Schlagworte: Kirchenkoventsprotokoll

Neuerscheinung: Transkription des Protokollbuchs für Polizei- und Gerichtssachen 1724-1817 des Bergamts Alpirsbach

7. Juni 2023 | |

Die ab 1642 in Württemberg eingerichteten Kirchenkonvente sollten für ein gutes, christliches Zusammenleben aller Bewohner sorgen. Zu diesem Zweck konnten die Konventsrichter jeden Einwohner und jede Einwohnerin bei Verstoß gegen die kirchliche und sittliche Ordnung heranzitieren, verhören und bestrafen. Jeden? – Nein! Nicht jeden. Die in den Bergbauorten im württembergischen Schwarzwald – v. a. Alpirsbach, Christophstal, Gutach (Ortenaukreis), Hallwangen, Hornberg (Ortenaukreis), Neubulach, Reinerzau und Schiltach – arbeitenden und zur örtlichen Einwohnerschaft gehörenden Bergleute unterstanden nicht der Jurisdiktion des Kirchenkonvents, sondern der des württembergischen Bergamts in Alpirsbach.

Deshalb sind – mit einzelnen Ausnahmen – in den Kirchenkonventsprotokollen keine Einträge zu Bergleuten zu finden. Stattdessen ist – zumindest für die Zeit von 1724 bis 1817 – das Protokollbuch für Polizei- und Gerichtssachen 1724-1817 des Bergamts Alpirsbach heranzuziehen, das im Hauptstaatsarchiv Stuttgart im Bestand A 58 a unter der Signatur Bü. 232 (http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=1-1012076) überliefert ist.

In diesem Protokollbuch sind hauptsächlich Vergehen der Bergleute protokolliert, also in erster Linie Streit zwischen den Bergleuten, aber auch Auseinandersetzungen mit Nicht-Bergleuten. Daneben sind auch Ungehorsam gegenüber der Obrigkeit und Vergehen gegen die geltenden Sitten (z.B. uneheliche Schwangerschaft) dokumentiert. Eine immer wiederkehrende Thematik und Streitursache ist der (übermäßige) Alkoholkonsum unter den Bergleuten. Daneben sind auch Befragungen einzelner Bergleute zu ihrer Herkunft, ehelicher Abstammung und vorherigen Tätigkeiten vor ihrer beabsichtigten Eheschließung mit örtlichen Bürgerstöchtern zu finden. In diesen Befragungen geben die betroffenen Bergleute nicht nur Auskunft zu ihrer Herkunft, sondern machen auch Angaben zu früheren Arbeitsorten und Kameraden, die mit ihnen denselben Weg gegangen sind. Ab 1790 sind hauptsächlich Vereinbarungen über Gedinge (Akkordarbeit) niedergeschrieben. Zu manchen Bergleuten lassen sich nur einzelne Einträge finden, einige Bergleute, v. a. Steiger, Schicht- oder Farbmeister, werden hingegen öfters erwähnt.

Dieses Buch stellt aufgrund seines Inhalts bei der Erforschung der Kontroll- und Regulierungsvorgänge hinsichtlich der Bergleute im Allgemeinen sowie bei Spezialuntersuchungen z. B. zu Konflikten oder Armut unter den Bergleuten oder zum Verhältnis zwischen denselben und der örtlichen Bevölkerung, aber auch bei biografischen Forschungen zu einzelnen württembergischen Bergleuten eine herausragende und für Württemberg einzigartige Quelle dar. Abhängig von der Häufigkeit der Erwähnung sind umfangreichere Studien zu einzelne Berufsgruppen und sogar tiefergehende Einblicke in das Leben bestimmter Bergleute möglich.

Wer in diesem Protokollbuch forschen möchte, muss sich nicht die Mühe machen, selbst im Hauptstaatsarchiv die alte Schrift zu lesen, da das Protokollbuch als Transkription vorliegt. Diese enthält erklärende Anmerkungen, ein Glossar, Personen-, Sach- und Ortsindizes sowie einen Index über die Gruben und Werke. Es wurde in der Reihe „Südwestdeutsche Quellen zur Familien- und Wappenkunde“ des Vereins für Familienkunde in Baden-Württemberg veröffentlicht und kann über die Webseite des Vereins bezogen werden.

 

Weitere Informationen zum Protokollbuch, einschließlich der Indizes sind auf https://www.uwe-heizmann.de/bergamtsprotokoll.html zu finden.

Teil V der quellenkundlichen Serie über die Kirchenkonventsprotokolle: Häusliche Gewalt gegen Ehefrau, Kinder, Mägde

21. August 2020 | |

Weitaus mehr als nur die Anklage wegen Kindesmisshandlung steht hinter einem tragischen Fall von 1742. Johannes Schwenk klagte zusammen mit seiner Tochter Barbara gegen deren Ehemann, den Kaufmann Georg Friedrich Schnitzer. Der Angeklagte hatte dem gemeinsamen Kind, geboren am 18.10.1741, während es krank war, kalte Milch zu Trinken gegeben und seine Kleidung nass gemacht. Nachdem ihn seine Schwiegermutter dafür gescholten hatte, beleidigte er sie als eine “krumme Scheißmaul”, zog seinen Degen und wollte sie damit verletzen. (Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754, 9.5.1742).
Der Kirchenkonvent befürchtete, dass Georg Friedrich Schnitzer seiner Frau und dem Kind etwas anhaben könnte. Da Lebensgefahr (“periculus in mora”) bestand, wurde ihrem Vater, dem Rößle-Wirt Johannes Schenk-Edel, erlaubt, sie und das Kind für acht Tage zu sich ins Haus zu nehmen. Barbara Schnitzer wurde befragt, wie ihr Sinn bei diesen und anderen unerträglichen viehischen Aufführungen ihres Mannes sei? Sie meinte dazu, dass sie an Leib und Seele zugrunde gehe. Sie halte ihren Mann für “incorigibel” (unverbesserlich) und wünsche die Scheidung. Georg Fridrich Schnitzer sagte aus, dass er alles nur als Spaß getan und es nicht böse gemeint habe. Er wolle sich bessern und freundlich mit seiner Ehefrau umgehen. Das Ehepaar wurde vom Kirchenkonvent zum Frieden ermahnt und ihnen Gottes Gnade und Segen mitgegeben. Sollte Georg Friedrich Schnitzer weiter auf seinem “Unsinn” beharren, drohte man ihm mit der Weiterleitung an höhere Stelle.
Als Marginale ist vermerkt, dass der Vater dem Kind Schnupftabak in die Nase gestopft und gedroht hatte, es in die Hüle (den Dorfteich) zu werfen oder in die kalte Kammer zu legen. Ebenfalls vermerkt ist dort, dass Amtmann und Pfarrer den Vater schon vor einem halben Jahr verwarnt hatten. Die gemeinsame Tochter Angelica verstarb im Haus der Großeltern am 11.5.1742 mit gerade acht Monaten.
Für den Kirchenkonvent schien damit der Fall zunächst erledigt gewesen zu sein. Er hatte seine Pflicht getan, indem er die Parteien zum Frieden ermahnt hatte. Genügend Gründe, um ein Scheidungsverfahren einzuleiten, lagen nicht vor. Sechs Jahre später, nachdem Georg Friedrich Schnitzer dann auch noch seine Magd geschwängert hatte (Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754, 13.2.1742, 14.2.1748: Schwangerschaft der Magd Angelica Moll)  und eine versuchte Vergewaltigung vorlag (Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754, 9.5.1742: Versuchte Vergewaltigung der Maria Bainer im Haus des Delinquenten), waren genügend Gründe gegeben und der Kirchenkonvent in Laichingen schaltete höhere Stellen ein. Das Ehegericht in Stuttgart beschäftigte sich dann mit dem Fall.
Die Scheidung muss Ende 1748 oder Anfang 1749 stattgefunden haben, da Anna Barbara Schwenk-Edel 1749 in zweiter Ehe den Metzger, Kaufmann und Krämer Leonard Hetzler heiratete. Aus dieser Ehe gingen sieben Töchter hervor, von denen aber nur zwei das erwachsene Alter erreichten und heiraten.
(Landeskirchliches Archiv Stuttgart, Pfarrarchiv Laichingen, Nr. 185.)

Beitragsbild: Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754, 9.5.1742.