Inventarisierung der Walterichskapelle in Murrhardt
In diesem Jahr wurde im Zuge der Inventarisierung der evangelischen Stadtkirche in Murrhardt auch die nördlich angeschlossene Walterichskapelle in Augenschein genommen.
Dieser Inventarisierungsauftrag war etwas anders als sonst: Das zu untersuchende Objekt war wesentlich kleiner als sonst, da es sich nur um den Abschluss einer vor einigen Monaten begonnenen Inventarisierung handelte, bei der die Walterichskapelle nicht zugänglich war.
Ich traf Frau Dr. Pelizaeus morgens am Stuttgarter Hauptbahnhof und wir fuhren gemeinsam mit der Regionalbahn nach Murrhardt. Von dort ging es zunächst zum Pfarramt, wo wir die Schlüssel für die Gittertür zur Kapelle erhielten.
Die um 1230 erbaute Kapelle ist direkt an den Nordturm der ehemaligen Klosterkirche und heutigen Stadtkirche angebaut, hat aber neben dem Zugang zur Kirche einen separaten Eingang. Sie hat keine eigene Beleuchtung und durch die Fenster dringt nur wenig Licht in den Innenraum, was die Aufnahmen erschwert. Die Innenausstattung beschränkt sich auf wenige Gegenstände wie einen Opferstock, Leuchter und einen Altar. Die Innenwände sind mit romanischen Säulen und romanischen Rundbogenfriesen geschmückt. Zwischen den Säulen sind Sitzbänke in die Wände eingelassen, der Innenraum der Kapelle bleibt leer. Die Friese waren ursprünglich sehr detailliert mit verschiedenen Ornamenten und Darstellungen verziert. Auf einem der Kapitelle an der Südseite ist zum Beispiel ein Männerkopf zu sehen, der möglicherweise an den Klostergründer Walterich erinnern soll. Im Zuge von Renovierungsarbeiten wurde jedoch ein Teil der ursprünglichen Bausubstanz ersetzt. Das östliche Eingangsportal ist ein vierstufiges Rundbogenportal, das im Tympanon die Majestas Domini zeigt, dahinter befindet sich ein Eisentor, das in grün und gold bemalt ist. Für die Inventarisierung der Kapelle haben wir alle Ausstattungselemente (wie z.B. Leuchter oder Säulen) vermessen und Fotos von der Kapelle und Details im Innenraum gemacht. Die Dunkelheit in der Kapelle erschwerte die Arbeit, vor allem beim Fotografieren in der Nähe der Fenster. Aus diesem Grund war es nicht einfach, die Wandreliefs erkennbar zu fotografieren, aber einige Probleme konnten durch Nachbearbeitung gelöst werden.
Nach Abschluss der Inventarisierung gaben wir den Schlüssel zurück, besuchten aber vorher noch die Stadtkirche. Diese war zwar schon früher inventarisiert worden, aber aufgrund ihrer einzigartigen Bauweise trotzdem einen Besuch wert. Nach dem anschließenden Mittagessen ging es wieder zurück zum Bahnhof. Insgesamt war es ein sehr interessanter und schöner Tag. Im Vergleich zur Inventarisation der Gaggstatter Kirche, die aus einem Guss gebaut ist und ein ganz bestimmtes Bildprogramm mit eindeutigen Metaphern enthält, war mein Eindruck, dass die Murrhardter Walterichskapelle und die Stadtkirche kirchengeschichtlich viel interessantere Bauwerke sind.
Dies liegt vor allem an der Bausubstanz der Stadtkirche, die romanische, barocke und gotische Elemente enthält. Katastrophen wie der Bauernkrieg und der Stadtbrand von 1765 machten immer wieder Erneuerungen notwendig, allerdings nur in Teilbereichen. Dies und die im Laufe der Epochen wechselnde Nutzung der Kirche sind für den ausgeprägten Stilmix und den eigenwilligen Grundriss der Kirche verantwortlich. Auch archäologisch ist die Murrhardter Stadtkirche ein Schatz, da sie in den meisten Fällen nicht abgerissen, sondern überbaut wurde. So lassen sich Grundmauern oder auch Wandmalereien aus früheren Zeiten leichter rekonstruieren. So ist der Doppelchor der Kirche im Westen graublau übertüncht und im Osten im ursprünglichen gotischen Stil belassen. Dies erklärt sich durch die Übermalung der gotischen Malereien im Zuge der Barockisierung im Jahre 1682. Bei späteren Renovierungsarbeiten entschied man sich, beide Formen in bestimmten Bereichen der Kirche wiederherzustellen.
Im Gegensatz zum gotischen Hauptschiff sind die Kapelle und die Türme romanisch. 1430 wurde das ursprünglich romanische Langhaus durch ein gotisches ersetzt, die Türme blieben erhalten. Allerdings erhielten die Türme 1782 gotische Fenster, während die gotischen Fenster des Ostchors 1930 durch ein monumentales Glasfenster mit der Darstellung des auferstandenen Jesus ersetzt wurden. Die Kirche diente zunächst als Kloster und gewann im Laufe der Zeit als Grablege an Bedeutung, zunächst für ihren Gründer und Abt Walterich, dann auch für Graf Albrecht von Löwenstein und den Theologen Friedrich Oetinger. Erst 1806 wurde die Kirche offiziell zur Stadtkirche.
Fotos: Anette Pelizaeus, Landeskirchliches Archiv Stuttgart