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Serie zur Nachkriegszeit VIII: Abendmahl mit Bombenschrott. Vasa Sacra hergestellt im Kriegsgefangenenlager

3. November 2020 | | , ,

Feldgottesdienst im Kriegsgefangenenlager Böckingen. Kolorierte Federzeichnung von Hermann Fuhrmann, 1945 (Quelle: Stadtarchiv Heilbronn)

Ein Abendmahlskelch aus dem Schrott einer Granate? Eine Hostiendose aus dem Blech eines Ofenschirms? Einen Gottesdienst zu erleben und Abendmahl feiern zu können, bedeutete für Viele nach Ende des Krieges die Hoffnung auf Frieden und Neubeginn. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs war die Materialknappheit so groß, dass man zur Herstellung wichtiger, auch sakraler, Gebrauchsgegenstände nicht wählerisch sein durfte. Man verwendete alles, was aus den Trümmern geborgen werden konnte.
Der Kelch, die Kanne, die Patene und die Hostiendose wurden 1945 von deutschen Kriegsgefangenen im Lager Heilbronn-Böckingen für die Lagergottesdienste gefertigt.
In der Endphase des Zweiten Weltkriegs hatte die 7. US-Armee ab März 1945 große Teile Süddeutschlands erobert. Bei ihrem raschen Vorrücken fielen in kürzester Zeit Hunderttausende deutscher Kriegsgefangener in ihre Hände.
Auf freiem Feld, im Westen des heutigen Heilbronner Stadtteils Böckingen, errichtete die US Army ein anfangs sehr provisorisches Kriegsgefangenenlager. Für die rund 150.000 Gefangenen, die im Mai 1945 dort interniert waren, gab es keine Unterkünfte, zunächst nicht einmal Zelte, und kaum Essen und Wasser. Die offensichtlich problematischen Zustände führten zu spontanen Hilfsaktionen in der Bevölkerung. Der Böckinger evangelische Stadtpfarrer Theodor Zimmermann (1893-1974) nahm in diesen Wochen eine zentrale Rolle bei der Hilfe für die Gefangenen ein. Er sammelte Lebensmittel, Kleidung und Gebrauchsgegenstände. Da die Lager anfangs nicht betreten werden durften, wurden die Spenden, trotz Verbots, teils von amerikanischen Sanitätsoffizieren in das Lager gebracht, teils wurden sie über die Lagerzäune geworfen. Erst am 6. August 1945 genehmigte der amerikanische Chefarzt des Lagers offiziell den Transport von Hilfsgütern.
Sobald es möglich war, errang Pfarrer Theodor Zimmermann eine Sondergenehmigung zum Betreten das Lagers, so dass er dort regelmäßig Gottesdienste abhalten konnte. Die von Kriegsgefangenen gefertigten Vasa Sacra aus Bombenschrott bewahrte er noch lange nach dieser Zeit auf. Für ihn waren sie Zeugnisse für kirchliches Leben in Bedrängnis und Not. Aus seinem Nachlass kamen sie in die Museale Sammlung des Landeskirchlichen Archivs. Dort befinden sich noch weitere ähnliche Objekte von anderen Pfarrern aus Kriegsgefangenenlagern, etwa aus Livorno/Italien, Belgrad/Jugoslawien, Nancy/Frankreich und Mourmelon-Le-Petit/Frankreich.