16. März 2021 | Birgitta Häberer | Aktenfund, Kurioses
Im Archiv finden sich immer wieder rätselhafte Dinge, deren Bedeutung sich nicht auf Anhieb erschließen lässt. So wie dieses nur 9 x 8 cm große Herz aus dem Nachlass einer Pfarrfamilie, das mit seinen Zahlen, Bildern und Symbolen etliche Fragen aufwirft: Handelt es sich um die Gabe zu einer silbernen Hochzeit, da dieses Herz mit silberner Folie umrahmt ist? Was bedeuten die Jahresangaben in Verbindung mit Ansichten von Gebäuden? Stellen sie etwa die Lebensstationen und Wohnhäuser einer Familie dar, die 23 ½ Jahre in einem Gebäude lebte, dann umzog und dort 1 ½ Jahre lebte und nach 25 Jahren Ehe wiederum ein neues Heim bezog? Unter den jeweiligen Gebäudeansichten sind Garnele, Fisch und Tannenbaum abgebildet. Tanne und Garnele gelten als Fruchtbarkeitsymbole, der Fisch als Symbol der Taufe. Leider finden sich keinerlei Erklärungen zu diesem Fundstück, so dass ein weiter Raum für Spekulationen bleibt.
Während amtliche Überlieferungen aus Pfarr- und Dekanatsarchiven meist vorgegebenen Aktenplänen folgen und daher selten wirkliche Überraschungen bergen, gestaltet sich die Überlieferung privater Nachlässe weit weniger homogen und ist von der Persönlichkeit dessen beeinflusst, der die Unterlagen gesammelt hatte. Im Nachlass der Familien Hermann, der derzeit verzeichnet wird, trifft die Überlieferung verschiedener Familienzweige ganzer Pfarrerdynastien aufeinander. Bedeutende Namen der württembergischen Pfarrerschaft wie Hermann, Faber, Wurm und Sapper finden sich hier wieder, doch bestehen durch Heirat auch Verbindungen zur Klavierfabrik Kaim aus Kirchheim/Teck und dem Münchner Kaim-Orchester.
Einen Gutteil der Überlieferung macht die Korrespondenz zwischen einzelnen Familienmitgliedern aus, die jedoch weit über Privates hinaus von der Amtstätigkeit der einzelnen Pfarrer und späteren Dekanen geprägt ist. Ergänzt wird dieser Nachlass durch einen umfangreichen Fotobestand mit Aufnahmen der jeweiligen Pfarrer, Dekane und Prälat Theodor von Hermann. Fotos aus einer Zeit, in der Fotographie nicht so selbstverständlich und massenhaft vorliegt wie heute.
Dass in einem solch umfangreichen Familiennachlass gelegentlich Skurriles auftaucht, ist nicht ungewöhnlich. Auch wenn das rätselhaft gestaltete Herz die erfahrene Archivarin erst einmal ratlos zurücklässt – hübsch ist es allemal!
23. Oktober 2020 | Uwe Heizmann | Genealogie
Bei der Ahnenforschung hat man mal mehr, mal weniger das Glück, auf Ahnen zu stoßen, die einer bestimmten „exklusiven“ Amts- bzw. Berufsgruppe angehörten. Dazu gehören Amtsträger, wie z.B. Klosterverwalter oder Amtspfleger, oder Pfarrer. Diese Gruppen haben gemein, dass zu ihnen bereits umfangreichere Forschungen durchgeführt und dementsprechende Sekundärliteratur und Verzeichnisse vorhanden sind, welche die Forschung erleichtern oder sogar die Recherche in den Kirchenbüchern häufig unnötig machen.
Für die württembergischen Amtsträger ist hier „Der Pfeilsticker“ zu nennen, also das Werk „Neues Württembergisches Dienerbuch“ von Walther Pfeilsticker aus den Jahren 1957 bis 1975.
Für die Pfarrer sind es die Pfarrerbücher, die bereits seit einigen Jahrzehnten von den verschiedenen Landeskirchen herausgegeben werden. Für das Herzogtum Württemberg ist „Der Sigel“, also das Werk „Das evangelische Württemberg. Ein Nachschlagewerk“ von Christian Sigel zu nennen. Auf Grundlage dieses Werks wurde das Pfarrerbuch Herzogtum Württemberg und schließlich auch das Pfarrerbuch Königreich Württemberg erstellt, in dem über https://www.wkgo.de/personen/personensuche nach Pfarrern recherchiert werden kann.
Das Pfarrerbuch enthält umfangreiche biografische Angaben zu den Pfarrern, ihrem Werdegang und ihren Familien. Schnell wird ersichtlich, dass die Pfarrer gerne unter ihresgleichen blieben, der Pfarrerssohn häufig selbst Pfarrer wurde und die Tochter eines anderen Pfarrers ehelichte (oder zumindest in höhere Kreise einheiratete) und manche Pfarrerfamilien geradezu „Pfarrerdynastien“ bildeten.
Als Beispiel für eine solche „Pfarrerdynastie“ ist die Familie Binder genannt, die ausgehend von einem katholischen Priester und ersten evangelischen Pfarrer von Grötzingen (Lkr. Esslingen) zwei evangelische Äbte, einen Special-Superintendenten und mehrere weitere Pfarrer hervorbrachten.
Der Hochzeitseintrag vom 24. November 1750 in Bietigheim ist ein Beispiel für die Eheschließung zwischen Angehörigen zweier Pfarrersfamilien, geheiratet haben:
„H[err] M[agister] Christoph Friedrich Breeg, Pfarrer zu Hausen, Brackenheimer Dioeces, H[errn] M[agister] Johann Christoph Breegen, hochfürstl[ich] württemberg[ischen] Raths, Praelaten zu Herrenalb, Special Superintendenten zu Calw, und einer löbl[ichen] Landschafft in Württemberg zum größern Außschuß Assessoris, ehl[icher] Sohn, und Jungfr[au] Elisabetha Agatha, Herrn M[agister] Christoph Peter Binder, Special-Superintendant und Stadtpfarrers allhir ehl[iche] Tochter.“
Selbstverständlich heiratete nicht jede Pfarrerstochter einen Pfarrerssohn und nicht jeder Pfarrerssohn wurde selbst Pfarrer, sondern übernahm ein anderes Amt bzw. ging einem anderen Beruf nach.
Durch einen Nachtrag in einem Taufregister von Peterzell bei Alpirsbach ist ein Fall belegt, in dem ein Pfarrerssohn sich komplett von der Familientradition löste. Im Taufeintrag von Ferdinand Heinricus, dem Sohn des dortigen Pfarrers Johannes Hähnlin, vom 12. Oktober 1673 hatte ein anderer Schreiber später die Worte „Apostata factus et venator in aula principis Hechingensis“ nachgetragen. Übersetzt bedeutet dies: „Er wurde Abtrünniger und Jäger am Hof des Fürsten von Hechingen.“ Ferdinand Heinricus Hähnlin trat also zum Katholizismus über und verdiente seinen Lebensunterhalt als Jäger am Hof des Fürsten von Hohenzollern-Hechingen.
Biografische Informationen
Binder, Christoph, 28.12.1519-30.10.1596
Binder, Christoph, 28.01.1553-17.12.1623
Binder, Christoph, 11.05.1575-11.05.1575
Binder, Christoph, 23.10.1576-23.03.1631
Binder, Christoph Peter, 24.04.1696-26.12.1766
Binder, Georg, vor 1477-1548
Binder, Georg, 03.08.1548-08.06.1620
Binder, Hans Georg, 03.06.1580-02.11.1634
Binder, Thomas, 24.03.1607-um 1650: vgl. Thomas, 1644-1693 und Christoph, 1576-1631
Binder, Thomas, 07.07.1644-03.05.1693
Breg, Christoph Friedrich, 15.05.1720-08.11.1758
Breg, Johann Christoph, 21.04.1682-06.11.1752
Hähnlin, Johannes, 11.10.1635-24.7.1682
Quellen
KB Bietigheim, Eheregister 1733-1773, ohne Seitenzählung
KB Peterzell, Mischbuch 1606-1732, Taufregister 1648-1694, S. 30
Allgemeiner Literaturhinweis: Unsere Arbeitshilfe zur Forschung mit den württembergischen Kirchenbüchern kann zum Preis von 5,00 Euro bestellt werden.
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Pfarrerdynastie Binder
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Taufe 12.10.1673 in Peterzell
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Eheschließung am 24.11.1750 in Bietigheim