Aus dem FSJ: Betende Hände

25. Januar 2023 | |

Diese Woche habe ich mit Frau Kittel eine riesige Sammlung „Betende Hände“ begutachtet und sortiert. Albrecht Dürer hat dieses Motiv 1508 gezeichnet. Seit den 1950er Jahren wurde es in allen möglichen Variationen kopiert und hing in vielen Häusern als Wandschmuck. Eine Dame hat die Sachen jahrelang bei Haushaltsauflösungen und Flohmärkten gesammelt und das Ganze dann der Musealen Sammlung im Landeskirchliche Archiv geschenkt.

Als wir die Bilder in unserem Besprechungsraum ausgebreitet haben, fiel die schwankende Qualität der Objekte auf. Die überraschende Zahl der unterschiedlichen Materialien zeigt, dass dieses Motiv in der Vergangenheit wohl sehr beliebt war. Bei diesen Bildern kommt es nicht auf das Einzelne an. Viele erscheinen uns heute kitschig und schlecht gemacht. Wichtig ist die große Menge der Bildnisse. Sie zeigt, dass die „Betenden Hände“ vielen Menschen etwas bedeutet haben.

Deshalb haben wir die gesamte Sammlung in die Museale Sammlung aufgenommen und kein Stück ausgeschieden. Die fast 400 Objekte haben wir in fünf großen Kisten und 26 Archivschatullen gut verpackt. Um diese Menge an Bildern zu erleben wäre es perfekt, diese Bildnisse im Ganzen auszustellen.

Auszüge aus der Sammlung (Inv. Nr. 23.020):

Georg Ferdinand Kittel (1832-1903)

18. Januar 2023 | | ,

Denkmal Ferdinand Kittel in Bangalore/Indien Foto: Bernhard Dinkelaker

Groß steht sein Denkmal an der „Mahatma Gandhi Road“ in Bangalore in Indien: Ferdinand Kittel, geboren am 7.4.1832 in Ostfriesland. Mit 18 Jahren ging er zur Ausbildung nach Basel – und lernte dort auch Griechisch, Lateinisch, Hebräisch, Englisch und Französisch. 1853 wurde er mit 21 Jahren von der Basler Mission nach Indien ausgesandt, wo er – unterbrochen durch zwei lange Heimataufenthalte – bis 1892 wirkte.

Warum wurde ihm dort ein Denkmal errichtet? Auf welchem Buch ruht seine Hand? Und warum trägt die Statue eine Fahne in der Hand?

Ferdinand Kittel tauchte wie kaum ein anderer Missionar in die Kultur Indiens ein. Wie Paulus „den Griechen ein Grieche“ (1. Kor. 9,20), so wollte er „den Indern ein Inder“ werden. Besonders widmete er sich der Kannada-Sprache, damals „Kanaresisch“ genannt. Das war nicht einfach, denn es gab mehrere Dialekte, dazu viele Fremdworte und Einflüsse aus anderen indischen Sprachen – und auch die kanaresische Schrift wurde in vielen Varianten geschrieben. Er gab eine Anthologie der kanare­sischen Literatur heraus und veröffentlichte eine Sammlung indischer Fabeln für die Schule. Das Leben Jesu schilderte er im Versepos „Kathamale“ in traditionellen indischen Versen und schrieb eigene Gedichte in Kannada.

Ihn begeisterten die bunten indischen Feste. Er schrieb der Missionsleitung: „Wir Evangelischen bieten den Sinnen der Heiden sehr wenig. Wir haben keine Processionen, keine eigentlichen religiösen Volksfeste, kein Gepränge in den Kirchen. Es dürften sich doch noch Ceremonien finden, die wir benutzen könnten – unschuldige volksthümliche Weisen“. Er schlug vor, christliche Lieder nach lokalen Melodien zu singen und mit traditionellen Instrumenten zu begleiten – aber die Missionsleitung war dagegen.

Sie befahl ihm auch, aus dem Dorf, wohin er gezogen war, wieder in die sichere Missionsstation umzuziehen, wo Hygiene und Gesundheit besser geschützt waren.

Foto von Georg Ferdinand Kittel vor der Aussendung 1853 (mit 21 Jahren). QS-30.001.0262.01

Nach zwanzigjähriger Arbeit veröffentlichte er 1894 ein Kannada-Englisch Wörterbuch mit 30.000 Einträgen auf 1758 Seiten – finanziell unterstützt vom Maharadscha von Mysore. Es ist nicht nur eine Übersetzungshilfe, sondern enthält viele Belege aus der einheimischen Literatur.  1903 folgte eine Grammatik. Damit schuf er den Standard dieser Sprache, die heute von ca. 44 Millionen Menschen gesprochen wird und in einer eigenen Schrift geschrieben wird. Es ist die wichtigste Sprache des indischen Bundesstaates Karnataka.

Ferdinand Kittels Wörterbuch Kannada-English von 1894. Quelle: ZVAB

Durch sein „Beffchen“ ist er in der Statue als Pfarrer erkennbar – aber das Buch, auf das er seine Hand legt, ist nicht die Bibel, sondern eben dieses für die Inder so wichtige Wörterbuch. Und es ist die rot-gelbe Fahne dieses Landes, die seine Statue in der Hand hält. So ehrt ihn dieses Land. Auch eine Stadt und ein College sind nach ihm benannt.

Als er 1860 die Basler Mission bat, wie es das damals üblich war, ihm eine Frau schicken, wurde ihm Pauline Eyth aus Tübingen vermittelt. Sie starb schon nach vier Jahren Aufenthalt in Indien. Darauf heiratete er in einem Heimaturlaub 1867 deren jüngere Schwester Wilhelmine Julie Eyth. Aus erster Ehe hatte er zwei Söhne, in zweiter Ehe wurden zwei Töchter und zwei Söhne geboren; ein Sohn wurde auch Missionar und setzte Ferdinand Kittels Arbeit in Indien fort.

1892 kehrte er endgültig nach Deutschland zurück und zog nach Tübingen. Die dortige Universität verlieh ihm für seine sprachwissenschaftliche Arbeit 1896 die Ehrendoktorwürde. Dort starb er am 18.12.1903.  In Indien ist er noch sehr bekannt; immer wieder besuchen Inder  – Christen wie Hindus –  sein Grab auf dem Tübinger Friedhof.

Kittels Grab auf dem Tübinger Friedhof. Foto Goesseln, wikimedia commons. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ferdinand_Kittel_Stadtfriedhof_T%C3%BCbingen.jpg

Schriftkundliche Herausforderungen in den Mötzinger Kirchenbüchern

11. Januar 2023 | |

In den Kirchenbüchern der Pfarrei Mötzingen (Landkreis Böblingen) stößt man auf verschiedene Einträge, die auch für geübte Forschenden schriftkundliche Herausforderungen darstellen.

Im Eheregistereintrag vom Ostermontag 1698 (Feria secunda paschalis, 25. April 1698) ist die Hochzeit eines Johannes Geigers, „Tragoner unter dem löbl[ichen] würtembergischen Regiment“ eingetragen.

Das große G ist auf Anhieb nicht zu erkennen, auf den ersten Blick sieht der Buchstabe eher wie ein großes A aus. Die spätere Ergänzung des Nachnamens mit Bleistift hilft an dieser Stelle aber weiter. Ohne den Bleistiftnachtrag (oder zusätzlich zu diesem) hilft ein Vergleich der Namen in den anderen Einträgen auf der Seite. Oben auf der Seite, in den Einträgen vom 1. Mai 1694 und dem 29. Januar 1695 findet man die Eheeinträge eines Georg Werners bzw. eines Joh. Georg Sattler. Da an diesen Stellen nichts anders stehen kann außer jeweils Georg, kann über diese Namen das große G eindeutig identifiziert werden.[1]

Im Eheregistereintrag vom „7. Herbstmon[at]“ (September) 1701 ist eine weitere Herausforderung zu finden. Erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass in diesem Eintrag die Hochzeit eines Blasius Großmann, „gewesener Dragoner unter dem fuggerischen Regiment“ eingetragen ist.

Während sich bei anderen Schreibern und Schriften (z.B. der Sütterlin), das große B und das große L ähneln, ist es in diesem Fall das große B und das große G. Ein Abgleich mit dem Eintrag vom „28. Weinmon[at]“ (Oktober) 1700 hilft weiter. Dort ist zweimal der Name Georg und zweimal das Wort Burger zu finden, so dass das große G bzw. das große B eindeutig identifiziert werden kann.[2]

Eine Herausforderung der etwas anderen Art stellen die Taufeinträge vom 4. November 1699 bis zum 3. März 1704 auf den Seiten 179 bis 184 dar. Johann Melchior Ruoff, der Pfarrer, der auch für die Ähnlichkeit von großem B und großem G verantwortlich ist, hat zum Zeitpunkt von Geburt und Taufe detailliertere Angaben gemacht als sein Vorgänger bzw. Nachfolger (vgl. Abbildung der Doppelseite 178f). Das beachtliche daran ist die geringe Buchstabenhöhe, mit der Ruoff die Einträge teilweise geschrieben hat – er muss mit einer sehr feinen Feder geschrieben haben. Diese geringere Buchstabenhöhe hat Ruoff (in Abstufungen) auch für die bei Militärangehörigen üblichen zusätzlichen Angaben verwendet.

Anhand des Ausschnitts von Seite 179 und den Detailabbildungen ist der Unterschied zwischen „Haupttext“ einerseits und Anmerkungen und zusätzlichen Angaben andererseits bzw. die geringe Buchstabenhöhe zu erkennen.

Im ersten Detailbild ist außerdem eine weitere Herausforderung zu sehen. Das kleine y und das kleine p im Nachnamen Nymphius sind auf den ersten Blick sehr ähnlich. In diesem Detail ist zudem in der zweiten Erwähnung des Nachnamen Nymphius (5. Zeile: „Nymphiq“) sowie in Notarius (6. Zeile: „Notariq“) das gängige Kürzel für „us“ zu sehen, das einem kleinen q oder einer tiefergestellten 9 ähnelt.[3]

 

[1] KB Mötzingen, Mischbuch 1560-1774, Eheregister 1564-1749, S. 33

[2] KB Mötzingen, M 1560-1774, E 1564-1749, S. 34

[3] KB Mötzingen, M 1560-1774, Taufregister 1595-1774, S. 178f