Bestand der Evangelischen Sammlung erschlossen

23. Oktober 2024 | |

Nach mehreren Wochen Bearbeitungszeit ist nun der Bestand der Evangelischen Sammlung (K42) erschlossen und kann im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs eingesehen werden (unter Berücksichtigung der Sperrfristen). Auch eine Online-Recherche ist möglich.

Die Gründung der Evangelischen Sammlung in Württemberg war bedingt durch die theologischen und kirchlichen Veränderungen im Zuge der 68er-Bewegung. Zentrale Gründungsgestalt war der Esslinger Dekan Kurt Hennig. Man nahm Anstoß an der Politisierung der Kirche, dem Herauslösen der Verkündigung aus der Diakonie und der Infragestellung der Zuverlässigkeit und Autorität der Bibel. Deshalb wurde noch im Gründungsjahr 1969 eine Erklärung verabschiedet, die “in der Verworrenheit der gegenwärtigen Lage” der Kirche “einige unabdingbare Grundlinien” markieren wollte. Diese Erklärung wurde noch im selben Jahr von hunderten Personen unterschrieben, darunter über 400 Theologen der Württembergischen Landeskirche, u.a. auch Altbischof Martin Haug und Schriftsteller Albrecht Goes. Die Evangelische Sammlung wurde in den folgenden Jahren zu einem prägenden Faktor der württembergischen Kirchenpolitik. So waren die beiden Landesbischöfe Hans von Keler (1979-1988) und Theo Sorg (1988-1994) vor ihrem Bischofsamt zeitweise Vorstandsmitglieder der Evangelischen Sammlung.

Interessant dürften v.a. die Korrespondenzen (K42 Nr. 1-14) sowie die Vorstandsprotokolle (Nr. 19-20) sein. Besonders hervorzuheben ist die Auseinandersetzung um „Brot für die Welt“ (Nr. 14), in deren Zusammenhang Hansfrieder Hellenschmidt vom Amt des Schriftleiters und Dekan Werner Zeeb vom Amt des Vorsitzenden zurücktraten. Die Verhältnisbestimmung der Evangelischen Sammlung zur Ludwig-Hofacker-Vereinigung, zur Bekennntisbewegung „Kein anderes Evangelium“ und zur Konferenz Bekennender Gemeinschaften, die immer wieder in den Korrespondenzen und Protokollen begegnet, gibt Einblick in die komplexe Entwicklung und Geschichte der „evangelikalen“ Bewegung in Deutschland. Die Betätigung der Sammlung in Bezug auf die EKD (Ablehnung der Grundordnung 1976) und den ÖRK (z.B. Kritik an der Unterstützung von gewalttätigen afrikanischen Befreiungsbewegungen 1977-78) könnte ebenfalls auf Interesse stoßen.

Die Bestandsgeschichte und ein kurzer Überblick über die Geschichte der Evangelischen Sammlung in Württemberg können hier gefunden werden.

Rückblick auf die Tagung des Vereins für Württembergische Kirchengeschichte 2024

16. Oktober 2024 | |

Mehr als 60 Interessierte fanden den Weg ins Landeskirchliche Archiv zur Tagung des Vereins für Württembergische Kirchengeschichte, die sich anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Württembergischen Kirchenverfassung mit dem Thema Kirchenverfassungen befasste. Nach der Begrüßung durch den Vereinsvorsitzenden Dr. Claudius Kienzle eröffnete das langjährige Vorstandsmitglied Prof. Dr. Siegfried Hermle den inhaltlichen Teil der Veranstaltung mit einem Vortrag über die Entstehung der Württembergischen Kirchenverfassung. Prof. Dr. Heinrich de Wall, Kirchenrechtler an der Universität Erlangen, widmete sich in seinem Vortrag den näheren Umständen der Inkraftsetzung der Verfassung, die erst vier Jahre nach ihrer Ausarbeitung erfolgte. Prof. Dr. Jürgen Kampmann beleuchtete die Entwicklung der Kirchenverfassung im Dritten Reich, die weniger intakt blieb, als gemeinhin angenommen wird, und spannte den Bogen bis in die unmittelbare Gegenwart mit ihren neuen gesellschaftlichen Fragen.

In der Mittagspause bestand die Möglichkeit, sich im Foyer oder im Sitzungssaal mit einem warmen Mittagessen (Maultaschen, Kartoffelsuppe, salziges Gebäck) und geselligem Austausch für den zweiten Teil der Tagung zu stärken.

Nach der Pause und einführenden Worten von Dr. Viola Schrenk gab Dr. Hendrik Munsonius, Göttingen, einen Überblick über die Entwicklung der Kirchenverfassungen nach 1945, bevor die neuen Verfassungen der Mitteldeutschen (Prof. Axel Noack), der Badischen (Prof. Dr. Jörg Winter) und der Nordkirche (Prof. Dr. Peter Unruh) vorgestellt wurden. Die Tagung endete mit einer lebhaften und interessanten Podiumsdiskussion.

Buchpräsentation: Paul Veil – Ein Dorfpfarrer kann bei der “Reichspogromnacht” nicht schweigen

14. Oktober 2024 | |

Am 24. Oktober um 19.00 Uhr findet im evangelischen Gemeindehaus in Ebersbach-Roßwälden eine Buchpräsentation des neuen Werkes von Dr. Jörg Thierfelder statt. Im Anschluss an die Präsentation besteht die Möglichkeit, das Buch zu erwerben. Die Veranstaltung wird gemeinsam vom Verein für Württembergische Kirchengeschichte, der Evangelischen Kirchengemeinde Ebersbach und der Stadt Ebersbach an der Fils durchgeführt.

Weitere Informationen hier.

Foto: Paul Veil, LKAS

Veranstaltung zur ForuM-Studie im Landeskirchlichen Archiv

9. Oktober 2024 | |

Die Fachstelle zum Umgang mit sexualisierter Gewalt der Landeskirche und die Fachstelle für den Umgang mit (sexualisierter) Gewalt und Machtmissbrauch in der Diakonie Württemberg veranstalteten am 27.09.2024 im Landeskirchlichen Archiv einen Fachtag zum Thema „Nach der ForuM-Studie – Rückblick und Konsequenzen für kirchliches Handeln“.

Im ersten Referat stellte Dr. Andreas Hoell, Mitarbeiter der ForuM-Studie vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, „Kennzahlen und Umgang – Kennzahlen zur Häufigkeit sexuellen Missbrauchs im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland und Merkmale des institutionellen Umgangs mit Missbrauchsvorwürfen“ vor. In seinem Vortrag wurde deutlich, dass das Zuschnitt der Studie zur Auswertung der Personalakten der Landeskirchen nicht optimal war und für die Auswertung aller Personalakten wesentlich mehr Zeit in Anspruch benötigt worden wäre. So wurden nur die Disziplinarakten in die Studie aufgenommen.

„Die Datenlage der Evangelischen Landeskirche in Württemberg“ stellte der Leiter des Referats Archiv, Bibliothek, Dokumentenmanagement, Dr. Claudius Kienzle, vor. Er erläuterte den Aufbau einer Personalakte und die Vorgehensweise beim Aktenscreening sowie die vollständige Auswertung von ca. 9000 Personalakten einschließlich der Disziplinarakten im Zeitraum von 1945 bis 2020. Diese Datenmenge von 320 lfd. m. konnte im Anschluss an den Vortrag bei einer Archivführung besichtigt werden.

Als dritter Referent sprach Dr. Michael Frisch über „Resonanzen und Ambivalenzen: Zwischen Datenschutz und Aufarbeitungsverantwortung“.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine von Pressesprecher Dan Peter moderierte Podiumsdiskussion unter Einbeziehung des Publikums mit den Referenten, Prälatin Gabriele Wulz sowie Ursula Kress von der Fachstelle sexualisierte Gewalt. Vor der Podiumsdiskussion meldete sich Pfarrer Dierk Schäfer zu Wort, der als Seelsorger für Betroffene gearbeitet hat. Er klagte die evangelischen Kirche an, „Kinder geschändet“ zu haben, bei der Aufarbeitung Zeit zu schinden und bei den Anerkennungsleistungen für Betroffene Geld sparen zu wollen.
Als positiven Ausblick konnte Ursula Kress über die Einrichtung von unabhängigen regionalen Anerkennungskommissionen innerhalb der EKD berichten, die ab 2025 ihre Arbeit aufnehmen werden.

Foto: Podiumsdiskussion mit Dan Peter, Dr. Claudius Kienzle, Dr. Andreas Hoell, Prälatin Gabriele Wulz.

Ein eigentümliches Bild für den Oktober in einem Kirchenbuch

2. Oktober 2024 | | ,

Im ältesten Kirchenbuch von Neckarhausen (Dekanat Nürtingen) findet sich unter den Taufeinträgen des Jahres  1567 eine bildliche Darstellung des Monats Oktober. Ein rundes Gesicht bildet den ersten Buchstaben des Monatsnamens. Da der Kopf durch ein Barett, der Kopfbedeckung eines evangelischen Geistlichen, bekrönt wird, ist zu vermuten, dass es das Haupt des Neckarhausener Pfarrers darstellt, also der Person, die die Kirchenbücher führt, und somit ein Selbstporträt des Künstlers. Außerdem ist im Hintergrund ein langgestrecktes, hohes Gebäude mit einer beschlagenen, zweiflügeligen Rundbogentüre dargestellt. Es ist anzunehmen, dass es sich um eine Seitenansicht des Kirchengebäudes von Neckarhausen handelt.

Zu dieser Zeit war Magister Thomas Hess Pfarrer von Neckarhausen, insgesamt von 1563 bis 1574. Wir wissen nicht viel von ihm. Er hatte vier Kinder, die alle im Ort geboren wurden und er begann sein Studium 1551 in Tübingen, so dass angenommen werden kann, dass er sich zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Bildes in seinen dreißiger Jahren befunden hat. Laut Festschrift der Kirchengemeinde bestand eine Kapelle in Neckarhausen seit 1420. Das Gebäude wurde 1606 mehrfach stark verändert und erweitert. Andere Ansichten der ehemaligen Kapelle existieren nicht. Der alte Eingang der Kapelle scheint noch vorhanden zu sein. Es ist der Eingang von der Sakristei in die heutige Kirche.

Es stellt sich bezüglich dieser Zeichnung, die Frage, inwieweit sie realistisch ist, und ob daraus überhaupt etwas abgelesen werden kann. Vermutlich ist sie aus einer Laune heraus entstanden und offenbart nicht viel mehr als die Freude des damaligen Pfarrers an künstlerischen Skizzen, und vielleicht auch eine humoristische Ader.

Wir danken Herr Mike Pantel für den Hinweis auf diese Darstellung.

Permalink auf die Kirchenbuchseite auf Archion.

Literatur: 400 Jahre St. Bernhardskirche Neckarhausen, 500 Jahre selbständige Kirchengemeinde Neckarhausen : Festschrift. Weigel, Friedrich, Neckarhausen : Evang. Kirchengemeinde, 2007