Reformationsmedaillen Eine Schenkung für die Museale Sammlung

29. Oktober 2021 | | , ,

Im Jahr 2015 vermachte der Pfarrer und frühere Kunstsachverständige der württembergischen Landeskirche Kurt Schaal (1928-2015) unserem Archiv rund 200 Münzen und Medaillen mit Motiven zur Reformation. Mittlerweile sind sie umfassend digitalisiert und über unsere Datenbank abrufbar.

Münzen waren ein ideales Medium für die Verbreitung von Botschaften und Propaganda, denn als Zahlungsmittel gingen sie durch Jedermanns Hände. Kein Wunder also, dass auch die evangelischen Fürsten das Geld nutzten, um ihre protestantische Gesinnung werbewirksam bekannt zu machen. Auf diese Weise geehrt, rückte der Reformator Martin Luther auf eine Ebene mit Berühmtheiten wie Kaiser, Fürsten oder Papst. Neben Porträts von Luther und seinen Mitstreitern wurden reformatorische Ereignisse abgebildet, aber auch Allegorien, die die reformatorische Glaubensauffassung ins Bild rückten. Wichtige identitätsstiftende Elemente wurden die sogenannten „Jubelmünzen“ anlässlich der Reformationsjubiläen. Zu den 200-Jahrfeiern der Reformation 1717 und der Übergabe der Augsburger Konfession 1730 prägte man erstmals in größerer Anzahl Gedenkmünzen und -medaillen. Eine Tradition, die sich bis heute fortsetzt.

Findbuch des Dekanatsarchivs Reutlingen jetzt online recherchierbar

26. Oktober 2021 | | , ,

Das Dekanatsarchiv Reutlingen ist eines der 49 Archive von württembergischen Kirchenbezirksverwaltungen, die im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart verwahrt werden. Jeder dieser Bestände wurde mindestens oberflächlich durch ein gedrucktes Inventar erschlossen, ein Teil davon auch durch Datenbanken, bei denen die einzelnen Verzeichnungseinheiten etwa durch Enthält- und Darin-Vermerke eine bessere Recherchierbarkeit ermöglichen. Neun Inventare von Dekanatsarchiven sind online recherchierbar. Neu dazu gekommen ist das nun vollständig verzeichnete Dekanatsarchiv Reutlingen, auf dessen Inventar nun bequem von Zuhause aus zugegriffen werden kann. Die Recherche erfolgt entweder systematisch durch die Bestandstektonik oder über eine Volltextrecherche.

Das Dekanatsarchiv Reutlingen umfasst insgesamt 65 laufende Regalmeter an Protokollbänden und Akten. Die Reichsstadt Reutlingen wurde  zwar durch Matthäus Alber bereits früh reformiert, und zwar noch vor Württemberg, wie in Württembergische Kirchengeschichte Online nachgelesen werden kann, aber die Stadt gelangte erst im Gefolge des Zusammenbruchs des Alten Reichs im Rahmen der Mediatisierung 1802 an Württemberg. Aus diesem Grund beginnt die Überlieferung des Dekanatsarchivs, – abgesehen von wenigen Ausnahmen -, erst Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Bestand beinhaltet auch die Pfarrarchive der Stadt Reutlingen, so wie sich etwa bis zum Ende des zweiten Weltkrieges entwickelt hatten.

Welche Akten des Bestands der einzelne am interessantesten findet, wird jeweils vom eigenen Forschungsinteresse abhängig sein. Eine besondere Perle der Überlieferung scheinen uns jedoch die Unterlagen des Baubüros der umfassenden Bauarbeiten an der Marienkirche, – der Hauptkirche der Stadt -, zu sein, die den Zeitraum von 1893 bis 1902 abdecken. Es finden sich dort allerlei Rechnungs- und Planungsunterlagen, mit denen sich der damalige Umbau akribisch verfolgen lässt. Ein besonders leichter Zugang zu den damaligen Baufortschritten lässt sich an den Zeitungsausschnittssammlungen ablesen, die man chronologisch geordnet in den Bestellnummern 3395 bis 3398 finden. Dort wurden auch verschiedene Programme, Gedichte, Rückblicke abgelegt, die anlässlich der Wiedereinweihung der Marienkirche im Jahr 1901 entstanden. Wen es interessiert, wie die Feierlichkeiten unter Anwesenheit der königlichen Hoheiten abliefen, welche Gedichte vorgetragen wurden, was man zum Festmahl aß (im ersten Gang z.B. eine “falsche Schildkrötensuppe”), und von welchen musikalischen Klängen das üppige Mahl begleitet wurde, wird hier fündig. Außerdem finden sich im Bestand zahlreiche, oft großformatige, und künstlerisch wertvolle Pläne und Detailzeichnungen, die während der Bauphase angefertigt wurden. Eine wahre Fundgrube für Kunsthistoriker. Einen kleinen, – aber wirklich nur sehr kleinen -, Einblick in das, was der Bestand an interessanten Dokumenten enthält, wollen wir mit unserer Auswahl an Digitalisaten bieten.

Link: Online Findbuch des Dekanatsarchivs Reutlingen

 

Tagung der Arbeitsgemeinschaft Inventarisation in der EKD

11. Oktober 2021 | |

Der seit 1994 bestehenden Arbeitsgemeinschaft Inventarisation in der EKD gehören die hauptamtlichen Inventarisatoren/innen bzw. Kunstreferenten/innen der einzelnen Gliedkirchen der EKD an, die sich bei einer jährlich stattfindenden Tagung über ihre Erfahrungen und den jeweiligen Stand der Inventarisation austauschen. Zudem nimmt jeweils eine Rechtsperson der EKD zur Klärung juristischer Fragen an den Jahrestagungen teil. Mit den katholischen Bistümern besteht der Kontakt über die jeweiligen Sprecher der AG, die ebenfalls jährlich anwesend sind.

Höhepunkt der diesjährigen Tagung am 23./24. September im hessischen Hanau war der Besuch der Staatlichen Zeichenakademie Hanau. Die Akademie wurde bereits 1772 durch den damals in Hanau residierenden Grafen von Hanau-Münzenberg, Landgraf und Erbprinz Wilhelm iX. von Hessen-Kassel als Zeichenschule gegründet. Das Ziel der Ausbildungsstätte bestand zunächst in der Steigerung der Entwurfsqualität der Hanauer Gold- und Silberschmiede für Schmuck und Silbergerät. Bereits 1837 wurde das Fächerangebot erheblich erweitert und 1866 durch Julius Carl Raschdorff ein Neubau geschaffen. Durch die beiden Erweiterungsbauten von 1973 und 2005 stellt dieses nach dem Zweiten Weltkrieg wiederhergestellte Gebäude heute den Altbau dar. Heutzutage werden in der Stattlichen Zeichenakademie Goldschmiede, Silberschmiede, Metallbildner, Graveure, und Schmucksteinfasser mit handwerklicher Grundausbildung und Berufsfachschule mit Berufsfachschulabschluss ausgebildet. Es besteht auch die Möglichkeit, eine Meisterprüfung abzulegen.

Für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der AG war der Besuch äußerst spannend und aufschlussreich. Die Führung durch die Werkstätten der Gold- und Silberschmiede visualisierte die große Anzahl an Werkzeugen und die gewaltige Vielfalt an Formvorlagen für die Bearbeitung der Metalle, ermöglichte den Austausch mit den Lernenden bei ihren Entwürfen und zeigte ihre großartigen Ergebnisse und die Preise, die sie bei stattgefundenen Wettbewerben erworben haben. Nicht zuletzt verblüffte der Blick in die Bibliothek mit einem enorm großen Bestand an Werken zur Gold- und Silberschmiedekunst, zur Metallverarbeitung, zur Kunstgeschichte und zum Design.

Eine weitere Führung fand in der wallonisch-niederländischen Kirche Hanau statt, die 1597 von Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg für niederländisch und französisch sprechende Glaubensflüchtlinge als reformierte Kirche gegründet und als Doppelkirche erbaut worden war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde lediglich die kleinere niederländische Hälfte wiederaufgebaut, während der größere wallonische Teil Ruine geblieben ist und heute in das Gemeindezentrum integriert ist. Das Rauminnere der mehrseitigen Kirche besticht durch zentrierte Verbundenheit zwischen den Gläubigen und der Kanzel an der Schnittstelle der beiden einstigen Kirchen.

Ausstellung 160 Jahre Tempelgesellschaft

11. Oktober 2021 | |

Vom 14. Oktober bis 31. Dezember 2021 wird in Ludwigsburg eine Ausstellung des Landeskirchlichen Archivs und des Stadtarchivs Ludwigsburg gezeigt.

Gründer der Tempelgesellschaft, die im weitesten Sinne den pietistischen Strömungen Württembergs zuzurechnen ist, war der 1815 in Leonberg geborene Christoph G. J. Hoffmann, Sohn des Gründers der württembergischen Brüdergemeinde Korntal. Hoffmanns religiöse Erziehung in der Brüdergemeinde in Korntal und sein Theologiestudium an der Tübinger Universität prägten nachhaltig seine Vorstellungen von Glauben, Gesellschaft und Kirche. Zusammen mit dem ehemaligen Kaufmann Georg David Hardegg (1812–1879) aus Ludwigsburg, einem ausgewiesenen Demokraten, griff er die als Babel diskreditierte Amtskirche scharf an und warb für den Gedanken, neben der bestehenden Kirche ein neues Volk Gottes zu formen. Bald formierte sich um Hoffmann und Hardegg eine Gruppe namens Jerusalemsfreunde. 1856 gründeten sie eine Knaben- und Mädchenschule im Kirschenhardthof (einem Gehöft bei Marbach). Hier sollte die Jugend im Geiste des Tempels erzogen und aus ihrem Kreis sollten die künftigen Sendlinge für das Heilige Land rekrutiert werden.

1861 wurde der Deutsche Tempel zu einer selbständigen religiösen Gemeinschaft mit Hoffmann als Bischof und Hardegg als Vorsitzendem. Die evangelische Kirche versuchte in den folgenden Jahren mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, die Anhänger der Templer zu bekämpfen. Der entscheidende Erfolg blieb ihr aber versagt. 1868 beschlossen die Templer, nach Palästina auszuwandern. 1869 wurde die Kolonie Haifa gegründet. Bis 1906 entstanden fünf weitere Siedlungen der württembergischen Templer: Jaffa (1869), Sarona (1871), Jerusalem (1873), Wilhelma (1902) und Bethlehem-Galiläa (1906). Die Blütezeit all dieser Kolonien lag im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam auch das Ende der Kolonien: Alle noch im Land verbliebenen Palästinadeutsche, Siedler wie Missionare, wurden von den britischen Mandatsbehörden interniert, ein Teil nach Australien verbracht, ein Teil gegen Juden aus dem deutschen Machtbereich ausgetauscht.

 

Bild: Der Salon bei Ludwigsburg circa 1850. Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Bildersammlung.

70 Jahre Staatsbürgerliche Bildungsarbeit der Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

8. Oktober 2021 | |

Das Feld der Politik sollten auch Frauen bestellen und aktiv mitgestalten können. Dieser Meinung war die Vorstandsfrau der Evangelischen Frauenarbeit in Württemberg, Maria Raiser, Landtagsabgeordnete der CDU und Vorsitzende des CDU-Frauenausschusses Nordwürttemberg. Die Evangelische Frauenarbeit in Württemberg – heute ist sie als Evangelische Frauen in Württemberg bekannt – wollten sechs Jahre nach Kriegsende die Frauen in den evangelischen Gemeinden und Mitgliedsverbänden für die Mitarbeit in der Demokratie gewinnen und die Möglichkeiten der politischen Partizipation ausschöpfen. Die Erfahrungen im Nationalsozialismus als bekennende Evangelische Frauen ihre Arbeit in den Gemeinden nur äußerst eingeschränkt fortführen zu können, war noch in zu guter Erinnerung. Die Demokratie wurde nun als Chance gesehen, sich aktiv einzubringen und die Rechte von Frauen einzufordern und zu vertreten. Ein Schritt in diese Richtung waren die Staatsbürgerliche Tagungen, deren erste vom 9. bis 11. Oktober 1951 im Gustav-Fischer-Haus der Evangelischen Diakonieschwesternschaft in Herrenberg stattfand. Ziel war es, Frauen über politische Zusammenhänge zu informieren, das Interesse dafür zu wecken und als Christinnen Gesellschaft und Politik mitzugestalten. Daher stand die Tagung unter dem Motto „Die Evangelische Frau und ihre Verantwortung für das öffentliche Leben.“ Neben den Referaten „Der Aufbau des deutschen Staates“ wurde u.a. darüber gesprochen, welche Aufgaben Frauen im Gemeinderat, Land- und Bundestag haben. Die Juristin Dr. Antonie Kraut, ehemalige Geschäftsführerin der Frauenarbeit der Evangelischen Landeskirche, referierte über die Gleichberechtigung der Frau. Die Tagung wurde ein Erfolg, wie aus dem Bericht einer Teilnehmerin zu entnehmen ist: „Die Zeiten sind gewesen, wo Christentum und Politik unvereinbar schienen. So ungern sich die Kirche auf die politische Kampfbahn begab: als die Thesen von Blut und Boden, von der Vernichtung unwerten Lebens und ähnliche Grundsätze aufgestellt wurden, musste sich die Kirche zum Worte melden. Heute im demokratischen Staate, wo es nicht mehr gilt: hie Regierung hie Volk, sondern jeder, auch die Frau, die Stimme laut werden lassen kann, wird die Gelegenheit meist nur zu kleinlicher Kritik wahrgenommen. Besonders die Frauen, von denen Sachkenntnis und tieferer Einblick oft nicht einmal angestrebt werden, haben viel versäumt. Es wird Zeit, dass sie aktiv ihren Einfluss geltend machen auf Gebieten, die das ganze Volk angehen, wie der Kampf gegen Schmutz und Schund, die Sozialgesetzgebung, Schule, Ehegesetz und Ähnliches. Eine Christenheit, die am politischen Leben nicht Anteil nimmt, verrät ihren Charakter als Salz der Erde“ (LKAS, K 6, 60, Bericht einer Teilnehmerin von der ersten Staatsbürgerlichen Tagungen 09.-11.10.1951.).

Die Staatsbürgerlichen Tagungen wurden bis 1989 von der Evangelischen Frauenarbeit veranstaltet. Von 1990 bis 1997 wurden die Tagungen als „Frau und Politik Tagung“ weitergeführt.

Das Inventar des Bestands K6 – Evangelische Frauenarbeit in Württemberg finden Sie hier.