Demnächst: Jahrestagung des Vereins für Württembergische Kirchengeschichte

20. Oktober 2025 | |

Kirchen vor gesellschaftlichen Herausforderungen im 19. und 20. Jahrhundert: Katholische Aufklärung – Soziale Frage – Nationalsozialismus und Nachkriegszeit

Am 14. November ist es wieder so weit. Der Verein für Württembergische Kirchengeschichte veranstaltet in unserem Räumlichkeiten seine Jahrestagung. Dieses Jahr werden die eingeladenen Referenten verschiedene Facetten des oben genannten Tagungsthemas ansprechen. Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war eine Epoche tiefgreifender Umbrüche. Konfessionelle Gegensätze, die Soziale Frage in Zeiten der Industrialisierung, der Nationalsozialismus mit seinen ideologischen Ansprüchen und schließlich Krieg, Flucht und Neubeginn nach 1945 stellten Kirchen, ihre Amtsträger, Gemeinden und Institutionen in Württemberg vor große Herausforderungen. Im Zentrum steht die Frage, wie sie ihre Handlungsspielräume wahrnahmen, Verantwortung übernahmen und kirchliches wie gesellschaftliches Leben gestalteten. Diesen Themenfeldern sich die Tagung in vier Vorträgen nähern. Dr. Amelie Bieg beleuchtet die konfessionellen Auseinandersetzungen im Königreich Württemberg im Vormärz. Antonia Schmidt stellt die Frage, wie Pfarrer und Gemeinden auf die sozialen Nöte des 19. Jahrhunderts reagierten. Annegret Gellweiler M. A. untersucht die Rolle der Schwesternkongregationen in der Krankenpflege während des Nationalsozialismus. Prof. Dr. Hermann Ehmer zeigt, wie geflüchtete und vertriebene Pfarrer nach 1945 in der württembergischen Landeskirche einen neuen Wirkungsort gefunden haben. Der Schlussvortrag von Prof. Dr. Norbert Haag ist zugleich die Vorstellung seines neuen Buches „Dekane. Eine kirchliche Funktionselite 1918 bis 1948. Eine Untersuchung am Beispiel der Evangelischen Landeskirche in Württemberg”. Norbert Haag zeigt darin die Dekane als zentrale Gestalten kirchlicher Verwaltung, die in Weimarer Republik, „Drittem Reich“ und Nachkriegszeit zwischen Loyalitäten und Anpassungsdruck standen.

Mehr Informationen, den Flyer, sowie den Link zur Anmeldung finden Sie hier.

Foto: EABW

Neues Gesicht im Archiv

16. Oktober 2025 | |

Foto: EABW

Wir begrüßen unsere neue Kollegin Simone Kuper. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die konzeptionelle Mitarbeit im Bereich der Archivpflege, sowie die Bestandserschließung. Aufgrund ihres Interesses an der Geschichte hat sie nach der Schule zunächst ein FSJ Kultur im Kreisarchiv Warendorf  gemacht und dann beim Bundesarchiv in den Standorten Koblenz, Berlin und Freiburg ihre Ausbildung zur Archivarin absolviert. Ihre ersten beruflichen Erfahrungen sammelte sie im Stadtarchiv Bonn. Derzeit erschließt sie den Archivbestand der Evangelischen Hochschule Freiburg. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

Pfarrer Theophil Brendle (1896-1987): Ein kleiner Name in der großen Geschichte

6. Oktober 2025 | |

„Am 21. März des Jahres 1896 wird dem Oberschullehrer Oskar Brendle und seiner Frau Karoline Brendle, geborene Lederer, die Freude des Elterndaseins zu teil, denn genau an diesem Datum ist es, dass ihr Sohn, welcher den Namen Theophil bekommen soll, in Heilbronn das Licht der Welt erblickt.“

So gedachte ich, den Anfang meines ersten Beitrags auf dieser Seite des evangelisch-kirchengeschichtlichen Blogs zu verfassen. In diesem Beitrag soll es um den Nachlass des oben genannten Herrn Theophil Brendle gehen, der auch Inhalt meiner ersten Bestandsaufnahme im Rahmen meines FSJs ist. Bevor dieser Beitrag jedoch Aufsatzlänge erreicht und Sie, liebe Leserin, lieber Leser, gelangweilt weiter scrollen, weil Ihnen der Name unbekannt ist und die Einführung allein schon zu lang ist, möchte ich Ihnen hier schildern, warum auch der Nachlass eines kleinen Namens trotzdem nicht gänzlich uninteressant ist.

Unterschriftenliste der Gemeindeglieder in Hochdorf an der Enz. EABW, D 204, Nr. 5.

Anders als sein weitaus bekannter und zu Recht für die württembergische Kirchengeschichte bedeutender Namensvetter, der ehemalige Landesbischof Theophil Wurm, der zusammen mit dem protestantischen Landesbischof Bayerns, Hans Meiser, und vielen anderen bedeutenden Persönlichkeiten – darunter Dietrich Bonhoeffer, eine der wichtigsten Figuren der deutschen Geschichte – die unvorstellbare Zeit des Nationalsozialismus und des Kirchenkampfes auf Seiten der Bekennenden Kirche prägte, taucht unser Herr Brendle nur als ein sehr kleines, wenn auch nicht völlig uninteressantes Zahnrädchen in der geschichtlichen Bühnenmaschinerie auf.

Brendle, der seinem Dienstheft (ein Teil seines Nachlasses, der hier im Landeskirchlichen Archiv aufbewahrt wird) eine Porträtfotografie seines Landesbischofs Wurm beilegte, müssen die Vorgänge um dessen Absetzung im fortlaufenden Kirchenkampf äußerst bewegt haben. Wie tausend andere evangelische Gemeindemitglieder und Pfarrer entschloss er sich, Initiative zur Solidarität mit Wurm zu ergreifen und selbst seinen Part im Spiel der Geschichte zu übernehmen. Im Jahr des Ereignisses, 1934, war Brendle Pfarrer in der kleinen Gemeinde Hochdorf an der Enz nahe Vaihingen an der Enz. Auf seine Initiative hin wurden in der Gemeinde Unterschriften gesammelt, um zu protestieren.

Doch damit nicht genug: Dem Archiv liegt eine ganze Sammlung vor, in der wir von weiteren Taten Pfarrer Brendles im Zusammenhang mit dem Kirchenkampf und der Absetzung Wurms erfahren. Anlass der polizeilichen Ermittlungen war die Entdeckung der Kirchenflagge auf Halbmast, was das Misstrauen der NS-Polizei schürte. Auch Gemeindeblätter werden daraufhin beschlagnahmt. Grund: Ihr Inhalt sei zu politisch. Zudem geht das Gerücht um, der Gottesdienst stehe unter Beobachtung. Auf seine Nachfragen beim Württembergischen Innenministerium und beim Evangelischen Quellverlag erhielt Brendle allerdings nur spärliche Antworten.

Mappe Kirchenkampf. EABW, D 204, Nr. 26.

Doch der Auflauf der landesweiten Proteste sollte nicht wirkungslos bleiben: Auch wenn die gleichgeschaltete NS-Presse über die durch die Absetzung Wurms ausgelösten Massenproteste schwieg, so erklangen die Rufe der Protestgemeinde doch so laut, dass Hitler mit seinem Vorhaben zurückrudern musste und Wurm weiter Landesbischof bleiben durfte.

Die evangelische Michaelskirche in Hochdorf an der Enz. Fotograf: Harke. https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Mit seiner Unterschriftensammlung und der zusammengestellten Mappe mit Materialien zum Kirchenkampf hinterließ Brendle zwei wichtige Dokumente seiner Archivalien. Sie zeugen nicht nur von seiner Initiative und Solidarität mit Wurm, sondern sind auch für die Orts- und Kirchengeschichte Hochdorfs an der Enz von Bedeutung. Brendle wurde so zu einem kleinen, aber nicht unwichtigen Teil der großen Geschichte. Doch wie sehr der kleine Name eines Theophil Brendles im großen Einklang der Geschichte steht, davon kündigen auch andere Dokumente des von mir bearbeiteten Nachlasses: Brendles „Kriegschronik“ ist ein bleibendes, zeitgeschichtliches Zeugnis aus seiner Pfarrzeit in Heilbronn-Sontheim. Darin schildert er das Ende des Zweiten Weltkrieges aus ortgeschichtlicher Perspektive. Ebenso berührend sind die Dank- und Grußkarten, zum Beispiel jene der Familie Vollbrecht aus Gera-Zwötzen, die Teil der Korrespondenz der Familie Brendle in die DDR waren und bis Anfang der 80er Jahre andauerten. Dies ist nicht nur durch Dank- und Grußkarten, sondern auch durch Lieferscheine belegt.

Alles in allem mag der Name Theophil Brendle in den Augen der Geschichte nicht einmal eine Fußnote sein. Doch wenn man sich die Zeit nimmt, spricht sein Nachlass Bände über den Verlauf aus den Augen eines kleinen Ortspfarrers in Zeiten wie dem Kirchenkampf, der Naziherrschaft, dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der darauffolgenden deutschen Teilung. Während meiner gesamten Bearbeitungszeit konnte ich kein Bild von Pfarrer Brendle finden, sodass seine Person für mich immer ein körperloses Wesen blieb. Aber vielleicht passt dies auch zu Brendles Rolle im Gesamten: Es braucht kein Bild von ihm. Seine Figur, sein Wesen setzen sich aus dem Bestand seines Nachlasses zusammen und sein Wirken und Werk leben als Teil der württembergischen, wenn nicht deutschen Kirchengeschichte weiter.

Der Bestand, der Unterlagen von 1924 bis 1984 enthält,  wurde geordnet und verzeichnet. Das Archivinventar des Bestands Nachlass Theophil Brendle kann online hier eingesehen werden.

Tagung des AABevK in Stuttgart und Verabschiedung eines langjährigen Kollegen

2. Oktober 2025 | |

Vom 29. September bis zum 1. Oktober 2025 fand im Haus Birkach, dem Studienzentrum der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, die 15. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft der Archive und Bibliotheken in der Evangelischen Kirche statt. Das Tagungsthema lautete: „Demokratie braucht verlässliche Information“: Kirchliche Archive und Bibliotheken als Organisationen demokratischer Kultur. Ein Programmpunkt der Tagung waren Führungen durch das Archiv und die EHZ-Bibliothek in Stuttgart-Möhringen. Dabei stießen vor allem unser neuer Erweiterungsbau und die Fusion der Karlsruher und Stuttgarter Institutionen auf großes Interesse. Anschließend fand die feierliche Verabschiedung des Archion-Geschäftsführers Harald Müller-Baur statt, wozu sich noch viele weitere Gäste einfanden. Harald Müller-Baur ist in unserem Hause sehr bekannt, da er von 1990 bis 2013 als Sprengelarchivar im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart tätig war.

Fotos: EABW