Gerok gibt es weitere bedeutende „württembergische Kirchenmänner“ dieses Namens: Der Stuttgarter Organist und Komponist Karl Ludwig Gerok (1906-1975) sowie der zwischen beiden anzusiedelnde, zuletzt in Mühlheim am Bach eingesetzte Pfarrer Karl Friedrich Samuel Gerok (1866-1944).

Nicht nur in Stuttgart gibt es eine Gerokstraße: Schild der nach dem württembergischen Theologen und Kirchenlied-dichter Karl Gerok (1815-1890) benannten Straße in Dresden-Johannstadt (Bild: Facebook, CDU-Fraktion Dresden, 2021. Mit freundlicher Genehmigung der CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat
Um den letztgenannten Karl Gerok geht es nun. Nach ihm ist in Mühlheim am Bach eine Straße benannt. Denn dieser wurde Ehrenbürger von Mühlheim, wo er 18 Jahre Pfarrdienst leistete und als „Heimatdichter“ in Erscheinung trat.
Eine weitläufig verwandte Nachfahrin übergab im Dezember 2017 einige wenige Nachlassunterlagen dem Landeskirchlichen Archiv. Diese wurden zum „Nachlass Karl Gerok“ formiert (Signatur: D 93) und nun fast 80 Jahre nach seinem Tod erschlossen.
Dieser Bestand weist sechs handgeschriebene gebundene und jeweils mit einem voranstehenden Inhaltsverzeichnis versehene Gedichtbände auf. Sie zeugen von einem über 50jährigen dichterischen Schaffen (1892-1944). Daneben befinden sich zwei Gästebücher der Familie sowie hymnologische Vorträge, die er Anfang der 1940er Jahre hielt. Der in Sulz 1926 erschienene und in nur zwei Bibliotheken nachgewiesene Gedichtband „Heckenröslein“ ist ebenfalls in den Nachlassunterlagen überliefert (Nr. 10).
Dieser kleine, aber feine Nachlassbestand des Mühlheimer Pfarrers und Dichters Karl Gerok könnte Anlass sein für eine Beschäftigung mit der württembergischen Gerok-Dynastie sowie damit einhergehenden poesie- und liedhistorischen Zusammenhängen.
6. März 2024 | Heinrich Löber | Bestand
Im Frühjahr 1998 wurden dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart 16 gebundene Vorlesungsmitschriften übergeben. Sie stammen aus der Tübinger Studienzeit (1863-1866) und den wissenschaftlichen Reisen (1868/69) des späteren Ulmer Pfarrers und Dekans *Paul Gottlob Theodor Knapp (1844-1917). Diese wurden zum „Nachlass Paul Knapp“ (Signatur: D 165) formiert, obwohl dieser Bestand darüber hinaus keine weiteren persönlichen Unterlagen enthält.
Diese Vorlesungsmitschriften sind ein beredtes Zeugnis dafür, wie ein Theologiestudent in der Mitte des 19. Jahrhunderts seine Aufzeichnungen führte. Sieht man die Rücken dieser Mitschriften im Regal stehen, denkt man an die „Real-Encyklopädie für protestantische Theologie und Kirche“, die damals als mehrbändiges theologisches Nachschlagewerk erschien. Dabei enthalten die prachtvoll gebundenen Bücher im wahrsten Sinne des Wortes ausschließlich Mitschriften der besuchten Vorlesungen. Zugleich zeugen Randbemerkungen davon, dass stud. theol. Knapp mit diesen Mitschriften auch immer wieder gearbeitet hat. Diese Studienmitschriften sind mit Abkürzungen durchsetzt und daher nicht flüssig zu lesen.
Die Namen der Theologen und der Wortlaut ihrer Vorlesungen lassen gute Rückschlüsse auf den Lehrbetrieb an der württembergischen Landesfakultät in diesem Jahrzehnt zu. So las der Moral- und Praktische Theologe Christian von Palmer (1811-1875) im Sommersemester 1865 „Württembergische Sekten-geschichte“ mit dem ersten Kapitel „Evangelisch-Lutherischer Pietismus“ und dem letzten Kapitel „Woher die vielen Sekten“ (D 165, Nr. 13).
Dieser Nachlass ist online recherchierbar: auf unserer Website und zukünftig auch im Archivportal-D . Dieser „Nachlass Paul Knapp“ korrespondiert mit dem Familiennachlass „Knapp-Archiv“ (D 2), der 1960 vom Landeskirchlichen Archiv erworben und anschließend bearbeitet wurde und daher ebenda recherchierbar ist.
28. Februar 2024 | Andreas Butz | Bestand, Interkultur

Eine der Veröffentlichungen von Rudolf Pfisterer

Dr. Friedrich Löblein
Der handschriftliche Nachlass und die Materialsammlung von Rudolf Pfisterer wurden bereits 2013- 2016 von Pfarrer Dr. theol. Friedrich Löblein gesichtet, erfasst, geordnet und archiviert. Um den Zugang zum Bestand zu erleichtern, wird er derzeit von Dr. Löblein in unsere archivische Verzeichnungssoftware ActaPro überführt. Außerdem ist inzwischen eine Nachlieferung zum Nachlass eingetroffen, die im Anschluss erstmals verzeichnet wird.
Herr Dr. Löblein hat sich dankenswerterweise ehrenamtlich bereit erklärt, den Nachlass zu erschließen. Er stammt aus dem bayerischen Franken und war dort zuletzt als Dekan in Aschaffenburg tätig. Eine leitende Tätigkeit im Diakonischen Werk der EKD, das früher seinen Sitz in Stuttgart hatte, führte ihn dann nach Württemberg. Für uns war er kein Unbekannter, da er im Ruhestand über ein kirchengeschichtliches Thema der Reformationszeit in Südwestdeutschland promovierte und aus diesem Grund unser Archiv und die Evangelische Zentralbibliothek besuchte. In Erlangen hatte er bereits Archivbestände diakonischer Einrichtungen erschlossen, so dass er bei der Verzeichnung der Bestände bereits auf Erfahrungen zurückgreifen konnte. Durch seine berufliche Tätigkeit in Stuttgart hatte Dr. Löblein Kontakt zur Familie Pfisterer und kannte Rudolf Pfisterer persönlich.
Rudolf Pfisterer war zunächst Gemeindepfarrer und später in der Gefängnisseelsorge tätig. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam er in Kontakt mit französischen und jüdischen Professoren. Er engagierte sich für die deutsch-französische Freundschaft und noch mehr für den christlich-jüdischen Dialog. Pfisterer übersetzte das achtbändige Werk von Léon Poliakov zur Geschichte des Antisemitismus ins Deutsche. Er hat zahlreiche Vorträge zum christlich-jüdischen Dialog gehalten, viele Texte für Zeitschriften verfasst und mehrere Bücher veröffentlicht. Dafür erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Otto-Hirsch-Medaille, die Ehrendoktorwürde und den Professorentitel. Dieses bemerkenswerte Engagement spiegelt sich in seinem Nachlass wider. Er hat auch eine Bibliothek zu diesem Thema aufgebaut, die seine Nachkommen der EHZ-Bibliothek übergeben haben.
21. Februar 2024 | Uwe Heizmann | Bestand
„Mein Grossvater Pfarrer Johann Georg Wenzelburger aus Neckarthailfingen bemühte sich seinerzeit, einen Stammbaum der Familie Wenzelburger zusammenzustellen. Ich habe als einziger Enkel meines Grossvaters sämtliche diesbezügliche Dokumente und Notizen bekommen und betrachte es als meine Pflicht, meinem Grossvater und meinen Kindern gegenüber, die begonnene Arbeit fortzusetzen und wenn möglich zu vollenden.“
Dies schrieb Adolf Karl Wenzelburger in einem Brief vom 22. November 1912 an das Pfarramt Neckartailfingen, in dem er um Abschriften von Kirchenbucheinträgen bat und außerdem ankündigte, im folgenden Jahr nach Neckartailfingen kommen zu wollen, um selbst in den Kirchenbüchern zu recherchieren.
Adolf Karl Wenzelburger (1879-1959), Bauingenieur und k. u. k. Oberbaurat in Mödling bei Wien, hat seine Pflicht sehr ernst genommen und über Jahre hinweg – wahrscheinlich von den 1910er bis Mitte der 1950er Jahre – eine umfangreiche Familienforschung betrieben und einen demensprechend umfangreichen genealogischen Nachlass hinterlassen, der in seiner Quantität und Qualität nahezu einmalig ist. Der Nachlass zeichnet sich nicht nur durch in großem Umfang vorhandene Ahnenkarteien, Ahnen- und Stammlisten sowie Stammbäumen aus, sondern auch durch umfangreiche und systematisch geordnete Quellenabschriften sowie gut dokumentierte Notizen („Vormerkungen“) zur Familiengeschichte Wenzelburger. Proband für die Ahnenforschung war sein Sohn Kurt Albert Hermann Wenzelburger (1908-1979).
Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft dieser Unterlagen ist auch die Tatsache, dass sie in einer sehr gut lesbaren, an die Normschrift für technische Zeichnungen angelehnte Schrift geschrieben sind.
Die Abbildungen 1 bis 8 zeigen verschiedene Beispiele aus den genannten Quellen.
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Abb. 1 bis 3 aus: LKAS, D 164, Nr. 1. 1 Titelblatt zu Quellen und Vormerkungen
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Abb 2 Quellen und Vormerkungen Bsp 1
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Abb 3 Quellen und Vormerkungen Bsp 2
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Abb 4 Quellen und Vormerkungen Bsp 3
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Abb 5 Ahnenkartei Kekule-Nr 1536 Bl 1r
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Abb 6 Ahnenkartei Kekule-Nr 1536 Bl 1v
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Abb 7 Ahnenkartei Kekule-Nr 1536 Bl 2r
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Abb 8 Ahnenkartei Kekule-Nr 1536 Bl 2v
Wenzelburger stand über Jahre hinweg auch in Kontakt mit anderen Wenzelburgern, darunter auch diejenigen, die in die USA ausgewandert waren. Von diesen Kontakten zeugen auch die in großem Umfang vorhandenen Fotos von Familienangehörigen, aber auch von Bekannten. Die Anzahl der Fotos ist für einen genealogischen Bestand eher ungewöhnlich und deshalb besonders hervorzuheben. Insgesamt sind 109 Fotos aus der Zeit von ca. 1860 bis 1971 vorhanden. Von diesen sind 65 im Visitformat (Carte de Visite) aus dem 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts sowie zwei Ferrotypien aus der Zeit zwischen 1880 und 1891. 73 dieser Fotos konnte das Archiv aufgrund der abgelaufenen Urheberrechte online stellen.
Abbildung 9 zeigt den oben erwähnten Pfarrer Johann Georg Wenzelburger (1806-1878).
Auf Abbildung 10 ist der in den Niederlanden tätige Historiker Karl Theodor Wenzelburger (1839-1918) zu sehen. Er ist einer der prominenteren Vertreter der Familie Wenzelburger. Zu ihm war bisher kein Foto im Internet zu finden.
Abbildung 11 zeigt schließlich Adolf Karl Wenzelburger.
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Abb. 9 aus: LKAS, D 164, Nr. 187.Abb 9a Johann Georg Wenzelburger Vorderseite
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Rückseite
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Abb. 10 aus: LKAS, D 164, Nr. 156. Abb 10a Karl Theodor Wenzelburger Vorderseite
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Abb. 11 aus: LKAS, D 164, Nr. 108. Adolf Karl Wenzelburger
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Rückseite
Dieser genealogische Nachlass ist nicht nur eine hervorragende Quelle für Forschenden mit dem Nachname Wenzelburger sondern auch für andere Genealogen, die Vorfahren in der Region um Neckartailfingen oder anderweitig gemeinsame Ahnen mit den Wenzelburger haben. Auch sind unter den Ahnen der Wenzelburger verschiedene Pfarrer zu finden, z.B. Christoph David Bayer (1682-1744), Daniel Schelling (1595-1685), Ludwig Friedrich Meister (1787-1872) oder Johann Christoph Friedrich Meister (1734-1806). Die vorzufindenden Familiennamen sind in den Bestandsinformationen anhand der Indizes zu den Ahnenlisten (Abschnitt 1.1.3, Nr. 34 und Abschnitt 1.1.4, Nr. 38) bzw. anhand der Abschnitte 1.1.7 und 1.1.8 ersichtlich.
Auch Fritz Wenzelburger (1896-1953), Lehrer in Reutlingen, erforschte seine Familie und sammelte Dokumente zu Familienangehörigen. Unter diesen Dokumenten befinden sich u.a. Predigten des genannten Pfarrers Johann Georg Wenzelburger aus der Zeit von 1836 bis 1876. Predigten aus diesem Zeitraum sind eher selten überliefert, was diese umso wertvoller macht. Die Personalakte von Pfarrer Wenzelburger ist im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart im Bestand A 27 unter der Signatur Nr. 3529 überliefert.

Abb. 12 aus: LKAS, D 164, Nr. 192. Abbildung 12 zeigt ein Foto von Horst Wenzelburger aus dem Jahr 2023.
Fritz Wenzelburgers Unterlagen gingen später in den Besitz seines Sohnes Horst Wenzelburger (* 1930) über. Dieser war 41 Jahren lang als Diplomchemiker in Darmstadt tätig und wohnt seit 2001 in Pfullingen. In seinem Ruhestand beschäftige er sich mit der Familiengeschichte und unterhielt das „Wenzelburger-Archiv“. Außerdem organisierte er in den Jahren 2010 bis 2021 Familientreffen in Neckartailfingen und verfasste eine „Familiengeschichte Wenzelburger“ sowie eine Rückschau über sein Leben (beides ist in der Evangelischen Hochschul- und Zentralbibliothek, Standort Stuttgart-Möhringen unter der Signatur NGB/268 bzw. AQ 20/153 zu finden).
Adolf Karl Wenzelburger und Fritz Wenzelburger standen in Kontakt miteinander, auch nach dem Tod der Familienforscher blieb der Kontakt zwischen den Familien bestehen. Über Adolf Karl Wenzelburgers Enkelin Ilse Fröhlich-Wenzelburger gingen 2014 seine umfangreichen Unterlagen schließlich auf Horst Wenzelburger über. Adolf Karl Wenzelburger und Horst Wenzelburger sind im achten Grad miteinander verwandt, der erste ist der Großonkel dritten Grades des zweiten. Ihr gemeinsamer Vorfahr war Johann Georg Wenzelburger (1777-1856), Metzger und Gemeinderat in Neckartailfingen.
Im Mai 2023 hat Horst Wenzelburger den größten Teil der gesammelten Unterlagen zur Familie Wenzelburger (mit Ausnahme der im Abschnitt 3.7 aufgeführten Archivalien) dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart zur dauerhaften Aufbewahrung übergeben.
Das Inventar des Nachlasses steht hier online für die Recherche zur Verfügung.
Abbildung 12 zeigt ein Foto von Horst Wenzelburger aus dem Jahr 2023.
Quellen:
– Brief vom 22.11.1912 aus: LKAS, D 164, Nr. 198
– Abb. 1 bis 3 aus: LKAS, D 164, Nr. 1
– Abb. 4 aus: LKAS, D 164, Nr. 2
– Abb. 5 bis 8 aus: LKAS, D 164, Nr. 20
– Abb. 9 aus: LKAS, D 164, Nr. 187
– Abb. 10 aus: LKAS, D 164, Nr. 156
– Abb. 11 aus: LKAS, D 164, Nr. 108
– Abb. 12 aus: LKAS, D 164, Nr. 192
15. Februar 2024 | Andreas Butz | Bestand, Kurioses

„…zwei ewige Kühe …“ Aus: LKAS, Pfarrarchiv Leuzendorf (G794), Best.-Nr. 51

„… sogenannte heilige Kuh“ …“ Aus: LKAS, Pfarrarchiv Leuzendorf (G794), Best.-Nr. 51
Als unsere Kollegin Birgitta Häberer das Pfarrarchiv von Leuzendorf verzeichnete, stieß sie auf eine Akte mit dem Titel „Eiserne Kuh“. In dieser Akte geht es um die Besoldung des Pfarrers, dem im 19. Jahrhundert eine Kuh als Teil seines Gehalts zustand. Als die Akte angelegt wurde, war die Kuh „alt und unbrauchbar“. Aus der in der Akte enthaltenen Korrespondenz geht hervor, dass sich der Pfarrer mit den vorgesetzten Behörden darauf einigte, diesen Gehaltsbestandteil in eine Zahlung von zehn Gulden auf sein Gehalt umzuwandeln. Der Begriff der eisernen oder ewigen Kuh war vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlich und bezeichnete ein Gewohnheitsrecht. Da die Besoldung aus der Heiligenstiftung der Pfarrei stammte, wird sie in diesem Schriftverkehr oft auch als „heilige Kuh“ bezeichnet.
Das Pfarrarchiv Leuzendorf umfasst knapp zwei laufende Regalmeter und gehört vom Umfang her zu den kleineren Pfarrarchiven, die bei uns verwahrt werden. Es ist nun online recherchierbar.
14. Februar 2024 | Uwe Heizmann | Bestand, Digitalisierung
Im Landeskirchlichen Archiv ist inzwischen eine weitere Schicht der Ortsakten archiviert und grob erschlossen worden. Die Akten dieses Bestandes wurden 2019 als Aktenschicht 1967-1989 aus der Registratur ausgesondert und dem Archiv übergeben. Etliche Akten aus diesem Zeitraum wurden jedoch nicht ausgesondert, sondern befinden sich noch in der in der laufenden Registratur. Unter http://suche.archiv.elk-wue.de/actaproweb/document/Best_d7692dab-28ef-45b7-828d-1cfe97b076cf sind die Informationen zum Bestand zu finden.
Bei der Aussonderung wurden die Akten nur grob über das Aktenzeichen erschlossen. Dies bedeutet, dass die Laufzeiten der einzelnen Akten zwischen (inklusive) 1967 und 1989 liegen. D.h. jedoch nicht, dass jede Akte Dokumente aus diesen Jahren enthält, teils sind nur wenige oder nur einzelne Dokumente enthalten. Eine genaue Laufzeit pro Akte wurde nicht erfasst, ebenso wenig der Umfang oder der genaue Inhalt der Akten.
Zu den Akten sind gescannte Einlaufkarteikarten vorhanden. Aus diesen ist zumindest der Inhalt der jeweiligen Akte ab ca. 1970 ersichtlich. Teils enthalten die Einlaufkarteikarten auch Daten zu Eingängen nach 1989. Diese sind nicht in den jeweiligen Akten vorhanden, sondern befinden sich noch in der laufenden Registratur.
Aufgrund des Aufwands wurden nur bei den interessanter erscheinenden bzw. umfangreicheren Akten die Einlaufkarteikarten als PDF-Dateien angebunden. Bei einigen Akten konnte die Einlaufkarteikarte jedoch nicht zugeordnet werden.
Vor allem die Akten mit den Visitationsberichten dürfte für einen breiten Forschendenkreis interessant sein, da diese Berichte nicht nur Informationen zu den ortkirchlichen Verhältnissen liefern, sondern auch zu den sozialen oder schulischen Verhältnissen. Außerdem enthalten sie Informationen über die Pfarrer und Pfarrerinnen, so dass nicht nur genealogisch-biografische Forschungen möglich sind, sondern auch sozialhistorische Untersuchungen dieser Berufsgruppe.
Beitragsbild: LKAS_A-229_Nr-1205 (Backnang Stiftskirche Mitte: Pfarrstelle Besetzung)_Einlaufkarteikarte (nur Ausschnitt)
31. Januar 2024 | Andreas Butz | Bestand
Im Mai vergangenen Jahres wurden wir von der Evangelischen Archivstelle Boppard im Rheinland kontaktiert. Dort war im Rahmen der Archivpflege in einem Pfarramt in ihrem Zuständigkeitsbereich eine Überlieferung von Schriftverkehr an Joachim Boeckh festgestellt worden. Offenbar waren diese Schriftstücke über einen früheren Pfarrer dieser Kirchengemeinde in das Pfarrhaus gelangt. Pfarrer Hans-Christian Brandenburg schrieb während seiner Tätigkeit dort in den 1960er Jahren an einer Darstellung über den Bund der Köngener, einer evangelischen Jugendbewegung, die ihr Zentrum in Württemberg hatte. Zu den maßgeblichen Personen der Anfangszeit dieses Bundes gehörte Joachim Boeckh, zunächst als Student der Evangelischen Theologie an der Universität Tübingen, dann als Vikar im unständigen Dienst der württembergischen Landeskirche. Da der Schriftverkehr seine Zeit in Württemberg widerspiegelt, hat das Landeskirchliche Archiv Stuttgart diesen Bestand übernommen.
Joachim Boeckh war von Jugend auf sehr rege und engagiert. Die im Nachlass überlieferten Briefe an ihn spiegeln deutlich seine wichtige Rolle in der protestantisch geprägten Jugendbewegung in Württemberg im zweiten und dritten Jahrzehnt des Zwanzigsten Jahrhunderts wider. Bei ihm liefen viele Netze zusammen. Er war Ansprechpartner für viele ähnlich Bewegte, weit über Württemberg hinaus. Im Schriftverkehr lassen sich der Umgangsmodus unter den Mitgliedern der Jugendbewegung und Richtungsdiskussionen ablesen. Boeckh war ein engagierter, streitbarer und vielleicht auch umstrittener Zeitgenosse. Bereits in seiner Wandervogelzeit war er schriftstellerisch tätig und inspirierte sein Umfeld. Von dem her ist es kein Wunder, dass er sich bereits 1923 von der Leitung des Köngener Bundes entfremdete, sich mit seinen Anhängern abspaltete und einen eigenen Bund gründete, die „Jungmannschaft Königsbühl“. Auch aus dem Dienst der württembergischen Landeskirche schied er am 1. November 1924 aus, um zunächst beim Franckh-Verlag (Kosmos-Verlag) in Stuttgart im Bereich Jugendliteratur zu arbeiten. Danach wurde er Lehrer in einer Reformschule, brach dann aber zu einer Reise in die Mongolei auf, die er nicht erreichte. Stattdessen wurde er Dozent für Deutsche Sprache in der damaligen Wolgadeutschen Republik (UdSSR). Nach seiner Rückkehr aus der UdSSR führten sein bereits bekanntes unstetes Wesen und verschiedene Publikationen, in denen er die Auswirkungen der stalinistischen Umwälzungen verharmloste, dazu, dass sein Gesuch um Wiedereinstellung in den württembergischen Kirchendienst nicht positiv entschieden wurde. Eine begonnene Tübinger Dissertation bei Professor Jakob Wilhelm Hauer, einem früheren Bundesgenossen, schloss er nicht ab, sondern widmete sich wieder der Lehrtätigkeit in einer Reformschule. Nach dem Krieg wurde er zunächst Leiter des Collegium Academicum in Heidelberg. Schließlich siedelte er nach Potsdam um und übernahm dort die Professur für Neuere Deutsche Literatur, dann eine Professur an der Humboldt-Universität Berlin. Er war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR. Am 17. Juni 1968 verstarb er in Potsdam-Babelsberg. Außer seinen frühen Schriften zur Jugendbewegung ist er Autor von Werken zur deutschen Literaturgeschichte und Übersetzer von Werken aus dem Russischen.
Der Bestand beinhaltet Briefe und Postkarten an Boeckh, die sich über den Zeitraum von 1917 bis 1933 erstrecken. Der Schwerpunkt der Überlieferung erstreckt sich allerdings auf die Jahre von 1921 bis 1923. Die Erschließung gestaltete sich wegen der vorgefundenen, sehr mangelhaften Ordnungsstruktur nicht einfach. Wer über die Evangelische Jugendbewegung in Württemberg in der ersten Hälfte der 1920er Jahre forschen möchte findet hier ein reiches Quellenmaterial. Hier geht es direkt zum Inventar des Bestandes in unserer Online-Suche.
Verweise in andere Archive mit beständen zu Joachim G. Boeckh:
Anbei einige Beispiele von Schriftstücken:
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 4
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 4
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 4
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 4
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 5
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 5
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 5
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 7
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 7
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 5
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 5
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Aus: LKAS, D 168, Best.-Nr. 5
24. Januar 2024 | Andreas Butz | Bestand
Anfang letzten Jahres wurde die Pfarrstelle der Leonhardsgemeinde in der Stuttgarter Innenstadt aufgelöst. Die Leonhardskirche ist zwar nicht die älteste oder größte Kirche Württembergs oder gar Stuttgarts, aber die Kirche in der ehemaligen Stuttgarter Vorstadt, im sogenannten Bohnenviertel, ist vielen Stuttgartern und Nicht-Stuttgartern als große mittelalterliche Innenstadtkirche bekannt. Die Kirchengemeinde besteht weiter und wird vom geschäftsführenden Pfarramt betreut. Mit der Auflösung des Pfarramtes wurde das Landeskirchliche Archiv gebeten, die noch vorhandenen Unterlagen und Bibliotheksbestände zu sichten. Aus der Pfarrbibliothek konnte der Bestand der EHZ-Bibliothek mit Büchern ergänzt werden, die dort noch nicht vorhanden waren. Der größere und ältere Teil des Pfarrarchivs der ehemaligen Pfarrstelle war bereits Ende der 1990er Jahre ins Landeskirchliche Archiv gelangt, als in einer großen Aktion das gesamte Dekanatsarchiv dorthin überführt wurde. Die Pfarrstelle an der Leonhardskirche war früher mit dem Amt des Dekans verbunden, so dass die Unterlagen des Dekanatsamtes früher dort angefallen waren, und da sich die Aufgaben der Pfarrstelle und des Dekanatsamtes nicht immer ganz trennen lassen, bilden sie als Archivbestand in der Regel eine Einheit. Vor diesem Hintergrund erwarteten wir im Pfarrhaus keine reiche Archivüberlieferung mehr. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Archive der Pfarrstellen 2 und 3 vor Ort waren, ebenso Unterlagen zur Leonhardskrippe, zum Leonhardsgemeindeverein und auch die Altregistratur des Stadtpfarramtes mit zum Teil sehr schönen Akten und Materialien zum reichen Kulturangebot dieser Innenstadtkirche, also zu Ausstellungen, Konzerten und Veranstaltungsreihen. Der Bestand enthält auch einige liebevoll zusammengetragene Materialsammlungen zur Geschichte der Pfarrei und der dort tätigen Geistlichen. Übernommen wurden auch mehrere Leitzordner mit Fotos, die künftig einzeln verzeichnet und im Bildarchiv aufbewahrt werden. Die vier laufenden Regalmeter an pfarramtlichen Unterlagen wurden mittlerweile im Rahmen des Bestands Dekanatsarchiv Stuttgart (Bestand F44) erschlossen, werden in unserem Haus verwahrt und können hier eingesehen werden.
Beitragsbild: Leonhardskirche von der Hauptstätter Straße aus gesehen. Fotograf: Joachim Köhler, Lizenz
12. Januar 2024 | Uwe Heizmann | Bestand, Digitalisierung

Bild: LKAS_A-243_Nr-60_990615_BischofsRikscha
Die digitalen Pressemitteilungen der Landeskirche von 1995 bis 2023 stehen nun auf der Beständeübersicht des Archivs http://suche.archiv.elk-wue.de/…/Best_9c8bd6ba-4b51… online zur Verfügung. Die Pressemitteilungen enthalten einerseits Bekanntmachungen der Landeskirche zu innerkirchlichen Veränderungen, wie z.B. die Einsetzung eines neuen Landesbischofs oder einer neuen Dekanin, oder Nachrufe anlässlich des Todes bedeutender Mitarbeitenden der Landeskirche. Andererseits spiegeln sie die Reaktion der Landeskirche auf innerdeutsche, aber auch weltweite Ereignisse wider. Die Pressemitteilungen sind chronologisch geordnet. Die Dateinamen weisen auf die Ereignisse oder Themen hin. Bei den Pressemitteilungen aus den 1990er Jahren sind diese Benennungen noch nicht sehr aussagekräftig. Ab 2020 sind im Enthält-Vermerk nur noch die Titel der Pressemitteilungen aufgelistet.
10. Januar 2024 | Nina Wagner | Bestand
Im Rahmen meines Masterstudiums der Historischen Hilfswissenschaften und Archivwissenschaft an der Universität Wien habe ich ein vierwöchiges Praktikum im Landeskirchlichen Archiv absolviert. In dieser Zeit habe ich unter anderem den Nachlass von Otto Mörike verzeichnet.
Otto Mörike (7. April 1897 – 9. Juli 1978) war ein evangelischer Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der vor allem durch sein Engagement gegen den Nationalsozialismus und die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung bekannt wurde. Er war Mitglied der Pfarrhauskette. Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er drei Jahre an der Front kämpfte und unter anderem die Schlacht von Verdun (1915) und die Schlacht an der Somme (1916) miterlebte, studierte er evangelische Theologie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen und absolvierte sein anschließendes Vikariat in Oberboihingen. Dort lernte er auch seine Frau Gertrud Mörike (geb. Lörcher) kennen, die er 1926 in Oppelsbohm, seiner damaligen Wirkungsstätte, heiratete. 1935 übernahm er eine Pfarrstelle in Kirchheim/Teck. Zunächst von den Versprechungen der Nationalsozialisten überzeugt, schloss er sich bald der Bekennenden Kirche an. Immer wieder geriet er in Konflikt mit dem nationalsozialistischen Regime. Bereits 1936 wurde ihm die Lehrerlaubnis für den Religionsunterricht entzogen, 1938 warfen Mörike und seine Frau bei der Abstimmung über den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich – auch das ist in diesem Nachlass überliefert – anstelle eines Stimmzettels eine ausführliche Erklärung ein, warum sie dem Anschluss nicht zustimmen konnten. Noch am selben Tag wurde er von einer von der Gestapo aufgehetzten Menschenmenge schwer verletzt, auch das Pfarrhaus wurde beschädigt. Wegen „Vergehens gegen das Heimtückegesetz“, „Kanzelmissbrauchs“ und „Beleidigung“ wurde er zu 10 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt und erhielt Rede- und Aufenthaltsverbot in Kirchheim/Teck.
Lange wurde in Parteikreisen diskutiert, inwieweit er seinen Beruf noch ausüben dürfe. Gemeindemitglieder und Nachbargemeinden setzten sich jedoch für ihn ein, so dass er, wenn auch unfreiwillig, nach Weissach und Flacht versetzt wurde. Dort lebte die Familie Mörike, Mörike und seine Frau hatten sechs Kinder und einen Pflegesohn. Sie nahmen Juden in ihrem Pfarrhaus auf und organisierten Verstecke. Außerdem sammelte er Spenden für andere Pfarrer, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes wurde Mörike 1947 nach Stuttgart Weilimdorf versetzt und 1953 zum Dekan des Kirchenbezirks Weinsberg ernannt. 1959 trat er in den Ruhestand. Er engagierte sich weiterhin in der Friedensbewegung und war unter anderem Vorsitzender der Aktion Sühnezeichen in Württemberg. 1971 verlieh der Staat Israel Mörike und seiner Frau die Yad-Vashem-Medaille für die Rettung von Juden und ihr Engagement gegen das nationalsozialistische Regime. In Bissingen/Teck wurde ein Freizeitheim nach ihm benannt, in Weilimdorf ein Weg durch den Pfarrgarten.
Die Wahl vom 10. April 1938 und ihre Folgen sind im Bestand ausführlich dokumentiert. Zum Prozess gegen Otto Mörike vor dem Sondergericht in Kirchheim/Teck sind einige Unterlagen vorhanden, ebenso Unterlagen der NSDAP und der Gestapo zu seiner antinationalsozialistischen Haltung. Hinzu kommen zahlreiche Predigten, etwa aus seiner Dornhaner Zeit, Schriften wie „Etliche Besonderheiten aus unserem Leben und Dienst“ sowie Briefe von und an Otto und Gertrud Mörike. Auch spätere Ereignisse wie eine Reise nach Israel (1969) und seine Arbeit für die Aktion Sühnezeichen sind durch Korrespondenzen u.a. mit Franz von Hammerstein oder Landesbischof Helmut Claß überliefert.
Der Nachlass ist unter der Signatur D169 erschlossen und jetzt hier online einsehbar.
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LKAS, D 169, Nr. 8
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LKAS, D 169, Nr. 5
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LKAS, D 169, Nr. 15
19. Dezember 2023 | Noah-Joshua Veit | Bestand

Oberkirchenrat Hans Ostmann. Foto: Ton- und Bilddienst der Evang. Landeskirche Württemberg, LKAS.
Der im September übergebene Nachlass des ehem. Oberkirchenrats Hans Ostmann steht seit heute im Archiv unter der Signatur D-181 zur Verfügung. Hans Ostmann arbeitete von 1937 bis 1971 als Jurist im Oberkirchenrat und war zusätzlich ab 1940 als Schatzmeister für das Gustav-Adolf-Werk tätig, wofür er 1969 mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet wurde.
In seinem Nachlass befinden sich neben Fotos und Aufsätzen vor allem briefliche Korrespondenzen mit den Landesbischöfen und Gemeinden. Außerdem ist Material zu seinem Schwiegervater Otto Dibelius, ehem. Landesbischof von Berlin/Brandenburg, ebenfalls im Bestand enthalten.
Das Inventar des Nachlassbestands kann hier eingesehen werden.
Beitragsbild: Sitzung mit OKR Hans Ostmann (am Tisch vierter von links), am Tischende Landesbischof Eichele. Foto: Ton- und Bilddienst der Evang. Landeskirche Württemberg, LKAS.
13. Dezember 2023 | Noah-Joshua Veit | Bestand

LKAS, D 180, Wappen der Familie Gauger
Vor einigen Wochen gelangten durch einen Nachkommen der Familie weitere Unterlagen aus dem Nachlass der Familie Gauger in das Archiv. Nachlässe enthalten in der Regel nur Materialien zu einer Person (z.B. eines Missionars oder Bischofs), die von kirchengeschichtlicher Bedeutung sind. Das können Predigten und theologische Traktate sein, aber auch Briefwechsel mit Kollegen oder biographische Dokumente wie Stammbäume und Lebensläufe. In diesem Fall gab es jedoch in der Familie Gauger mehrere Personen von kirchengeschichtlicher Bedeutung, weshalb eine Sammlung von Familiennachlässen sinnvoll erschien. Die Familie Gauger bildet zwar den Hauptteil des Nachlasses, doch war dieser in erster Linie genealogisch angelegt, so dass der Vollständigkeit halber auch vorhandenes Material zu Familienmitgliedern ohne kirchliche Relevanz übernommen wurde. Dies macht den Familiennachlass besonders interessant.
Die Familie Gauger umfasst neben der Stammfamilie auch die eingeheirateten Familien Ziegler, Peter, Gruss und Haas.
Hervorzuheben ist die Familie Ziegler (eingeheiratet von Jakob Ziegler), die im kirchlichen Bereich nicht ganz unbekannt ist. Ein Verwandter Jakobs, Johann Ziegler, gründete einst „Die Zieglerschen“ (Mädchen- und Knabeninstitut Wilhelmsdorf), deren Leitung Jakob nach Johanns Tod übernahm. In den „Zieglerschen“ wurden von nun an die Kinder der Gauger untergebracht, wenn sie z.B. auf Urlaub waren oder wenn ihre Eltern früh verstarben (was z.B. bei Missionstätigkeiten nicht selten vorkam). Aufgrund der kirchlichen Relevanz als diakonische Einrichtung findet sich zur Familie Ziegler mehr Material außerhalb dieses Bestandes. Die anderen Familien haben dagegen nur wenige oder gar keine kirchlich engagierten Mitglieder. Die Familie Gauger kann auf ein breites Spektrum kirchlich orientierten Lebens zurückblicken – sei es als Missionar, Krankenpfleger, Lehrer, Pfarrer, Kirchenhistoriker oder Kirchenjurist. Drei dieser Persönlichkeiten sollen hier vorgestellt werden:

LKAS, D 180, Hochzeitsschmuck Ehe Gottlob Gauger
Gottlob Gauger, geboren 1855, begann seine berufliche Laufbahn als Kaufmann in Esslingen. Durch Bekannte in der Paulinenpflege lernte er 1877 die Basler Mission kennen und begann seinen Dienst als Missionskaufmann. Er arbeitete ein Jahr an der Goldküste (heutiges Ghana), wo er seine erste Frau Maria Fisch kennenlernte, die leider schon nach 5 Wochen verstarb. In zweiter Ehe heiratete er Johanna Luise Peter. Die Familie Peter war traditionell mit dem Goldschmiedehandwerk verbunden und in Zürich ansässig. Johanna lernte Gottlob durch ihren Bruder Gustav kennen, der, ungewöhnlich für die Familie, den Beruf des Missionars (in Indien) ergriff. Anlässlich der Hochzeit von Johanna und Gottlob fertigte der Goldschmied Friedrich Peter den im Nachlass befindlichen Hochzeitsschmuck an, der – von den Peters angefertigt und mit einem Käfer aus Gottlobs Missionszeit versehen – die Verbindung der beiden Familien symbolisieren sollte. Johanna und Gottlob hatten zwei Kinder, die nach Gottlobs Tod 1889 in Kamerun von seiner Schwester Maria Gauger und ihrem Mann Jakob Ziegler in den Zieglerischen Anstalten aufgezogen wurden.

LKAS, D 180. Traugott und seine Schwester Maria als Jugendliche und Kinder. Gottlob und seine Verlobte Johanna als Erwachsene.
Traugott Gauger wurde 1885 geboren und absolvierte zunächst eine Lehre als Musterzeichner, zwei seiner anschließend in Paris entworfenen Stoffe befinden sich in der musealen Sammlung des Archivs. Nach einer kurzen Phase der Arbeitslosigkeit von 1912 bis 1913 schulte er auf Anraten seines Onkels Joseph um und ergriff wie seine Schwester Maria Luise den Beruf des Krankenpflegers. Im Ersten Weltkrieg dienten beide als Kriegspfleger. Während Maria Luise ihren Lebensabend als Diakonisse in Stuttgart verbrachte, arbeitete Traugott von 1919 bis zu seiner Pensionierung 1950 als Oberpfleger im Städtischen Krankenhaus Heilbronn. Durch seine Schwester lernte er in dieser Zeit die Rotkreuzschwester Dorothea Gruss kennen. Dorotheas Familie stammte aus der Textilindustrie, vor allem Weber und Schneider, und auch Dorothea hatte zunächst eine Ausbildung als Schneiderin und Brand- und Spritzmalerin begonnen, bevor sie sich dem Roten Kreuz zuwandte. Die beiden hatten eine gemeinsame Tochter, Dora Gauger, die wiederum durch ihre Heirat mit Reinhold Haas den letzten Zweig der Familie Haas in die Familie Gauger eingliederte.
Martin Gauger promovierte 1933 zum Dr. iur. und begann danach als Rechtsassessor am Landgericht Wuppertal. Ausschlaggebend ist aber sein Widerstand gegen das Nazi-Regime. Dieser begann 1934, mit der Weigerung, einen Treueeid auf Hitler zu leisten. Martin war der Meinung, dass Treue und Gehorsamkeit gegenüber Menschen, die ihrerseits an kein Gesetz gebunden sind, nicht rechtmäßig seien. Er schloss sich der Bekennenden Kirche an und verfasste mehrere Dissertationen gegen die Irrlehren verbreitende offizielle Kirchenleitung. 1939 widersetzte er sich der Militär-Musterung und flüchtete 1940 über den Rhein in die Niederlande, wo er jedoch nach deren Kapitulation verhaftet und wenig später in das Konzentrationslager Buchenwald überstellt wurde. Dort wurde Martin Gauger 1941 im Rahmen der Aktion T4 ermordet. In seinem Angedenken wird bis heute in NRW der Martin-Gauger-Preis in einem Schülerwettbewerb zum Thema Menschenrechte vergeben.
Obwohl viele Mitglieder der Familie Gauger im theologischen Bereich tätig waren, enthält der Nachlass nicht wie übliche Pfarrnachlässe Predigtsammlungen und theologische Traktate, sondern ist durch die vielen enthaltenen Biographien vielfältig und reich an Bildmaterial. Neben Stammbäumen finden sich auch persönliche Besitztümer der Betroffenen, wie z.B. der Hochzeitsschmuck der Peters oder Zeichenmappen von Traugott Gauger. Der Nachlass beschäftigt sich nicht nur mit dem Werdegang der einzelnen Personen, sondern auch mit ihrer Lebensgeschichte, wodurch ein lebendigeres und „authentischeres“ Bild ihrer Zeit entsteht. Damit ist der Nachlass zwar kein klassischer Fall für ein Kirchenarchiv, aber dennoch hochinteressant und unterhaltsam – und aufgrund der Verstrickungen der Gaugers in viele Bereiche (von der Kolonialisierung Afrikas über die NS-Zeit bis hin zur diakonischen Organisationsgeschichte) auch kirchengeschichtlich relevant.
Der Familiennachlass Gauger trägt die Signatur LKAS, D 180, hat eine Gesamtlaufzeit von 1816 bis 1983 (2011) und umfasst 0,1 lfd. m. Die Erschließungsdaten sind über unser Online-Findbuch recherchierbar.