Abenteuerliche Anlieferung von Archivmaterial

30. Juni 2023 | |

Derzeit entsteht an der Rückseite unseres Gebäudes ein Erweiterungsbau. Aus diesem Grund befindet sich dort, wo bis Februar noch unser Parkplatz und unsere Anlieferung war eine große Baustelle. Zwar versuchen wir die Einholung von neuen Beständen stark einzuschränken, da eine normale Anlieferung nicht mehr möglich ist. Gleichzeitig gehen unsere Erschließungs- und Verzeichnungsarbeiten aber weiter. Aus diesem Grund haben wir nach wie vor den üblichen Verbrauch an Archivschatullen für das Verpacken der Archivalien. Von dem her mussten wir wieder Nachschub an diesen Materialien bestellen, in diesem Fall 17 Paletten mit Archivschatullen. Wie bekommt man jedoch 17 Paletten mit Schatullen in ein Archiv unter Wegfall des normalen Anlieferungsbereiches? Glücklicherweise war das Bauunternehmen so freundlich, uns zu helfen. Die Paletten wurden mit Hilfe des Baukrans über die Baustelle hinweg direkt zu dem Anlieferungstor geführt. Das war für uns allerdings ein sehr ungewöhnliches Ereignis. Die Paletten wurden vor unserem Tor ebenerdig auf eine Platte gestellt und dann mit einen Hubwagen in den Anlieferungsbereich hineingezogen.

Rückblick auf die Buchvorstellung am 23. Juni

28. Juni 2023 | | , , ,

Vergangenen Freitag fand in den Räumen des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart eine mit knapp hundert Interessenten sehr gut besuchte Tagung zu einer Neuerscheinung statt. Vorgestellt wurde das zweibändige Werk über die historischen Friedhöfe der Templer im Nahen Osten (1869-1948).  Grußworte sprachen der Vorsitzende des Vereins für württembergische Kirchengeschichte, Professor Dr. Norbert Haag, sowie als Hausherr der Leiter des Landeskirchlichen Archivs, Dr. Claudius Kienzle. Ein Grußwort des Leiters des Erhaltungsrats für Welterbestätten in Israel, Dr. Omri Shalmon, wurde verlesen. Danach folgten Vorträge von Professor Haim Goren aus Israel über die ersten, noch misslungenen Ansiedlungsversuche der Templer in Palästina. Oberbaudirektor i.R. Ulrich Gräf gab interessante Aufschlüsse über die Gestaltung der Grabsteine in ihren zeitlichen Kontexten. Dr. Jakob Eisler vom Landeskirchlichen Archiv erläuterte Hintergründe, die die Bedeutung der Dokumentation herausstellten und gab einige Beispiele aus dem Buch, die deutlich machten, wie umfassend von den Autoren für den biografischen Teil der Bände geforscht wurde. Herr Klingbeil von der Tempelgesellschaft berichtete über die Geschichte und die Pflege dieser Friedhöfe, insbesondere auch was die Zeit nach beginn des Zweiten Weltkrieges betraf, nachdem die Mitglieder der Tempelgesellschaft Israel schon verlassen hatten. Die Vorträge waren alle lebhaft und kurzweilig. Der Verein für württembergische Kirchengeschichte hatte für die Bereitstellung von Getränken und Speisen im Foyer gesorgt, so dass nach im Anschluss der Veranstaltung noch reichlich Gelegenheit für Gespräche bestand. Am Büchertisch konnte das werk gleich erworben werden.

Eine weitere Buchvorstellung wird in Israel  im Zentrum der Israelischen Denkmalpflegebehörde in „Mikwe Israel“ (vormals die erste Jüdische Landwirtschaftsschule von 1870 die vom Württemberger Theodor Sandel geplant wurde) stattfinden. Dr. Omri Shalmon, Frau Tamar Tuchler von der Denkmalbehörde Jaffa/Tel-Aviv und weitere Denkmal Persönlichkeiten werden dabei sein.

Der Doppelband kann hier bestellt werden: margarete.gruenwald@elk-wue.de

Jakob Eisler/Ulrich Gräf, Die historischen Friedhöfe der Templer im Nahen Osten (1869– 1948), Bd. 1: Templerfriedhöfe im Süden, Bd. 2: Templerfriedhöfe im Norden, Stuttgart 2023. 2 Bde. im Schuber, 780 S. 79,00 EUR. ISBN 978-3-944051-23-9 (Bd. 1), ISBN 978-3-944051-24-6 (Bd. 2).

Kirchenbücher von Katharinenfeld (Bolnisi) in Georgien

22. Juni 2023 | | ,

Historische Kirchenbücher der evangelischen Kirchengemeinde Katharinenfeld können nun als Digitalisate eingesehen werden. Online einsehbar sind folgende Register: Taufregister (1827-1835), Konfirmandenregister (1828-1848), Eheregister (1827-1843), Totenregister (1827-1843), Totenregister (1864-1889) sowie das Personalbuch der evangelisch-lutherischen Gemeinde (1891-1914). 

Konfirmandenregister von Katharinenfeld

Die Siedlung Katharinenfeld wurde im Jahr 1819 von württembergischen Auswanderern westlich von Tiflis gegründet und nach Katharina, der Gemahlin von König Wilhelm von Württemberg (eine Schwester von Zar Alexander) benannt. Der Hintergrund der Gründung von schwäbischen Ansiedlungen im Bereich des Kaukasusgebietes waren wirtschaftliche Notlagen in der Heimat und religiöse Vorstellungen. Besonders das Jahr 1816 mit seinen klimatisch bedingten Missernten sorgte für einen wirtschaftlich motivierten Auswanderungswunsch. Chiliastische Vorstellungen vom nahenden Weltende verbanden sich mit einem radikalen Pietismus (bzw. Separatismus) und dem Wunsch beim jüngsten Gericht möglichst nahe am Heiligen Land zu sein, in das eine Auswanderung damals aber noch nicht möglich war. Die Einwanderung in das südliche Kaukasusgebiet war jedoch möglich und wurde von Russland, das diese Gebiete kurz vorher erobert hatte auch durch Gewährung von Grund und Boden, Steuerfreiheit und anderen Vergünstigungen an die Siedler begünstigt. Nach anfänglichen großen Schwierigkeiten konsolidierten sich die Siedlungen ökonomisch und gesellschaftlich. In Sowjetzeiten wurde die Ortschaft in Luxemburg umbenannt (nach Rosa Luxemburg). Das kirchliche Leben wurde in Sowjetzeiten sehr eingeschränkt aber die Siedlungen bestanden noch bis zur im Jahr 1941 verordneten Deportation der Einwohner in andere Gegenden der UdSSR. 1944 erhielt Katharinenfeld seinen heutigen Namen Bolnisi. Die Nachfahren der früheren Bewohner wohnen mittlerweile zum großen Teil in Deutschland.

Die heutige evangelische Kirchengemeinde von Bolnisi gehört zur Evangelisch-Lutherische Kirche in Georgien und dem Südlichen Kaukasus.

Verwendete Literatur: Verlorene Spuren. Schwäbische Auswanderung in den Kaukasus. Dokumentation zur Ausstellung im Heimatmuseum Reutlingen (2017)

Rückblick auf den Gemeindenachmittag in Roigheim und den Gemeindeabend in Züttlingen

21. Juni 2023 | | ,

Die Abgabe von Pfarrarchiven zur Verwahrung und Verwaltung an das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart löst in vielen Kirchengemeinden ein Unbehagen aus. Befürchtungen werden laut, ihre Archivalien wären damit den Gemeinden entzogen und künftige kirchengeschichtliche Forschungen durch die Aufbewahrung an einem entfernten Ort erheblich erschwert worden. Daher ist es wichtig, die Kirchengemeinden über den Verbleib ihrer Pfarrarchive und die Nutzungsmöglichkeiten ihrer historischen Überlieferung im Landeskirchlichen Archiv zu informieren und ihnen den Mehrwert einer dauerhaften sicheren Verwahrung verständlich zu machen.

Beitragende zum Züttlinger Gemeindeabend, v.l: Birgitta Häberer, Bertram Fink, Ute Schüßler, Stefan Martin, Gudrun Haas, Julia Schäfer.

2013 und 2021 hatten die Kirchengemeinderäte von Züttlingen und Roigheim (Dekanat Neuenstadt) aus konservatorischen Gründen beschlossen, die Pfarrarchive zur Verwahrung und Verwaltung an das Landeskirchliche Archiv Stuttgart abzugeben. Die Kirchengemeinden konnten für die ehrenamtliche Erschließung der Archivalien im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart die Leiterin des heimatkundlichen Arbeitskreises Möckmühl, Frau Ute Schüßler gewinnen. Um die Durchführung von heimatkundlichen und kirchengeschichtlichen Forschungsvorhaben bereits vom heimischen PC aus vorbereiten zu können, sind die beiden von ihr erstellten ausführlichen Archivinventare auf der Website des Landeskirchlichen Archivs öffentlich zugänglich (Pfarrarchiv Roigheim hier und Pfarrarchiv Züttlingen hier ).

Am 13.06.2013 fanden im Roigheimer Gemeindesaal  und im Züttlinger Gemeindehaus Veranstaltungen statt, die sich mit den pfarramtlichen historischen Quellen und ihrer Bedeutung für die Erinnerungskultur beider Kirchengemeinden beschäftigten. Nachdem Dr. Bertram Fink, der zuständige Sprengelarchivar im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, den Weg der Archivalien vom Pfarramt bis zu ihrer Bereitstellung unter fachkundiger Beratung im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs nachgezeichnet hatte, stellte Ute Schüssler das jeweilige Archivinventar und einzelne Archivalien vor, die das weite Spektrum der pfarramtlichen Überlieferung abdecken. Auf diese Weise vermittelte Frau Schüßler einen lebendigen Einblick in das kirchlich-kommunale Leben beider Gemeinden. Der abschließende dritte Vortrag von der Sprengelarchivarin Birgitta Häberer hatte diejenigen Archivalien zum Thema, mit denen sich erfahrungsgemäß die Gemeindemitglieder am stärksten identifizieren, nämlich die Kirchenbücher beider Pfarrämter. Birgitta Häberer stellte die verschieden Gattungen und ihren Informationswert sowie deren Bereitstellung im gemeinsamen Kirchenbuchportal der landeskirchlichen Archive „Archion“  vor. So konnten einer sehr interessierten Zuhörerschaft an diesem Beispiel die Vorteile einer digitalen Bereitstellung von Archivalien vor Augen geführt werden.

Es bleibt zu hoffen, dass  Gemeindemitglieder in Zukunft den Weg in das Landeskirchliche Archiv Stuttgart finden und/oder die digitalen Angebote des Landeskirchlichen Archivs und seiner Kooperationspartner nutzen, um sich mit ihrer Kirchengeschichte zu beschäftigen. Wir haben guten Grund, optimistisch zu sein.

Begegnung im Archiv. Wer sind unsere Nutzerinnen und Nutzer. Teil 9

14. Juni 2023 | | , , ,

Wir treffen Helmut Walser Smith. Er ist Professor für Geschichtswissenschaft an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee. Derzeit macht er Recherchen für sein nächstes Buch, welches die Aufarbeitung der Erinnerung an die bundesrepublikanischen jüdischen Gemeinden in der Zeit nach dem Holocaust zum Thema hat. Der Schwerpunkt liegt hier auf württembergischen Kleinstädten mit ehemals jüdischen Minderheiten, im Sinne einer Mikrogeschichte. Er arbeitet im Landeskirchlichen Archiv hauptsächlich mit dem Bestand K 13 Hilfsstelle für Rasseverfolgte bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart. Diese Hilfsstelle wurde im Jahr 1945 von der evangelischen Landeskirche eingerichtet und wurde von Fritz Majer-Leonhard geleitet.

“In den 50er Jahren fehlten weitgehend genauere Kenntnisse, was mit den jüdischen Gemeinden geschehen war, wer ermordet worden war, wer den Holocaust überlebte, beziehungsweise wo die Gemeindeglieder nun lebten. Fritz Majer-Leonhard war einer der ersten, die frühe Statistiken über die Gemeinden erstellte. Auf eine Initiative von ihm ging es auch zurück, dass Anfang der 1960er Jahre vom Land Baden-Württemberg beschlossen wurde, eine Dokumentationsstelle einzurichten, so dass zum ersten Mal in Deutschland von offizieller Seite Daten aus den einzelnen Gemeinden erhoben wurden.”

Der Historiker nutzt seinen Forschungsaufenthalt auch zu Recherchen in anderen Archiven. Zum Beispiel im Stadtarchiv Stuttgart, wo etwa die Unterlagen der Israelitischen Religionsgemeinschaft verwahrt werden. Im Stadtarchiv Ulm sieht er die Quellen ein, die mit der großangelegten Dokumentation im Zusammenhang stehen, welche die Stadt Ulm bereits Anfang der 60er Jahre in Auftrag gegeben hat. Außerdem nutzt er den Bestand der Dokumentationsstelle zur Erforschung der Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit, die das Hauptstaatsarchiv Stuttgart bereits digital zur Verfügung stellt.

Im November wird er noch einmal anreisen, um im Rahmen des vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg veranstalteten Stuttgarter Symposiums den Vortrag “Die Jews from Württemberg melden sich zurück: 1945 – 1988″ zu halten. Aus der Perspektive der New Yorker Organisation “The Jews from Württemberg” zeichnet er in dieser Veranstaltung die Erfahrungen und Begegnungen von Juden nach, die nach dem Holocaust die Orte ihrer ehemaligen Gemeinden besuchten.

 

 

Neuerscheinung: Transkription des Protokollbuchs für Polizei- und Gerichtssachen 1724-1817 des Bergamts Alpirsbach

7. Juni 2023 | |

Die ab 1642 in Württemberg eingerichteten Kirchenkonvente sollten für ein gutes, christliches Zusammenleben aller Bewohner sorgen. Zu diesem Zweck konnten die Konventsrichter jeden Einwohner und jede Einwohnerin bei Verstoß gegen die kirchliche und sittliche Ordnung heranzitieren, verhören und bestrafen. Jeden? – Nein! Nicht jeden. Die in den Bergbauorten im württembergischen Schwarzwald – v. a. Alpirsbach, Christophstal, Gutach (Ortenaukreis), Hallwangen, Hornberg (Ortenaukreis), Neubulach, Reinerzau und Schiltach – arbeitenden und zur örtlichen Einwohnerschaft gehörenden Bergleute unterstanden nicht der Jurisdiktion des Kirchenkonvents, sondern der des württembergischen Bergamts in Alpirsbach.

Deshalb sind – mit einzelnen Ausnahmen – in den Kirchenkonventsprotokollen keine Einträge zu Bergleuten zu finden. Stattdessen ist – zumindest für die Zeit von 1724 bis 1817 – das Protokollbuch für Polizei- und Gerichtssachen 1724-1817 des Bergamts Alpirsbach heranzuziehen, das im Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Bestand A 58 a unter der Signatur Bü. 232 (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-1012076) überliefert ist.

In diesem Protokollbuch sind hauptsächlich Vergehen der Bergleute protokolliert, also in erster Linie Streit zwischen den Bergleuten, aber auch Auseinandersetzungen mit Nicht-Bergleuten. Daneben sind auch Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit und Vergehen gegen die geltenden Sitten (z.B. uneheliche Schwangerschaft) dokumentiert. Eine immer wiederkehrende Thematik und Streitursache ist der (übermäßige) Alkoholkonsum unter den Bergleuten. Daneben sind auch Befragungen einzelner Bergleute zu ihrer Herkunft, ehelicher Abstammung und vorherigen Tätigkeiten vor ihrer beabsichtigten Eheschließung mit örtlichen Bürgerstöchtern zu finden. In diesen Befragungen geben die betroffenen Bergleute nicht nur Auskunft zu ihrer Herkunft, sondern machen auch Angaben zu früheren Arbeitsorten und Kameraden, die mit ihnen denselben Weg gegangen sind. Ab 1790 sind hauptsächlich Vereinbarungen über Gedinge (Akkordarbeit) niedergeschrieben. Zu manchen Bergleuten lassen sich nur einzelne Einträge finden, einige Bergleute, v. a. Steiger, Schicht- oder Farbmeister, werden hingegen öfters erwähnt.

Dieses Buch stellt aufgrund seines Inhalts bei der Erforschung der Kontroll- und Regulierungsvorgänge hinsichtlich der Bergleute im Allgemeinen sowie bei Spezialuntersuchungen z. B. zu Konflikten oder Armut unter den Bergleuten oder zum Verhältnis zwischen denselben und der örtlichen Bevölkerung, aber auch bei biografischen Forschungen zu einzelnen württembergischen Bergleuten eine herausragende und für Württemberg einzigartige Quelle dar. Abhängig von der Häufigkeit der Erwähnung sind umfangreichere Studien zu einzelne Berufsgruppen und sogar tiefergehende Einblicke in das Leben bestimmter Bergleute möglich.

Wer in diesem Protokollbuch forschen möchte, muss sich nicht die Mühe machen, selbst im Hauptstaatsarchiv die alte Schrift zu lesen, da das Protokollbuch als Transkription vorliegt. Diese enthält erklärende Anmerkungen, ein Glossar, Personen-, Sach- und Ortsindizes sowie einen Index über die Gruben und Werke. Es wurde in der Reihe „Südwestdeutsche Quellen zur Familien- und Wappenkunde“ des Vereins für Familienkunde in Baden-Württemberg veröffentlicht und kann über die Webseite des Vereins bezogen werden.

 

Weitere Informationen zum Protokollbuch, einschließlich der Indizes sind auf https://www.uwe-heizmann.de/bergamtsprotokoll.html zu finden.