Teil III der quellenkundlichen Serie über den Kirchenkonvent: Sexualität
Die Ehe war ein zentraler Ordnungsfaktor der Gesellschaft und von oben geregelt. Dabei war festgelegt, ab welchem Alter geheiratet werden durfte, welche Zustimmungen nötig waren und welche Vermögensverhältnisse vorliegen mussten. Ehen sollten nach Ansicht der Gemeinden nur dann geschlossen werden, wenn die Begründung eines einigermaßen soliden Hausstandes gewährleistet schien, also die Eltern die zu erwartenden Kinder selbst versorgen konnten. Durch die Eheschließung und die Gründung eines eigenen Hausstandes (status oeconomicus) wurde der Mensch der Frühen Neuzeit erst zum vollen Mitglied der Gesellschaft. Knechte und Mägde waren außen vor.
Seit der Reformation wurde die Ehe in den protestantischen Gebieten eine weltliche Sache – mit kirchlichem Segen. Vor allem auf dem Land betrachtete die Bevölkerung im 17. und zum Teil noch im 18. Jahrhundert die Verlobung als konstituierendes Element für eine eheliche Hausgemeinschaft. Innerhalb bestimmter Verhaltensregeln erlaubten die Gemeinschaften den Beischlaf der Verlobten, was im Gegensatz zur obrigkeitlichen Auffassung stand. Eine Eheschließung war immer eine das gesamte Dorf betreffende Angelegenheit, da eine Verbindung sowohl ökonomisch als auch hinsichtlich des Standes „passen“ musste. Männer mussten mindestens 25 sein und insgesamt musste ein bestimmtes Vermögen vorliegen. Waren diese Voraussetzungen gegeben und fanden die Treffen der Versprochenen in der Öffentlichkeit statt, wie zum Beispiel in den sogenannten Lichtstuben (Treffen zum Handarbeiten im Winter in einer beleuchteten Stube im Dorf), erlaubten die dörflichen Normen auch Sexualität, wie anhand des Albdorfs Laichingen festgestellt werden konnte. Wurden diese Regeln nicht eingehalten oder entzog sich im Fall der Schwangerschaft der Mann seinen Verpflichtungen, schritt das kirchliche Sittengericht ein. Aber man konnte manche Tatsachen auch für sich nutzen – eine nicht-eheliche Schwangerschaft schuf für einige Paare die Möglichkeit, ohne Vermögen eine Heiratserlaubnis zu erzwingen.
“Elisabeth, Melchior Riecken Filia at: 24: annorum bekennt, daß sie sich schwanger befinde seit 13 Wochen, und zwar von Jakob Uffrechten. […] at: 26 ann. Jakob Uffrecht gestand dies und gab weiter an, dass er ihr die Ehe versprochen habe und sie auch behalten wollte.”
Die Eltern der zum Zeitpunkt der Schwangerschaft 24-jährigen Elisabeth verfügten über keinerlei Vermögen. Hingegen waren die Vermögensverhältnisse der Eltern des werdenden Vaters günstiger, doch wollten diese vor ihrem Tod nichts davon abgeben. Das Paar heiratete am 7.8.1742 und bekam in den folgenden Jahren insgesamt zehn Kinder, von denen aber nur fünf die Kindheit überlebten. Vermutlich bedingt durch die ökonomischen Verhältnisse der Familie war die Eheschließung von dreien der Töchter ebenfalls erschwert, so dass sie ledig Mütter wurden. Ihre Kinder verstarben jedoch. (Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754, 4.5.1742)
Die entsprechenden Fälle in den Protokollen des Laichinger Kirchenkonvents erwecken den Eindruck, dass uneheliche Schwangerschaften ohne großes Aufheben abgehandelt wurden. Auch auf Seiten der Richter war man sich darüber im Klaren, dass solche Schwangerschaften nicht zu unterbinden waren. Vor allem Frauen nutzten den Kirchenkonvent, um ihre Interessen zu wahren. Leider wurde dieser Spielraum ab dem Ende des 18. Jahrhunderts immer enger bzw. durch den Pietismus sehr moralisiert und entmenschlicht.
Siehe hier die Einführung in die Serie über die Kirchenkonventsprotokolle.
Beitragsbild: Spinnstube. Otto von Reinsberg-Düringsfeld: Das festliche Jahr in Sitten, Gebräuchen und Festen der germanischen Völker. Mit gegen 130 in den Text gedruckten Illustrationen, vielen Tonbildern u. s. w. Spamer, Leipzig 1863. Bayerische Staatsbibliothek München, Signatur: Germ.g. 390 w
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