27. Oktober 2020 | Dorothea Besch | Nachkriegszeit, Serie Nachkriegszeit
Die Not in der Nachkriegszeit war auch unter den Studierenden sehr groß. Viele von ihnen waren ausgebombt, hatten ihre Eltern im Krieg verloren und somit weder finanzielle noch emotionale Unterstützung für ihren akademischen Werdegang. Sie lebten in bitterere Armut ohne genügend Nahrungsmittel und Kohlen für den Ofen. Manch einer trug noch drei Jahre nach Kriegsende eine alte Uniform und durchgelaufene Schuhe. Diese Notstände konnten anhand verschiedener Maßnahmen der Evangelische Studentenhilfe ein wenig gelindert werden. Durch Spenden verschiedener amerikanischer Kirchen wurden im Herbst 1945 erstmals Lebensmittel und Bekleidung an notleidende Studierende der Universität Tübingen ausgegeben. Aber auch Lebensmittelsammlungen im ländlichen Raum waren ein wichtiger Beitrag, besonders für die seit 1946 angebotene Abendspeisung im Adolf-Schlatter-Haus. Für einen geringen Betrag – für besonders Bedürftige war die Abendspeisung kostenlos – half sie so manchem Studierenden ohne knurrenden Magen einschlafen zu müssen. Im Wintersemester 1950/51 wurden täglich 270 Karten für die Abendspeisung zu 0,40 DM verkauft, zusätzlich gab es 90 kostenlose Mahlzeiten
Tübinger Honoratioren und Selbständige aus Industrie, Handwerk und Landwirtschaft wurden um Unterstützung gebeten. Manche Tübinger Bürger*innen erklärten sich bereit, einmal in der Woche eineN StudierendeN zum Mittagessen einzuladen. Im Advent 1949 fand erstmals ein öffentlicher Weihnachtsbazar im Adolf-Schlatter-Haus statt, der von Tübinger Geschäften mit Lebensmittel und Gebrauchsgegenständen ausgestattet war. Mit dem Verkauf der Sachspenden in Form von Bleistiften, Kämmen, Likörgläschen, Seifen, Sonnenblumenöl, Bilderrahmen, Pfeifen, Kartoffelreiben und Gabeln konnte die Zahl der „Freitische“ bei der Abendspeisung erhöht werden.
Die Studentenhilfe setzte sich auch mit verschiedenen Gästehäusern und Erholungsheimen in Verbindung, um besonders Bedürftigen oder an Tuberkulose erkrankten Studierenden einen Erholungsurlaub zu ermöglichen. Anhand der finanziellen Unterstützung der deutschen Kirchen konnten umfangreiche Stipendien gewährt werden, zudem wurden Mittel für „Bekleidungsreparaturen“ zur Verfügung gestellt. Es existierte eigens für die Studenten eine Nähstube des Hilfswerks, in der freiwillige Helferinnen die schadhaften Kleidungsstücke von Studierenden ausbesserten, denn auch Kleidung war ein knappes Gut.
Quellen:
GS 7, Nr. 62-65
L 1, Nr. 1895
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Informationsblatt Erholungsheim “Olgahöhle”. LKAS, GS 7, Nr. 63
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Speiseplan Adolf-Schlatter-Haus 1952. LKAS, GS 7, Nr. 64
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Die Nähstube des Hilfswerks. LKAS, L1, Nr. 1895.
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Aufruf zum Bazar der Evangelischen Studentenhilfe in Tübingen. LKAS, GS 7, Nr. 63
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Lieferschein über verschiedene Nahrungsmittel des Evangelischen Hilfswerks an die Zweigstelle der Studentenhilfe in Tübingen. LKAS, GS 7, Nr. 63.
23. Oktober 2020 | Uwe Heizmann | Genealogie
Bei der Ahnenforschung hat man mal mehr, mal weniger das Glück, auf Ahnen zu stoßen, die einer bestimmten „exklusiven“ Amts- bzw. Berufsgruppe angehörten. Dazu gehören Amtsträger, wie z.B. Klosterverwalter oder Amtspfleger, oder Pfarrer. Diese Gruppen haben gemein, dass zu ihnen bereits umfangreichere Forschungen durchgeführt und dementsprechende Sekundärliteratur und Verzeichnisse vorhanden sind, welche die Forschung erleichtern oder sogar die Recherche in den Kirchenbüchern häufig unnötig machen.
Für die württembergischen Amtsträger ist hier „Der Pfeilsticker“ zu nennen, also das Werk „Neues Württembergisches Dienerbuch“ von Walther Pfeilsticker aus den Jahren 1957 bis 1975.
Für die Pfarrer sind es die Pfarrerbücher, die bereits seit einigen Jahrzehnten von den verschiedenen Landeskirchen herausgegeben werden. Für das Herzogtum Württemberg ist „Der Sigel“, also das Werk „Das evangelische Württemberg. Ein Nachschlagewerk“ von Christian Sigel zu nennen. Auf Grundlage dieses Werks wurde das Pfarrerbuch Herzogtum Württemberg und schließlich auch das Pfarrerbuch Königreich Württemberg erstellt, in dem über https://www.wkgo.de/personen/personensuche nach Pfarrern recherchiert werden kann.
Das Pfarrerbuch enthält umfangreiche biografische Angaben zu den Pfarrern, ihrem Werdegang und ihren Familien. Schnell wird ersichtlich, dass die Pfarrer gerne unter ihresgleichen blieben, der Pfarrerssohn häufig selbst Pfarrer wurde und die Tochter eines anderen Pfarrers ehelichte (oder zumindest in höhere Kreise einheiratete) und manche Pfarrerfamilien geradezu „Pfarrerdynastien“ bildeten.
Als Beispiel für eine solche „Pfarrerdynastie“ ist die Familie Binder genannt, die ausgehend von einem katholischen Priester und ersten evangelischen Pfarrer von Grötzingen (Lkr. Esslingen) zwei evangelische Äbte, einen Special-Superintendenten und mehrere weitere Pfarrer hervorbrachten.
Der Hochzeitseintrag vom 24. November 1750 in Bietigheim ist ein Beispiel für die Eheschließung zwischen Angehörigen zweier Pfarrersfamilien, geheiratet haben:
„H[err] M[agister] Christoph Friedrich Breeg, Pfarrer zu Hausen, Brackenheimer Dioeces, H[errn] M[agister] Johann Christoph Breegen, hochfürstl[ich] württemberg[ischen] Raths, Praelaten zu Herrenalb, Special Superintendenten zu Calw, und einer löbl[ichen] Landschafft in Württemberg zum größern Außschuß Assessoris, ehl[icher] Sohn, und Jungfr[au] Elisabetha Agatha, Herrn M[agister] Christoph Peter Binder, Special-Superintendant und Stadtpfarrers allhir ehl[iche] Tochter.“
Selbstverständlich heiratete nicht jede Pfarrerstochter einen Pfarrerssohn und nicht jeder Pfarrerssohn wurde selbst Pfarrer, sondern übernahm ein anderes Amt bzw. ging einem anderen Beruf nach.
Durch einen Nachtrag in einem Taufregister von Peterzell bei Alpirsbach ist ein Fall belegt, in dem ein Pfarrerssohn sich komplett von der Familientradition löste. Im Taufeintrag von Ferdinand Heinricus, dem Sohn des dortigen Pfarrers Johannes Hähnlin, vom 12. Oktober 1673 hatte ein anderer Schreiber später die Worte „Apostata factus et venator in aula principis Hechingensis“ nachgetragen. Übersetzt bedeutet dies: „Er wurde Abtrünniger und Jäger am Hof des Fürsten von Hechingen.“ Ferdinand Heinricus Hähnlin trat also zum Katholizismus über und verdiente seinen Lebensunterhalt als Jäger am Hof des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen.
Biografische Informationen
Binder, Christoph, 28.12.1519-30.10.1596
Binder, Christoph, 28.01.1553-17.12.1623
Binder, Christoph, 11.05.1575-11.05.1575
Binder, Christoph, 23.10.1576-23.03.1631
Binder, Christoph Peter, 24.04.1696-26.12.1766
Binder, Georg, vor 1477-1548
Binder, Georg, 03.08.1548-08.06.1620
Binder, Hans Georg, 03.06.1580-02.11.1634
Binder, Thomas, 24.03.1607-um 1650: vgl. Thomas, 1644-1693 und Christoph, 1576-1631
Binder, Thomas, 07.07.1644-03.05.1693
Breg, Christoph Friedrich, 15.05.1720-08.11.1758
Breg, Johann Christoph, 21.04.1682-06.11.1752
Hähnlin, Johannes, 11.10.1635-24.7.1682
Quellen
KB Bietigheim, Eheregister 1733-1773, ohne Seitenzählung
KB Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Taufregister 1648-1694, S. 30
Allgemeiner Literaturhinweis: Unsere Arbeitshilfe zur Forschung mit den württembergischen Kirchenbüchern kann zum Preis von 5,00 Euro bestellt werden.
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Pfarrerdynastie Binder
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Taufe 12.10.1673 in Peterzell
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Eheschließung am 24.11.1750 in Bietigheim
20. Oktober 2020 | Andreas Butz | Nachkriegszeit
Zu den vielfältigen Aktivitäten des Evangelischen Hilfswerks in Württemberg in der unmittelbaren Nachkriegszeit zählte die Ermöglichung von Erholungsaufenthalten für Kinder. Dies war umso notwendiger, als die Traumatisierung ein Massenphänomen der damaligen Jahre war. Sie hatten in engen Bunkern die Luftangriffe miterlebt. Die oft dramatischen Ereignisse auf der Flucht hatten zahlreiche betroffene Kinder, die nun in Württemberg eine neue Heimat finden mussten, erschüttert und verunsichert. Dazu kamen noch die andauernden tristen Lebensumstände in den zerbombten Städten, wo die Trümmer noch jahrelang sichtbar waren und an den vergangenen Krieg erinnerten. Ruinen gehörten zum Alltag und zur Lebenswelt der Kinder mancher größerer Städte. Eine dieser Erholungsstätten befand sich von 1946 bis 1948 in der Laufenmühle bei Welzheim im Schwäbischen Wald. Das erklärte Ziel des Hilfswerks war es, dort unterernährte und durch Bombennächte und Fluchterlebnisse traumatisierte Kindergruppen zur Erholung für einen jeweils mehrwöchigen, erholsamen und schönen Aufenthalt aufzunehmen. Eine ähnliche Einrichtung befand sich in Neufürstenhütte, ebenfalls im Schwäbisch-Fränkischen Wald.
Die Laufenmühle liegt idyllisch inmitten eines Waldgebietes im Tal der Wieslauf, die der Mühle auch ihren Namen gegeben hat. Der Fluss, wie auch der nördlich davon gelegene Ebnisee diente lange Zeit den Flößern, die auf diesem Weg Holz in Richtung Schorndorf transportierten. Erst um etwa 1900 entstand hier zunächst eine Mahlmühle, dann eine Sägemühle und schließlich ein Ausflugslokal- und Kurbetrieb. Die Wasserkraft wurde dann von der Firma G. Bauknecht genutzt, deren Zwangsarbeiter im zweiten Weltkrieg in den Gebäuden untergebracht waren. Unmittelbar nach dem Krieg diente die Mühle auch einer Flüchtlingsunterbringung.
Ab Juli 1946 wurde ein Teil der Räume des Hauptgebäudes als Kindererholungsheim durch das Evangelische Hilfswerk angemietet. Am 22.7.1946 kam der erste Bus mit 89 erholungsbedürftigen Mädchen an. Bis 13.12.1946 kamen fünf Kindertransporte mit insgesamt 353 Kindern an. Jedes Kind konnte sich 26 Tage im Heim erholen. Die Verpflegung kam vom Hilfswerk, beziehungsweise von den im Hintergrund aktiven Spendern aus Deutschland, den USA, Schweden und der Schweiz.
Im Jahr 1948 wurde das die Knabenheimschule Kleinglattbach, die ebenfalls vom Evangelischen Hilfswerk betrieben wurde, in die Laufenmühle verlegt. Wir werden in einem späteren Blogbeitrag dieser Serie auf diese Einrichtung näher eingehen.
Unser Archiv verwahrt die historische Überlieferung des Evangelischen Hilfswerks in Württemberg in Bestand L 1. Beachten Sie auch den Einstiegsbeitrag dieser Serie.
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Hauptgebäude Laufenmühle im Schwäbischen Wald
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Unterbringungsraum (Mittagsruhe)
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Kindergruppe auf der Wiese bei der Laufenmühle
13. Oktober 2020 | Andreas Butz | Jubiläum, Serie Nachkriegszeit
Führende Vertreter der neu gebildeten Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gaben die Stuttgarter Erklärung bei einem Treffen mit Mitgliedern des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) am 18./19. Oktober 1945 in Stuttgart ab. Erstmals bekannte sich die evangelische Kirche Deutschlands darin zu einer Mitschuld am Krieg und an den nationalsozialistischen Verbrechen. Die u. a. vom württembergischen Landesbischof Theophil Wurm unterzeichnete kirchliche Erklärung bekennt: „durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden“. Die Schulderklärung markiert den Neuanfang in den Beziehungen der deutschen evangelischen Kirche mit der ökumenischen Gemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Veröffentlicht wurde die Erklärung zuerst im Kieler Kurier. Im Württembergischen Gemeindeblatt berichtete man davon erst zögerlich zwei Wochen später. Alle Presseorgane unterstanden der Nachrichtenkontrolle der jeweiligen Militärregierung der Alliierten.
Michael Bing vom Landeskirchlichen Archiv stellt anhand von einigen Dokumenten in dem folgenden Clip die Stuttgarter Schulderklärung vor.
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Weitere Informationen
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Unterschriebene Fassung im Nachlass von Bischof Bell in der Lambeth Palace Library in London (Bell Papers: German Church 9, f. 435).
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Kieler Kurier, 27. Oktober 1945
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Verordnungs- und Nachrichten Blatt der EKD, Nr. 1, Januar 1946
Beachten Sie auch den Einstiegsbeitrag dieser Serie.
6. Oktober 2020 | Andrea Kittel | Kunstgeschichte, Museale Sammlung, Nachkriegszeit, Zeitgeschichte
Der Stuttgarter Künstler Robert Eberwein (1909-1972) hat während seiner Kriegsgefangenschaft etliche Zeichnungen vom Lageralltag geschaffen und viele seiner Mitgefangenen porträtiert.
Am 19. April 1945 kam Eberwein in das Durchgangslager Rheinberg, das erste von den Alliierten errichtete Rheinwiesenlager, das von April bis September 1945 bestand. Unter Heranziehung deutscher Kriegsgefangener wurde es von den Amerikanern auf einem westlich von Rheinberg gelegenen 350 ha großes Acker- und Wiesengelände aufgebaut. Umgeben von hohen Stacheldrahtzäunen befanden sich dort acht Einzelcamps ohne jegliche Behausung, sanitäre Anlagen oder Versorgungsstruktur für rund 130.000 Gefangene. Kälte, Hunger, mangelnde Hygiene und fehlende medizinische Versorgung, grassierende Krankheiten und Tod gehörten zum Alltag. Als Eberwein dort ankam, war ihm sofort klar, dass er dieser verzweifelten Lage etwas entgegensetzen musste: er zeichnete. Im Krieg hatte er bereits als Zeichner bei einer Heereseinheit gedient. Nun dokumentierte er die drangvollen Lebensumstände im Lager, das Kampieren unter freiem Himmel, das Anstehen um Essen. Er skizzierte zerfurchte Gesichter, Gefangene beim Wasser holen, beim Waschen oder Schachspielen. Für eine gute Zeichnung bekam er manchmal ein Stückchen Brot.
Vom Durchgangslager Rheinberg kam Eberwein im Juni 1945 in das Kriegsgefangenenlager Auvours bei Le Mans in Frankreich. Dort bekam er immerhin ein Dach über dem Kopf, schlief mit 35 Mann in einem Zelt. Im Lager Auvour machte er mit seinen Skizzen weiter. Da er sich der christlichen Lagergemeinschaft angeschlossen hatte und sein künstlerisches Talent nicht unbemerkt geblieben war, wurde er im Oktober beauftragt, für die Krankenbaracken des Lagers einen Raum als Kapelle auszugestalten. Ein Lichtblick! Er schmückte die Wände mit dem Vaterunser, dem Glaubensbekenntnis und biblischen Motiven. Bis Weihnachten war das Ganze fertig. Doch schon im Januar wurde er mit weiteren 1 000 Mann in ein anderes Lager verlegt. Dort half er noch beim Aufbau und der Einrichtung eines Kirchenzeltes, bis er schließlich im Mai 1946 nach Hause entlassen wurde.
Künstlerischer Werdegang
Eberwein hatte, als Sohn eines Handwerkers, zunächst eine Schreinerlehre absolviert. In den Jahren 1929 bis 1933 besuchte er Zeichenkurse an der Stuttgarter Volkshochschule. Seine Lehrer waren Max Ackermann und Albert Volk. In den 30er Jahren lernt der junge Robert Eberwein durch Max Ackermann das Werk Adolf Hölzels kennen, das ihn nachhaltig beeinflusste. Hölzel rang bereits seit 1906 mit Farbe und Form, um gegenstandslose, freie Kompositionen zu schaffen. Dieses Ringen um eine neue Sprache der Kunst durchzieht auch das Werk von Robert Eberwein.
Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1946 arbeitete er zwei Jahre als Zeichenlehrer in Korntal, bis er sich als Maler, Grafiker und Illustrator in Ditzingen niederließ.
In den 1950er und 60er Jahre prägte Eberwein zu einem wesentlichen Teil das Gesicht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Er war unter anderem Illustrator für den Quell Verlag und das Evangelische Gemeindeblatt, gestaltete Jahreslosungen und entwarf Bildteppiche für die Paramentenwerkstatt.
Die Kraft des Wortes war für das Schaffen Eberweins von wesentlicher Bedeutung. Grafisch gestaltete Bibelworte setzte er nicht nur für die Jahreslosungen um. Auch in seinem künstlerischen Werk wurden für ihn Bild, Schrift und Wort zunehmend zu einer Einheit. In Linolschnitten, Aquarellen, Bleistift-, Kohle- und Kreidezeichnungen setzte er sich – figürlich oder abstrakt – mit biblischen Inhalten und Symbolen auseinander.
Ein großer Teil seines künstlerischen Nachlasses, vor allem die Auftragsarbeiten mit religiösen Inhalten, befindet sich in der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv. Dabei sind auch zwei Mappen mit den Zeichnungen aus der Kriegsgefangenschaft (Inv. Nrn. 93.1676 – 93.1920). Diesen liegt ein handschriftlicher Bericht Eberweins über die Zeit seiner Kriegsgefangenschaft bei (Inv. Nr. 93.1678; 01-02).
Weitere Werke aus dem Schaffen des freien Künstlers befinden sich im Museum der Stadt Ditzingen.
Beachten Sie auch den Einstiegsbeitrag dieser Serie.
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Selbstgebastelte Zeichenmappe mit schriftlichen Aufzeichnungen
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Deckblatt Zeichnungen
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Porträt eines Gefangenen
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“Der Strom”
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Zeltinnenraum Frankreich
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Lageralltag in Rheinberg mit schachspielenden Gefangenen. Im Hintergrund ein Wachtturm.
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Gefangene hinter Stacheldraht
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Lagergottesdienst
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Schachspielende Gefangene in Rheinberg
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“Halt den Dieb!”
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Gefangene mit Aufsichtspersonal
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Weihnachten 1945 im Gefangenenlager
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Baracke im Lager in Frankreich
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Entwurf für einen Andachtsraum
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Psalm 126
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Entwurf Auferstandener Christus
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Eidechs. Mitbewohnerin im Lager
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Mäusestudien. Mittbewohner im Lager
4. Oktober 2020 | Andrea Kittel | Jubiläum, Museale Sammlung, Nachlass
„Undankbarer Pferdequäler!“ möchte der Tübinger Pfarrer Christian Adam Dann einem Reiter zurufen, der hemmungslos auf sein Pferd eindrischt. Bei einem Gang durch die Stadt und in die umliegenden Dörfer entdeckt er zahllose Grausamkeiten gegen Tiere: Gänse mit jämmerlich blutender Brust, denen bei lebendigem Leibe die Daunen ausgerupft wurden, eine Ziege, die barbarisch an den Ohren gezerrt zum Weitergehen bewogen werden soll, halb verdurstete Kälber, die mithilfe von Hunden in den Stall gehetzt werden….
Unwillkürlich kommen uns Bilder der jüngsten Skandale in deutschen Schlachtbetrieben in den Sinn. Doch die Beobachtungen von Christian Adam Dann (1758-1837) stammen aus dem Jahr 1822. Aufgezeichnet hat sie der Pfarrer in seiner Schrift „Bitte der armen Thiere, der unvernünftigen Geschöpfe, an ihre vernünftigen Mitgeschöpfe und Herrn die Menschen“. Auf der Kanzel wetterte Dann gegen die Tierquäler, die er als die „elendste Klasse der Menschheit“ bezeichnete. Seine Predigten und Schriften entfalteten unter den Zuhörern und Lesern eine starke Wirkung. Noch Albert Schweitzer ließ sich später von seinen Gedanken inspirieren.
Über die Lebensverhältnisse von Tieren hat man sich lange Zeit kaum Gedanken gemacht. Tiere wurden als seelenlos und deshalb leidensunfähig angesehen. Erst ein neues Empfinden für die Natur, wie es im 18. Jahrhundert durch Aufklärung und später durch die Romantik aufkam, veränderte den Blick auf die Tiere. In Deutschland waren es vor allem vom Pietismus geprägte Pfarrer, die bei der Frage nach dem rechten Umgang des Christen mit der Schöpfung nun auch das Verhältnis zu den Tieren ins Auge fassten. So auch Christian Adam Dann, der heute als einer der herausragenden Pioniere des Tierschutzes gilt.
Nur wenige Monate nach Danns Tod gründete sein Schüler und Freund, der Pfarrer und Liederdichter Albert Knapp (1798–1864), im Winter 1837 in Stuttgart den ersten Tierschutzverein Deutschlands. Gleichzeitig rief er zur Gründung weiterer örtlicher Tierschutzvereine auf, auch über die württembergischen Grenzen hinaus. Wichtigstes Anliegen der frühen Tierschützer war der respektvolle Umgang mit Nutztieren, besonders mit Droschkenpferden und Schlachtvieh. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, sollte in Schule und Kirche die Tierliebe durch regelmäßige „Belehrungen“ gefördert werden, vor allem aber wollte man erreichen, dass Tierquälerei als Delikt in das Strafgesetzbuch aufgenommen wird. In der Tat verabschiedete der Württembergische Landtag 1839 im Polizei-Strafgesetz einen Artikel, der die rohe Misshandlung von Tieren mit einer Geldbuße oder Arreststrafe belegte.
Nachdem die beiden Pfarrer Dann und Knapp die ersten Schritte für einen organisierten Tierschutz gegangen waren, setzten sich ihre Gedanken rasch in ganz Deutschland durch. Der von Knapp initiierte Verein hatte zwar nur kurze Zeit Bestand, doch am 17. Juni 1862 kam es endgültig zur Gründung des Württembergischen Tierschutz-Vereins. 1881 vereinigten sich die lokalen deutschen Tierschutzvereine zum Deutschen Tierschutzbund. Er umfasst heute mehr als 740 örtliche Vereine mit mehr als 800.000 Mitgliedern.
Der Briefwechsel zwischen Christian Adam Dann und Albert Knapp aus den Jahren 1829 – 1836
befindet sich im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart (Knapp-Archiv D 2).
Literaturhinweise (Landeskirchliche Zentralbibliothek = LKZB):
Christian Adam Dann, Albert Knapp: Wider die Tierquälerei: Frühe Aufrufe zum Tierschutz aus dem württembergischen Pietismus (=Kleine Texte des Pietismus. Bd. 7), hrsg. von Martin H. Jung, Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2002.
Darin enthalten die anonym erschienene Schrift von Christian Adam Dann: Bitte der armen Thiere, der unvernünftigen Geschöpfe, an ihre vernünftigen Mitgeschöpfe und Herrn, die Menschen. Fues, Tübingen 1822.
LKZB A7/8626
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Quelle (LKAS, Knapp-Archiv D2,50): Die fernere Bildung von Vereinen zur Verhütung der Thierquälerei betreffend. Stuttgart 1837. Albert Knapp hatte diesen Aufruf zunächst als Beilage zum „Schwäbischen Merkur“ veröffentlicht. Später wurde er auch als einzelne Flugschrift verbreitet.
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Beitragsbild: Ein Mann peitscht sein erschöpft zusammengebrochenes Lasttier aus. Auf dem in frommen Kreisen bekannten Zwei-Wege-Bild, das die Stuttgarterin Charlotte Reihlen 1867 entworfen hat, wird die Tierquälerei als Sünde dargestellt, die auf dem breiten Weg zur Verdammnis führt. Zum Zwei-Wege-Bild hier.
AUCH INTERESSANT:
Adam Gottlieb Weigen: De Jure Hominis in Creaturas.
Oder Schrifftmässige Erörterung Deß Rechts des Menschen Uber die Creaturen / Nach allen dessen Ständen (…). Stuttgart 1711 (Reprint 2008)
LKZB A 17/10935
Das Buch des Leonberger Pfarrers Adam Gottlieb Weigen (1677-1727) ist eines der frühesten Beispiele für die Auseinandersetzung mit dem Tierschutzgedanken in Deutschland. Es fand aber wenig Beachtung und geriet rasch in Vergessenheit. Weigen, ein Vertreter des frühen Pietismus, betonte die Gottunmittelbarkeit auch der Tiere und meinte, dass im Endgericht Tierquäler ihren Opfern wieder begegnen würden.