21. Dezember 2021 | Andrea Kittel | Kunstgeschichte, Museale Sammlung
Museale Sammlung, Nr. 93.1714
Museale Sammlung, Nr. 93.2477
Das Christkind, von Engeln behütet und geborgen. Mit wenigen Tusche-Strichen hat der Stuttgarter Künstler Robert Eberwein (1909-1972) im Jahr 1945 das Weihnachtsgeschehen skizziert – verbunden mit der Hoffnung auf Rettung und Schutz für sich und viele andere. Denn wie am unteren Bildrand zu lesen ist, befand er sich zu diesem Zeitpunkt in Kriegsgefangenschaft.
Später hat Eberwein viele Jahrzehnte lang biblische Geschichten illustriert und immer wieder weihnachtlichen Darstellungen von Bethlehems Stall geschaffen, so wie dieses in Schabekarton gekratzte Bild von 1970. Es zeigt, das Erschrecken der Hirten angesichts der Engelserscheinung, aber ebenso die traute Freude um das Neugeborene in der Krippe: Furcht und Verzweiflung – Vertrauen und Zuversicht. Erfahrungen, die Eberwein in seinem Leben selbst gemacht hat.
Auch die Engel sind wieder dabei. Dieses Mal, um die Botschaft der Christgeburt zu überbringen. Im Lukasevangelium spricht der Engel zu den Hirten: „Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird.“ Und die Menge der himmlischen Heerscharen stimmen mit ein: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lukas 2, 10, 14)
In der Musealen Sammlung des Landeskirchlichen Archivs befinden sich rund 800 Original-Zeichnungen, Aquarelle, Schabeblätter und Siebdrucke aus dem Nachlass von Robert Eberwein, darunter auch ein Konvolut an Skizzen und Zeichnungen aus seiner Zeit im Kriegsgefangenenlager.
6. Oktober 2020 | Andrea Kittel | Kunstgeschichte, Museale Sammlung, Nachkriegszeit, Zeitgeschichte
Der Stuttgarter Künstler Robert Eberwein (1909-1972) hat während seiner Kriegsgefangenschaft etliche Zeichnungen vom Lageralltag geschaffen und viele seiner Mitgefangenen porträtiert.
Am 19. April 1945 kam Eberwein in das Durchgangslager Rheinberg, das erste von den Alliierten errichtete Rheinwiesenlager, das von April bis September 1945 bestand. Unter Heranziehung deutscher Kriegsgefangener wurde es von den Amerikanern auf einem westlich von Rheinberg gelegenen 350 ha großes Acker- und Wiesengelände aufgebaut. Umgeben von hohen Stacheldrahtzäunen befanden sich dort acht Einzelcamps ohne jegliche Behausung, sanitäre Anlagen oder Versorgungsstruktur für rund 130.000 Gefangene. Kälte, Hunger, mangelnde Hygiene und fehlende medizinische Versorgung, grassierende Krankheiten und Tod gehörten zum Alltag. Als Eberwein dort ankam, war ihm sofort klar, dass er dieser verzweifelten Lage etwas entgegensetzen musste: er zeichnete. Im Krieg hatte er bereits als Zeichner bei einer Heereseinheit gedient. Nun dokumentierte er die drangvollen Lebensumstände im Lager, das Kampieren unter freiem Himmel, das Anstehen um Essen. Er skizzierte zerfurchte Gesichter, Gefangene beim Wasser holen, beim Waschen oder Schachspielen. Für eine gute Zeichnung bekam er manchmal ein Stückchen Brot.
Vom Durchgangslager Rheinberg kam Eberwein im Juni 1945 in das Kriegsgefangenenlager Auvours bei Le Mans in Frankreich. Dort bekam er immerhin ein Dach über dem Kopf, schlief mit 35 Mann in einem Zelt. Im Lager Auvour machte er mit seinen Skizzen weiter. Da er sich der christlichen Lagergemeinschaft angeschlossen hatte und sein künstlerisches Talent nicht unbemerkt geblieben war, wurde er im Oktober beauftragt, für die Krankenbaracken des Lagers einen Raum als Kapelle auszugestalten. Ein Lichtblick! Er schmückte die Wände mit dem Vaterunser, dem Glaubensbekenntnis und biblischen Motiven. Bis Weihnachten war das Ganze fertig. Doch schon im Januar wurde er mit weiteren 1 000 Mann in ein anderes Lager verlegt. Dort half er noch beim Aufbau und der Einrichtung eines Kirchenzeltes, bis er schließlich im Mai 1946 nach Hause entlassen wurde.
Künstlerischer Werdegang
Eberwein hatte, als Sohn eines Handwerkers, zunächst eine Schreinerlehre absolviert. In den Jahren 1929 bis 1933 besuchte er Zeichenkurse an der Stuttgarter Volkshochschule. Seine Lehrer waren Max Ackermann und Albert Volk. In den 30er Jahren lernt der junge Robert Eberwein durch Max Ackermann das Werk Adolf Hölzels kennen, das ihn nachhaltig beeinflusste. Hölzel rang bereits seit 1906 mit Farbe und Form, um gegenstandslose, freie Kompositionen zu schaffen. Dieses Ringen um eine neue Sprache der Kunst durchzieht auch das Werk von Robert Eberwein.
Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1946 arbeitete er zwei Jahre als Zeichenlehrer in Korntal, bis er sich als Maler, Grafiker und Illustrator in Ditzingen niederließ.
In den 1950er und 60er Jahre prägte Eberwein zu einem wesentlichen Teil das Gesicht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Er war unter anderem Illustrator für den Quell Verlag und das Evangelische Gemeindeblatt, gestaltete Jahreslosungen und entwarf Bildteppiche für die Paramentenwerkstatt.
Die Kraft des Wortes war für das Schaffen Eberweins von wesentlicher Bedeutung. Grafisch gestaltete Bibelworte setzte er nicht nur für die Jahreslosungen um. Auch in seinem künstlerischen Werk wurden für ihn Bild, Schrift und Wort zunehmend zu einer Einheit. In Linolschnitten, Aquarellen, Bleistift-, Kohle- und Kreidezeichnungen setzte er sich – figürlich oder abstrakt – mit biblischen Inhalten und Symbolen auseinander.
Ein großer Teil seines künstlerischen Nachlasses, vor allem die Auftragsarbeiten mit religiösen Inhalten, befindet sich in der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv. Dabei sind auch zwei Mappen mit den Zeichnungen aus der Kriegsgefangenschaft (Inv. Nrn. 93.1676 – 93.1920). Diesen liegt ein handschriftlicher Bericht Eberweins über die Zeit seiner Kriegsgefangenschaft bei (Inv. Nr. 93.1678; 01-02).
Weitere Werke aus dem Schaffen des freien Künstlers befinden sich im Museum der Stadt Ditzingen.
Beachten Sie auch den Einstiegsbeitrag dieser Serie.
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Selbstgebastelte Zeichenmappe mit schriftlichen Aufzeichnungen
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Deckblatt Zeichnungen
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Porträt eines Gefangenen
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“Der Strom”
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Zeltinnenraum Frankreich
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Lageralltag in Rheinberg mit schachspielenden Gefangenen. Im Hintergrund ein Wachtturm.
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Gefangene hinter Stacheldraht
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Lagergottesdienst
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Schachspielende Gefangene in Rheinberg
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“Halt den Dieb!”
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Gefangene mit Aufsichtspersonal
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Weihnachten 1945 im Gefangenenlager
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Baracke im Lager in Frankreich
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Entwurf für einen Andachtsraum
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Psalm 126
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Entwurf Auferstandener Christus
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Eidechs. Mitbewohnerin im Lager
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Mäusestudien. Mittbewohner im Lager