Artikel in Ausstellung

Johann Conrad Weiser und der fehlende Taufeintrag

29. November 2023 | |

Die aktuelle große Sonderausstellung “American Dreams. Ein neues Leben in den USA” des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg widmet sich den Auswanderern aus Südwestdeutschland in die USA. Die sehenswerte Ausstellung erzählt exemplarisch die Geschichte von 34 Menschen und zeigt Exponate aus ihrem Leben. Dazu gehört zum Beispiel der Radikalpietist Johann Georg Rapp (1757-1847) aus Iptingen, aber auch Johann Conrad Weiser (1696-1760), ein Pietist, Indianerfreund und Dolmetscher. Nach ihm sind heute zum Beispiel eine Schule, ein Schulbezirk und ein Wald in Pennsylvania benannt. Seine Biografie ist interessant. Als Jugendlicher wanderte er mit seinem Vater im Jahr 1709 unter abenteuerlichen und ärmlichen Umständen in die USA aus. Im Alter von 16 Jahren lebte er acht Monate bei den Indianern und erwarb sich so umfassende Kenntnisse ihrer Sprache und Kultur, die ihn später zu einem wichtigen Unterhändler und Bevollmächtigten in Fragen der Indianerpolitik machten. Das im Haus der Geschichte ausgestellte Originalgemälde zeigt ihn als Dolmetscher für Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der auf seiner Missionsreise 1742 Verhandlungen mit den Indianern führte.

Weiser wurde nach eigenen Angaben am 2. November 1696 als Sohn von Johann Conrad Weiser und Anna Magdalena, geb. Übelen, in Affstätt bei Herrenberg geboren. Sein Vater sei zu dieser Zeit dort als Korporal im blauen Dragonerregiment stationiert gewesen. Ursprünglich stammte die Familie aus Großaspach.  Weiter schreibt Weiser in seinem Tagebuch über sich selbst, er sei “in Kuppingen nahe dabei getauft worden”, wie ihm sein “Vater berichtet” hat. Spätestens 1699 lebte Familie Weiser wieder in Großaspach, wie sich anhand eines Taufeintrags eines Geschwisterkindes Johann Conrads im dortigen Taufregister feststellen lässt.

Taufregister Kuppingen 1696/1697. Ein Eintrag für die Taufe Weisers fehlt.

Spätestens 1699 lebte Familie Weiser wieder in Großaspach, wie sich an dem Taufeintrag für einen weiteren Sohn der Familie ablesen lässt.

Im Taufregister von Kuppingen ist jedoch keine Taufe für Johann Conrad Weiser verzeichnet. Ebenso wenig im Register von Affstätt, und auch nicht in Herrenberg oder in Großaspach. Der Fall ist nicht leicht zu klären. Entweder hat der Vater etwas verwechselt oder der Pfarrer von Kuppingen hat die vollzogene Taufe nicht im Kirchenbuch vermerkt. Bei der Ermittlung von Personendaten aus den Kirchenbüchern erweisen sich die Kinder stationierter Soldaten nicht selten als sehr problematisch. In Württemberg gibt es keine Regimentskirchenbücher. Soldaten waren zumindest zeitweise eine sehr mobile Gruppe, deren Daten in den Kirchenbüchern teilweise nicht mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln sind.

Unser Kollege Uwe Heizmann hat (privat) begonnen, die in den Kirchenbüchern verschiedener Kirchengemeinden dokumentierten Soldaten in einer Datenbank zu erfassen: https://www.uwe-heizmann.de/militaer.html

 

 

Beitragsbild:

Unter Verwendung von Bildpostkarten aus der Ausstellung “American Dreams” des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg von der Station Johann Conrad Weiser. Die “Selfies” historischer Auswandererpersonen wurden mit Hilfe von “Künstlicher Intelligenz” erzeugt.

 

Quellen:

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band XIII, S. 636, Eintrag für Johann Conrad Weiser (Daniel Heinz)

Gerhard Böckle: Johann Conrad Weiser, in: Von Affinstätten zu Affstätt. 700 Jahre Geschichte eines Dorfes im Gäu. Herrenberg 1987, S. 415-427.

Taufregister Kuppingen 1696 in Archion

Taufregister Großaspach 1699 in Archion

Begleitprogramm zur Ausstellung in Ludwigsburg

22. November 2023 | | ,

Vortrag im Staatsarchiv Ludwigsburg. Foto: Landeskirchliches Archiv Stuttgart

Gestern, am 21. November 2023, nahmen im Rahmen des Begleitprogramms zur Ausstellung „Die neue Heimat im Heiligen Land“ ca. 50 Personen an der Führung unseres Mitarbeiters Dr. Jakob Eisler teil und über 80 Personen am anschließenden Vortrag „Die Hilfe der württembergischen Templer bei der jüdischen Besiedlung Palästinas 1870-1914“. Im Anschluss an den Vortrag im Staatsarchiv Ludwigsburg bestand die Möglichkeit, Fragen zum Thema zu stellen. Der Vortrag wurde aufgezeichnet und kann hier angehört werden.

Seit Beginn der württembergischen Besiedlung Palästinas im Jahre 1868 waren die Templer in allen Bereichen der christlichen Tätigkeit tätig: im Schulwesen, in der Medizin, in der Landwirtschaft, in der Forschung, in der Wirtschaft, in Handel und Gewerbe, in der Diplomatie, in der Kirche, in der Technik und im Tourismus. In den Templersiedlungen gab es die besten Hotels, Pferdekutschenverbindungen nach Jerusalem und ganz Palästina, in Jaffa ein archäologisches Museum, einen botanischen Garten, einen Zoo und vieles mehr. Einen besonderen Aufschwung nahm die Entwicklung in Palästina, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem in Haifa und Jaffa deutsche Fabriken gebaut wurden. Die beteiligten Unternehmen spielten eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Modernisierung des Landes. Ihr Vorbild und ihr „Know-how“ trugen nicht unwesentlich dazu bei, die Hemmschwelle für die jüdische Besiedlung des noch weitgehend desolaten Landes im großen Stil abzubauen. So trugen die Templer mit ihren fortschrittlichen Ideen und Leistungen wesentlich zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung Palästinas von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bei. Durch ihr Wirken auch in den jüdischen Dörfern und Stadtvierteln haben sie die Modernisierung ganz Palästinas nicht unwesentlich beschleunigt.

Die Ausstellung ist im Staatsarchiv Ludwigsburg zu sehen. Im Begleitprogramm werden fast wöchentlich Führungen angeboten.

Wir wollen darauf hinweisen, dass die Ausstellung noch bis zum 19. Dezember 2023 zu sehen ist.

Die Öffnungszeiten sind:

Mo-Do: 9:00-16:30 Uhr

Fr.: 9:00-15:30 Uhr

Sonderöffnung auch am Sonntag, den 10. Dezember 2023 von 14:00-17:00 Uhr.

Der Eintritt ist frei.

Im Begleitprogramm ist am 19.12.2023 auch eine Finissage um 19:00 Uhr geplant mit dem Vortragstitel:

„Templerfamilien aus dem Kreis Ludwigsburg im Heiligen Land“.

Ausstellung 160 Jahre Tempelgesellschaft

11. Oktober 2021 | |

Vom 14. Oktober bis 31. Dezember 2021 wird in Ludwigsburg eine Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs und des Stadtarchivs Ludwigsburg gezeigt.

Gründer der Tempelgesellschaft, die im weitesten Sinne den pietistischen Strömungen Württembergs zuzurechnen ist, war der 1815 in Leonberg geborene Christoph G. J. Hoffmann, Sohn des Gründers der württembergischen Brüdergemeinde Korntal. Hoffmanns religiöse Erziehung in der Brüdergemeinde in Korntal und sein Theologiestudium an der Tübinger Universität prägten nachhaltig seine Vorstellungen von Glauben, Gesellschaft und Kirche. Zusammen mit dem ehemaligen Kaufmann Georg David Hardegg (1812–1879) aus Ludwigsburg, einem ausgewiesenen Demokraten, griff er die als Babel diskreditierte Amtskirche scharf an und warb für den Gedanken, neben der bestehenden Kirche ein neues Volk Gottes zu formen. Bald formierte sich um Hoffmann und Hardegg eine Gruppe namens Jerusalemsfreunde. 1856 gründeten sie eine Knaben- und Mädchenschule im Kirschenhardthof (einem Gehöft bei Marbach). Hier sollte die Jugend im Geiste des Tempels erzogen und aus ihrem Kreis sollten die künftigen Sendlinge für das Heilige Land rekrutiert werden.

1861 wurde der Deutsche Tempel zu einer selbständigen religiösen Gemeinschaft mit Hoffmann als Bischof und Hardegg als Vorsitzendem. Die evangelische Kirche versuchte in den folgenden Jahren mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die Anhänger der Templer zu bekämpfen. Der entscheidende Erfolg blieb ihr aber versagt. 1868 beschlossen die Templer, nach Palästina auszuwandern. 1869 wurde die Kolonie Haifa gegründet. Bis 1906 entstanden fünf weitere Siedlungen der württembergischen Templer: Jaffa (1869), Sarona (1871), Jerusalem (1873), Wilhelma (1902) und Bethlehem-Galiläa (1906). Die Blütezeit all dieser Kolonien lag im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam auch das Ende der Kolonien: Alle noch im Land verbliebenen Palästinadeutsche, Siedler wie Missionare, wurden von den britischen Mandatsbehörden interniert, ein Teil nach Australien verbracht, ein Teil gegen Juden aus dem deutschen Machtbereich ausgetauscht.

 

Bild: Der Salon bei Ludwigsburg circa 1850. Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung.

Fromme Accessoires. Broschen, Taschen, Kopfbedeckungen aus der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart

17. Februar 2020 | | ,

Unter diesem Titel ist zurzeit in den Vitrinen im Foyer des Evangelischen Oberkirchenrates in Stuttgart eine Ausstellung zu sehen.

Dinge sind vieldeutig. Optisch stehen sie für sich selbst, doch ihre Bedeutung kann meist erst durch zusätzliche Informationen und mit ihnen verknüpfte Geschichten verstanden werden. So verhält es sich auch mit den in der Ausstellung gezeigten Objekten, die im Landeskirchlichen Archiv aufbewahrt werden: Diakonissenhaube, Brautschleier, chinesisches Kindermützchen, Soldatenkappe, Strohhut, Granatkette, Wanderabzeichen…
Weshalb und wie sind sie in die Musealen Sammlung gekommen? Wo ist die Verbindung zum Profil einer kirchlichen Sammlung? Was können sie als Zeugen einer religiösen Kultur vermitteln?

Viele der präsentierten Objekte waren bereits als Exponate in Ausstellungen zu sehen: in landeskirchlichen Projekten, aber auch in Museen im ganzen Land – von Biberach bis Berlin.

Die Schau kann noch bis 30. April 2020 besichtigt werden.
Adresse: Evangelischer Oberkirchenrat Stuttgart. Gänsheidestraße 4, 70184 Stuttgart, Montags bis Donnerstags 9.00-16.00, Freitags bis 13.00.

Vor 75 Jahren: Stuttgarter Bombennächte – Zerstörung der Leonhardskirche

3. Juli 2019 | | ,

Kinderspeisung vor der zerstörten Leonhardskirche, 1946. Fotograf: Willi Essig (Landeskirchliches Archiv, Nr. 9178)

In der Endphase des Zweiten Weltkriegs war die Stuttgarter Innenstadt am 25. Und 26. Juli 1944 Ziel massiver Bombenangriffe. Über 800 Menschen kamen dabei zu Tode, fast 2000 wurden verwundet. Viele Bauten der Innenstadt wurden damals zerstört oder schwer beschädigt. So auch die Leonhardskirche.

An diese Ereignisse möchte die Leonhardsgemeinde mit einem Gedenkgottesdienst am Sonntag, 21. Juli 2019 10:00 Uhr erinnern.

In der Kirche wird eine kleine Ausstellung mit historischen Fotografien zu sehen sein, die die Zerstörungen von 1944 ebenso dokumentieren wie den schnellen Wiederaufbau der Leonhardskirche.

https://www.leonhardskirche.de/gottesdienste-veranstaltungen/

Mecklenburger und Württemberger im Heiligen Land

20. Februar 2019 | | ,

Die Bedeutung der Württemberger für den Kulturellen Wandel Palästinas in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem beginnenden 20. Jahrhundert ist durch wissenschaftliche und populäre Veröffentlichungen, sowie durch Ausstellungen und Tagungen schon oft thematisiert worden. Hier ist zum Beispiel an die Tempelgesellschaft oder an das Syrische Waisenhaus zu denken, beides württembergisch dominierte Unternehmungen. Unser Mitarbeiter Dr. Jakob Eisler hat anhand von Quellen des Landeskirchlichen Archivs allerdings auch auf die Bedeutung einiger Mecklenburger für die damals dynamische Entwicklung Palästinas hingewiesen, etwa auf den Mecklenburger Andreas Struve, der am Gestade der Haifaer Bucht eine Seifenfabrik begründete, die etwa die nach Europa und in die Vereinigten Staaten exportierte Carmel-Seife aus Olivenöl produzierte. Der württembergische Beitrag wird aber in der Ausstellung auch gewürdigt. Vielleicht finden ja einige urlaubende Württemberger den Weg in die von unserem Haus konzipierte Ausstellung „Mecklenburger im Heiligen Land“, denn sie wird in Röbel direkt am Müritzer See gezeigt, einem beliebten Urlaubsgebiet, das auch von württembergischen Gästen gerne besucht wird. Die Ausstellungslokalität Engelscher Hof bietet sogar Übernachtungsmöglichkeiten an, und die Ausstellung wird bis zum Sommer, genauer bis zum 28. Juli gezeigt.

Ausstellung: Von der Alten Kanzlei zur Gänsheide. Dienstgebäude des Evangelischen Oberkirchenrats Stuttgart

6. Februar 2019 | | ,

Die Ausstellung ist ab 1. Februar im Foyer des Evangelischen Oberkirchenrates in der Gänsheidestraße 4 in Stuttgart zu sehen. Das Foyer ist Montags bis Donnerstags bis 16.00 und Freitags bis 13.00 öffentlich zugänglich.

Die Schau beschäftigt sich mit den verschiedenen Dienstsitzen des Evangelischen Oberkirchenrats. Der erste befand sich in der Alten Kanzlei beim Schloss in Stuttgart, wo bis 1750 die Zentralbehörden des Herzogtums Württemberg untergebracht waren. Im 18. Jahrhundert mehrten sich die Klagen über Raummangel, Akten mussten an verschiedenen Standorten provisorisch untergebracht werden. Die Situation wurde auch danach nicht besser. Im 19. Jahrhundert galt die Kirchenleitung nur noch als Anhängsel der Staatsverwaltung und wurde bei der Raumverteilung nachrangig behandelt. In dieser Zeit gab es mehrere Umzüge und Notlösungen. 1901 war der Saal der Registratur so überfüllt, dass sich der Fußboden bog. Manche Oberkirchenräte teilten sich ein Zimmer oder mussten gar im Sitzungssaal arbeiten. Der Einzug in das ehemalige Hauptpostamtsgebäude am Alten Postplatz im Jahr 1921 versprach endlich eine Verbesserung. Dennoch spielte man 1930 mit dem Gedanken, einen Neubau für die eigenen Anforderungen zu wagen. Vorsorglich wurde damals das Haidle’sche Gelände auf der Stuttgarter Gänsheide erworben. Kriegsbedingt folgten ab 1943 jedoch weitere Notbehelfe, die auch noch lange nach dem Krieg bestanden. Erst 1957 wurde auf der Gänsheide ein eigenes Dienstgebäude gebaut, das 1988 mit einem Erweiterungsbau versehen wurde – die aktuellen Räumlichkeiten des Evangelischen Oberkirchenrats.
Die Ausstellung zeigt Pläne, Fotografien und Zeitdokumente aus der bewegten Geschichte der Suche nach adäquatem Raum für die Kirchenleitung und ihre Verwaltung.