Separatisten in Sterberegistern
Wenn in einem Sterberegister ausdrücklich vermerkt wird, dass die Bestattung ohne die üblichen kirchlichen Zeremonien erfolgte, ist dies auf jeden Fall ein besonderer Umstand, der erklärungsbedürftig ist. Im Sterberegister von Mühlhausen an der Enz sind einige solcher Einträge vermerkt. So wurde Ferdinand Friedrich von Stein bzw. vom Stain (1696-1737) am 21. November 1737 nachts ohne kirchliche Zeremonien bestattet, wie auch seine Schwester Christina Louisa am 17. Mai 1750 und auch der ehemalige Warmbronner Pfarrer Christian Friedrich Cuhorst (1705-1750) am 28. April 1750. Bei allen drei Personen wurde im Sterberegistereintrag ausdrücklich vermerkt, dass sie sich dem Separatismus zugewandt hatten, also einem radikalen Pietismus, dessen Anhänger sich von der Amtskirche abwandten, da sie diese als zu verweltlicht ansahen. Bei Christina Louise wurde auch ihr zurückgezogenes, stilles und ihrer Glaubensrichtung entsprechendes eheloses Leben (in coelibatu) auf dem Schloss vermerkt.
Bei zwei weiteren Personen ist bekannt, dass sie ebenfalls Separatisten waren, nämlich Walrad Heinrich von Stein (-1746) und seinem langjährigen Hausvogt Johannes Wunderlich (-1752). Wunderlich scheint kurz vor seinem Tode den Wunsch geäußert zu haben, das heilige Abendmahl noch zu empfangen, so dass er am 6. April 1752 “christenlich zur Erden bestattet” wurde, also eine gewöhnliche Beerdigung mit allen kirchlichen Zeremonien erhielt.
Der Sterbeeintrag für Walrad Heinrich hingegen ist sehr knapp gehalten. Schon dies ist für den Todeseintrag eines Ortsherren des reichsritterschaftlichen Fleckens eher ungewöhnlich, da ähnliche Sterbeeinträge im Mühlhausener Sterberegister ansonsten durch ihre Ausführlichkeit deutlich unter den sonstigen Einträgen herausragen und beim Durchblättern sofort ins Auge springen. Es mag aber vielleicht auch dem minimalistischen Stil des damals noch amtierenden Geistlichen geschuldet sein. Seine Abkehr von der Amtskirche wird zwar nicht genannt, aber die ungewöhnliche Art der Beerdigung ist dennoch eindeutig. Er wurde “nachts neben seinem Bruder begraben”.
Die Spielart des Separatismus, der sich die Adeligen im Mühlhausener Schloss zugewandt hatten, war eine Gruppierung, die man als “Inspirierte” bezeichnet. Bereits 1729 besuchten die inspirierten Prediger Jonas Wickmark, Johann Friedrich Rock und Philipp Werner das Schloss. Zwei Jahre später fand in Mühlhausen unter der Obhut von Walrad Heinrich von Stein eine Inspirierten-Versammlung statt, an der auch der damalige Mühlhausener Pfarrer Brotbeck, wie auch aus den Nachbarorten die Pfarrer Rues (Dürrmenz), Gottlieb Seeger (Lomersheim), Georg Seeger (Friolzheim) und Johann Daniel Fulda (Möttlingen) teilnahmen. Ein Teil dieser Pfarrer wurde später entlassen, beziehungsweise versetzt. Als Brotbecks Nachfolger wurde der später als Liederdichter bekannte Pfarrer Philipp Friedrich Hiller (1699-1769) nach Mühlhausen versetzt, mit dessen Nomination die Kirchenleitung wohl eine Art Brückenschlag herzustellen suchte, zwischen der Ausrichtung des Pietismus, der sich im Rahmen der Amtskirche entwickelte und dem radikaleren Pietismus, der sich von der Amtskirche abwandte, wie er beim Ortsadel Anklang fand.
Quellen
KB, Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Sterbregister, S. 13.
KB, Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Sterberegister, S. 20.
KB, Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Sterberegister, S. 29.
KB, Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Sterberegister, S. 30.
KB Mühlhausen an der Enz, Mischbuch 1727-1799, Sterberegister, S. 35
Literatur
Eberhard Fritz, „Nicht sogleich wiederum zurück, sondern weiter und weiter!“ Die Inspirations-Reisen des Johann Friedrich Rock nach Württemberg und in südwestdeutsche Reichsstädte, in: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, Band 115, Stuttgart 2015.
Karl Hittler: Familien in Mühlhausen an der Enz 1641 – 1920: mit älteren Nachweisen ab 1596, Mühlacker 2013.