29. Juni 2020 | Uwe Heizmann | Genealogie, Kurioses
Normalerweise ist der Taufeintrag eines ehelich geborenen Kindes recht übersichtlich. Er enthält das Datum der Taufe, später auch das Datum der Geburt, den Ort der Geburt bzw. den Wohnort der Eltern sowie die Namen des Kindes (oder der Kinder bei Mehrlingen), der Eltern, der beiden Paten und der Patin. Bei den Paten finden sich oft auch Angaben zum Beruf, in einigen Pfarreien auch beim Vater. Der Taufeintrag eines unehelichen Kindes enthält meistens noch Angaben zum Vater der Mutter sowie zum Vater des Vaters – sofern dieser bekannt war – und Angaben, ob er sich zu Vaterschaft bekannt hat.
Nun gibt es aber auch Taufeinträge, die um einen umfangreichen Fließtext ergänzt wurden. Dies deutet auf besondere Umstände der Geburt oder der Taufe hin. Diese Umstände geben dem ansonsten eher kargen Informationsgerüst etwas Leben und gewähren einen kleinen Einblick in das damalige Leben.
Im Taufregister der Pfarrei Peterzell bei Alpirsbach im Schwarzwald, die auch für den Nachbarort Römlinsdorf zuständig war (und auch heute noch ist), findet man unter dem Eintrag vom 6. Februar 1706, dem Taufeintrag für Johann Jacob, Sohn des Andreas Wörner, Tagelöhner in Römlinsdorf, und dessen Ehefrau Christina, eine solche umfangreichen Ergänzung:
„NB. [= notabene:] Obgedachtem Andreas Wörners Haußfrau hatt den 6ten Februar wollen auff Sultz gehen, daselbsten Saltz zu kauffen; als sie nun in dem Heimgehen begriffen war, wurde sie in dem Sultzer Wald von den Kindswehen überfallen und gebahr auff denen Weydener Äckhern disen ihren jung Sohn; worzu ein Burger von Röthenberg kommen, der solch Kind von ihr abgelößet, in sein wullen Hembd gewickhelt, auch die Kindbetterin mit sich nachen Marschelckhen Zimmern geführet hatt, allwo sie erst die Secundinam [= Nachgeburt] abgeleget und weil weegen großer Kälte das Kind sehr schwach, es allda durch den Herrn Vicarium M[agister] Heidecker in des allten Schulmeisters Hauß, noie [= nomine = namens] Egmann, gähtauffen lassen; weil nun die Kindbetterin erst folgenden 7. Februar sich uff einem Pferdt nach Rimmlinsdorff führen lassen, als ist das Kind den 8ten Februar darauff hier der Ordnung gemäß in der christlichen Kirche von obgenanndten Gevatterleüth vorgetragen worden.“
Es dürfte allgemein bekannt sein, dass es im 18. Jahrhundert so etwas wie Mutterschutz nicht gab und die Frauen bis kurz vor der Geburt arbeiteten bzw. arbeiten mussten. Dennoch ist es erstaunlich, dass Andreas Wörners Ehefrau Christina den ungefähr 14 km langen Fußmarsch nach Sulz am Neckar, für den sie schätzungsweise zweieinhalb bis drei Stunden unterwegs war, trotz winterlicher Temperaturen und hochschwanger auf sich genommen hatte, um Salz zu kaufen. Wie viel sie gekauft hatte, ist nicht erwähnt, jedoch kann man davon ausgehen, dass sie sich nicht nur wegen ein paar Gramm auf den Weg gemacht und deshalb auf dem Rückweg eine größere Last zu tragen hatte.
Als sie ihren Sohn Johann Jacob außerhalb des Waldes auf den zum Ort Weiden gehörenden Äckern zur Welt brachte, hatte sie ungefähr die Hälfte des Rückweges bereits hinter sich. Glücklicherweise war auch ein Bürger von Rötenberg auf der Strecke, der sie dann nach Marschalkenzimmern, der nächstgelegenen Siedlung, die außerdem wohl auf seinem Weg lag, brachte, wo sie über Nacht blieb. Im dortigen Taufbuch ist als Geburtsort der Sulzer Wald unweit des Dorfes angegeben. Ob ihr Ehemann benachrichtigt wurde oder ob er sorgenvoll bis zum nächsten Tag ausharren musste, bleibt ungeklärt. Festgehalten hat der Peterzeller Pfarrer, dass das Kind ordnungsgemäß und wie es damals üblich von den Paten, Jacob Wößner, genannt „Burgöscher“, Bauer in Römlinsdorf, Johann Jacob Wößner, Junggeselle in Hönweiler, und Christina, Ehefrau von Andreas Beesch, Bauer in Römlinsdorf, zwei Tage nach seiner Geburt in der Kirche vorgetragen, die Geburt und Taufe also der Gemeinde bekannt gegeben wurden.
Eine Taufe in Peterzell fand nicht statt, da Johann Jacob wegen kältebedingter Schwachheit bereits in Marschalkenzimmern notgetauft („Gähtaufe“) worden war. Den nachträglich eingetragenen Angaben im Taufeintrag ist aber zu entnehmen ist, dass er das Erwachsenenalter erreichte, als Erwachsener in Römlinsdorf wohnte, am 30.09.1738 heiratete und schließlich 1754 gestorben war.
Anmerkung
Burgöscher = Hinweis auf seinen Wohnort oder Hof innerhalb des Ortes, ein heutiger Straßenname in Römlinsdorf lautet „Burgesch“
Hönweiler = Ortsteil von Peterzell
Karte mit den im Taufeintrag erwähnten Orte
https://de.batchgeo.com/map/f9ffe86d165ed7dc11fc3bb98bbf7a9f
Quellen
KB Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Taufregister 1694-1732, S. 86
KB Marschalkenzimmern, Mischbuch 1637-1793, Taufregister 1637-1793, Bl. 18v
25. Juni 2020 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
Die Illustratorin Elisabeth Dinkelacker hat im Jahr 1942 im Auftrag des evangelischen Vereins für Kleinkinderpflegen ein sehr hübsches Buch gestaltet, in dem alle 24 Stuttgarter evangelischen Kindergärten in Text und Bild vorgestellt werden: „Das Buch erzählet vom Verein: …wie Kinder fromm und fröhlich sein.”
So gerne man darin blättert und den Kinderwelten in den Stuttgarter Stadtteilen nachstöbert, irritiert doch die Tatsache, dass Elisabeth Dinkelacker diese Kindergartenidyllen mitten im Krieg gezeichnet hat. Auf Stuttgart waren bereits mehrere Luftangriffe nieder gegangen, viele Väter fehlten, weil sie an der Front kämpften oder gefallen waren. Auch, dass die evangelischen Kindergärten seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten Repressalien ausgesetzt waren und sich gegen die Übernahme durch die NS-Volkswohlfahrt wehren mussten, bleibt auf den ersten Blick außen vor. Das Buch zeigt vordergründig eine Welt, wie sie für Kinder sein sollte: Behütet und friedlich, die Tage gefüllt mit Spiel und Gesang.
Schaut man genauer hin, erkennt man jedoch, dass einige Kindergärten gezwungen waren, sich neue Räume zu suchen, da ihnen gekündigt worden war. Und bei der Beschreibung des Weismann-Kindergartens wird ein Junge namens Peter beschrieben, der traurig ist und weint, da ihn seine Eltern aus dem evangelischen Kindergarten genommen haben, um ihn beim Kindergarten der NS-Volkswohlfahrt anzumelden. Das war mutig von Elisabeth Dinkelacker.
Der 1839 gegründete Verein ehrte mit dieser „Chronik“ seinen Vorsitzenden, Kirchenrat Hans Theodor Dölker (1882- 1953), der am 11.9.1942 seinen 60. Geburtstag feierte. Von heute aus gesehen ist das ihm gewidmete Werk ein Schatz:
Im Zweiten Weltkrieg wurde in Stuttgart insgesamt mehr als die Hälfte der Bausubstanz zerstört oder beschädigt. Auch Kirchen und Kindergärten waren betroffen. Das illustrierte Buch ist daher auch ein Dokument für die Zeit vor diesen Zerstörungen.
In alphabetischer Reihenfolge sind folgende Kindergärten dargestellt: “Augusten”, “Birkenwald”, “Burg”, “Charlotten”, “Dobel”, “Friedens”, “Gänsheide”, “Hospital”, “Johannes”, “Klingenbach”, “Kathrinen/Leonhards”, “Lerchenrain”, “Lutherhaus”, “Markus”, “Martins”, “Paul-Gerhardt”, “Paulus”, “Rosenberg”, “Stöckach”, “Wald”, “Wartberg”, “Weismann”, “Weißenhof”, “Wilhelms”.
Über den Evangelischen Landesverband Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V. kam das Buch in die Museale Sammlung des Landeskirchlichen Archivs.
Zur Illustratorin Elisabeth Dinkelacker:
Die Illustratorin Elisabeth Dinkelacker (1913-2001) hatte eine Ausbildung zur Kindergärtnerin absolviert, bevor sie an der Stuttgarter Kunstakademie Grafik studierte. Sie gestaltete und zeichnete Karten, Kalender, Losungen, Fleißbildchen, illustrierte Bücher. Vieles ist im Verlag Junge Gemeinde, Stuttgart oder im Verlag Ernst Kaufmann, Lahr erschienen.
22. Juni 2020 | Sabine Tomas | Aktenfund, Kurioses
Einschränkungen, Entbehrungen, Angst – Was die eine Generation in der Corona-Krise erst lernen muss, ist einer kriegsgezeichneten Generation nicht neu. Die Verluste, die diese Generation hinnehmen musste, sind schwer in Worte zu fassen. So traf es im zweiten Weltkrieg auch die Münsterbauhütte: Das Gebäude an sich völlig zerstört, das Münster selbst von Bomben beschädigt. Und der Münsterbaumeister? Münsterbaumeister Karl Friederich verlor am 17.09.1944 bei einem Tieffliegerangriff in einem Zug bei Offenburg, in dem er sich befand, das Leben. Während eines Münsterumgangs und einer anschließenden Münsterbaukomiteesitzung am 12. September 1951 wurde ein Gedenkstein im Übergang von der südlichen Seitenschiffvorhalle zur Hauptportalvorhalle zu seinen Ehren enthüllt. Seine Mitarbeiter wie auch sein Nachfolger hatten teilweise schwer an den Nachwirkungen des Krieges zu tragen. Steinhauer Schöck beispielsweise beantragte Ende der 40er Jahre Arbeitsschuhe, da er selbst über kein festes Schuhwerk mehr verfügte. Laut eines Schreibens des Münsterbauamts an das städtische Wirtschaftsamt vom 07. Mai 1948 kam Steinhauer Schöck erst mit schlechtem Schuhwerk, dann mit seinen leichten Sonntagsschuhen zur Arbeit, da ihm die vom Amt gestellten Holzschuhe nach einer Kriegsverletzung (Spitzfuß) Beschwerden verursachten. Daher bemühte sich das Münsterbauamt bei der zuständigen Stelle für den betroffenen Steinhauer um neues Schuhwerk.
LKA, Ulm, Münsterbauhütte, 315
LKA, Ulm, Münsterbauhütte, 493
LKA, A 129, 1213
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Bericht über Tod von Münsterbaumeister Friederich
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Schreiben bezüglich Schuhwerk
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Reliefplatte zum Andenken an Münsterbaumeister Dr. Karl Friederich
18. Juni 2020 | Uwe Heizmann | Aktenfund, Genealogie
Im Taufregister von Peterzell bei Alpirsbach ist für den Palmsonntag 1653, den 3. April, folgender Eintrag zu finden:
„Am H[eiligen] Palmtag ist getauft worden,
Hans (Anna) Jacob
Michel Epptings unnd Margretha ux[or] ehliches Kind,
Comp[atres:] Hanß Dietsch unnd Hanß Wanger
Commat[er:] Maria, Matheiß Bischoffen Haußfrau
NB [= nota bene:] Hierbey ist zu mercken, daß nach deme obgeschribenes Michel Epptings Kind ettlich Tag nach empfangener Tauf mehr männliches alß weibliches Geschlechts gefunden worden, alß ist der Nahm Anna abgethan unnd an statt selbigen daß Kind Hans Jacob genennet unnd publice proclammiert worden.“
Dieser Eintrag ist ein seltener historischer Beleg für einen Fall von Intersexualität aus dem 17. Jahrhundert. In der damaligen Zeit war es üblich, neugeborene und getaufte Kinder – auch Kinder, die zuhause notgetauft wurden – in der Kirche vorzutragen, also der Gemeinde bekannt zu geben. Folglich wurde auch die Namensänderung des neuen Gemeindemitgliedes bekannt gegeben. Am Rand des Taufeintrages wurde nachträglich vermerkt, dass Hans Jacob später Heiligenpfleger in Peterzell war und am 26. Februar 1724 starb. Sein Todeseintrag lautet:
„Den 26. Februarii ist durch einen seeligen Todt aus dem Land der Lebendigen hinnweg genommen worden Hannß Jacob Epting, 28 jähriger Heiligen-Pfleger allhier, noch ledigen Stands, seines Alters 71 Jahr weniger 5 Wochen und wurde sein Leichnamb den 29. eius beerdigt.“
Mit dem Amt des Heiligenpflegers, also dem Verwalter des Kirchenvermögens, hatte Hans Jacob Epting ein verantwortungsvolles und angesehenes Amt inne. Aus seiner Zeit als Heiligenpfleger ist die Heiligenrechnung 1710/11 überliefert. Der Heiligenpfleger war meist auch Mitglied des Kirchenkonvents. Im Peterzeller Kirchenkonventsprotokollband 1703-1712, dem ältesten überlieferten Band, ist Epting auf den ersten Seiten unter den „Kirchen-Censur-Assessores“ aufgeführt. Es ist aber anzunehmen, dass er auch schon zuvor einer der Kirchenkonventsrichter war. In diesem und dem nächsten überlieferten Protokollband 1719-1733 ist Epting 17 Mal namentlich genannt, meist als jemand, der etwas vor den Kirchenkonvent vorbrachte. Anfeindungen gegen ihn sind den Protokollen nicht zu entnehmen. Den Taufregistern von Peterzell ist zu entnehmen, dass Epting zwischen 1692 und 1722 bei fünf Familien insgesamt 18 Mal Pate war.
Aufgrund der Quellenlage kann angenommen werden, dass Hans Jacob Epting ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft war. Seine Ehelosigkeit ist nicht zwangsläufig auf seine Intersexualität zurückzuführen.
Quellen
KB Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Taufregister 1648-1694, S. 6
KB Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Totenregister 1649-1732, S. 76
KB Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Taufregister 1648-1694, S. 33, 45, 48, 50 und 58
KB Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Taufregister 1694-1732, S. 84, 91, 95, 98, 104, 106, 108, 110, 111, 112, 119, 124 und 128
LKAS, G 561 (Evangelisches Pfarramt Peterzell), Heiligenrechnung 1710/11
LKAS, G 561, Kirchenkonventsprotokolle 1703-1712, ohne Seitenzählung (5. Seite, 23.09.1703, 18.11.1703, 02.03.1704, 06.04.1704, 13.12.1705, 17.01.1706, 06.06.1706, 28.10.1707, 08.07.1708, 29.09.1709, 23.02.1710)
LKAS, G 561, Kirchenkonventsprotokolle 1719-1733, ohne S. (30.06.1720, 22.12.1720, 25.01.1722, 05.07.1722, 27.09.1722, 05.03.1724)
15. Juni 2020 | Anette Pelizaeus | Inventarisation, Kirchen, Kunstgeschichte
Das Landeskirchliche Archiv Stuttgart ist neben der Sammlung, Erhaltung, Verwahrung, Erschließung und Bereitstellung von Archivalien sowie den vielfältigen Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit auch für die Inventarisierung der einzelnen Kirchen der evangelischen Landeskirche in Württemberg zuständig.
Die Inventarisation der Kirchen in den Dekanaten der evangelischen Landeskirche in Württemberg beinhaltet die Dokumentation der einzelnen Bauwerke einschließlich der wissenschaftlichen Erfassung ihrer Baugeschichte, der Beschreibung des Innenraums und des Außenbaus, der einzelnen unbeweglichen und beweglichen Kunstgegenstände, der Vasa Sacra und schließlich der historischen Paramente. Zunächst werden die Kirchenbauten und die dazugehörigen Kunstobjekte vor Ort von allen Seiten fotografiert. Ebenfalls vor Ort wird für jedes einzelne Objekt eines Kirchenbaus mit der Hand ein Formblatt mit Titel, grober Beschreibung und Maßangaben erstellt. Anschließend wird im Landeskirchlichen Archiv in einer elektronischen Datenbank jede inventarisierte Kirche mit ihren einzelnen Kunstobjekten erfasst. In dieser Datenbank, in der jedes Objekt eine eigene Inventarnummer erhält, werden die Angaben zu Datierung, Baugeschichte, Material und Technik ergänzt, bei vorhandenen Inschriften die Transkriptionen erstellt, eine ausführliche Beschreibung des Objektes vorgenommen, Literaturnachweise hinzugefügt und die entsprechenden Fotos eingefügt.
Ziel der Inventarisation ist erstens die Kontrolle über Verluste und Neuzugänge von kirchlichen Kunstschätzen in den einzelnen Kirchen. Verlorenes Kunstgut kann dabei vielfach durch den Rückgriff auf die detaillierte Dokumentation identifiziert und auf diese Weise bisweilen auch wiedergefunden werden.
Zweitens, und das ist der weitaus wichtigere Part, versteht sich die Inventarisation als Dienstleistung für die einzelnen Kirchengemeinden und Dekanate der evangelischen Landeskirche in Württemberg. Die wissenschaftliche Dokumentation der einzelnen Kirchen bietet die Möglichkeit der wissenschaftlichen Recherche für geplante Publikationen oder Ausstellungen, die dann auch vom Landeskirchlichen Archiv wissenschaftlich mitbetreut, gegebenenfalls auch mitorganisiert oder gar durchgeführt werden können. Auch Kirchenführungen durch die Inventarisatoren einzelner Kirchen sind immer wieder möglich und wurden, ebenso wie individuelle Ausstellungen, vielfach nachgefragt.
Die Ausstellung zur Dreihundertjahrfeier im Dekanat Besigheim oder der nun bald erscheinende Kirchenführer zur Stadtkirche St. Georg in Weikersheim sind herausragende Beispiele des offenen Dialogs zwischen Dekanaten, Kirchengemeinden und der Abteilung Inventarisation des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart.
Die Ansprechpartner für die Inventarisation sind Frau Dr. Anette Pelizaeus und Herr Claus Huber .
Beitragsbild: Unsere Inventarisatorin erklärt die Vasa Sacra der Herrenberger Stiftskirche. Foto: Landeskirchliches Archiv
Die Inventarisation auf der Homepage des Landeskirchlichen Archivs.
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Weikersheim, Stadtkirche: Altarretabel mit Darstellung des Abendmahls von Melchior Jung, 1616-1618
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Uhlbach, Andreaskirche: Historische Deckenbemalung mit Darstellung eines Propheten, 1894-1895
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Stuttgart, Schlosskirche: Glasmalerei mit Darstellung von Hzg Eberhard im Bart und seiner Gemahlin Barbara, 1864-1865, rest. 1950
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Stuttgart, Markuskirche: Altarantependium von Heinrich Dolmetsch, 1906-1908
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Stuttgart, Stiftskirche: Epitaph des Reformators Johannes Brenz (1499-1570)
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Plieningen, Martinskirche: romanische Reliefs unter dem Kranzgesims mit Darstellung einer Männleinfigur, 1165-1200
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Frauental, ehem. Zisterzienserinnenklosterkirche: Unterkirche, 3. V. 13. Jahrhundert
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Birkach, ehem. Franziskakirche: herzogliches Wappen auf einer Abendmahlskanne von 1780
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Besigheim, Altarschrein: Hl. Cyriakus heilt Arthemia, die Tochter des Kaisers Dioklethian, um 1520
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Bad Cannstatt, Stadtkirche: Engelskonsole, 1570-1575
10. Juni 2020 | Uwe Heizmann | Kurioses
In einem Schreiben vom 17. November 1778 teilten die herzoglichen Regierungsräte im Namen des württembergischen Herzogs dem Oberamt Rosenfeld und dem Dekanat Balingen folgendes mit:
„Uns ist aus einem […] wegen eines zu Vöhringen befindlichen bürgerlichen Innwohners und Bauren nahmens Ludwig Gührings, welcher nicht nur vor seine Person in Glaubens-Sachen irrige und fanatische Principia hege, sondern auch solche mündlich und schrifftlich auszubreiten suche, erstatteten unterthänigsten Bericht des mehreren […] referirt worden. Wann wir nun hirauf gnädigst verordnet haben wollen, daß ihr der Specialis nebst dem Pfarrer zu Vöhringen ohne jemals zu ermüden alles nur immer mögliche überhaupt gewißenhafft anwenden sollet, um den Gühring mit der nöthigen Klugkeit, Sanftmuth und Gedult dereinstens wieder zu recht zu bringen, in solcher Absicht aber besonders ihr der Specialis ihn je und je vor euch zu bescheiden und ihn den Ungrund seiner Meynungen […] vermittelst außerlesener und deutlicher Stellen der heiligen Schrift […] mit Sanfftmuth und Gedult wie bißhero also auch noch fernerhin zu erkennen zu geben […], überdiß aber der Pfarrer zu Vöhringen diesen irrenden Mann wohl zu beobachten, ihne ins besondere in seinem Unterricht zu nehmen, nach seiner Faßlichkeit und Temperament sich sanfftmüthig und einfältig mit ihne zu besprechen und überhaupt niemahlen zu ermüden habe und verdrüßlich werden solle, einen solchen auf Abwege gerathenen Mann auf die richtige Bahn der heilsamen Wahrheit einzuleiten. Alß habt ihr übrigens denselben auf das ernstlichste zu verwarnen, sich ja wohl vorzusehen, daß er niemahlen jemanden einiges Aergenüß gebe, vornehmlich aber von nun an unterlaße, seine besondere Meynungen weitershin weder schrifftlich noch mündlich außzustreuen […]“
Was hatte Ludwig Gühring angestellt, dass er sich den Unmut des Herzogs auf sich zog? Näheres geht aus einem Protokoll des Pfarrers zu Vöhringen vom 25. Juli 1778 hervor:
„Ludwig Gühring, Bürger und Bauer von hier, aetat. [= seines Alters] 60 Jahr […], äußert seit einiger Zeit ins Publicum, in und außerhalb Orts, durch mundlichen Vortrag und Schriften, die er lesen und abschreiben läßt und die er zum Theil auch weiter gern abdrucken ließe, ähnliche Principia mit den Irrlehren der alten Noëtianer […] und mit den Photinus, Macedonius und Priscillianus […], hauptsächlich agnoscirt [= anerkennt] er nicht die Personalitaet des Vatter und des Heiligen Geistes und statuirt: 1) Nur der Sohn seye eigentlich eine einzige Person in der Gottheit, weil dieser gebohrn seye und in ihm die ganze Fülle der Gotthet leibhafftig wohne – Gott seye ja nur ein Geist und habe sich nie in persöhnlicher Gestalt geoffenbart […].“
Gühring war also jemand, der die bestehende Glaubenslehre in Frage stellte und seine eigene theologische Meinung nicht nur vertrat, sondern diese auch unters Volk bringen wollte. Seine Ansichten ähnelten – zumindest nach Ansicht des Vöhringer Pfarrer – denen von Noët von Smyrna (wirkte um 180), Photinus von Sirmium (+ 376), Macedonius von Konstantinopel (+ nach 360) und Priscillian (+ 385), deren Lehren alle der offiziellen kirchliche Lehre widersprachen. Der Pfarrer von Vöhringen hatte über Gühring in den Jahren 1778 bis 1780 eigens eine Akte mit dem bezeichnenden Titel „Die religiösen Schwärmereien Ludwig Gührings, Bauers, betreffend“ angelegt. Diese umfasst 52 Seiten und enthält neben Berichten des Pfarrers und des Specials auch verschiedene Schreiben Gührings, auch an den Herzog und nach dem 17. November 1778!
Im Protokoll des Vöhringer Pfarrers ist Gührings Alter mit 60 Jahren angegeben. Dadurch konnte sein Taufeintrag im Vöhringer Taufbuch am 16. März 1718 zugeordnet werden. Im Taufeintrag wurde nachträglich eingetragen, dass er am 18. November 1783 im Lazarett in Stuttgart verstorben war, was auch durch den entsprechenden Eintrag im Stuttgarter Totenregister bestätigt wird. Interessanterweise ist Gühring dort als „Feuersprizenmacher“ bezeichnet.
Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart sind unter den Signaturen A 25 Bü. 212 eine Akte mit dem Titel „Die von Ludwig Gihring in Vöhringen, Amt Rosenfeld, erfundene Wasserpumpmaschine“ aus dem Jahr 1770 und A 239 Bü. 15 eine mit dem Titel „Gesuch des Ludwig Gühring von Vöhringen, Rosenfelder Amts, zurzeit in Stuttgart, um eine Belohnung und ein Privileg für seine neu erfundene Feuerspritze“ aus den Jahren 1781-1783 archiviert. Die eben genannten Fakten und die Tatsache, dass es in Vöhringen im betroffenen Zeitraum laut Vöhringer Seelenregister 1768-1808 kein anderer in Frage kommender Ludwig Gühring gab, sprechen dafür, dass diese beiden Akten ebenfalls den hier behandelten Ludwig Gühring betreffen.
War Gühring also nicht nur ein „Andersdenkender“, sondern auch ein genialer Tüftler? Eine Forschung zu Ludwig Gühring, auch als ein Teil einer größer angelegten Untersuchung zu Dissidenten und/oder Tüftlern in der damaligen Zeit, könnte interessante Einblicke liefern.
Quellen
Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, G 563 (Evangelisches Pfarramt Vöhringen, unverzeichnet), Schatulle „Verschiedenes 2“, Mappe „Die religiösen Schwärmereien Ludwig Gührings, Bauers, betreffend“
KB Vöhringen, Mischbuch 1689-1786, Taufregister 1689-1765, ohne Seitenzählung (16.03.1718)
KB Stuttgart Stiftskirche, Totenregister 1767-1784, Bl. 247v (18.11.1783)
KB Vöhringen, Seelenregister 1768-1808, Doppelseite G-H
Wikipedia: Noet
Wikipedia: Photinus von Sirmium
Wikipedia: Macedonius I of Constantinople
Wikipedia: Priscillian
8. Juni 2020 | Anette Pelizaeus | Bestand, Digitalisierung, Fotografie
In vielen Bereichen des persönlichen und beruflichen Lebens gibt es sogenannte „Aha-Momente“, so auch im Archiv! Ein Wunder ist geschehen, sämtliche Glasplatten und Dias einer Münsterbauhütte sind digitalisiert. Nun ist es möglich, sich in verschiedener Weise den Abbildungen, die man nun in groß und im Detail ansehen kann, zu nähern und dabei den Bildbestand überhaupt erst zu ermessen und zu erschließen. Das Bildarchiv nämlich enthält etliche Risse der mittelalterlichen Baumeister, angefangen von Heinrich II. Parler 1377 bis hin zu Burkhard Engelberg 1512, zahlreiche Ansichten vor und nach der Anfügung des Strebesystems am Langschiff von 1856-1870, vor und nach der Vollendung vom Hauptturm im Westen 1892 sowie vom Bau der Seitentürme am Chor 1871-1880. Unzählige Abbildungen des Kirchenbaues, der einzelnen Ausstattungsstücke im Innenraum sowie vom Bauschmuck am Außenbau des Ulmer Münsters zeugen von der baukünstlerischen Qualität der Münsterbaumeister, der Steinmetzen, der Bau- und Werkleute und Kunstschaffenden, die unermüdlich Pläne schmiedeten, Stein auf Stein setzten, Steine bearbeiteten und formten. Allein dieses Bildmaterial, einschließlich der zahlreichen Darstellungen der Meisterzeichen der Münsterbaumeister gibt reichlich Aufschluss nicht nur über die Baugeschichte des Ulmer Münsters sondern auch über kulturhistorische, kunsthistorische, technische und werkspezifische Fragen. Dazu gehört auch die einzigartige Dokumentation der Totentafeln, aus der wertvolle Erkenntnisse zur Stadtgeschichte und zu den Stifterpersönlichkeiten des Ulmer Münsters zu ziehen sind. Doch damit nicht genug, denn nicht nur der Bau und seine Kunstobjekte sind Bildmotive, sondern auch die Bauhütte selbst. Diese, von der man seit dem spätmittelalterlichen Baustopp am Turm von 1492 und der endgültigen Einstellung aller Bauarbeiten spätestens 1550 nichts mehr hörte, wurde 1844 von dem späteren Münsterbaumeister Ferdinand Thrän (1857- 1870) wiedergegründet und das Bildarchiv zeigt Bilder von Steinmetzen mit ihrem Handwerkszeug. Gruppenbilder diverser Mannschaften aus verschiedenen Zeiten geben Aufschluss über diejenigen, die seit dem 19. Jahrhundert am Münster gewirkt haben und welchen Wandel auch die Bauhütte seit ihrer Gründung erlebt hat. Gleichwohl gilt dabei zu konstatieren, dass die Bauhütte von Beginn an von Männern dominiert war und heute auch noch ist, ein ganz und gar typisches Phänomen dieses Berufsfeldes, ein Gesellschaftsphänomen, dessen Wandel noch bevorsteht.
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D 4515: Parlerstein
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D 5150: Münsterbaumeister Ferdinand Thrän (Münsterbaumeister 1857-1870)
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D 5046: Böblingerplan, unterer Teil des Turmes 1473-1493
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D 4347: Belegschaft der Münsterbauhütte 1926
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D 4030 : Original des Turmrisses von Matthäus Böblinger 1482
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D 3013: Pultwangenbüste von Jörg Syrlin d.Ä., entstanden zwischen 1469-1474
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D 5267: Turmriss von Ulrich Ensinger 1392-1417
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D 5264: sämtliche Meisterzeichen am Ulmer Münster
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D 5260: Ansicht des Ulmer Münsters von Südwesten vor 1844
4. Juni 2020 | Uwe Heizmann | Genealogie
Eine der ersten Hürden bei der historischen Forschung – bei der akademischen, wie auch bei der Ahnenforschung – ist die Handschrift, in der die jeweilige Quelle geschrieben ist. Ist die Deutsche Kurrentschrift für Anfänger schon schwer zu lesen, so erschweren „Sauklauen“ den Zugang zu den Quellen erst recht. Da ist es umso erfreulicher, wenn es Schreiber gibt, deren Handschrift fast schon als Kalligrafie bezeichnet werden kann.
Zu diesen Schreibern gehört der Pfarrer Wilhelm Christoph Burckh (~ 25.05.1676 in Metzingen, + 08.02.1747 in Pfalzgrafenweiler), Pfarrer in Berneck (Altensteig, Lkr. Calw) ab 1701, in Grömbach (Lkr. Freudenstadt) ab 1707 und in Pfalzgrafenweiler (Lkr. Freudenstadt) ab 1716 bis zu seinem Tod.
In Berneck ist seine Handschrift im Taufregister ab 26.05.1701, im Eheregister ab 08.06.1701 und im Totenregister ab 04.05.1701 zu finden.
In Grömbach hat er Amtshandlungen ab 29.09.1707 ins Taufregister und ab 09.08.1707 ins Eheregister eingetragen, ein Totenregister ist aus dieser Zeit nicht vorhanden. In das Mischbuch, in dem sich diese Register befinden, wurden außerdem Reskripte und Kirchenkonventsprotokolle eingetragen, so dass man Burckhs Handschrift auch in diesen ab 15.12.1707 bzw. 24.08.1707 online einsehen kann.
In Pfalzgrafenweiler Taufregister findet man Burckhs ersten Eintrag am 26.01.1716. Im Eheregister ist bereits am 10.09.1715 seine Handschrift zu finden. Die besagte Hochzeit wurde zwar von seinem Vorgänger Johann Ludwig Steck (27.06.1646-23.09.1715) durchgeführt, jedoch hatte Burckh sie eingetragen – entweder weil Steck nicht mehr schreiben konnte oder aus anderen Gründen. Noch vor Burckhs offiziellen Stellenantritt im Januar 1716 hatte er zwei Beerdigungen stellvertretend vorgenommen und im Totenregister eingetragen, die seines Vorgängers am 26.09.1715 und eine weitere am 23.12.1715.
Burckh hatte seit Beginn bis zum Ende seines 46-jährigen Pfarrdienstes eine saubere, sehr gut lesbare Handschrift geführt, vorhergehende und nachfolgende Pfarrer kamen an diese Kalligrafie nicht heran – auch wenn ihrer Handschriften auch noch lesbar sind (vgl. Bilder).
Ein anderes Beispiel für gut lesbare Schriften findet sich in den Kirchenbüchern von Bad Wimpfen. Gleichzeitig findet man Belege dafür, dass die Register nicht immer und überall durch den Pfarrer geführt wurden. In der Pfarrei Wimpfen am Berg existieren drei Zweitschriften von Taufregistern für den Zeitraum 1741 bis 1807, die vom jeweiligen Mesner geführt wurden. Ab 08.11.1765 ist die Schrift sehr gut lesbar. Die Erstschriften der Ehe- und Totenregister wurden mindestens vom 19.11.1765 bis Ende 1807 durch den Mesner geführt, was anhand der markanten Schrift (hier bzw. hier) und der persönlichen Eintragung durch den Schulmeister und Mesner Gottfried Christian Albrecht Kubach auf der letzten Seite des Totenregisters 1807 belegt ist. Vor ihm wurden die Register durch den Schulmeister und Mesner Friedrich Christoph Muckh, seinem Schwiegervater, geführt (Kubach kann die Register nicht bereits ab 1765 geführt haben, vgl. Biografie). Ihre beiden Handschriften sind erstaunlicherweise nicht voneinander zu unterscheiden, möglicherweise hat Kubach das Schönschreiben bei seinem Schwiegervater gelernt.
Biografische Notizen zu Friedrich Christoph Muckh
* 14.10.1727 in Ohrnberg (Öhringen, Hohenlohekreis)
+ 20.03.1809 in Wimpfen am Berg (Bad Wimpfen, Lkr. Heilbronn)
Schulmeister in Wimpfen im Tal ab 1744, Mädchen-Schulmeister und Mesner in Wimpfen am Berg ab September 1765
Biografische Notizen zu Gottfried Christian Albrecht Kubach
* 21.03.1767 in Adelsheim (Neckar-Odenwald-Kreis)
+ 27.12.1840 in Wimpfen am Berg (Bad Wimpfen, Lkr. Heilbronn)
Schulmeister in Wimpfen im Tal ab 15.02.1785, Mädchen-Schulmeister und Mesner in Wimpfen am Berg ab 08.02.1799
oo 05.08.1788 in Wimpfen am Berg Maria Clara Rosina Muckh
Quellen zu Burckh
KB Metzingen, Mischbuch 1648-1735, Taufregister 1648-1687, ohne Seitenzählung (25.05.1676)
KB Pfalzgrafenweiler, Totenregister 1719-1808, ohne Seitenzählung (08.02.1747)
Biografie Wilhelm Christoph Burckh im Pfarrerbuch
Biografie Johann Ludwig Steck im Pfarrerbuch
Quellen zu Kubach
KB Adelsheim, Mischbuch 1729-1802, Taufregister 1729-1788, S. 154 (21.03.1767)
KB Bad Wimpfen, Totenregister 1831-1841, S. 300 (27.12.1840)
KB Bad Wimpfen, Seelenregister H-Z, Nr. 187 (Familie Gottfried Christian Albrecht Kubach)
KB Bad Wimpfen, Seelenregister H-Z, Nr. 132 (Familie Friedrich Christoph Muckh)
KB Ohrnberg, Mischbuch 1552-1758, Taufregister 1627-1758, Bl. 164v (14.10.1727)
KB Bad Wimpfen, Totenregister 1808-1830, S. 60 (20.03.1809)
KB Bad Wimpfen, E 1590-1807, ohne Seitenzählung (05.08.1788)
Allgemeiner Literaturhinweis: Unsere Arbeitshilfe zur Forschung mit den württembergischen Kirchenbüchern kann zum Preis von 5,00 Euro bestellt werden.
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Taufregister Pfalzgrafenweiler 1745
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Taufregister Pfalzgrafenweiler 1757 (zum Vergleich)
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Taufregister Pfalzgrafenweiler 1775 (zum Vergleich)
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Totenregister Pfalzgrafenweiler 1715/1716
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Eheregister Wimpfen 1765
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Taufregister Wimpfen 1765
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Taufregister Wimpfen 1765/1766
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Totenregister Wimpfen 1765
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Totenregister Wimpfen 1765/1766
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Totenregister Wimpfen 1807
2. Juni 2020 | Anette Pelizaeus | Allgemein, Kirchen, Kunstgeschichte, Kurioses
Von herausragender Bedeutung des Kirchengebäudes ist das berühmte Kinderepitaph des Herzogs Heinz von Sachsen-Lauenburg auf der Nordseite des Mittelschiffes, der 1437 im Alter von nur sechs Jahren verstarb. Es ist ein hochrechteckiges Epitaph, das auf einem Sockel aus Sandstein ruht und eine Sandsteineinfassung aufweist. Das Epitaph wird auch als das Weikersheimer “Prinzle” bezeichnet und ist als eines der ältesten aus dem Mittelalter noch erhaltenen Kinderepitaphe anzusehen. Es ist aus verschiedenen gebrannten Tonplatten zusammengesetzt und weist einen umlaufenden gekehlten Rahmen mit aufgelegtem Blattwerk auf. Im Binnenfeld ist lebensgroß und im Ganzkörperportrait die aus Blei gegossene Figur des kleinen Herzogs dargestellt. Er steht unter einem vorgewölbten Baldachin auf einem hohlen Baumstumpf. Der Knabe trägt ein knielanges Hemdchen mit langen Ärmeln in Blaugrau mit vergoldeter Ornamentik, neigt seinen Kopf leicht zur Seite und legt seine Hände zum Gebet zusammen. Vor dem Baumstumpf liegt das an den beiden Querseiten eingerollte Schriftblatt mit der aufgemalten Sterbeinschrift. Beidseitig des Kindes jeweils oben und unten und nach innen geneigt befinden sich die vier Wappenschilde von Sachsen, Leiningen, Weinsberg und Braunschweig. Alle Wappenschilde ziert ein Maßwerkwimperg mit abschließendem Kielbogen, der von Krabben besetzt ist und eine krönende Kreuzblume aufweist. Die Wimperge werden von Fialen begleitet, die jedoch bei den unteren Wimpergen nicht alle erhalten geblieben sind.
Heinz war der Sohn Herzogs Erich V von Sachsen-Lauenburg aus dem Geschlecht der Askanier und seiner Frau Elisabeth von Weinsberg. Sein Vater verstarb Ende 1435, so dass er als Kind Herzog wurde, allerdings nur für ein Jahr, da er mit sechs Jahren seinem Vater in den Tod folgte. Sein Onkel wurde dann zum neuen Herzog. Sein Großvater mütterlicherseits war der Stifter der Weikersheimer Kirche.
Bald wird ein neuer Kirchenführer zur Stadtkirche St. Georg in Weikersheim erscheinen, verfasst von Anette Pelizaeus, Inventarisatorin im Landeskirchlichen Archiv, und Günter Breitenbacher. Die Neubearbeitung des schon bestehenden Kirchenführers ergab sich aus der Inventarisation des Kirchenbezirks Weikersheim im vergangenen Jahr. Der Kirchenführer liefert neue Erkenntnisse sowohl zu ihrer Baugeschichte als auch ihrer Ausstattungsstücke. Alle zur Baugeschichte des Sakralbaues heranzuziehenden Quellen wurden gesichtet, in die heutige Schriftsprache umgesetzt und ausgewertet, wodurch die vielschichtige Entwicklung von der einst einfachen romanischen Kirche bis zur heutigen Stadtkirche mit ihrem wohl gelungenen Stilpluralismus lebendig nachvollziehbar wird. Innenraum und Außenbau des Kirchengebäudes erschließen sich durch präzise Beschreibungen und anhand ausgewählter Betrachtungen, die alle historisch, kunsthistorisch oder kulturhistorisch interessierten Besucherinnen und Besucher in die jeweilige Stilepoche der jeweiligen Kunstobjekte eintauchen lassen. Zahlreiches Anschauungsmaterial dient als lebendige Begleitung des Fließtextes, der nicht zuletzt von der geistlichen Botschaft des Sakralgebäudes im christlichen Abendland zeugt.
Foto: Landeskirchliches Archiv Stuttgart