25. März 2019 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
In der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv befinden sich ein Frauentalar und ein Frauenbeffchen. Sie stammen von Charlotte Essich, einer der ersten württembergischen Pfarrerinnen. Beide Objekte zeugen davon, wie schwer der Weg der Frauen ins Pfarramt bis zur Gleichstellung im Jahr 1968 war.
Lange Zeit gab es für evangelische Geistliche keine einheitliche Amtstracht. 1811 wurde in preußischen Ländern erstmals eine Talarpflicht eingeführt. Erst 1888 verpflichtete ein Kirchenerlass die württembergischen Pfarrer zu schwarzem Talar und weißem Beffchen.
Als ab 1904 in Württemberg auch Frauen zum Theologiestudium zugelassen waren, wurde ihnen weder ein vollwertiges Pfarramt noch eine Amtstracht zugestanden. Sie firmierten als „Pfarrgehilfinnen“ und „Pfarrvikarinnen“ und waren vom Predigtamt und von Sakramentshandlungen ausgeschlossen. Ihr seelsorgerliches Amt versahen sie im schwarzen Kleid.
Charlotte Essich (1912-2008) studierte von 1931-1936 evangelische Theologie. Obwohl der Predigtdienst für Frauen damals noch nicht vorgesehen war, wurde Frau Essich während des 2. Weltkrieges, im Jahr 1943, als Kriegsstellvertreterin auf die Kanzel nach Cannstatt berufen. Das ging natürlich nicht im Kleid, also bekam sie einen umgearbeiteten Talar, der mit einem „frauengemäßen Verschluss“ und anliegendem Kragen versehen wurde. Ein Beffchen war nicht genehmigt, deshalb wurden weiße seidene Kragenecken angeknüpft.
1948 wurde offiziell eine Amtstracht für Frauen zugelassen und in Zuge dessen ein spezielles Frauenbeffchen geschaffen. Die Leiterin der Evangelischen Frauenarbeitsschulen Stuttgart, Johanna Binder, entwarf ein pflegeleichtes Krägelchen, das nur gebügelt und nicht gestärkt werden musste. Schließlich hatten die Pfarrerinnen keine dienstbaren Frauen im Hintergrund, die diese Aufgabe für sie übernommen hätten. Das „Frauenbeffchen“ war bis zur Gleichstellung durch die Einführung der Frauenordination 1968, und vielfach darüber hinaus, in Gebrauch.
Auf Württembergische Kirchengeschichte Online finden Sie auch einen ausführlichen Artikel zur Amtstracht in Württemberg von Wolfgang Schöllkopf.
18. März 2019 | Anette Pelizaeus | Bestand, Kirchen
Ulmer Münster, Gesamtansicht von Südosten. Aus: Zehn Deutsche Dome, Berlin 1939, S. 193.
Das Verzeichnungsprojekt der Ulmer Münsterbauhütte ist ein Kooperationsprojekt zwischen dem Landeskirchlichen Archiv Stuttgart und der kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Paderborn unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert Haag und Prof. Dr. Eva-Maria Seng, ausgeführt von Dr. Anette Pelizaeus und Sabine Tomas.
Im September 2016 wurde das Archiv der Ulmer Münsterbauhütte zur Verzeichnung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart eingeholt.
Das Archiv enthält erstens eine umfassende Quellensammlung, bestehend aus Amtsbüchern, Bauakten, Akten zum Münsterbauverein, Korrespondenzen, Tagebüchern der Münsterbaumeister, Hüttenmeister und Turmwärter, Bautagebüchern, Baufortgangsberichten, Steinhauer- und Arbeiterlisten, Zahltaglisten und Stammlisten der Mitglieder der Münsterbauhütte. Zweitens beinhaltet das Archiv auch ein umfangreiches Bildarchiv mit Fotos, Dias und ca. 4.000 Glasplatten.
Zunächst musste ein Profil für die Datenbank mit allen notwendigen Informationen zur Verzeichnung des Bildmaterials mit Lokalisation, Titulatur, Objektbeschreibung, ikonografischen und personenbezogenen Angaben, Datierung und einer detaillierten Indizierung erstellt werden, und zwar angelehnt an die allgemeinen Erschließung von Quellen und Bildmaterial im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart.
Die Dokumentation des Bildbestandes ist bereits abgeschlossen. Es wurden ca. 2500 Glasplatten und 3612 Positive, jeweils ausschließlich der Duplikate, in der Datenbank erfasst. Die verzeichneten Glasplatten werden nun in einem zweiten Schritt digitalisiert.
Die Erfassung des Quellenmaterials wird voraussichtlich noch bis Mai 2020 andauern.
Am 24. Mai 2019, 17.00 Uhr, ist ein Vortrag von Frau Dr. Pelizaeus und Frau Tomas zum Thema Münsterbauhütte geplant. Ort ist der Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs.
13. März 2019 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
Die Museale Sammlung im Landeskirchlichen Archiv konnte kürzlich wieder ein besonderes Objekt aufnehmen: Eine Bilderbibel, im Religionsunterricht gestaltet von Kindern unterschiedlicher Schularten aus der Prälatur Ludwigsburg. Dieses bunte Gemeinschaftswerk war ein Abschiedsgeschenk an die Prälatin Dorothea Margenfeld.
Als Dorothea Margenfeld 1992 zur ersten Prälatin in der Württembergischen Landeskirche ernannt wurde, war dies ein starkes Zeichen für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Viele begrüßten diesen Schritt. Andere wiederum konnten sich – 30 Jahre, nachdem Frauen zum Pfarramt in der Württembergischen Landeskirche zugelassen worden waren – damit nicht anfreunden. Ein Pfarrer bezeichnete öffentlich die Prälatur als unbesetzt und weigerte sich, Margenfeld als Vorgesetzte anzuerkennen. Erst ein offener Brief des damaligen Bischofs Theo Sorg ließ die Proteste allmählich verstummen. Als Margenfeld 2003 in den Ruhestand ging, hatte sie ihre Kritiker längst von sich überzeugt und erfreute sich großer Beliebtheit.
Bei ihrer Verabschiedung wurde ihr die von Kindern gestaltete Prälaturbibel überreicht – ein passendes Geschenk. Denn die besondere Weltsicht von Kindern hat Dorothea Margenfeld immer sehr interessiert wahrgenommen und wertgeschätzt. In ihren Texten, Briefen und Predigten, in Ansprachen und Andachten, kommen häufig Kinder vor. Sie stellen kritische Fragen und geben kluge Antworten. „Kinder halten am Unmöglichen fest“, sagte sie einmal in einem Interview. „Wir müssen als Christinnen und Christen am Unmöglichen festhalten – an der Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit inmitten einer friedlosen, ungerechten Welt. Und manchmal wächst dann ganz plötzlich und unvermutet etwas. Das ist ganz erstaunlich.“
Mit dem Ruhestand der Prälatin vor 15 Jahren wurde im Zuge einer Strukturreform die Prälatur Ludwigsburg aufgelöst und ihr Gebiet auf die umliegenden Prälaturen verteilt.
7. März 2019 | Jakob Eisler | Allgemein, Palästina, Reformation, Syrisches Waisenhaus
Ein neuer Fund aus dem Landeskirchlichen Archiv: Einer der Baumeister der Wittenberger Schlosskirche ging kurz nach der Einweihung nach Jerusalem und baute dort nicht nur die deutsche Erlöserkirche, sondern auch die Kirche des Waisenhauses.
Paul Ferdinand Groth mit Kind in Wittenberg 1891
Die ersten Verbindungen zwischen Wittenberg und Jerusalem gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Im Vorgängerbau der heutigen Schlosskirche legte „Friedrich der Weise“ 1515 eine umfangreiche Reliquiensammlung an, die aus dem Heiligen Land stammten und viele Wallfahrer von weither anzogen. Zwei Jahre später schlug Martin Luther aber nicht nur seine Thesen an die hölzerne Tür dieser Kirche, er geißelte auch die dortige Reliquienverehrung als Götzendienst. Weder von der Tür noch von den Reliquien ist heute noch etwas erhalten. Im Siebenjährigen Krieg brannte die Kirche 1760 vollständig aus. Anstelle der verbrannten hölzernen Thesentür stiftete der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 10. November 1858 anlässlich des 375. Geburtstag Luthers eine in Bronze gegossene Thesentür. Und Kaiser Wilhelm II. schließlich beauftragte ein Vierteljahrhundert später seinen Architekten Friedrich Adler mit einem neuerlichen Umbau der Kirche im neugotischen Stil. Sie sollte ein „Denkmal der Reformation“ zum 400. Luther-Geburtstag im Jahr 1883 sein.
Die Pläne Adlers für die Erlöserkirche
Bereits zu diesem Zeitpunkt gab es eine neue Verbindung nach Jerusalem. Der Architekt Adler hatte 1871 die Planung der deutschen Erlöserkirche am Muristan-Gelände in Jerusalem übernommen. In Wittenberg wurde Adler beim Bau der Schlosskirche tatkräftig von seinem Assistenten Paul Groth unterstützt, der später selbst nach Jerusalem gehen sollte und gewissermaßen ein architektonisches Band zwischen der Wittenberger Schlosskirche, der Jerusalemer Erlöserkirche und der Kirche im Syrischen Waisenhaus flechten sollte.
Wer war Paul Groth? Paul Ferdinand Groth wurde am 29. Juni 1859 als Sohn des Schiffskapitäns Johann Ferdinand Groth in Neu-Wintershagen (heute Grabienko, Polen) geboren. Er besuchte vom 7. bis zum 14. Lebensjahr die dortige Elementarschule. 1874 wurde er in das Realgymnasium zu Stolp (heute Słupsk, Polen) aufgenommen und blieb dort bis Ostern 1878. Er wechselte auf das Gymnasium in Danzig, wo er 1880 sein Examen ablegte. Daraufhin studierte er Hochbau an der Technischen Hochschule zu Berlin und lernte dort Friedrich Adler als Professor und Mentor kennen. Groth wurde nach erfolgreichem Studium am 6. Juli 1885 zum Regierungs-Bauführer ernannt.
Durch seine persönlichen Verbindungen zu Adler, der für die Umbaumaßnahmen der Schlosskirche in Wittenberg zuständig war, wurde Groth der Königlichen Baukreisinspektion zu Wittenberg zugeteilt. Dort machte er nach einem Jahr die Baumeisterprüfung und widmete sich nun ganz dem Umbau der Schlosskirche, in der sich Martin Luthers Grab befindet. Die Schlosskirche wurde am Reformationstag, dem 31. Oktober 1892 wieder eingeweiht.
Daraufhin wurde Groth vom Kuratorium der Jerusalem-Stiftung zu Berlin gebeten, die Bauleitung der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem zu übernehmen. Von September 1893 bis 1899 lebte er mit seiner Familie in Jerusalem.
Bei den Ausschachtungsarbeiten für die Fundamente der deutschen Erlöserkirche stieß er übrigens auf Gefäße und Münzen aus der Zeit des jüdischen Aufstandes im ersten und zweiten Jahrhundert, was eine historische Einordnung des Geländes überhaupt erst ermöglichte. Es handelte sich dabei um wichtige und bedeutende archäologische Funde. Groth berichtete darüber sehr detailliert an die Jerusalem-Stiftung in Berlin, die sich jedoch weniger für die Kupfermünzen und archäologischen Funde interessierte, als vielmehr für die Fertigstellung der Kirchenfundamente. Groth konnte deswegen diese Münzen im Privatbesitz behalten.
Innenansicht der Kirche des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem
Bei der Durchsicht der vertraulichen Protokolle des Syrischen Waisenhauses, dem sogenannten “Geheimbuch”, konnte Groth als Architekt eines weiteren Kirchenbaus in Jerusalem identifiziert werden. Parallel zu seiner Aufgabe am Muristan versuchte Johann Ludwig Schneller, der Leiter des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem, Paul Groth für den Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses zu gewinnen. Groth übernahm diese Aufgabe und war sogar für die Bemalungsarbeiten nach Fertigstellung der Kirche verantwortlich. Noch vor Einweihung der Erlöserkirche konnte der Bau der Kirche des Syrischen Waisenhauses abgeschlossen werden.
Die Erlöserkirche wurde am 31. Oktober 1898 von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gattin Auguste Victoria eingeweiht. Zu dieser Zeit fungierte Groth auch als Vorsitzender des Zweigvereins des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas“ in Jerusalem.
Er kehrte im Jahre 1899 nach Deutschland zurück und wurde in Hannover Kreisbauinspektor. In seinem Engagement für das Heilige Land ließ er aber nicht nach. Auf Bitten des Jerusalemsvereins zu Berlin begann Groth mit der Planung einer Kirche für die evangelische Gemeinde von Jaffa. Er fertigte 312 detailreiche Zeichnungen an, für die er jedoch kein Honorar verlangte. Nach der Einweihung in Jaffa im Jahre 1904 sorgte er auch für die Entwürfe der Innenmalereien, die 1907 angebracht wurden. Von Hannover zog Groth nach Halberstadt und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung. Er blieb bis zu seinem Lebensende in Kontakt mit der deutschen Gemeinde in Jerusalem. Paul Groth starb im hohen Alter in der DDR im Jahre 1955.
1. März 2019 | Andrea Kittel | Museale Sammlung
In der Musealen Sammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart befindet sich eine Entwurfszeichnung für einen Frauentalar aus dem Jahr 2008. Sie stammt von dem Nattheimer Künstler Rudolf Thelen und kam über den früheren Crailsheimer Dekan Dr. Winfried Dalferth ins Haus. Ein Gespräch der beiden über die Amtstracht von Pfarrerinnen und Pfarrer hat Thelen zu dieser Radierung inspiriert. Mehr als ein künstlerischer Impuls sollte daraus nicht werden. Zu lange mussten die württembergischen Theologinnen für ihre Gleichberechtigung kämpfen. Lange Zeit waren sie von Predigtamt und Sakramentshandlungen ausgeschlossen, firmierten als Pfarrgehilfinnen und -vikarinnen. Ihr seelsorgerliches Amt versahen sie im schwarzen Kleid. Das Tragen eines Talars war ihnen erst seit 1948 erlaubt – allerdings nicht mit Beffchen, sondern mit einem speziell für die Frauen entwickelten weißen Kragen. Erst seit der Einführung der Frauenordination im Jahr 1968 tragen Frauen dieselbe Amtstracht wie die Männer. Bestrebungen, modisch weibliche Akzente ins Amt einzubringen, haben sich bislang in Grenzen gehalten.